Beschreibung
Additive zur Inhibierung der Gashydratbildung
Gashydrate sind kristalline Einschlußverbindungen von Gasmolekülen in Wasser, die sich unter bestimmten Temperatur- und Druckverhältnissen (niedrige Temperatur und hoher Druck) bilden. Hierbei bilden die Wassermoleküle Käfigstrukturen um die entsprechenden Gasmoleküle aus. Das aus den Wassermolekülen gebildete Gittergerüst alleine ist thermodynamisch instabil, erst durch die Einbindung von Gasmolekülen wird das Gitter stabilisiert und es entsteht eine eisähnliche Verbindung, die in Abhängigkeit von Druck und Gaszusammensetzung auch über den Gefrierpunkt von Wasser (bis über 25 °C) hinaus existieren kann. Ein Überblick über das Thema Gashydrate ist in Sloan, Clathrate Hydrates of Natural Gases, M. Dekker, New York, 1990 zu finden.
In der Erdöl- und Erdgasindustrie sind insbesondere die Gashydrate von großer Bedeutung, die sich aus Wasser und den Erdgasbestandteilen Methan, Ethan, Propan, Isobutan, n-Butan, Stickstoff, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff bilden. Insbesondere in der heutigen Erdgasförderung stellt die Existenz dieser Gashydrate ein großes Problem dar, besonders dann, wenn Naßgas oder Mehrphasengemische aus Wasser, Gas und Alkangemischen unter hohem Druck niedrigen Temperaturen ausgesetzt werden. Hier führt die Bildung der Gashydrate aufgrund ihrer Unlöslichkeit und kristallinen Struktur zu Blockierung verschiedenster Fördereinrichtungen, wie Pipelines, Ventilen oder Produktionseinrichtungen, in denen über längere Strecken bei niedrigeren Temperaturen Naßgas oder Mehrphasengemische transportiert werden, wie dies speziell in kälteren Regionen der Erde oder auf dem Meeresboden vorkommt.
Außerdem kann die Gashydratbildung auch beim Bohren zur Erschließung neuer Gas- oder Erdöllagerstätten bei entsprechenden Druck- und Temperaturverhältnissen zu Problemen führen.
Um solche Probleme zu vermeiden, kann die Gashydratbildung in Gaspipelines oder beim Transport von Mehrphasengemischen durch Einsatz von größeren Mengen (zweistellige Prozentbeträge bezüglich der Wasserphase) an niederen Alkoholen, wie Methanol, Glykol, oder Diethylenglykol unterdrückt werden. Der Zusatz dieser Additive bewirkt, daß die thermodynamische Grenze der Gashydratbildung nach niedrigeren Temperaturen und höheren Drücken verlagert wird (thermodynamische Inhibierung). Durch den Zusatz dieser thermodynamischen Inhibitoren werden allerdings größere Sicherheitsprobleme (Flammpunkt und Toxizität der Alkohole), logistische Probleme (große Lagertanks, Recycling dieser Lösungsmittel) und dementsprechend hohe Kosten, speziell in der offshore-Förderung, verursacht.
Heute versucht man deshalb, thermodynamische Inhibitoren zu ersetzen, indem man in den Temperatur- und Druckbereichen, in denen sich Gashydrate bilden können, Additive (Einsatzmenge < 2 %) zusetzt, die die Gashydratbildung entweder zeitlich hinauszögern (threshold hydrate inhibitors, kinetische Inhibierung) oder die Gashydratagglomerate klein und pumpbar gestalten, so daß diese durch die Pipeline transportiert werden können (sog. Agglomerat-Inhibitoren oder Anti-Agglomerates).
Als Gashydratinhibitoren wurden in der Patentliteratur neben den bekannten thermodynamischen Inhibitoren eine Vielzahl monomerer als auch polymerer Substanzklassen beschrieben, die kinetische oder Agglomeratinhibitoren darstellen.
Die EP-A-309210 offenbart zu diesem Zwecke u.a. Natriumpolyacrylate, Natriumpolymethacrylate sowie Polyacrylamide.
Besondere Wirksamkeit zeigen, wie in US 5420370, WO 93/25798, WO 94/24413, US 5432292 und WO 95/19408 beschrieben, vorwiegend nichtionische Polymere und Copolymere von vinylischen Monomeren mit cyclischer Amidstruktur, besonders von Vinylpyrrolidon und Vinylcaprolactam.
In WO 95/32356 werden Polymere zur Verwendung als Gashydratinhibitoren beschrieben, die Monomere mit einer cyclischen oder acyclischen Amidgruppierung enthalten; dabei können Polymere mit cyclischen Amidgruppierungen zusätzlich ionische Gruppen, bevorzugt anionische Gruppen enthalten.
Viele von diesen Additiven sind allerdings bisher nicht wirksam genug oder nicht in ausreichender Menge oder nur zu hohen Preisen erhältlich; andererseits sind einige Additive, speziell Polyacrylate wegen ihrer Salzwasserunverträglichkeit nur unter nichtsalinen Einsatzbedingungen wirksam.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es also, neue effektive Additive zu finden, die die Bildung von Gashydraten verlangsamen (kinetische Inhibitoren) bzw. die Gashydratkristalle klein und pumpbar halten (Anti-Agglomerates), um die zur Zeit noch verwendeten thermodynamischen Inhibitoren (Methanol und Glykole), die beträchtliche Sicherheitsprobleme und Logistikprobleme verursachen, ersetzen zu können.
Wie nun überraschenderweise gefunden wurde, sind neben den oben angeführten nichtionischen Polymeren zur Gashydratinhibierung auch stark polare zwitterionische Polymere, die sowohl anionische als auch kationische Gruppen enthalten, besonders geeignet. Diese können in niedriger Dosierung die Bildung von Gashydraten effektiv unterbinden und sind im Gegensatz zu den in EP-A- 309210 aufgeführten Polyacrylaten und Polymethacrylaten gegenüber salinen Wasserphasen unempfindlich.
Gegenstand der Erfindung ist somit die Verwendung von Polymeren, die aus einem oder verschiedenen anionischen Monomeren und aus einem oder verschiedenen kationischen Monomeren sowie gegebenenfalls auch aus nichtionischen Monomeren aufgebaut sind, als Additive zur Verhinderung der Bildung, des Wachstums und/oder der Agglomeration von Gashydratkristallen in einer Mischung aus Wasser und Erdöl-/Erdgasbestandteilen bei der Förderung oder dem Transport von Erdöl und/oder Erdgas.
Diese zwitterionischen Polymere enthalten, in unterschiedlichen Anteilen, sowohl Monomere mit anionischer Polarität, als auch kationischer Polarität, sowie zusätzlich gegebenenfalls auch nichtionische Monomere. Sie können u.a. durch radikalische Polymerisation nach den Verfahren der Lösungspolymerisation, Substanzpolymerisation, Emulsionspolymerisation, inversen Emulsionspolymerisation, Fällungspolymerisation oder Gelpolymerisation aus den Monomeren erzeugt werden. Vorzugsweise wird die Polymerisation als Lösungspolymerisation in Wasser oder als Fällungspolymerisation durchgeführt, wie dies in DE-A-4034642 beschrieben ist.
Besonders geeignet sind Polymere, deren anionische Bausteine Monomere mit mindestens einer polymerisationsfähigen Doppelbindung und mit Carbon-, Sulfon- und/oder Phosphonsäuregruppen darstellen.
Als anionische Monomere im Sinne der Erfindung sind alle anionischen Moleküle mit einer oder mehreren polymerisationsfähigen Doppelbindungen geeignet, z.B. Vinylsulfonat, Methai lylsulfonat, Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS), Styrolsulfonsäure, Acrylsäure, Methacrylsäure (bzw. deren Salze), Vinylphosphonat, bevorzugt sind Acrylsäure und Natrium-2-acrylamido-2-methyl- 1 -propansulfonat (AMPS). Als anionisches Monomer im Sinne der Erfindung ist auch Maleinsäureanhydrid anzusehen, da sich dieses nach Polymerisation leicht durch Verseifung oder Bildung von Halbestern oder Halbamiden in anionische Polymerbausteine überführen läßt. Von diesen Monomereinheiten sind im Polymer eine oder mehrere unabhängig voneinander in Konzentrationen von 1-99, bevorzugt zu 10-90 Mol-% vertreten.
Als kationische Monomere im Sinne der Erfindung sind alle kationischen Moleküle mit einer oder mehreren polymerisationsfähigen Doppelbindungen geeignet. Bevorzugt sind quartäre Ammoniumsalze mit polymerisationsfähigen Doppelbindungen wie Dimethyldiallylammoniumchlorid (DADMAC), Dibutyldiallylammoniumchlorid (DADBAC), Diallylpiperidiniumbromid, Triethylallylammoniumbromid, Allyltrimethylammoniumbromid sowie analoge Derivate von Acrylsäure und Methacrylsäure wie z.B. Trimethylammonium-
ethylacrylat (Chlorid oder Methosulfat), Trimethylammonium-ethylmethacrylat, N- (3-Trimethylammoniumpropyl)-acrylamid oder N-(3-Trimethy!ammoniumpropyl)- methacrylamid (MAPTAC). Weiterhin sind auch vinylische Monomere geeignet, die Aminfunktionen enthalten oder nach Modifizierung freisetzen können, z.B. Diallylamin, Triallylamin oder Vinylformamid. Diese Monomereinheiten sind im Polymer zu 1-99, bevorzugt zu 10-90 Mol-% vertreten.
Zusätzlich zu den oben aufgeführten ionischen Monomeren können in diesen Polymeren auch nichtionische Gruppen enthalten sein; es eignen sich hierzu prinzipiell alle vinylischen Monomeren, wie Acrylsäureester und -amide, Vinylacetat, α-Olefine, Allypolyglykole oder Allyl-alkylpolyglykole, Vinylether wie Isobutylvinylether oder Methylvinylether und N-Alkylacetamide. Bevorzugt sind neben Vinylacetat Monomere mit einer cyclischen oder acyclischen Amidgruppierung wie z.B. Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam, Vinyl-N-methylacetamid (VIMA) und Acrylamid.
Das Molekulargewicht dieser Polymeren kann in weiten Bereichen variiert werden; die Polymere weisen Molekulargewichte von ca. 1000 bis > 107, bevorzugt Molekulargewichte von ca. 10000 bis ca. 1000000 auf.
Die Produkte können prinzipiell als wasserfreie Reinsubstanz eingesetzt werden, vorteilhafterweise setzt man sie aber im allgemeinen als wäßrige Lösungen ein, um eine bequeme Dosierung bei niedriger Viskosität zu gewährleisten.
Besondere Wirksamkeit zeigen einerseits, wie den angeführten Beispielen entnommen werden kann, Polymere auf Basis Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS) und Diallyldimethylammoniumchlorid (DADMAC). Diese können, wie in DE-A-4034642 beschrieben, bei höheren Molekulargewichten (Beispiel 2) auch als Bohrspülmittel Verwendung finden. Die Wirksamkeit bei der Gashydratbekämpfung ist hierbei allerdings über einen weiten Molekulargewichtsbereich von ca. 10000-1000000 gegeben.
Ebenfalls besonders geeignet sind Polymere aus Natrium-2-acrylamido-2- methyl-1 -propansulfonat (AMPS) und N-(3-Trimethylammoniumpropyl)- methacrylamid (MAPTAC) mit Acrylamid (Beispiel 7). Wie bei den vorgenannten Polymeren beobachtet man bei höherer Konzentration (1000 ppm) vollständige Inhibierung der Gashydratbildung, bei schärferen Meßbedingungen (geringere Konzentration oder höheres Gas-Wasser-Verhältnis) eine deutliche Verringerung der Hydratagglomeration.
Die Polymere können alleine oder in Kombination mit anderen bekannten Gashydratinhibitoren eingesetzt werden. Typische Einsatzkonzentrationen bezogen auf 100 % Wirksubstanz sind 0,01-2 Gew.-%, speziell Konzentrationen zwischen 0,02-1 Gew.-% (200-10000 ppm). Besonders geeignet sind auch Mischungen der vorstehend genannten Polymere mit Amidgruppen enthaltenden Polymeren wie Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylcaprolactam, Polyacrylolylpyrrolidin sowie mit Polymeren aus Vinylpyrrolidon und Vinylcaprolactam (z.B. VC 713, Produkt von International Specialty Products) sowie mit Alkylpolyglykosiden, Hydroxyethylcellulose, Carboxymethylcellulose sowie mit quartären Ammoniumverbindungen (unsubstituiert sowie Esterquats) und Aminoxiden.
Die Wirksamkeit der Polymere wurde durch Autoklavenversuche mit Wasser-Gasgemischen untersucht.
Hierzu wird E-Wasser im Autoklaven mit ca. 50 bar eines Erdgases, das Struktur-Il-Hydrate bildet (vorwiegend Methan, Gehalt an n-Propan > 1 %) beaufschlagt und unter Rühren mit einem Temperaturprogramm (siehe unten) abgekühlt, wobei der Druckverlauf Keimbildung und Wachstum der Gashydrate beschreibt und das erzeugte Drehmoment, das ein Maß für die Hydratagglomerisation darstellt, über einen Drehmomentaufnehmer gemessen wird.
Wie in den unten angeführten Versuchsbeispielen gezeigt werden kann, setzt die Gashydratbildung ohne Inhibitor unter den Versuchsbedingungen schnell ein und führt zu einer starken Drehmomentzunahme, so daß auf die Bildung großer Hydratagglomerate geschlossen werden kann.
Dagegen führt der Zusatz von geringen Mengen (bei Beispiel 2: 900 ppm = 0,09 %) der Polymere über die gesamte Versuchsdauer zu einer völligen Inhibierung der Gashydratbildung; bei noch geringerer Einsatzkonzentration (450 ppm im Beispiel 2) wird trotz deutlicher Druckabnahme (d.h. Bildung von Hydratkeimen) zumindest eine deutliche Drehmomentverminderung beobachtet, was für eine Wirkung der Polymere als Agglomerisationsinhibitoren bei niedriger Dosierung spricht. Die zwitterionischen Polymere sind über einen weiten Molekulargewichtsbereich von ca. 10000-1000000 (Beispiele 2-5) wirksam. Auch AMPS/DADMAC-Polymere mit höherem DADMAC-Anteil verhalten sich ähnlich (Beispiel 6). Beispiel 7 zeigt, daß auch Polymere mit anderen kationischen Bestandteilen (MAPTAC) und nichtionischer Komponente bei einem Gas-Wasser-Verhältnis von 6 : 4 und einer Dosierung von 1000 ppm wirksam sind. Unter verschärften Versuchsbedingungen (höheres Gas-Wasser-Verhältnis von 8 : 2, d.h. geringerer Druckabfall bei der Gashydratbildung) ist im Vergleich zu einem uninhibierten Versuch zwar die Bildung von Gashydraten zu beobachten, diese bilden aber kleinere Agglomerate, die ein bedeutend geringeres Drehmoment verursachen. Auch hier wirkt das Produkt als Agglomerat-Inhibitor.
Beispiele:
Die Apparatur zur Messsung der Gashydratinhibierung wird in D. Lippmann, Dissertation, Techn. Universität Clausthal, 1995 beschrieben.
Die Versuchsprodukte wurden in einem Stahl-Rührautoklaven mit Temperatursteuerung und Drehmomentaufnehmer bei einem Volumenverhältnis von Gas- und Wasserphase von 6 : 4 in 176 ml E-Wasser gelöst und ein Gasdruck von 47-51 bar aufgedrückt. Von einer Anfangstemperatur von 10 °C wurde innerhalb 6 h auf 4 °C, dann innerhalb 4 h auf 2 °C gekühlt, 7 h bei 2 °C gerührt und innerhalb 4 h wieder auf 10 °C aufgeheizt. Dabei wird zunächst eine Druckabnahme gemäß der thermischen Ausdehnung des Gases beobachtet. Tritt die Bildung von Gashydratkeimen auf, so verringert sich der gemessene Druck, wobei ein Anstieg des gemessenen Drehmomentes zu beobachten ist; weiteres Wachstum und
zunehmende Agglomerisation dieser Hydratkeime führt ohne Inhibitor schnell zu einem weiteren Anstieg des gemessenen Drehmomentes. Beim Aufwärmen des Reaktionsgemisches zerfallen die Gashydrate wieder, so daß am Ende des Versuchs wieder der Ausgangszustand erreicht wird. Der in den Beispielen angegebene K-Wert bedeutet die Eigenviskosität der Polymerlösung und stellt ein Maß für das mittlere Molekulargewicht dar.
Beispiel 1 :
Referenzversuch ohne Inhibitor
Beispiel 2:
Copolymer Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS)/Diallyldimethylammoniumchlorid (DADMAC) 76 : 24; K-Wert (0,5 % in Wasser) = 150
Beispiel 3:
Copolymer Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS)/DiaIlyldimethylammoniumchlorid (DADMAC) 76 : 24; K-Wert (0,5 % in Wasser) = 125
Beispiel 4:
Copolymer Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS)/Diallyldimethylammoniumchlorid (DADMAC) 76 : 24; K-Wert (0,5 % in Wasser) = 93
Beispiel 5:
Copolymer Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS)/Diallyldimethylammoniumchlorid (DADMAC) 76 : 24; K-Wert (0,5 % in Wasser) = 41
Beispiel 6:
Copolymer Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat
(AMPS)/Diallyldimethylammoniumchlorid (DADMAC) 24 : 76, K-Wert (0,5 % in
Wasser) = 86
Beispiel 7:
Copolymer N-(3-Trimethylammoniumpropyl)-methacrylamid (MAPTAC)/Natrium-2-acrylamido-2-methyl-1 -propansulfonat (AMPS)/Acrylamid ca. 20 : 65 : 15, K-Wert 0,5 % in Wasser = 150
Beispiel 8: ohne Inhibitor, Gas-Wasser-Verhältnis 8 : 2
Tabelle 1 : Ergebnisse der Beispiele 1 bis 8
Gas-Wasser-Verhältnis 8 : 2