-
Verfahren und Vorrichtung zur Messung von Verschiebungen und Verformungen
wandartiger oder zellenartiger Bauglieder über und unter Wasser Infolge der Unzulänglichkeit
der statischen Methoden bei der Berechnung von Spundwänden und anderen durch Erddruck
belasteten Wänden besteht ein dringendes Bedürfnis, die Beanspruchung solcher Wände
auf meßtechnischem Wege zu bestimmen.
-
Die unmittelbare Messung der Spannung (Dehnung) von Spundwänden in
dem hauptsächlich interessierenden Bereich unter Wasser mit mechanisch wirkenden
Dehnungsmessern, elektrisch arbeitenden Dehnungsmeßstreifen, magnetisch angestoßenen
Vergleichsseiten u. dgl. bekannten Meßgeräten hat sich bisher als unmöglich erwiesen,
weil solche Geräte unter Wasser nicht eingebaut und nicht abgelesen werden können.
Auch würden solche Messungen, wenn sie möglich wären, ihren Zweck nur dann erfüllen,
wenn sie entsprechend dem sehr langsamen Inspannunggehen der Spundwand jahrelang
eingebaut bleiben und wirksam gegen Korrosion geschützt werden könnten.
-
Man kann den durch das Wasser bedingten Schwierigkeiten dadurch begegnen,
daß man geschlossene Spundwandzellen schafft und die Spannungsmessung in der trockengelegten
Zelle ausführt. Aber auch in engen Zellen ist die Schwierigkeit der Gerätanbringung
und der Ablesung kaum zu überwinden und die Gefahr der Korrosion nicht behoben.
Ferner ist es wirtschaftlich nicht tragbar,
wenn an jeder Meßstelle
jahrelang ein nur dieser einen Messung dienendes Gerät eingebaut bleiben muß.
-
Eine andere Möglichkeit, die Spannung biegungsbeanspruchter Wände
auf meßtechnischem Wege zu bestimmen, ist die indirekte Methode der Durchbiegungsmessung.
-
Man hat versucht, die Durchbiegung und damit den Krümmungshalbmesser
von Spundbohlen in der Weise zu ermitteln, daß man den Abstand der Wandpunkte zu
einem vor der Wand gespannten Draht oder einer davor aufgestellten Latte mit einem
einfachen Meßstab einmaß. Unter Wasser können solche Messungen jedoch nur durch
den Taucher vorgenommen werden. Sie sind daher sehr ungenau und keine geeignete
Grundlage für die Ermittlung der Spannungen.
-
Leitgedanke der im folgenden beschriebenen Erfindung ist es, den bei
solchen Messungen verwendeten Draht oder die Latte durch die Ziellinie eines Fernrohrs
zu ersetzen. Das Zielfernrohr wird oberhalb der Spundwand so aufgestellt, daß die
Ziellinie beim Verschwenken des Fernrohrs eine Ebene bestreicht, die angenähert
parallel zur Wandfläche ist. An der Wandfläche wird ein Tastwagen mit einer lotrecht
zur Ziellinie stehenden beleuchteten Mattscheibe mit Skalenteilung abwärts bewegt.
Ist die Wandfläche gekrümmt oder nicht genau parallel zur Fernrohrebene, so wandert
bei der Abwärtsbewegung des Wagens der Schnittpunkt der Ziellinie mit der Mattscheibe
auf der Skala. Der am Fernrohr abgelesene Abstand zwischen Ziellinie und Wandfläche
ändert sich also. Trägt man die Abstände in Abhängigkeit von der Entfernung der
Mattscheibe zur Fernrohrkippachse, d. h. in Abhängigkeit von der Tastwagenstellung,
auf, so erhält man einen Vertikalschnitt durch die Wand und damit deren Biegelinie.
Aus dem Krümmungsradius der Biegelinie läßt sich, wenn die Wand ursprünglich eben
war und die Beanspruchung innerhalb des elastischen Bereichs bleibt, ohne weiteres
die Spannung der Wand ermitteln.
-
Mißt man den Querschnitt der Wand zu verschiedenen Zeitpunkten bei
verschiedenen Spannungszuständen ein, so erhält man voneinander abweichende Biegelinien.
Aus der Änderung der Krümmungsradien dieser Biegelinien errechnet sich dann die
Änderung der Spannungen.
-
Wird die Lage der Fernrohrkippachse zu mehreren Festpunkten im Gelände
festgelegt, so geht aus der Gegenüberstellung der aufgetragenen Querschnitte auch
die etwaige Seitenverschiebung der der Durchbiegung nicht unterworfenen Punkte der
Wand, des Kopfpunktes und des Fußpunktes der Wand hervor.
-
Bei geeigneter Ausbildung des Tastwagens kann die Messung gemäß der
Erfindung auch innerhalb enger Zellen, so z. B. innerhalb geschlossener Spundwandzellen
oder innerhalb von Hohlpfählen, durchgeführt werden.
-
Das Meßverfahren läßt sich auch als Tauchmessung unter Wasser anwenden,
wenn man die Mattscheibe mit der Skala im Innern eines wasserfreien Rohrs anordnet
und das Rohr als Fahrgestell des Tastwagens verwendet. Wenn bei dieser Ausführungsform
des Tastwagens auch die Ausdehnung des Meßbereichs auf den unterhalb der Gewässersohle
gelegenen Teil der Spundwand nicht möglich ist, so wird das Ziel der Messung im
allgemeinen dennoch erreicht, weil das größte Moment einer normalen verankerten
Spundwand stets oberhalb der Sohle auftritt und es daher zur Ermittlung der größten
Spannung genügt, die Messungen auf den Bereich oberhalb der Sohle zu begrenzen.
-
Bei einer Ablesegenauigkeit am Höhenkreis des Fernrohrs von ± 5° beträgt
die Meßgenauigkeit bei 17 m Abstand zwischen Fernrohrkippachse und tiefster
Skalenstellung, wie sie beispielsweise bei der Unterwassermessung an Spundwänden
von Kaimauern in deutschen Seehäfen äußerstenfalls vorkommen kann, noch ± 5 rd.
± 0,41 mm. Die Messungen sind also
sehr genau.
-
Reicht die Größe der Skala bei der Messung mit festgestelltem Fernrohr
bei sehr großer Durchbiegung der Spundwand ausnahmsweise nicht aus, so gestattet
das Verfahren auch, die Messungen mit veränderlicher Ziellinie durchzuführen und
die Lage der eingemessenen Punkte trigonometrisch zu bestimmen, Der Tastwagen besteht
in seiner einfachsten Form aus einem Fahrgestell auf Rädern oder Kufen und einer
darauf aufgesetzten Mattscheibe mit Skala. Er läßt sich in dieser Form jedoch nur
über Wasser und nur an nach rückwärts geneigten Wandflächen verwenden, bei denen
das Gewicht des Wagens einen ausreichenden Anlagedruck an der Wandfläche erzeugt.
-
Eine andere Ausführungsform des Tastwagens ist der für Messungen in
trockenen Zellen bestimmte Zellentaster, bei dem der erforderliche Anlagedruck durch
Abfederung des Fahrgestells gegen ein oder mehrere auf der gegenüberliegenden Fläche
laufende Kopfräder erzielt wird.
-
Bei der für '-Messungen unter Wasser bestimmten Ausführungsform des
Tastwagens sitzt die Mattscheibe im Innern eines unten verschlossenen Rohrs, dem
Tauchtaster. Eine besondere Form des Tauchtasters ist der Teleskoptauchtaster, bei
dem das Rohr in mehrere Schüsse unterteilt ist, die ineinandergeschoben werden können
und gegeneinander abgedichtet sind. Soweit erforderlich, wird auf der Wasserseite
ein exzentrisch angreifendes Gegengewicht angeordnet, das die Tasträder des pendelnd
aufgehängten Tauchtasters an die Wandfläche andrückt.
-
Ein weiterer Erfindungsgedanke ist die Anordnung einer Seitenführung,
die bewirkt, daß der Tastwagen bei Wiederholungsmessungen stets auf der gleichen
Bahn abläuft. In ihrer einfachsten Form besteht die Seitenführung aus einer auf
der Wandfläche aufgesetzten Führungsschiene und einer am Tastwagen angebrachten
federnden Führungsklaue. Eine andere Ausführungsform der Seitenführung ist die Spreizführung,
bei der die
beiden Hälften des geteilt ausgeführten Fahrgestells
durch Federdruck gegen seitliche Wandflächen gepreßt werden.
-
In den Zeichnungen sind mehrere Ausführungsformen der Erfindung als
Beispiele dargestellt. Abb. i zeigt schematisch den Aufbau der Meßvorrichtung bei
der Zellenmessung; in den Abb. 2, 3, 4 und 5 ist eine Ausführungsform des Zellentasters
in Vorderansicht, Seitenansicht, Vertikalschnitt a-b und Draufsicht mit Spreizführung
dargestellt; Abb.6 zeigt schematisch den Aufbau der Meßvorrichtung bei der Tauchmessung
unter Verwendung eines Teleskoptauchtasters, Abb. 7 einen Horizontalschnitt durch
den Teleskoptauchtaster der Abb.6 mit Darstellung einer Klauenführung, Abb.8 und
9 einen Horizontalschnitt und den Vertikalschnitt durch den unteren Teil des Teleskoptauchtasters
der Abb.6 mit Spreizführung an einer wellenförmigen Stahlspundwand.
-
Bei der Zellenmessung gemäß Abb. i ist über der boden- und wasserfreien
Zelle i eine Hubwinde 2 aufgestellt, über deren Trommel ein Hubseil 3 läuft, an
dem der Zellentaster 4 hängt. Am oberen Rande der Zelle ist ferner ein Zielfernrohr
5 mit Höhenkreis so aufgestellt, daß die Ziellinie bei festgestelltem Fernrohr die
Skala der Mattscheibe 7 bei jeder Fahrstellung schneidet.
-
Das Fahrgestell 8 des in den Abb. 2, 3, 4 und 5 in seinen Einzelheiten
dargestellten Zellentasters läuft mit seinen vier Tasträdern 9 auf der Meßfläche
io und wird durch die beiden Druckfedern i i gegen die in Schlitzen des Fahrgestells
geführten Achskloben 12 der Kopfräder 13 fest auf die Meßfläche io gepreßt. Gemäß
Abb. 2 ist der lose rechte Teil des Fahrgestells mit dem festen linken Teil durch
eine Spreizführung verbunden, die aus einer Innenstange 14, einer Außenstange 15
und einer in dieser geführten Druckfeder 16 besteht, die die beiden Fahrgestellteile
auseinanderpreßt und die Achsnaben 17 der vier Tasträder 9 fest an die Seitenwände
der Zelle drückt. Während der Einführung des Zellentasters in die Zelle ist die
Innenstange zur Verminderung der Wagenbreite tief in die Außenstange eingeschoben
und in dieser Lage durch einen die Bohrungen i8 und i9 verbindenden Sperrstift 2o
gesichert, der erst bei Beginn der Messung durch einen Drahtzug 21 gelöst wird.
An dem festen linken Teil des Fahrgestells ist die Mattscheibe 7 mit Skala angebracht,
die von unten her durch Glühbirnen 22 beleuchtet wird, denen eine Batterie 23 als
Stromquelle dient.
-
Bei der in Abb. 6 veranschaulichten Tauchmessung an einer Kaimauerspundwand
24 wird ein aus drei Schüssen 25, 26 und 27 bestehender, beim Transport zusammengeschobener
Teleskoptauchtaster mit seinen beiden Laufrädern 28 auf einem Kragträger 29 abgesetzt
und auf diesem so festgelegt, daß die Achse des Tauchtasters etwa parallel zur Spundwand
ist. Am unteren Ende des Tauchtasters sind zwei Tasträder 9 angebracht, die durch
ein exzentrisch angehängtes Gegengewicht 3o an die Spundwand angedrückt werden und
beim Fieren des über die Hubwinde 2 führenden Hubseiles 3 auf der Spundwand abrollen.
Am oberen Rande der Mauer ist wiederum ein Zielfernrohr 5 mit Höhenkreis so aufgestellt,
daß die Ziellinie 6 bei festgestelltem Fernrohr die Skala der in Höhe der Tasträder
angebrachten Mattscheibe 7 bei jeder Fahrstellung schneidet. Die Mattscheibe wird
wie beim Zellentaster durch eine Glühbirne 22 beleuchtet, die von einer Batterie
23 gespeist wird.
-
Bei der Klauenführung gemäß Abb. 7 wird die feste Klaue 31 mit Hilfe
der Zugfeder 32 und der beweglichen Klaue 33 an eine Führungsschiene 34 gepreßt.
-
Bei der Spreizführung gemäß Abb. 8 und 9 wird eine in fester Verbindung
mit dem unteren Schuß 27 des Tauchtasters stehende Außenstange 15, die an dem einen
Steg der Spundwand geführt ist, wie beim Zellentaster durch eine Druckfeder 16 gegen
eine Innenstange 14 abgespreizt, die am anderen Spundwandsteg anliegt.
-
Das Verfahren gemäß der Erfindung läßt sich zur genauen Messung der
elastischen Verformungen und damit zur Ermittlung der Spannung von Wänden aller
Art über und unter Wasser verwenden. Es kommt besonders bei solchen Wänden in Betracht,
die ganz oder teilweise im Wasser stehen, so daß andere Meßverfahren nicht anwendbar
sind oder keine genügend genauen Ergebnisse zeitigen. Das Hauptanwendungsgebiet
der Erfindung sind Spundwände, massive und hohle Gründungspfähle, Dalben, Ufermauern
und Talsperrenmauern.
-
Darüber hinaus eignet sich das Verfahren zur Einmessung der Querschnitte
dieser Baukörper, wenn sie sich infolge von kriegsbedingten Erschütterungen oder
aus anderer Ursache seitlich verschoben oder verkantet haben.
-
So kann beispielsweise die genaue Einmessung der Spundwand oder des
Pfahlrostes einer ausgewichenen Kaimauer Klarheit darüber erbringen, ob die Mauer
nur in ihrem oberen Teil nachgegeben hat und durch den Einbau von Ankern gesichert
«-erden kann oder aber eine Gleitbewegung des gesamten Geländesprunges einschließlich
des Pfahlrostes vorliegt und daher eine die Gleitfuge durchdringende neue Spundwand
gerammt werden muß.
-
Da derartige Messungen bisher wegen Mangels an geeigneten Meßverfahren
und Meßgeräten kaum oder nur in primitiver Weise durchgeführt worden sind und werden
konnten, ist der Gegenstand der Erfindung also von großer wirtschaftlicher Bedeutung.