Polvpeptidmarker zur Diagnostik und Beurteilung der Ureterabqanqsstenose
Die vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung der An- oder Abwesenheit eines oder mehrerer Peptidmarker in einer Probe eines Individuums zur Diagnos- tik und Beurteilung des Schweregrades einer Ureterabgangsstenose (UAS) sowie ein Verfahren zur Diagnostik und Beurteilung der Ureterabgangsstenose, wobei die An- oder Abwesenheit des oder der Peptidmarker(s) indikativ für den Schweregrad einer UAS ist.
Fehlbildungen des Harntrakts gehören zu den häufigsten kindlichen Anomalien. Aufgrund der regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen bei Schwangeren werden diese oftmals bereits pränatal entdeckt. Eine dieser Anomalien ist die Hydrone- phrose bzw. die Ureterabgangsstenose (sog. unilaterale Hydronephrose). Diese Krankheit ist medizinisch definiert durch eine Störung des Harnabflusses am Übergang des Nierenbeckens zum Harnleiter mit dilatiertem oder obstruiertem Nierenbeckenkelchsystem.
Die Diagnostik kann pränatal nur sonographisch, postnatal sonographisch und z.B. durch Diurese-Belastung durchgeführt werden. Entscheidend für den Therapieverlauf ist die Frage, ab wann ein Schweregrad erreicht ist, der einen operativen Eingriff notwendig macht. Bei Dilatation und keiner weiteren Zunahme der Erweiterung des Nierenkelchsystemes nach Diurese-Belastung ist nach heutigem Stand keine Operation notwendig. Andererseits ist bei nachgewiesener Obstruktion (anhaltende oder zunehmende Erweiterung des Nierenkelchsystemes nach Diurese-Belastung) oder anderweitiger Funktions-Verschlechterung eine Operation geboten. Alle Stadien zwischen diesen beiden Zuständen erlauben keine klare Entscheidung für oder gegen eine Operation, die bei Neugeborenen bzw. Kleinkindern mit starken Komplikationen verbunden sein kann.
Überraschender Weise wurde nun gefunden, das bestimmte Peptidmarker in einer Probe eines Individuums zur Diagnostik der Ureterabgangsstenose und damit zur Entscheidung, ob eine Operation notwendig ist oder nicht, verwendet werden können.
Folglich ist ein Gegenstand der vorliegenden Erfindung die Verwendung der An- oder Abwesenheit mindestens eines, im Idealfall mehrerer Polypeptidmarker(s) in einer Probe eines Individuums zur Diagnostik der Ureterabgangsstenose, wobei der/die Polypeptidmarker ausgewählt ist/sind aus den Polypeptidmarkern Nr. 1 bis Nr. 308, die durch die in Tabelle 1 angegebenen Molekularmassen und ihre Migrationszeiten charakterisiert sind.
Tabelle 1 : Polypeptidmarker zur Diagnostik der Ureterabgangsstenose sowie ihre Molekularmassen und Migrationszeiten (CE-Zeit in Minuten) :
Mit der vorliegenden Erfindung ist es möglich, den Schweregrad der Ureterab- gangsstenose zu bestimmen. Diese Information hilft bei der Entscheidung, ob eine Operation notwendig ist oder noch abgewartet werden kann.
Die Migrationszeit wird mittels Kapillarelektrophorese (capillary electrophoresis, CE) - wie z.B. in Beispiel unter Punkt 2 ausgeführt - bestimmt. In diesem Beispiel wird eine 90 cm lange Glaskapillare mit einem inneren Durchmesser (ID) von 50 μm und einem äußeren Durchmesser (OD) von 360 μm bei einer angeleg- ten Spannung von 30 kV betrieben. Als Laufmittel wird 30% Methanol, 0,5% Ameisensäure in Wasser verwendet.
Es ist bekannt, das die CE-Migrationszeit variieren kann. Dennoch ist die Reihenfolge, mit der die Polypeptidmarker eluieren, für jedes verwendete CE System unter den angegebenen Bedingungen typischerweise gleich. Um dennoch auftre- tende Unterschiede in der Migrationszeit auszugleichen, kann das System unter Verwendung von Standards, für die die Migrationszeiten genau bekannt sind, normiert werden. Diese Standards können z.B. die in den Beispielen angegebenen Polypeptide sein (siehe Beispiel Punkt 3).
Die Charakterisierung der Polypeptide, die in den Tabellen 1 bis 3 gezeigt sind, wurde mittels Kapillarelektrophorese-Massenspektrometrie (CE-MS) bestimmt, einem Verfahren, das z.B. ausführlich von Neuhoff et al. (Rapid Communications in mass spectrometry , 2004, Bd. 20, Seite 149-156) beschrieben wurde. Die Variation der Molekülmassen zwischen einzelnen Messungen oder zwischen verschiedenen Massenspektrometern ist bei exakter Kalibrierung relativ klein, typi- scherweise im Bereich von ± 0,1%, vorzugsweise im Bereich von ± 0,05%, mehr bevorzugt ± 0,03%, noch mehr bevorzugt ± 0,01%.
Die erfindungsgemäßen Polypeptidmarker sind Proteine oder Peptide oder Abbauprodukte von Proteinen oder Peptiden. Sie können chemisch modifiziert sein, z.B. durch posttranslationale Modifikationen wie Glykolisierung, Phosphorylie- rung, Alkylierung oder Disulfidverbrückung, oder durch andere Reaktionen, z.B. im Rahmen des Abbaus, verändert sein. Darüber hinaus können die Polypeptidmarker auch im Rahmen der Aufreinigung der Proben chemisch verändert, z.B. oxidiert, sein.
Ausgehend von den Parametern, die die Polypeptidmarker bestimmen (Moleku- larmasse und Migrationszeit), ist es möglich, durch im Stand der Technik bekannte Verfahren die Sequenz der entsprechenden Polypeptide zu identifizieren.
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Die erfindungsgemäßen Polypeptide (siehe Tabelle 1 bis 3) werden verwendet, um den Schweregrad der UAS zu diagnostizieren. Unter Diagnose versteht man den Vorgang der Erkenntnisgewinnung durch die Zuordnung von Symptomen oder Phänomenen zu einer Krankheit oder Verletzung. Im vorliegenden Fall wird von der An- oder Abwesenheit bestimmter Polypeptidmarker auf den Schweregrad der UAS geschlossen. Hierzu werden die erfindungsgemäßen Polypeptidmarker in einer Probe eines Individuums bestimmt, wobei ihre An- oder Abwesenheit auf den Grad der UAS schließen lässt. Die An- oder Abwesenheit eines Polypeptidmarkers kann durch jedes im Stand der Technik bekannte Verfahren gemessen werden. Verfahren, die verwendet werden können, sind weiter unten beispielhaft aufgeführt.
Ein Polypeptidmarker ist anwesend, wenn sein Messwert mindestens so hoch ist wie der Schwellenwert. Liegt sein Messwert darunter, ist der Polypeptidmarker abwesend. Der Schwellenwert kann entweder durch die Sensitivität des Messver- fahrens (Nachweisgrenze) bestimmt werden oder anhand von Erfahrungen definiert werden.
Im Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung wird der Schwellenwert vorzugsweise überschritten, wenn der Messwert der Probe für eine bestimmte Molekularmasse mindestens doppelt so hoch ist, wie der einer Leerprobe (z.B. nur Puffer oder Lösungsmittel).
Der oder die Polypeptidmarker wird/werden in der Weise verwendet, dass seine/ihre An- oder Abwesenheit gemessen wird, wobei die An- oder Abwesenheit indikativ für den Grad der UAS ist (Frequenzmarker). So gibt es Polypeptidmarker, die typischerweise bei Individuen ohne UAS vorhanden sind, jedoch bei Individuen mit schwerer UAS seltener oder gar nicht auftreten, z.B. 1-249 (Tabelle 2). Weiterhin gibt es Polypeptidmarker, die bei Patienten mit schwerer UAS (OP notwendig) vorhanden sind, wie z.B. Polypeptidmarker Nr. 250 bis 277, jedoch bei Patienten ohne UAS (Kontrolle) nicht oder nur seltener vorhanden sind. Tabelle 2: Polypeptidmarker (Frequenzmarker) zur Diagnostik von UAS, ihre Molekularmassen und Migrationszeiten sowie ihre An- und Abwesenheit bei an
schwerer UAS erkrankten Patientengruppen (OP) sowie Kontrollgruppen (no OP) als Faktor (1 = 100%, 0=0%; Probenaufarbeitung und Messung wie im Beispiel beschrieben).
Zusätzlich oder auch alternativ zu den Frequenzmarkern (Bestimmung der An- oder Abwesenheit) können auch die in Tabelle 3 angegebenen Amplitudenmarker zur Diagnose von Ureterabgangsstenose verwendet werden (Nummer 278-308). Amplitudenmarker werden in der Weise verwendet, das nicht die An oder Abwesenheit entscheidend ist, sondern die Höhe des Signals (die Amplitude) bei An-
Wesenheit des Signals in beiden Gruppen entscheidet. In Tabelle 3 sind die mittleren Amplituden der entsprechenden Signale (charakterisiert über Masse and Migrationszeit) über alle gemessenen Proben angegeben. Um eine Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlich konzentrierten Proben oder unterschiedlichen Messmethoden zu erreichen, werden alle Peptidsignale einer Probe auf eine Gesamtamplitude von 1 Million Counts normiert. Die jeweiligen mittleren Amplituden der Einzelmarker sind daher als parts per million (ppm) angegeben. Alle verwendeten Gruppen bestehen aus mindestens 20 einzelnen Patienten- oder Kontrollproben, um eine verlässliche mittlere Amplitude zu erhalten. Die Ent- Scheidung zu einer Diagnose (schwere UAS oder nicht) fällt dabei je nachdem, wie hoch die Amplitude der jeweiligen Polypeptidmarker in der Patientenprobe im Vergleich zu den mittleren Amplituden in der Kontrollgruppe bzw. der UAS- Gruppe, ist von dem Vorliegen einer Ureterabgangsstenose auszugehen, entspricht sie eher den mittleren Amplituden der Kontroll-Gruppe, ist nicht von einer UAS auszugehen. Eine genauere Definition soll anhand von Marker Nr. 298 (Tabelle 3) gegeben werden. Die mittlere Amplitude des Markers ist bei einer schweren UAS deutlich erhöht (4428 ppm gegen 1983 ppm in der Kontrollgruppe). Liegt nun in einer Patientenprobe der Wert für diesen Marker bei 0 bis 1983 ppm, bzw. maximal 20% darüber, also 0 bis 2316 ppm, gehört diese Probe zur Kon- trollgruppe. Liegt der Wert bei 4428 ppm, bzw. 20% darunter, oder höher, also zwischen 3542 ppm und sehr hohen Werten, ist von einer schweren Ureterabgangsstenose auszugehen.
Tabelle 3 : Amplitudenmarker
Das Individuum, von dem die Probe stammt, in der die An- oder Abwesenheit eines oder mehrerer Polypeptidmarker bestimmt wird, kann jedes Individuum sein, das an UAS leiden kann. Vorzugsweise handelt es sich bei dem Individuum um ein Säugetier, am meisten bevorzugt handelt es sich um einen Menschen.
Ein Frequenzmarker ist eine Variante des Amplitudenmarkers, bei dem in einigen Proben die Amplitude gering ist. Es ist möglich, solche Frequenzmarker in Amplitudenmarker umzurechnen, in dem in die Berechnung der Amplitude die entspre-
chenden Proben, bei denen der Marker nicht gefunden wird, mit einer sehr kleinen Amplitude - im Bereich der Nachweisgrenze - in die Berechnung eingeht.
In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird nicht nur ein Polypep- tidmarker, sondern eine Kombination von Markern verwendet, um den Grad der UAS zu diagnostizieren. Dabei wird durch ihre An- oder Abwesenheit auf den Grad der UAS geschlossen. Durch Vergleich einer Mehrzahl von Polypeptidmar- kern kann die Verfälschung des Gesamtergebnisses durch einzelne individuelle Abweichungen von der typischen Anwesenheitswahrscheinlichkeit im Kranken oder Kontrollindividuum reduziert oder vermieden werden. Bei der Probe, in der die An- oder Abwesenheit des oder der erfindungsgemäßen Polypeptidmarker gemessen werden, kann es sich um jede Probe handeln, die aus dem Körper des Individuums gewonnen wird. Bei der Probe handelt es sich um eine Probe, die über eine Polypeptidzusammensetzung verfügt, die geeignet ist, Aussagen über den Zustand des Individuums (schwere UAS oder nicht) zu treffen. Beispielsweise kann es sich um Blut, Urin, eine Gelenkflüssigkeit, eine Gewebeflüssigkeit, ein Körpersekret, Schweiß, Liquor, Lymphe, Darm-, Magen-, Pankreassaft, Galle, Tränenflüssigkeit, eine Gewebeprobe, Sperma, Vaginalflüssigkeit oder eine Stuhlprobe handeln. Vorzugsweise handelt es sich um eine Flüssigprobe. In einer bevorzugten Ausführungsform handelt es sich bei der Probe um eine Urinprobe oder eine Blutprobe, wobei es sich bei einer Blutprobe um eine (Blut)serum- oder (Blut)plasmaprobe handeln kann.
Urinproben können wie im Stand der Technik bekannt genommen werden. Vorzugsweise wird im Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung eine Mit- telstrahlurinprobe verwendet. Die Urinprobe kann z.B. mittels eines Katheters oder auch mit Hilfe eines Urinierungsapparates, wie in WO 01/74275 beschrieben, entnommen werden.
Blutproben können durch im Stand der Technik bekannte Verfahren beispielsweise aus einer Vene, Arterie oder Kapillare entnommen werden. Für gewöhnlich wird eine Blutprobe erhalten, indem einem Individuum venöses Blut mittels einer
Spritze z.B. aus dem Arm entnommen wird. Der Begriff Blutprobe bezieht auch Proben ein, die aus Blut durch weitere, aus dem Stand der Technik bekannte Aufreinigungs- und Trennverfahren gewonnen wurden, wie z.B. Blutplasma oder Blutserum. Die An- oder Abwesenheit eines Polypeptidmarkers in der Probe kann durch jedes im Stand der Technik bekannte Verfahren, das zur Messung von Polypeptid- markern geeignet ist, bestimmt werden. Dem Fachmann sind solche Verfahren bekannt. Grundsätzlich kann die An- oder Abwesenheit eines Polypeptidmarkers durch direkte Verfahren, wie z.B. Massenspektrometrie, oder indirekte Verfahren, wie z.B. mittels Liganden, bestimmt werden.
Falls erforderlich oder wünschenswert kann die Probe des Individuums, z.B. die Urin- oder Blutprobe, vor der Messung der An- oder Abwesenheit des oder der Polypeptidmarker durch jedes geeignete Mittel vorbehandelt und z.B. aufgereinigt oder aufgetrennt werden. Die Behandlung kann z.B. eine Aufreinigung, Trennung, Verdünnung oder Konzentrierung umfassen. Die Verfahren können beispielsweise eine Zentrifugation, Filtration, Ultrafiltration, Dialyse, eine Fällung oder chromatographische Verfahren wie Affinitätstrennung oder Trennung mittels Ionenaustauscherchromatographie, oder eine elektrophoretische Trennung sein. Besondere Beispiele hierfür sind Gelelektrophorese, zweidimensionale Polyacry- lamidgelelektrophorese (2D-PAGE), Kapillarelektrophorese, Metallaffinitätschromatographie, immobilisierte Metallaffinitätschromatographie (IMAC), Affinitätschromatographie auf der Basis von Lektinen, Flüssigchromatographie, Hochleistungsflüssigchromatographie (HPLC), Normal- und Umkehrphasen-HPLC, Kationenaustauscherchroma-tographie und selektive Bindung an Oberflächen. Alle diese Verfahren sind dem Fachmann gut bekannt und der Fachmann wird das Verfahren in Abhängigkeit von der verwendeten Probe und dem Verfahren zur Bestimmung der An- oder Abwesenheit des oder der Polypeptidmarker auswählen können.
In einer Ausführungsform der Erfindung wird die Probe vor ihrer Messung mittels Elektrophorese aufgetrennt, mittels Ultrazentrifugation gereinigt und/oder mittels
Ultrafiltration in Fraktionen, die Polypeptidmarker bestimmter molekularer Größe enthalten, aufgetrennt.
Vorzugsweise wird ein massenspektrometrisches Verfahren verwendet, um die An- oder Abwesenheit eines Polypeptidmarkers zu bestimmen, wobei diesem Verfahren eine Aufreinigung oder Auftrennung der Probe vorgeschaltet werden kann. Die massenspektrometrische Analyse besitzt gegenüber den derzeit gängigen Verfahren den Vorteil, dass die Konzentration vieler (> 100) Polypeptide einer Probe mittels einer einzigen Analyse bestimmt werden kann. Jeder Typ eines Massenspektrometers kann verwendet werden. Mit der Massenspektro- metrie ist es möglich, routinemäßig 10 fmol eines Polypeptidmarkers, also 0,1 ng eines 10 kDa Proteins mit einer Messgenauigkeit von ca. ±0,01% aus einem komplexen Gemisch zu vermessen. Bei Massenspektrometern ist eine Ionenbildende Einheit mit einem geeigneten Analysegerät gekoppelt. Zum Beispiel werden meistens Elektrospray-Ionisations (ESI) Interfaces verwendet, um Ionen aus Flüssigproben zu vermessen, wohingegen die Matrix-assisted-laser- desorption/ionisation (MALDI) Technik verwendet wird, um Ionen aus mit einer Matrix kristallisierten Probe zu vermessen. Zur Analyse der entstandenen Ionen können z.B. Quadrupole, Ionenfallen oder Time-of-flight (TOF) Analysatoren verwendet werden. Bei der Elektrosprayionisation (ESI) werden die in Lösung vorliegenden Moleküle u.a. unter dem Einfluss von Hochspannung (z.B. 1-8 kV) versprüht, wobei sich geladene Tröpfchen bilden, die durch Verdampfen des Lösungsmittels kleiner werden. Schließlich kommt es durch sog. Coulomb-Explosionen zur Bildung freier Ionen, die dann analysiert und detektiert werden können. Bei der Analyse der Ionen mittels TOF wird eine bestimmte Beschleunigungsspannung angelegt, die den Ionen eine gleich große kinetische Energie verleiht. Dann wird sehr genau die Zeit gemessen, die die jeweiligen Ionen benötigen, um eine Driftstrecke durch das Flugrohr zurückzulegen. Da bei gleicher kinetische Energie die Geschwindigkeit der Ionen von Ihrer Masse abhängt, kann diese somit bestimmt werden. TOF-Analysatoren haben eine sehr hohe Scan- Geschwindigkeit und erreichen eine sehr hohe Auflösung.
Bevorzugte Verfahren zur Bestimmung der An- oder Abwesenheit von Polypeptid- markern schließen Gasphasenionenspektrometrie, wie Laserdesorptions /Ionisations-Massenspektrometrie, MALDI-TOF-MS, SELDI-TOF-MS (Surface enhanced laser desorption ionisation), LC-MS (Liquid chromatography- mass spectrometry), 2D-PAGE-MS und Kapillarelektrophorese-Massenspektrometrie (CE-MS) ein. Alle genannten Verfahren sind dem Fachmann bekannt.
Ein besonders bevorzugtes Verfahren ist CE-MS, in welchem die Kapillarelektrophorese mit Massenspektrometrie gekoppelt wird. Dieses Verfahren ist ausführlich z.B. in der deutschen Patentanmeldung DE 10021737, bei Kaiser et al. (J. Chromatogr. A1 2003, Bd. 1013: 157-171, sowie Electrophoresis, 2004, 25: 2044-2055) und bei Wittke et al. (J. Chromatogr. A1 2003, 1013: 173-181) beschrieben. Die CE-MS Technik erlaubt, das Vorhandensein einiger Hunderter Polypeptidmarker einer Probe gleichzeitig in kurzer Zeit, einem geringen Volumen und hoher Sensitivität zu bestimmen. Nachdem eine Probe vermessen wur- de, wird ein Muster der gemessenen Polypeptidmarker hergestellt. Dieses kann mit Referenzmustern von kranken bzw. gesunden Individuen verglichen werden. In den meisten Fällen ist es ausreichend, eine begrenzte Anzahl von Polypeptid- markern für die Diagnostik von UAS zu verwenden. Weiter bevorzugt ist ein CE- MS Verfahren, das CE online an ein ESI-TOF-MS gekoppelt, einschließt. Für CE-MS ist die Verwendung von flüchtigen Lösungsmitteln bevorzugt, außerdem arbeitet man am besten unter im Wesentlichen salzfreien Bedingungen. Beispiele geeigneter Lösungsmittel umfassen Acetonitril, Methanol und ähnliche. Die Lösungsmittel können mit Wasser verdünnt und mit einer schwachen Säure (z.B. 0,1% bis 1% Ameisensäure) versetzt sein, um den Analyten, vorzugsweise die Polypeptide, zu protonieren.
Mit der Kapillarelektrophorese ist es möglich, Moleküle nach ihrer Ladung und Größe zu trennen. Neutrale Teilchen wandern beim Anlegen eines Stromes mit der Geschwindigkeit des elektroosmotischen Flusses, Kationen werden zur Kathode beschleunigt und Anionen verzögert. Der Vorteil von Kapillaren in der E- lektrophorese besteht im günstigen Verhältnis von Oberfläche zu Volumen, was einen guten Abtransport der beim Stromfluss entstehenden Jouleschen Wärme
ermöglicht. Dies wiederum erlaubt das Anlegen hoher Spannungen (üblicherweise bis 30 kV) und damit eine hohe Trennleistung und kurze Analysezeiten.
Bei der Kapillarelektrophorese werden normalerweise Quarzglaskapillaren mit Innendurchmessern von typischerweise 50 bis 75 μm eingesetzt. Die verwende- ten Längen betragen 30-100 cm. Darüber hinaus bestehen die Kapillaren in der Regel aus kunststoffumhüllten Quarzglas. Die Kapillaren können sowohl unbehandelt sei, d.h. auf der Innenseite ihre hydrophilen Gruppen zeigen, als auch auf der Innenseite beschichtet sein. Eine hydrophobe Beschichtung kann verwendet werden, um die Auflösung zu verbessern. Zusätzlich zur Spannung kann auch ein Druck angelegt werden, der typischerweise im Bereich von 0-1 psi liegt. Der Druck kann dabei auch erst während der Trennung angelegt oder währenddessen verändert werden.
In einem bevorzugten Verfahren zur Messung von Polypeptidmarkern werden die Marker der Probe mittels Kapillarelektrophorese getrennt, anschließend direkt ionisiert und online in ein daran gekoppeltes Massenspektrometer zur Detektion überführt.
In dem erfindungsgemäßen Verfahren können vorteilhafter Weise mehrere PoIy- peptidmarker zur Diagnostik der UAS verwendet werden. Insbesondere können mindestens drei Polypeptidmarker verwendet werden, beispielsweise die Marker 1, 2 und 3; 1, 2 und 4; usw.
Mehr bevorzugt ist die Verwendung von mindestens 4, 5, oder 6 Markern.
Noch mehr bevorzugt ist die Verwendung von mindestens 11 Markern, beispielsweise die Marker 1 bis 11.
Am meisten bevorzugt ist die Verwendung aller 308 in den Tabellen 1 bis 3 auf- geführten Marker.
Um die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer schweren UAS bei Verwendung mehrerer Marker zu bestimmen, können dem Fachmann bekannte statistische Verfahren verwendet werden. Beispielsweise kann das von Weissinger et al. (Kidney Int., 2004, 65: 2426-2434) beschriebene Random-Forests-Verfahren unter Verwendung eines Computerprogramms wie z.B. S-Plus verwendet werden.
Beispiel:
1. Probenvorbereitunq :
Zur Detektion der Polypeptidmarker zur Diagnostik der UAS wurde Urin verwendet. Urin wurde von gesunden Spendern (Vergleichsgruppe) sowie Patienten, die an schwerer UAS leiden, abgenommen.
Für die nachfolgende CE-MS Messung wurden die in Urin in höherer Konzentration vorkommenden Proteine wie Albumin und Immunoglobuline durch Ultrafiltration abgetrennt werden. Dazu wurden 700 μl Urin entnommen und mit 700 μm Filtrationspuffer (2 M Harnstoff, 10 mM Ammoniak, 0,02% SDS) versetzt. Diese 1,4 ml Probenvolumen wurden ultrafiltriert (20 kDa, Sartorisu, Göttingen, DE). Die UF wurde bei 3000 U/min in einer Zentrifuge durchgeführt bis 1,1 ml Ultra- filtrat erhalten wurden.
Die erhaltenen 1,1 ml Filtrat wurden dann auf eine PD 10 Säule aufgetragen (Amersham Bioscience, Uppsala, Schweden) und mit 2,5 ml 0,01% NH4OH elu- iert und lyophilisiert. Zur CE-MS Messung wurden die Polypeptide dann mit 20 μl Wasser (HPLC-Reinheit, Merck) resuspendiert.
2. CE-MS Messung :
Die CE-MS Messungen wurden mit einem Kapillarelektrophoresesystem von Beckman Coulter (P/ACE MDQ System; Beckman Coulter Ine, Fullerton, USA) und einem ESI-TOF Massenspektrometer von Bruker (micro-TOF MS, Bruker Daltonik, Bremen, D) durchgeführt.
Die CE Kapillaren wurden von Beckman Coulter bezogen, sie hatten einen ID/OD von 50/360 μm und eine Länge von 90 cm. Die mobile Phase für die CE Trennung bestand aus 20% Acetonitril und 0,25% Ameisensäure in Wasser. Für den "Sheath-Flow" am MS wurde 30% Isopropanol mit 0,5% Ameisensäure verwendet, hier mit einer Flussrate von 2 μl/min. Die Kopplung von CE und MS wurde durch ein CE-ESI-MS Sprayer Kit (Agilent Technologies, Waldbronn, DE) realisiert.
Um die Probe zu injizieren, wurde 1 bis max. 6 psi Druck angelegt, die Dauer der Injektion betrug 99 Sekunden. Mit diesen Parametern wurden ca. 150 nl der
Probe in die Kapillare injiziert, dieses entspricht ca. 10% des Kapillarvolumens. Um die Probe in der Kapillare aufzukonzentrieren wurde eine "Stacking"-Technik verwendet. Dabei wird vor der Probeninjektion für 7 Sek. (bei 1 psi) eine IM NH3 Lösung injiziert, nach der Probeninjektion für 5 Sek. eine 2M Ameisensäurelö- sung. Nach Anlegen der Trennspannung (30 kV) werden die Analyten zwischen diesen Lösungen automatisch aufkonzentriert.
Die folgende CE-Trennung wurde mit einer Druckmethode durchgeführt: 40 Minuten mit 0 psi, dann für 2 min 0,1 psi, für 2 min 0,2 psi, für 2 min 0,3 psi, für 2 min 0,4 psi, abschließend 32 min bei 0,5 psi. Die Gesamtdauer eines Trennlaufes betrug damit 80 Minuten.
Um auf der Seite des MS eine möglichst gute Signalintensität zu erhalten, wurde das "Nebulizer Gas" auf den niedrigsten möglichen Wert eingestellt. Die an der Spraynadel angelegte Spannung zur Erzeugung des Elektrosprays betrug 3700 - 4100 V. Die übrigen Einstellungen am Massenspektrometer wurden gemäß An- Weisung des Herstellers für Peptiddetektion optimiert. Die Spektren wurden über einen Massenbereich von m/z 400 bis m/z 3000 aufgenommen und alle 3 Sek. akkumuliert.
3. Standards für die CE-Messunq
Zur Kontrolle und Kalibrierung der CE-Messung wurden die folgenden Proteine bzw. Polypeptide eingesetzt, welche unter den gewählten Bedingungen durch die unten aufgeführten CE-Migrationszeiten charakterisiert sind:
Protein/Polypeptid Migrationszeit
Aprotinin, (SIGMA, Taufkirchen, DE; Kat.Nr. Al 153) 9,2 min
Ribonuclease, SIGMA, Taufkirchen, DE; Kat.Nr.; R4875 10,9 min Lysozym, SIGMA, Taufkirchen, DE; Kat.Nr.; L7651 8,9 min
"REV", Sequenz: REVQ SKIG YGRQII S 15,6 min
"ELM", Sequenz: ELMTGELPYSHINNRDQIIFMVGR 23,4 min
"KINCON", Sequenz: TGSLPYSHIGSRDQIIFMVGR 20,0 min
"GIVLY" Sequenz: GIVLYELMTGELPYSHIN 36,8 min
Die Proteine/Polypeptide werden jeweils in einer Konzentration von 10 pmol/μl in Wasser eingesetzt. "REV", "ELM", "KINCON" und "GIVLY" stellen synthetische Peptide dar.
Die Molekularmassen der Peptide sowie die in der MS sichtbaren m/z Verhältnisse der einzelnen Ladungszustände sind in der folgenden Tabelle angegeben :
Es ist dem Fachmann prinzipiell bekannt, dass bei kapillarelektrophoretischen Trennungen geringe Schwankungen der Migrationszeiten auftreten können. Unter den beschriebenen Bedingungen ändert sich jedoch die Migrationsreihenfolge nicht. Es ist für den Fachmann in Kenntnis der angegebenen Massen und CE- Zeiten problemlos möglich, eigene Messungen den erfindungsgemäßen Polypep- tidmarkern zuzuordnen. Hierzu kann er beispielsweise wie folgt vorgehen : zunächst wählt er eines der in seiner Messung gefundenen Polypeptide (Peptid 1) aus und versucht, innerhalb eines Zeitfensters der angegebenen CE-Zeit (beispielsweise ± 5 min) eine oder mehrere übereinstimmende Massen zu finden. Findet er innerhalb dieses Intervalls nur eine übereinstimmende Masse, ist die Zuordnung fertiggestellt. Findet er mehrere passende Massen, muss noch eine Entscheidung über die Zuordnung gefällt werden. Hierzu wird ein weiteres Peptid (Peptid 2) aus der Messung ausgewählt und versucht, hierfür einen passenden Polypeptidmarker zu identifizieren, wobei wieder ein entsprechendes Zeitfenster berücksichtigt wird.
Lassen sich nun wiederum mit einer entsprechenden Masse mehrere Marker finden, ist die wahrscheinlichste Zuordnung die, bei der zwischen der Verschiebung für das Peptide 1 und für das Peptid 2 ein im wesentlichen linearer Zusammenhang besteht. In Abhängigkeit von der Komplexität des Zuordnungsproblems bietet es sich für den Fachmann an, gegebenenfalls weitere Proteine aus seiner Probe für die Zuordnung zu verwenden, beispielsweise zehn Proteine. Typischerweise sind die Migrationszeiten entweder um gewisse absolute Werte verlängert oder verkürzt oder es treten Stauchungen oder Strickungen des gesamten Verlaufs auf. Co- migrierende Peptide comigrieren aber auch unter solchen Bedingungen.
Zudem kann der Fachmann sich die von Zuerbig et al. in Electrophoresis 27 (2006), Seiten 2111 - 2125 beschriebenen Migrationsmuster zu nutze machen. Wenn er mit Hilfe eines einfachen Diagramms (z.B. mit MS Excel) seine Messung in Form von m/z versus Migrationszeit plottet, werden ebenfalls die beschriebe- nen Linienmuster sichtbar. Durch Abzählen der Linien ist nun eine einfache Zuordnung der einzelnen Polypeptide möglich.
Auch andere Vorgehensweisen zur Zuordnung sind möglich. Grundsätzlich könnte der Fachmann auch die oben genannten Peptide als internen Standard verwenden, um seine CE-Messungen zuzuordnen.