Formulierung einer Kombination aus Opioid und α-adrenergem Agonisten und deren Verwendung
Die Erfindung betrifft Formulierungen von einem Opioid in Kombination mit einer bestimmten Menge an α-adrenergem Agonisten oder pharmazeutisch verwendbare Salze der beiden Wirkstoffe, sowie die Verwendung dieser als Schmerzmittel .
Opioide, beispielsweise Morphin, sind Analgetika, die zur Behandlung starker und stärkster Schmerzen eingesetzt werden. Ihre Anwendung ist jedoch limitiert durch
das Auftreten Opioid-typischer Nebenwirkungen wie Atemdepression, Emesis und Obstipation sowie durch die Entwicklung von Toleranz (Gewöhnung) und physischer wie psychischer Abhängigkeit (T. Reisine, G. Pasternak: Opioid analgesics and antanogists in „The pharmacologi- cal basis of therapeutics (Hardman JG, Limbird LE, Hrsg), McGraw-Hill, New York, Seiten 521-555 (1996).
Eine ausreichende analgetische Therapie Opioid-toleran- ter Patienten, die immer höhere Opioid-Dosierungen ver¬ langen, stellt ein großes Problem dar. Die Gewöhnung kann so ausgeprägt sein, daß Dosierungen -toleriert wer¬ den, die bereits bei erstmaliger Anwendung zur Atemlähmung und damit zum Tod führen würden. Die Toleranzent- wicklung beginnt bei regelmäßiger Verabreichung von Morphin spätestens nach 3 Wochen. Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, die Opioiddosierung zu reduzieren und die Entwicklung der Opioidtoleranz zu verhindern.
Es ist bekannt, Opioide zusammen mit nichtopioiden analgetisch wirksamen Substanzen, beispielsweise α- adrenergen Agonisten, zu verabreichen (J. Pharmacol . Exp. Ther. 255, 1107 (1990) und 2^8, 1392 (1996); Anesthesiology 8_3, 344 (1995); Eur. J. Pharmac. 296, 17 (1996); Pain 32_, 309 (1988)). Durch gleichzeitige Gabe von Clonidin, einem α-adrenergen Agonisten, wird der Verbrauch an Morphin und Antiemetika gesenkt. Diesem Vorteil steht jedoch eine Senkung des Blutdruckes und der Herzfrequenz als nicht zu unterschätzende Nebenwir- kung entgegen (Ann. Fr. Anest. Reanim. 1^, 233 (1995); Pain 6JL, 391 (1995); Anesth. Anaig. 8_0, 86 und 869 (1995); Can. J. Anaesth. 47 , 900 (1996)).
Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe bestand da- her in der Entwicklung einer Formulierung zur Behandlung starker und stärkster Schmerzen, das die analgetische Wirkung von Opioiden besitzt und gleichzeitig ein
deutlich reduziertes Opioid-typisches Nebenwirkungspo¬ tential aufweist. Darüber hinaus sollte das zu entwik- kelnde Schmerzmittel keine Senkung des Blutdruckes und der Herzfrequenz und keine Obstipation hervorrufen.
Es wurde nun gefunden, daß die an die zu entwickelnde Formulierung für ein Schmerzmittel gestellten hohen Forderungen von einer Kombination aus einem Opioid und einem α-adrenergen Agonisten oder pharmazeutisch ver- wendbaren Salzen davon, erfüllt werden, wobei der α- adrenerge Agonist in definierten Mengen vorliegt.
Gegenstand der Erfindung ist dementsprechend eine Formulierung enthaltend ein Opioid in Kombination mit einem α-adrenergen Agonisten oder pharmazeutisch verwendbare Salze der Wirkstoffe und weitere Hilfsstoffe worin, für den α-adrenergenen Agonisten die Dosierungseinheit in einer Menge zwischen 1 μg und 500 μg und die Dosierungseinheit für das Opioid in einer Menge zwischen 0,5 und 50 mg verwendet wird, so daß keine zentral bedingten Kreislaufeffekte auftreten.
Der Begriff „keine zentral bedingten Kreislaufeffekte" bedeutet, daß keine durch zentrale α-adrenerge Rezepto- ren hervorgerufenen Kreislaufeffekte auftreten und insbesondere die Herzfrequenz nach Applikation der erfindungsgemäß zu verwendenden Wirkstoffkombination nicht signifikant von der Ausgangsfrequenz abfällt.
Ein weiterer Erfindungsgegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Verwendung der Formulierung als Arzneimittel zur Schmerzbehandlung.
Die erfindungsgemäß zu verwendende Wirkstoffkombination zeigt gegenüber der alleinigen Verwendung eines Opioids eine deutliche Verstärkung der analgetischen Wirkung.
Verstärkung der analgetischen Wirkung bedeutet insbe-
sondere, daß mit einer deutlich verringerten Opioid- menge in der erfindungsgemäß zu verwendenden Wirkstoff- kombination der gleiche analgetische Effekt erzielt wird, der bei alleiniger Verwendung eines Opioids nur mit einer deutlich höheren Opioidmenge erreichbar ist. Darüber hinaus ist das durch Opioide in der erfindungs¬ gemäß zu verwendenden Wirkstoffkombination hervorgeru¬ fene Abhängigkeitspotential und die Toleranzentwicklung deutlich reduziert. Auch die obstipierenden Eigenschaf- ten sind im Vergleich zur alleinigen Verwendung eines Opioids oder eines α-adrenergen Agonisten erheblich verringert .
Als α-adrenerge Agonisten eignen sich insbesondere a.2~ adrenerge Agonisten, beispielsweise Clonidin, Apraclo- nidin, Guanfacin, Guanabenz, Methyldopa, Oxymetazolin, Xylometazolin, Teryzolin, ST-91, Medetomidin, Dexmede- tomidin, Agmatin, UK14,304, Para-Amino-Clonidin, U- 47,476A, DJ-74.1, ICI-106270, Xylazin, Talipexol (BHT- 920) , Lofexidin, Naphazolin, Tizanidin oder pharmazeutische Salze der genannten Agonisten. Vorzugsweise wird der α-adrenerge Agonist ausgewählt aus der Gruppe Clonidin, Guanfacin oder einem pharmazeutischen Salz der genannten Agonisten.
Als Opioide eignen sich insbesondere Morphin, Hydro or- phon, Codein, Oxycodon, Dihydrocodein, Dextropropoxy- phen, Buprenorphin, Levomethadon, Fentanyl, Sufentanil, Pethidin, Tilidin, Tramadol oder die pharmazeutischen Salze der genannten Opioide. Morphin, Tramadol oder ein pharmazeutisches Salz dieser beiden Opioide werden bevorzugt eingesetzt.
Opioid und α-adrenerger Agonist werden insbesondere zu- sammen in einer Dosierungsform appliziert, die zur oralen oder parenteralen Verabreichung bestimmt ist. Die zu verabreichende Wirkstoffmenge hängt von den zu ver-
wendenden Wirkstoffen sowie von dem Applikationsweg ab. Für die parenterale Applikation wird pro Dosierungseinheit Clonidin vorzugsweise in einer Menge zwischen 1 μg und 100 μg, besonders bevorzugt zwischen 25 μg und 100 μg, jeweils bezogen auf die Base, verwendet. Zur oralen Applikation wird pro Dosierungseinheit Clonidin vorzugsweise in einer Menge zwischen 1 μg und 50 μg, besonders bevorzugt zwischen 10 μg und 50 μg, jeweils bezogen auf die Base, und Guanfacin vorzugsweise in ei- ner Menge zwischen 5 μg und 500 μg, besonders bevorzugt zwischen 100 μg und 500 μg, jeweils bezogen auf die Base, eingesetzt.
Für die parenterale Verabreichung der zu verwendenden Kombination wird pro Dosierungseinheit Morphin typischerweise in einer Menge zwischen 0,5 mg und 10 mg, vorzugsweise in einer Menge zwischen 0,5 mg und 3 mg, jeweils bezogen auf die Base, und Tramadol insbesondere in einer Menge zwischen 1 mg und 50 mg, vorzugsweise in einer Menge zwischen 1 mg und 20 mg, jeweils bezogen auf die Base, eingesetzt. Kombinationen zur oralen Verabreichung enthalten pro Dosierungseinheit Morphin typischerweise in einer Menge zwischen 1 mg und 20 mg, besonders bevorzugt zwischen 1 mg und 5 mg, jeweils be- zogen auf die Base, und Tramadol insbesondere in einer Menge zwischen 5 mg und 50 mg, vorzugsweise zwischen 5 mg und 20 mg, jeweils bezogen auf die Base.
Gegenüber der alleinigen Verwendung eines Opioids zeigt die erfindungsgemäße Formulierung eine deutliche Verstärkung der analgetischen Wirkung, die mit einer Hemmung der Toleranzentwicklung bezüglich des Opioids einhergeht. Dies bedeutet insbesondere, daß mit einer deutlich verringerten Opioidmenge in der erfindungs- gemäß zu verwendenden Wirkstoffkombination der gleiche analgetische Effekt erzielt wird, der bei alleiniger Verwendung eines Opioids nur mit einer deutlich höheren
Opioidmenge erreichbar ist. Die Hemmung der Toleranzentwicklung durch kombinierte Behandlung mit einem α-adrenergen Agonisten und einem Opioid wurde an Ratten geprüft. Hierzu wurden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen Ratten entweder mit 46,4 mg/kg p.o. Morphinhydro- chlorid alleine oder in Kombination mit Clonidinhydro- chlorid behandelt. Nach jeder Behandlung wurde der analgetische Effekt bestimmt und mit dem Effekt der Behandlung am ersten Tag verglichen. Die Behandlung mit Morphinhydrochlorid alleine führte zu einem vollstän¬ digen Verlust der analgetischen Wirkung über den fünftägigen Versuchszeitraum. Dies bedeutet -eine vollständige Toleranzentwicklung. Wurde dagegen Morphinhydrochlorid zusammen mit dem α-adrenergen Agonisten Cloni- dinhydrochlorid in einer Menge von 0,0215 mg/kg p.o., die keine zentral bedingten Kreislaufeffekte hervorrief, verabreicht, blieb ein analgetischer Effekt über alle fünf Behandlungstage erhalten; er betrug am fünften Behandlungstag 85 ? des Effektes am ersten Behand- lungstag. Die kombinierte Gabe von Morphinhydrochlorid und Clonidinhydrochlorid verhinderte somit die analgetische Toleranz, die sich bei alleiniger Gabe von Morphinhydrochlorid entwickelte.
Untersuchung zum obstipativen Potential
Zur Ermittlung des obstipativen Potentials der Kombination aus einem Opioid-Agonisten mit einer a-adrenergen Substanz wurden exemplarisch Morphin und Clonidin an Ratten über fünf Tage lang peroral verabreicht. Die Tiere erhielten taglich eine Dosierung von 68 mg/kg p.o. Morphin und 0,068 mg/kg p.o. Clonidin als Einzelsubstanz sowie auch in Kombination beider Substanzen. Diese Dosierungen liegen jeweils circa um den Faktor 3 über den peroralen Dosierungen von Morphin und Clonidin, in denen eine additive antinozizeptive Wirkver-
Stärkung gesehen wurde und in denen die Toleranzentwicklung gegenüber der antinozizeptiven Wirkung voll- standig verhindert wurde. Am fünften Behandlungstag wurde nach der letzten Applikation der Testsubstanzen die gastrointestinale Propulsion anhand des Kohlepassage - Testes untersucht. Hierzu wurde eine Kohlesuspension intragastral verabreicht und zwei Stunden spater die Transportstrecke der Kohlesuspension vom Magenpylorus aus bis in das Intestinum bestimmt. Die Kohletransportstrecke in Tieren, die mit Morphin, Clonidin oder mit der Kombination behandelt wurden, wurde verglichen mit derjenigen von Kontrolltieren, die entsprechende Applikationen einer Vehikellosung
(0,9 % NaCl) erhalten hatten. Eine Verkürzung der Kohlepassagestrecke gegenüber der Kontrollgruppe zeigt eine obstipierende Wirkung aufgrund einer Hemmung des Magen-Darm-Transportes an. Morphin und Clonidin führten jeweils als Einzelsubstanzen zu Verzogerungen des Kohletransportes, was einer Hemmung der gastrointesti- nalen Propulsion entspricht. Überraschenderweise war dieser obstipative Effekt nach der kombinierten Behandlung mit Morphin und Clonidin (17±8 % Hemmung) geringer ausgeprägt als nach Behandlung mit den Einzelsubstanzen
(26+5 % bzw. 19±3 % Hemmung) (Tabelle 1) .
Tab. 1: Effekte einer 5-tagigen peroralen Behandlung mit Morphin, Clonidin sowie Morphin plus Clonidin auf die gastrointestinale Kohlepassage an Ratten.
Zur Herstellung der Schmerzmittel, die insbesondere zur Behandlung starker bis stärkster Schmerzen geeignet sind, werden die erfindungsgemaßen Verbindungen zusam- men mit Tragermaterialien, Füllstoffen, Bindemitteln, Zerfallsforderern, Schmiermittel, Losemitteln, Verdünnungsmitteln und/oder Farbstoffen eingesetzt. Für die orale Applikation eignen sich Zubereitungen in Form von Matrixtabletten, überzogenen Tabletten, Mehrschicht- tabletten, Sublingualtabletten, Kautabletten, Kaudragees, Kapseln, Granulaten, Tropfen, Saften oder Sirupen, für die parenterale Applikation Losungen, Suspensionen, leicht rekonstituierbare Trockenzubereitungen sowie Sprays. Die Zubereitungsformen können die Wirkstoffe verzögert freisetzen.
Für die orale Applikation werden unter dem Ausdruck „Füllstoffe" unter anderem Lactose, Starke, Dicalcium- phosphat, mikrokristalline Cellulose, Dextrose, Manni- toi oder Mischungen davon verstanden.
Als Bindemittel können Hydroxypropylmet ylcellulosen, Polyvinylpyrrolidine, Hydroxypropylcellulosen, Stärkekleister oder Mischungen davon eingesetzt werden.
Zur Gruppe der Zerfallsforderer gehören im Rahmen der vorliegenden Erfindung niedrig substituierte Hydroxypropylcellulosen, Crosspovidone, Crosscarmellose, Stärken, Pektine, Alginate, Tenside oder Mischungen davon.
Zur Gruppe der Schmiermittel, die verwendet werden, seien beispielhaft Magnesiumstearat , Stearinsaure,
Calciumstearat, Fettalkohole oder Mischungen davon aufgeführt .
Für die parenterale Applikation sind unter dem Ausdruck „Lösemittel" Wasser, Polyethylenglykol, Propylenglykol oder Ethanol beispielhaft aufgeführt.
Beispiele
Unter dem Begriff „PVP" sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung Polyvinylpyrrolidone zu verstehen.
„Ludipress" ist ein Substanzgemisch der BASF, "Mannheim. Es handelt sich um ein Granulat bestehend aus Lactose, Crosspovidonen und Polyvinylpyrrolidonen.
Beispiel 1
Herstellung von Sublingualtabletten
Morphin HCl wurde mit Lactose, Maisstärke und Mannitol gemischt und mit einer wäßrigen Lösung aus Clonidin, HCl, Zitronensäure, Natriumeitrat und PVP 30 granuliert. Nach dem Trocknen erfolgte Siebung, Mischung mit Magnesiumstearat und Verpressung zu Tabletten mit einem Gewicht von 65,00 mg.
Beispiel 2
Herstellung von Sublingualtabletten
Lactose, Maisstärke und Mannitol wurden gemischt und mit einer wäßrigen Lösung aus Clonidin, HCl, Buprenorphin HCl, Zitronensäure, Natriumeitrat und PVP 30 granuliert. Nach dem Trocknen erfolgte Siebung, Mischung mit Magnesiumstearat und Verpressung zu Tabletten mit einem Gewicht von 65,00 mg.
Beispiel 3
Herstellung von Tabletten
Morphin HCl wurde mit Lactose, Maisstärke und PVP CL gemischt und mit einer wäßrigen Lösung aus Clonidin HCl und PVP 30 granuliert. Nach dem Trocknen erfolgte Siebung, Mischung mit Magnesiumstearat und Verpressung zu Tabletten mit einem Gewicht von 70,0 mg.
Beispiel 4
Herstellung einer Trockenmischung
Morphin HCl, Clonidin HCl, Ludipress und Magnesiumstea- rat wurden in einem geeigneten Mischer gemischt und die Mischung zu Tabletten mit einem Gewicht von 70, 00 mg verpreßt .
Beispiel 5
Herstellung von Kapselformulierung
Morphin HCl, Clonidin HCl, Ludipress und Magnesiumstearat wurden in einem geeigneten Mischer gemischt und je 70,00 mg der Mischung in Kapseln gefüllt.
Beispiel 6
Herstellung von Tabletten
Tramadol HCl, Clonidin HCl, Mikrokristalline Cellulose, Natriumcarboxymethylstärke, Siliciumdioxid und Magne-
siumstearat wurden in einem geeigneten Mischer gemischt und je 70,00 mg in Kapseln abgefüllt.
Beispiel 7
Herstellung von Injektionsformulierung
Morphin HCl Trihydrat, Clonidin HCl und Natriumchlorid wurden in 900 ml Wasser für Injektionszwecke gelöst. Man gab soviel 0, 1 N Salzsäurelösung hinzu, daß ein pH- Wert von 6 + 0,2 erreicht wurde. Anschließend füllte man mit Wasser für Injektionszwecke auf 1,00 1. Die Dichte der Lösung betrug bei 20° C 1,003 mg cm-3. Der Ansatz wurde durch ein 0,23 μm Filter steril filtriert und zu je 1,0 ml in Ampullen abgefüllt. Die Ampullen wurden zugeschmolzen und bei 121 °C und 2 bar in einem Dampfautoklaven für 20 Minuten sterilisiert.
Beispiel 8
Herstellung von Zäpfchenformulierung
Hartfett wurde erwärmt und in die geschmolzene Masse Siliciumdioxid, Tramadol HCl und Clonidin HCl suspen- diert. Nach der Homogenisierung wurde die Masse kontinuierlich mit einer durchschnittlichen Masse von 1000 mg pro Suppositorium in 1 ml Formen gegossen und abgekühlt.