Changiervorrichtung an Spinnmaschine
Der Gegenstand dieser Erfindung liegt auf dem Gebiet der Fadenaufwicklung. Die vorliegende Erfindung betrifft konkret eine Spuleinheit zum Aufspulen eines gespon- nenen Fadens gemäss dem Oberbegriff des unabhängigen Patentanspruches 1 sowie eine entsprechend ausgestattete Spinnmaschine. Derartige Vorrichtungen sind in der Textiltechnik bekannt.
Das Aufwickeln oder Aufspulen eines Fadens erfolgt bekanntlich mit Spulmaschinen, die nach verschiedenen Wickelgesetzen arbeiten und dabei entweder eine wilde
Wicklung oder eine Präzisionswicklung oder eine Stufenpräzisionswicklung herstellen. Die relevanten Spulparameter sind insbesondere das sogenannte Windungsverhältnis (definiert als Anzahl Spulenumdrehungen pro Doppelhub), der durch das Windungs¬ verhältnis bestimmte Steigungswinkel der Fadenverlegung, der dem halben Kreu- zungswinkel entspricht, und die Geschwindigkeit.
Unter wilder Wicklung versteht man Wicklungen, deren Windungsverhältnis mit wach¬ sendem Spulendurchmesser kontinuierlich abnimmt, wobei der Kreuzungswinkel kon¬ stant bleibt. Eine wilde Wicklung entsteht dadurch, dass die Fadenverleggeschwindig- keit sowie die Umfangsgeschwindigkeit der Spule konstant bleibt. Diese Bedingungen sind mit einem verhältnismässig einfachen Friktionswalzenantrieb realisierbar. Der konstante Kreuzungswinkel über den ganzen Spulendurchmesser hat eine gute Formstabilität und Transportfähigkeit der so hergestellten Spule zur Folge. Nachteile entstehen durch ungünstige Windungszahlen, die sich während des Spulenaufbaus bei bestimmten Spulendurchmessern als sogenannte Bilder oder Bildzonen bemerk¬ bar machen. In diesen Zonen wird Faden dicht neben Faden oder sogar Faden auf Faden direkt übereinander gelegt. Die Folge dieser Bildzonen ist eine ungleichmässi- ge Garnabwicklung, was später zu Fadenzugkraftspitzen beim Abwickeln oder gar zu Garnbrüchen führen kann. Da bei den folgenden Verarbeitungsprozessen fast durch- weg mit hohen bis sehr hohen Abzugsgeschwindigkeiten gearbeitet wird, stellen die Bildzonen einen sehr gravierenden Nachteil dar.
Bei der Präzisionswicklung bleibt das Windungsverhältnis während des gesamten Spulvorgangs konstant. Der Kreuzungswinkel ändert sich allerdings und wird mit zu¬ nehmendem Spulendurchmesser kleiner. Eine präzisionsgewickelte Spule kennt bei optimal gewählter Windungszahl keine Bildzonen, was sehr gute Abzugseigenschaf- ten zur Folge hat. Zu den Vorteilen einer Präzisionswicklung gehören: Keine Verha¬ kungen der Windungen, gleichmässiger Fadenzugkraftverlauf beim Abziehen der Spu¬ le, hohe Dichte und gleichmässige Dichtenverteilung des Fadens auf der Spule, bes¬ sere Durchströmung der Farbstoffe in der Weiterverarbeitung, sowie höhere Laufzei¬ ten ohne Ausfälle beim Abspulen der Spule beim anschliessenden Verweben und Verstricken des Garnes. Dagegen nimmt die Formstabilität in axialer Richtung wegen des sich über den Spulenaufbaus ändernden Steigungswinkels der Fadenverlegung bei der Präzisionswicklung ab, ist jedoch bei den äusseren Lagen nicht von Nachteil.
Die Stufenpräzisionswicklung stellt eine Kombination der beiden Wickelgesetze, wilde Wicklung und Präzisionswicklung, dar. Bei der in der DE-A-33 32 382 beschriebenen Spulmaschine wird die Verbindung der Vorteile dieser beiden Wickelgesetze dadurch erreicht, dass bei einer Spulmaschine mit einer durch einen motorischen Antrieb antreibbaren Treibwalze und mit einer durch ein Getriebe mit variabler Übersetzung angetriebenen Fadenverlegung zur Herstellung einer Präzisionswicklung die Treib- walze von einem Antrieb mit fester Übersetzung angetrieben und das Getriebe für die Fadeverlegung durch ein von einem Rechner geregeltes Stellglied verstellt wird, wo¬ bei je ein Drehzahlgeber für die Messung der Drehzahl der Kreuzspule und der Fa¬ denverlegung mit dem Rechner verbunden ist.
Bei Spulbeginn ist das Windungsverhältnis vorgegeben und nach Abnahme des Kreu¬ zungswinkels um einen vorgegebenen Betrag schaltet der Rechner auf eine vorgege¬ bene tiefere Windungszahl um. Es entstehen so konzentrische Ringe mit Präzisions¬ wicklung, wobei von Ring zu Ring mit zunehmendem Spulendurchmesser das Win¬ dungsverhältnis sprunghaft diskrete vorgegebene Wert so annimmt, dass der Kreu- zungswinkel nur in engen Grenzen variiert. Der angenähert konstante Kreuzungswin¬ kel entspricht einer wilden Wicklung und die Beibehaltung des Windungsverhältnisses in Durchmesserstufen einer Präzisionswicklung.
Es besteht schon lange der Wunsch, auch auf Spinnmaschinen qualitativ hochwertige Spulen herzustellen, um so auf Umspulprozesse verzichten zu können. In der Praxis werden auf Spinnmaschinen mit den bisher bekannten Mitteln nur wilde Wicklungen hergestellt. Dies hauptsächlich, weil die Herstellung von Spulen mit wilder Wicklung nur einen einfachen Antrieb benötigen und die Spulgeschwindigkeit bzw. die Aufwin¬ degeschwindigkeit konstant bleibt. Obschon antriebstechnisch einfacher zu bewerk¬ stelligen, weist die wilde Wicklung die vorgenannten Nachteile auf. Um diese Nachtei¬ le zu beseitigen, wurde in der Vergangenheit versucht eine Spinnmaschine mit einem Präzisionsspuler auszustatten (EP 950 627 A1). Es wurde auch versucht Spinnma¬ schinen mit einer Stufenpräzisionswicklung auszustatten (EP 562 296 A1). Weitere Schriften, welche die Problematik der Aufspulung behandeln, sind die Schriften DE 196 26 962 und die DE 39 18 846 C2.
Die genannte EP 950 627 beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Aufwi¬ ckeln eines mit konstanter Geschwindigkeit gelieferten Fadens von einer Spinnma¬ schine mittels einer Fadenchangiereinrichtung zu einer Spule mit Präzisions- oder Stufenpräzisionswicklung. Nachteilig an der genannten Vorrichtung ist, dass sie eine relativ komplizierte Steuerung und aufwendige Vorrichtung benötigt.
Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Spuleinheit zu schaffen, die einen möglichst einfachen Antrieb aufweist und mit welcher Präzisions¬ spulen hergestellt werden können.
Diese Aufgabe wird durch die Merkmale im unabhängigen Patentanspruch 1 gelöst.
Durch die Verwendung der erfinderischen Vorrichtung wird erreicht, dass man mit ein¬ fachen Mitteln eine Präzisionsspule herstellen kann. Dank der Erfindung ist es nun möglich, trotz Verwendung des relativ einfachen Friktionswalzenantriebes, eine Spule mit besten Garnablaufeigenschaften in der Weiterverarbeitung herzustellen.
In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindungsidee kann man die erfindungs- gemässe Antriebsübertragung für die Changiervorrichtung von der Spule abtrennen und die ganze Spuleinheit auch zur Herstellung von wilden Wicklungen verwenden (dank eines zusätzlichen, unabhängigen Antriebes für die Changiervorrichtung). Da- durch lassen sich mit derselben Vorrichtung drei verschiedene Wicklungsarten her¬ stellen: a) wilde Wicklung (Zufallswicklung), b) Präzisionswicklung, und c) Stufenprä¬ zisionswicklung. Die erfindungemässe Spuleinheit gewährt dem Betreiber der Maschi¬ ne somit höchste Flexibilität in der Wahl der Wicklungsart.
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindungsidee ist die Changier¬ vorrichtung als Flügeichangierung ausgestaltet (siehe Figuren). Damit ist eine hoch¬ dynamische Fadenverlegung gewährleistet, welche sehr hohe Verlegegeschwindigkei¬ ten ermöglicht und dennoch einfach in der Handhabung bleibt. Dank den rotierenden Flügeln erhält man eine leichtgängige energiearme Changiervorrichtung, welche zu- dem keine oszillierenden Massen mit enorm hohen Beschleunigungen in den Um¬ kehrbereichen des Hubes benötigt (keine hohe Belastung des Antriebssystems und der Changiervorrichtung).
Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen und Ausführungsformen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen zu finden.
Im folgenden wird die Erfindung und der Erfindungsgedanke anhand von den Figuren dargestellten Ausführungsbeispielen erläutert. Es soll aber ausdrücklich darauf hinge¬ wiesen werden, dass sich die Erfindung bzw. der Erfindungsgedanke nicht auf jene in den Beispielen gezeigten Ausführungsformen beschränkt. Es zeigen:
Figur 1 Erfindungsgemässe Antriebsübertragung über die Spule
Figur 2 Erfindungsgemässe Antriebsübertragung, als wilder Wickler betrieben Figur 3 Spinnstelle einer Spinnmaschine mit erfindungsgemässer Spuleinheit
Die Figur 1 zeigt eine mögliche Ausführungsform der erfindungsgemässen Spulein¬ heit. Die dargestellte Spuleinheit 1 dient zum Aufspulen eines gesponnenen Fadens 2 auf die Spule 3 bzw. auf die Spulenhülse 4. Da die erfindungsgemässe Spuleinheit vorzugsweise für den Einbau in Spinnmaschinen gedacht ist, wird auch der in Figur 1 dargestellte Faden 2 in der Regel von einer Spinnbox (nicht dargestellt) geliefert. Wie in der Figur ersichtlich ist, wird die gesamte Spuleinheit 1 vom Motor M angetrieben. Der Motor M ist Bestandteil des Friktionswalzenantriebes 5. Die Funktionsweise des Friktionswalzenantriebes 5 ist allgemein bekannt: Der Motor M treibt die Friktionswal¬ ze 6 an und damit die Spule 3 bzw. die Spulenhülse 4. Neu an der Spuleinheit 1 ist nun die Art und Weise, wie die Changiervorrichtung 7 angetrieben wird: Die Übertra¬ gung der Antriebsenergie für die Changiervorrichtung 7 wird über eine Antriebsüber¬ tragung 8 von der Spule 3 bzw. von der Spulenhülse 4 gewährleistet. Die erfindungs¬ gemässe Antriebsübertragung 8 gewährleistet eine schlupffreie Übertragung der An¬ triebsenergie an die Changiervorrichtung 7. Dazu ist die Antriebsübertragung 8 vor- zugsweise form- oder reibschlüssig ausgestaltet, z. B. durch Antriebsriemen 12 mit entsprechenden Verzahnungen oder durch die Rippen 11 der Spulenhülse 4. Die in der Figur 1 gezeigte Antriebsübertragung 8 ist nur schematisch durch Antriebsriemen 12 und die Zahnräder 22 dargestellt. Für die erfindungsgemässe Antriebsübertragung 8 sind zahlreiche Ausführungsformen denkbar. Erfindungsgemäss weisen diese aller- dings eine schlupffreie Übertragung der Antriebsenergie auf, so dass das Windungs¬ verhältnis (also die Anzahl Spulenumdrehungen pro Doppelhub des Fadens) konstant bleibt und dadurch eine Präzisionswicklung auf der Spule ermöglicht wird. Die erfin¬ dungsgemässe Antriebsübertragung 8 charakterisiert damit die Spuleinheit 1 als Prä¬ zisionswickler. Für die Übertragung der Antriebsenergie von der Spule 3 auf die Changiervorrichtung 7 kann die Spulenhülse 4 zum Beispiel spezielle konstruktive Massnahmen aufweisen. Diese kann beispielsweise wie in der Figur dargestellt, an einer oder an mehreren Stellen Rippen 11 besitzen. In einer bevorzugten Ausfüh¬ rungsform der Erfindung wird für die Changiervorrichtung 7 eine Flügelchangierung verwendet (siehe Flügel 14). Die beiden Flügel rotieren gegenläufig. Das entspre- chende Antriebsystem (betriebe) ist nicht dargestellt. Weiter ist in der Figur 1 die
Steuerung 9 des Friktionswalzenantriebes schematisch dargestellt. Die Funktionswei-
se des zusätzlichen Antriebes 13 - welcher in der Anordnung gemäss Figur 1 nicht benötigt wird - ist in der folgenden Figur 2 beschrieben.
Die Figur 2 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel der erfindungsgemässen Spulein- heit 1 , bei welchem die Antriebsenergie nicht über die Spulenhülse 4, sondern über den Spulenteller 20 an die Antriebsübertragung 8 übertragen wird. Auch hier ist der Spulenteller 20 mit einer speziellen Fläche 10 für die Energieübertragung ausgestat¬ tet. Der Spulenteller 20 weist in dieser weiteren Ausführungsform der Erfindung wie die Spulenhülse der Figur 1 Rippen 11 auf, welche die Antriebsenergie übertragen. Selbstverständlich sind ganz verschiedene Möglichkeiten denkbar, um das von der Spule kommende Torsionselement an die Antriebsübertragung 8 weiterzuleiten. An¬ stelle der nuten- oder rippenartigen Elemente wäre auch eine reibschlüssige Übertra¬ gung denkbar. Selbstverständlich ist auch bei dieser Ausführungsform vorzusehen, dass bei der Torsionsübertragung von der Spulenhülse 4 auf die beiden Spulenteller 20 kein Schlupf stattfindet. Damit dies gewährleistet ist, wäre auch hier eine form- oder reibschlüssige Verbindung zwischen Spulenhülse 4 und Spulenteller 20 denkbar.
Unabhängig von den bisherigen Ausführungen zur Figur 2, d.h. zur erfindungsgemäs¬ sen Antriebsübertragung über die Spulenteller, zeigt die Figur 2 eine weitere Variante der Erfindungsidee: In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist es näm¬ lich denkbar, dass man die Antriebsübertragung 8 von der Spule 3 abkoppeln kann und dass dafür ein zusätzlicher unabhängiger Antrieb 13 für die Changiervorrichtung vorgesehen ist. Dadurch lässt sich die selbe Spuleinheit 1 sowohl als Präzisionswick¬ ler als auch als wilder Wickler betreiben. Damit dies gewährleistet ist, ist der zusätzli- che unabhängige Antrieb 13 vorzugsweise mit der Steuerung 9 des Friktionswalzen¬ antriebes verbunden, welcher somit auch die Steuerung des Antriebes 13 übernimmt. Diese bevorzugte Ausführungsform der Erfindung hat zum Vorteil, dass man mit der¬ selben Vorrichtung verschiedenen Wicklungsarten herstellen kann. Nebst der Präzisi¬ onswicklung lassen sich somit die eben genannte wilde Wicklung (Zufasswicklung) als auch Stufenpräzisionswicklungen herstellen.
Die Steuerung 9 des Friktionswalzenantriebes ist vorzugsweise bei allen Ausführungs¬ formen der Erfindung mit einer Vorrichtung zur Messung der Spinnspannung 19 ver¬ bunden. Die Drehzahl der Friktionswalze 6 wird vorzugsweise über die Spinnspan¬ nung gesteuert.
Die Figur 3 zeigt eine Spinnstelle 16 einer Spinnmaschine 15, welche mit der erfin- dungsgemässen Spuleinheit 1 ausgestattet ist. Vorzugsweise ist die Spuleinheit 1 modular aufgebaut, d. h. sie kann als Einheit ein- und ausgebaut bzw. ausgewechselt werden. Das dargestellte Spinnmodul 18 ist vorzugsweise ebenfalls modular aufge- baut und auswechselbar. Selbstverständlich kann die Erfindung für verschiedene Spinnverfahren und Spinnmaschinen verwendet werden. Vorzugsweise wird in der Spinnbox 17 der Spinneinheit 18 ein Garn 2 nach einem Luftspinnverfahren, einem Rotorspinnverfahren (Open-end-Spinnverfahren), einem Friktionsspinnverfahren, oder einem Fallstrahlspinnverfahren (Zweidüsenspinnen) hergestellt.
Die Erfindung ist nicht auf die explizit genannten Möglichkeiten und Ausführungsfor¬ men beschränkt. Diese Varianten sind vielmehr als Anregung für den Fachmann ge¬ dacht, um die Erfindungsidee möglichst günstig umzusetzen. Von den beschriebenen Ausführungsformen sind daher leicht weitere vorteilhafte Anwendungen und Kombina- tionen ableitbar, die ebenfalls den Erfindungsgedanken wiedergeben und durch diese Anmeldung geschützt werden sollen. Einige der offenbarten Merkmale wurden in die¬ ser Beschreibung kombiniert beschrieben und werden in den folgenden Ansprüchen kombiniert beansprucht. Es ist aber auch denkbar, einzelne Merkmale dieser Be¬ schreibung für sich alleine oder in einer andern Kombination in Anwendung des Erfin- dungsgedankens zu beanspruchen. Die Anmelderin behält sich daher ausdrücklich vor, allenfalls andere Kombinationen in Anwendung des Erfindungsgedankens vorzu¬ sehen.