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Verfahren zum Feststellen des mechanischen Verhaltens von Werkstoffen
während ihrer Belastung bei einem Festigkeitsermittlungsversuch Zum Ermitteln des
mechanischen Verhaltens von Werkstoffen werden auf ein Versuchsstück mechanische
Kräfte ausgeübt und die sich unter der Wirkung dieser Kräfte zeigenden Verformiungen
beobachtet.
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So wird beim statischen Belastungsversuch bei allmählich gesteigerten
Kräften festgestellt, daß sich der Werkstoff meistens zunächst elastisch verhält.
Nach Überschreitung einer kritischen Last treten zusätzliche bleibende Verformungen
auf, bis der Probestab bricht. In der mechanischen Technologie unterscheidet man
daher zwischen elastischen und plastischen Verformungen, und man bezieht die Festigkeitswerte
auf bestimmte Größen dieser plastischen Verformungen.
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Bei Dauerstandversuchen, insbesondere unter erhöhten Temperaturen,
werden die sich unter einer bestimmten Last zeigenden Verformungen über einen längeren
Zeitraum beobachtet. Auch hier werden kritische Festigkeitswerte auf bestimmte,
unter der wirkenden Last auftretende Verformungen bezogen: Bei Dauerwechselversuchen
wird meistens die Größe der jeweiligen Last auf die Anzahl der ausgehaltenen Lastwechsel
bezogen.
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Kennzeichnend für diese Untersuchungen ist demnach, daß stets das
Verhalten des Versuchsstücks aus der Größe der sich zeigenden Verformungen beurteilt
wird, wobei diese Verformungen beim Bruch oder auch bei Erreichen anderer durch
Übereinkommen festgelegter Größen ermittelt werden.
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Vor Darlegung der Erfindung sei zunächst auf die inneren Vorgänge
belasteter Werkstoffe eingegangen.
Jeder Werkstoff stellt ein statistisches
Kollektiv von Zusammenhaltsmechanismen dar, das durch Mittelwerte der Festigkeit
und größere oder kleinere Streuungen um diese Mittelwerte zu kennzeichnen ist. Diese
Zusammenhaltsmechanismen -werden bei steigender äußerer Last nacheinander zerstört.
Gleichzeitig sind aber Heilungseffekte wirksam, die die zerstörten Bindungen wieder
aufbauen. je nach der Geschwindigkeit dieser Heilungsprozesse ist ein verschiedenes
Verhalten der Werkstoffe zu beobachten. Ist die Zeit zur Herstellung von neuen Zusammenhaltsmechanismen
groß im Vergleich zur Belastungsgeschwindigkeit, so können entstehende Mikrorisse
nicht mehr abgebunden werden; der Werkstoff bricht spröde. Ist die Heilungszeit
jedoch kurz, so werden immer neue Bindungen geschaffen, und der Werkstoff ist bildsam.
Treten im Laufe der Belastungszeit Verunreinigungen auf, etwa durch Ausscheidungen,
Fremdatome oder auch durch Diffusion von Atomen aus dem das Prüfstück umgebenden
Medium, so werden die Heilungsprozesse immer mehr erschwert der Werkstoff altert
und bricht schließlich spröde.
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Wenn nun ein Versuchsstück steigend belastet wird, so werden zunächst
in schwachen Elementarbereichen die Bindungen zerstört. Da diese schwachen Bereiche
jedoch in die Federungen der gesunden Bereiche eingebettet sind, können sich diese
Zerstörungen nicht unmittelbar außen bemerkbar machen. Durch lokale Relaxationserscheinungen
entziehen sich die schwachen Bereiche dem auf sie entfallenden Lastanteil. Diesen
Anteil übernehmen zusätzlich die starken Bereiche, wodurch sich diese ein wenig
nachlängen, bis durch die hierbei ansteigende elastische Gegenkraft erneut Gleichgewicht
mit der außen wirksamen Last herrscht. Dieser Vorgang ist also von einem »Fließen«
des Werkstoffs unter der aufgebrachten Last begleitet. In diesem Stadium des Fließens
handelt es sich jedoch um elastische Zusatzverformungen, die durch örtliche Relaxationserscheinungen
ausgelöst und gesteuert werden. je nach der Geschwindigkeit, mit der die zerstörten
Bindungen nach entsprechenden Platzwechseln wieder aufgebaut werden, treten zeitlich
verschieden ablaufende Änderungen des elastischen Verhaltens des Versuchsstücks
auf. Bei Entlastung entstehen außerdem Eigenspannungen, die um so größer werden,
je rascher die Heilung fortschreitet.
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Wird die äußere Last «:-eitergesteigert, so können schließlich auch
die starken Bereiche die Zusatzbeanspruchungen nicht mehr aufnehmen*, sie geben
ihrerseits nach. Hierdurch werden die zuerst nachgebenden und mehr oder weniger
wieder aufgebauten Bereiche erneut belastet, während sich die starken Bereiche ihrerseits
durch Relaxation kurzfristig ihrem Lastanteil entziehen. Bei amorphen Stoffen werden
daher die einzelnen Elemente des Kollektivs nacheinander immer wieder belastet und
entlastet, wodurch sich ein eigentliches Fließen oder Kriechen einstellt. Bei kristallinen
Stoffen entwickeln sich in diesem Stadium vollständige Abgleitungen. Gleichzeitig
hiermit entstehen dauernde Umformungen des inneren Spannungsfeldes. Wird in diesem
Stadium entlastet, so treten zunächst ebenfalls Eigenspannungen auf, bedingt durch
den Wiederaufbau von Bindungen. Der hierdurch bedingte Teil der Gesamtverformung
ist wiederum durch elastische Verspannungen erzeugt, wozu dann eigentliche bleibende
Verformungen auftreten. Es ist daher zwischen zwei ganz verschiedenen »bleibenden«
Verformungen zu unterscheiden.
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Gleichzeitig mit diesem Fließen und Kriechen sind je nach der Geschwindigkeit
der Heilungsprozesse größere oder kleinere Änderungen des elastischen Verhaltens
verknüpft. Ist schließlich der Heilungsprozeß erschöpft, so wachsen sich die Mikrorisse
immer mehr aus, bis ein spröder Bruch eintritt.
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Durch die heute üblichen, eingangs erwähnten Prüfmethoden der mechanischen
Technologie werden diese Grunderscheinungen in belasteten Werkstoffen nicht erfaßt.
Dieser Nachteil wird durch die Erfindung beseitigt. Die Erfindung, die sich auf
ein Verfahren zum Feststellen des mechanischen Verhaltens von Werkstoffen während
ihrer Belastung bei einem Festigkeitsermittlungsversucli bezieht, besteht zu diesem
Zweck im wesentlichen darin, daß der Prüfling außer der eigentlichen beanspruchenden
Last (Arbeitslast) zusätzlich einer ,-besonderen Last (Meßlast) unterworfen wird,
mit deren Hilfe die sich unter der Wirkung der Arbeitslast im Versuchsstück abspielenden
Vorgänge verfolgt werden, um dabei Veränderungen von elastischen Größen des betreffenden
Werkstoffs als Zeichen einer beginnenden Werkstoffschädigung zu ermitteln.
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Die Arbeitslast wird demnach als einer der verschiedenen, die Eigenschaften
des Werkstoffs bestimmenden Faktoren aufgefaßt, die nun zusätzlich durch Aufbringung
einer zweiten Last zur Anzeige gebracht werden. Vorteilhafterweise wird hierbei
die Meßlast wesentlich kleiner als die Arbeitslast gewählt, so daß der Zustand des
Werkstoffs durch die Einwirkung dieser Meßlast nicht wesentlich geändert wird. Auf
diese Weise sind die Vorgänge in belasteten Werkstoffen, insbesondere das Zusammenwirken
von -Zerstörungs- und Heilungsprozessen in Abhängigkeit von der Arbeitslast. wesentlich
besser zu verfolgen als bisher.
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Die zusätzlich aufzubringende 1Teßlast kann erfindungsgemäß eine statisch
wirkende sein, wobei dann die sich unter der Wirkung der Arbeitslast ausbildenden
Änderungen des statischen, elastischen Moduls ermittelt werden. Nach einem anderen
.Merkmal der Erfindung stellt die zusätzliche 1leßlast eine dvn:imische dar. In
diesem Fall werden die sich unter der Wirkung der Arbeitslast ausbildenden Änderungen
des dynamischen Moduls und der Dämpfung ermittelt. Schließlich wird nach dem weiteren
und letzten Merkmal der Erfindung die Ermittlung der Veränderung der elastischen
Werkstoffgrößen mittels der zusätzlichen Meßlast bei beständig erhöhter Temperatur
vorgenommen.
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An Hand der Abb, i sei die Durchführung des Meßverfahrens beschrieben.
Es bedeutet i das Versuchsstück,
dessen Verhalten beispielsweise
im Dauerstandversuch untersucht werden soll. Durch eine Vorrichtung (nicht gezeichnet)
wird das Versuchsstück auf einer gleichbleibenden Temperatur gehalten. Auf das Versuchsstück
wird eine gleichbleibende Kraft ausgeübt, hier z. B. durch das angehängte Gewicht
z. Bei den heute üblichen Dauerstandversuchen werden die sich im Laufe der Zeit
unter der Wirkung dieser Kraft ausbildenden Verformungen beobachtet. Bekanntlich
zeigen sich hierbei verwickelte Kriecherscheinungen, wobei man im allgemeinen drei
Stadien unterscheiden kann: Übergangskriechen, stationäres Kriechen und beschleunigtes
Kriechen. Bis heute ist es jedoch nicht gelungen, aus dem verwickelten Verlauf des
Kriechens unter der aufgebrachten Last in erträglicher Zeit Rückschlüsse auf die
Haltbarkeit des Versuchsstücks unter den jeweiligen Betriebsbedingungen zu ziehen.
Gemäß den einleitenden theoretischen Betrachtungen sind verschiedene Elementarvorgänge
zu unterscheiden, die alle zu einer Nachverformung führ-en, die aber in ihrer schädigenden
Wirkung ganz verschieden sind. In dieser außen zu beobachtenden Gesamtdeformation
können diese verschiedenen Wirkungen nicht erfaßt werden.
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Die aufzubringende zusätzliche Meßlast kann im einfachsten Fall eine
statische Torsionslast darstellen. Mit Hilfe einer Schnur wird durch das Gewicht
3 das Versuchsstück i ein wenig verdreht. Die Größe der Auslenkung unter einem gegebenen
Gewicht ist ein Maß für den Torsionsmodul des Versuchsstücks.
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Wenn im Laufe eines Dauerstandversuchs unter der Wirkung der Arbeitslast
zerstörende und heilende Elementarprozesse auftreten, so ändert sich der Torsionsmodul
nicht, solange beide Effekte im Gleichgewicht sind. Überwiegen aber die zerstörenden
Einflüsse, so bilden sich allmählich Mikrorisse aus. Hierdurch erfährt der Modul
kleine Änderungen, die durch eine allmähliche VergrÖßerung der Verdrehung des Versuchsstücks
erfaßt «-erden. Aus der Tendenz des Hoduls kann daher frühzeitig geschlossen werden,
ob die im Kriechversuch sich zeigenden Verformungen zu Schädigungen des Versuchsstücks
führen, die schließlich zu einem Bruch Anlaß geben.
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Die Meßlast kann aber auch periodisch aufgebracht werden. Im einfachsten
Fall wird das Versuchsstück um einen bestimmten Winkel verdreht und hierauf losgelassen.
Aus den sich zeigenden, allmählich abklingenden Eigenschwingungen wird Eigenfrequenz
und Dämpfung entnommen. Eine Abnahme der Eigenfrequenz im Laufe eines Dauerstandversuchs
bedeutet, daß eine Abnahme des Torsionsmoduls einsetzt und daß durch das Kriechen
zerstörte Zusammenhaltsmechanismen nicht mehr oder nur teilweise wiederhergestellt
werden. Die jeweilige Größe der Dämpfung gibt zusätzliche Einblicke. Ihr Verlauf
kennzeichnet insbesondere die Wirkung von Fremdatomen oder von Atomen, die im Laufe
des Versuchs aus dem umgebenden Medium eindiffundiert sind, auf die Wiederherstellung
von Zusammenhaltsmechanismen. Durch solche Fremdatome wird der Wiederaufbau immer
mehr verhindert.
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An Stelle von Eigenschwingungen können auch erzwungene Schwingungen
erzeugt werden. Zu diesem Zweck werden auf das Versuchsstück periodische Kräfte
allmählich steigender Frequenz ausgeübt, wodurch eine Resonanzkurve erhalten wird.
Aus dieser können dann in bekannter Weise Eigenfrequenz und Dämpfung entnommen werden.
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Man kann aber auch die Eigenschwingungen des Versuchsstücks zur Steuerung
eines Röhrengenerators benutzen und die Frequenz dieser eigenerregten Schwingungen
mit der Frequenz eines Normalsenders vergleichen.
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Bei üblichen Dauerstandversuchen wird die Temperatur konstant gehalten.
In Verbindung mit dem beschriebenen Meßverfahren ergibt sich eine weitere Versuchsdurchführung.
Bei konstanter Arbeitslast wird die Temperatur des Versuchsstücks immer mehr erhöht,
wobei in der beschriebenen Weise Frequenz und Dämpfung verfolgt werden. Hierbei
wird schließlich ein kritisches Temperaturgebiet gefunden, in dem Modul und Dämpfung
ausgeprägte Änderungen zeigen. In dieser Weise werden für verschieden große Arbeitslasten
diese kritischen Temperaturen aufgesucht.
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Untersuchungen der Eigenfrequenz und der Dämpfung von Prüfstücken
sind bei Dauerwechselversuchen bekannt. Die Erfassung dieser Kennwerte gemäß der
Erfindung durch eine besondere Meß.last bei gleichzeitiger Einwirkung einer Arbeitslast
eröffnet jedoch besonders empfindliche Methoden zur Verfolgung der inneren Vorgänge
bei belasteten Werkstoffen.
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Nach Abb. 2 erfolgt eine Regelung der Torsionsfrequenz unabhängig
von der statischen Last. Hier wird die statische Arbeitslast durch eine Feder 4
ausgeübt. Ferner sind zwei Arme 5 vorgesehen, auf denen sich zusätzlich Gewichte
6 verschieben lassen. Das gesamte Zusatzgewicht zur statischen Kraft der Feder 4
bleibt stets gleich groß. Trotzdem kann durch Verschiebung der Gewichte 6 das Trägheitsmoment
und damit die Eigenfrequenz des Versuchsstücks in weiten Grenzen vi rändert werden.
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Torsionsschwingungen haben den besonderen Vorteil, daß durch sie vor
allem die Randzonen des Versuchsstücks erfaßt werden, in denen vorwiegend Brucherscheinungen
einsetzen. An Stelle von Torsionsbelastungen können aber auch Biege- oder Zug-Druck-Belastungen
aufgebracht werden.
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In Abb.3 bedeutet i wiederum das Versuchsstück, das hier etwa in die
Spannköpfe einer üblichen Zerreißmaschine eingespannt ist. Mit Hilfe eines Elektromagneten
7 werden Biegeschwingungen ausgeübt. Durch Verfolgung der Frequenz und Dämpfung
des Prüfstücks in Abhängigkeit von der Größe der aufgebrachten Arbeitslast können
Beginn undVerlauf der auftretenden Werkstoffschädigungen verfolgt werden.
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Das beschriebene Meßverfahren findet aber auch vorteilhaft-erweise
Anwendung bei üblichen Dauerwechselversuchen. In Abb. 4 stellt i wiederum das
Versuchsstück
dar, das beispielsweise in den Kraftfluß einer Pulsatormaschine eingeschaltet ist,
wodurch periodische Kräfte auf das Versuchsstück ausgeübt werden. Ein Federglied
8 dient zur Bestimmung der Wechselkräfte. Mit Hilfe eines Elektromagneten 7 werden
zusätzliche Schwingungen im Versuchsstück erzeugt und die Eigenfrequenz und Dämpfung
im Laufe des Dauerversuchs verfolgt. Beginnende Werkstoffschädigungen durch die
Arbeitswechsellast werden mit Hilfe der dynamischen Meßlast wesentlich klarer erkannt
als bei den üblichen Messungen der Dämpfung unter der Arbeitslast selbst.