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Verfahren zur Gewinnung von frischen, lebenden Reinkulturen von therapeutisch
oder industriell anzuwendenden Mikroorganismen an der Verwendungsstelle
Bekanntlich
werden Lebendvakzine in verschiedenen Anwendungsgebieten benutzt. In Frage kommen
unter anderen A. Humanmedizin: a) Coli-Lebendvakzine zur Normalisierung der Darmflora,
b) Lebendvakzine von Döderleinschen Vaginalbazillen zur Normalisierung der Vaginalflora.
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B. Veterinärmedizin: a) Coli-Lebendvakzine zur Normalisierung der
Darmflora (z. B. bei Staupe), b) Bang-Lebendvakzine zur Immunisierung gegen das
seuchenhafteVerkalben bei Rindern, c) Schweinerotlaufvakzine zur Immunisierung gegen
Schweinerotlauf.
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C. In der Milchwirtschaft werdenliebendkulturen von Mikroorganismen
verwendet bei der Herstellung von Butter und Käse.
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D. In der Gärungsindustrie werden Lebendkulturen von Mikroorganismen
verwendet bei der Herstellung von Wein und Bier.
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Für die therapeutische und industrielle Verwendung von Lebendvakzinen
hat man bisher im allgemeinen nur Präparate verwendet, bei denen die Mikroorganismen
an der Erzeugungsstelle in Kapseln eingeschlossen oder in Flüssigkeiten verteilt
und in dieser Form der Verwendungsstelle zugeführt wurden. Zwischen Herstellung
und Verwendung liegt dabei ein mehr oder weniger langer Zeitraum, in dem die Wirksamkeit
der Mikroorganismen geschwächt, nicht selten sehr beträchtlich geschwächt wird.
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Der Erfinder hat sich die Aufgabe gestellt, den Verbrauchern oder
Verwendern von Lebendvakzinen
diese in einer Form zuzuführen, welche
die Überführung in frische, hochwirksame Kulturen ohne besondere Hilfsmittel gestattet.
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Erfindungsgemäß werden die Mikroorganismen an der Herstellungsstelle,
und zwar zweckmäßig im sogenannten Ruhestadium, also nicht im Vermehrungsstadium,
z. B. als gefriergetrocknete Bakterien in einen Behälter, z. B. ein Glasrohr, eingeschlossen,
das mit einem größeren Behälter, z. B. einer Flasche, die mit einer geeigneten Nährlösung
beschickt ist, in solcher Verbindung steht, daß die Mikroorganismen an der Gebrauchsstelle
durch äußere Einwirkung ohne Infektionsgefahr in die Nährlösung übergeführt werden
können. Dies kann z. B. derart geschehen, daß die Nährlösung in einer Flasche untergebracht
ist, die durch einen elastisch nachgiebigen Verschluß, z. B. eine Gummihaube oder
einen haubenförmig ausgebildeten Gummistopfen, abgeschlossen ist, und der mit Bakterien
beschickte Behälter, z. B. ein Rohr aus Glas od. dgl., durch den Gummiverschluß
in das Innere der Flasche, vorteilhaft unter Eintauchen in die Nährflüssigkeit,
derart eingeführt ist, daß der untere Teil des Bakterienbehälters durch Betätigung
von außen geöffnet werden kann und die Bakterien in die Nährflüssigkeit eintreten
Können, ohne daß der Abschluß der die Nährflüssigkeit enthaltenden Flasche nach
außen aufgehoben wird und Infektion, z. B. durch Eintreten von Außenluft, stattfinden
kann.
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Bei der Ausführungsform nach Fig. I ist zur Aufnahme der zweckmäßig
lyophil getrockneten Bakterien ein U-Rohr a, das z. B. aus Glas besteht, vorgesehen.
Das U-Rohr a ist derart durch den Gummiverschluß b geführt, daß sein U-förmiger
Unterteil in die mit Nährflüssigkeit beschickte Flasche c hineinragt. Um das Offnen
des Unterteils des U-Rohres a an der Gebrauchsstelle zu ermöglichen, ist dasselbe
bei d mit einem Schneidegerät, z. B. einem Diamanten, angeritzt. Es hat sich gezeigt,
daß ein derart vorbereitetes Glasrohr seine Dichtigkeit an der Ritzstelle beibehält,
aber durch leichtes Zusammendrücken der aus dem Flaschenverschluß b herausragenden
Schenkelenden e an der Ritzstelle glatt abspringt. Selbstverständlich müssen bei
dieser Ausführungsform die Schenkel des U-Rohres derart elastisch in den Gummiverschluß
eingefügt sein, daß ein leichtes Gegeneinanderdrücken der Schenkelenden e möglich
ist, ohne daß Undichtigkeiten entstehen.
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Das Einbringen der Mikroorganismen in das U-Rohr wird selbstverständlich
unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Der Verschluß des U-Rohres kann durch Zuschmelzen
der Schenkelenden erfolgen. Das U-Rohr wird vorteilhaft vor dem Zuschmelzen evakuiert
oder mit einem inerten Gas, z. B. Stickstoff, gefüllt. Erfahrungsgemäß sind die
gefriergetrockneten Bakterien unter derartigen Bedingungen praktisch unbegrenzt
haltbar.
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NIit Hilfe eines derartigen Geräts kann an der Gehrauchsstelle in
einfachster Weise eine frische, hochwirksame Bakterienkultur erzeugt werden.
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Durch einfaches leichtes Gegeneinanderdrücken der Schenkelenden e
des U-Rohres wird der in der Nährlösung befindliche Unterteil zum glatten Abspringen
gebracht. Die in dem U-Rohr befindlichen Bakterien gelangen dann in die Nährflüssigkeit
und können sich in dieser ungehemmt vermehren. An dem Hals der Flasche c ist vorteilhaft
noch eine aus Kunststoff od. dgl. bestehende Verschlußkappef angeordnet, welche
die aus Gummi od. dgl. bestehende Verschlußhaube sowie die aus der Verschlußhaube
herausragenden Teile des Geräts, wie z. B. die Enden e des U-Rohres und das Ausflußröhrchen
für die Bakterienkultur, umschließt und schützt und während des Gebrauchs die Sekundärinfektion
des Flascheninhalts verhindert.
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Die Entnahme der erfindungsgemäß an der Gebrauchsstelle erzeugten
frischen Bakterienreinkultur kann z. B. mit Hilfe einer Spritze erfolgen und mittels
dieser Spritze zur Anwendung, z. B. einer Injektionsbehandlung, gebracht werden.
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Nach einer Ausführungsform der Erfindung ist der Flaschenverschluß
so ausgebildet, daß die Kulturfiüssigkeit in Portionen, in denen sie zur Anwendung
gebracht werden soll, ausgegossen werden kann, ohne daß Infektionsgefahr zu befürchten
ist.
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Dies kann z. B. derart geschehen, daß der über den Oberteil des Flaschenhalses
hinausragende Gummiverschluß mit einem zweckmäßig waagerecht verlaufenden Ausgußröhrchen
versehen ist, das z. B. aus Gummi oder einem geeigneten Kunststoff bestehen kann.
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Fig. 1 a zeigt einen Gummiverschluß b, der mit einem seitlichen Ausfiußröhrchen
lt versehen ist, dessen Ende i bei der Sterilisation der Nährflüssigkeit in der
Flasche c, die z. B. bei etwa I20° vorgenommen wird, offen bleibt. Nach erfolgter
Sterilisation wird das Ausgangsröhrchen sofort verschlossen. Der Verschluß kann
mit Hilfe einer Metallkappe oder durch Plombierung bewirkt werden. Ein besonders
einfacher Verschluß wird dadurch erzielt, daß man das Ende des aus Gummi oder ~
thermoplastischem Kunststoff bestehenden Röhrchens mit Hilfe einer Flachzange, deren
Enden angewärmt sind, zusammenpreßt und hierdurch eine Verklebung bzw. Verschweißung
des Lumens bewirkt.
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Die Beschickung und Behandlung des Geräts wird derart vorgenommen,
daß zunächst die Nährflüssigkeit in die Flasche c eingefüllt, dann der mit dem U-Rohr
a und dem Ausgußrõhrchen h versehene Gummiverschluß aufgesetzt wird. Hieran schließt
sich die Sterilisation der Nährlösung, die im allgemeinen bei etwa I20° vorgenommen
wird, wobei das Ausguß röhrchen offen ist. Nach der Sterilisation wird das Ausguß
röhrchen h an seinem Ende i sofort verschlossen. Während der Sterilisation bleibt
das U-Röhrchen verschlossen, um seinen Innenraum vor Feuchtigkeit zu schützen. Nach
beendeter Sterilisation wird ein Schenkel des U-Rohres unter sterilen Bedingungen
geöffnet, daml werden die Bakterien eingeführt, hierauf evakuiert oder Stickstoff
eingeleitet und schließlich der geöffnete Schenkel des U-Rohres wieder durch Zuschmelzen
abgeschlossen. Statt dessen kann die Sterilisation, wenn der Gummiverschluß b mit
bei W verschlos-
senem Ausguß röhrchen lt vorliegt, in der Weise
vorgenommen werden, daß der Gummistopfen nur lose aufgesetzt wird und erst nach
der Sterilisation fest in den Flaschenhals eingedrückt wird.
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Beim Gebrauch wird zunächst das Ausgußröhrchen durch einen zweckmäßig
schräg verlaufenden Scherenschnitt geöffnet. Die Ebene, durch welche der Scherenschnitt
zu legen ist, ist bei Fig. I a durch eine Markierung, z. B. einen Wulst, an den
mit n bezeichneten Stellen gekennzeichnet. Der Ausfluß der Kulturflüssigkeit durch
das Abfluß röhrchen n kann dadurch begünstigt werden, daß der haubenförmige Flaschenverschluß
b durch Fingerdruck eingepreßt bzw. zusammengepreßt wird. Hierdurch kann man den
Druck innerhalb der Flasche in einfachster Weise so weit erhöhen, daß ein glattes
Abfließen der Kulturflüssigkeit durch das Ausgußröhrchen stattfindet.
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Obwohl sich gezeigt hat, daß bei Öffnung des Unterteils des U-Rohres
gemäß Fig. I oder des an seinem unteren Ende stumpfwinkelig abgebogenen Glasrohres
p (gemäß der noch später zu erörternden Fig. 3) niemals störende Splitterbildung
eingetreten ist, kann man fürsorglich dem Ausfluß röhrchen h für die frische Bakterienkultur
ein Filter vorschalten, das Glassplitter, Glasstaub od. dgl. mit Sicherheit zurückhält.
Ein derartiges Filter, das z. B. aus porösen Fasergebilden bestehen kann, ist in
Fig. I a veranschaulicht. Bei dieser Ausführungsform schließt das Filter r den Unterteil
der Verschlußhaube ab.
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Es hat sich gezeigt, daß bei Anwendung eines derart geöffneten Abflußröhrchens
besondere Maßnahmen zum Verschließen derselben nicht erforderlich sind. Durch die
waagerechte Lage des Röhrchens, den Schrägschnitt der Öffnung und die Schutzkappe
f wird ein Einfall von Verunreinigungen aus der Luft vermieden. Man kann aber fürsorglich
das aus Gummi od. dgl. bestehende Ausfluß röhrchen z. B. mit Hilfe einer kleinen
Klemme nach erfolgtem Ausguß abschließen und hierdurch jegliche Infektionsgefahr
mit Sicherheit vermeiden.
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Fig. 2 veranschaulicht eine andere Ausführungsform des Geräts. Bei
dieser ist durch den Gummiverschluß b ein einfaches, als Bakterienbehälter dienendes
Rohr m geführt, das tief in die Nährflüssigkeit eintaucht. Das untere Ende des Glasrohres
m ist bei n z. B. durch eine in Wasser unlösliche Schrumpfkapsel verschlossen. Das
obere Ende des Glasrohres m kann nach Einfüllung der Bakterien in der früher beschriebenen
Weise z. B. durch Zuschmelzen geschlossen werden. Am Boden der Flasche befindet
sich ein Dorn o. Wenn von außen her das Glasrohr m senkrecht nach unten geführt
wird, durchsticht der Dorn o die Kapsel n. Nach Wiederhochziehen des Rohres m können
die Bakterien durch die gebildete Öffnung in die Nährflüssigkeit gelangen und sich
in dieser vermehren.
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Fig. 3 zeigt eine Ausführungsform, bei der durch den Gummiverschluß
b ein Glasrohr p geführt ist, das an seinem in die Nährflüssigkeit eintauchenden
unteren Ende stumpfwinkelig abgebogen ist. An dem Scheitelpunkt q des stumpfen Winkels
ist durch Anritzen mit einem Schneidgerät ein Spannungsring erzeugt, durch den das
abgewinkelte Ende des Glasrohres glatt abspringt, wenn man das Rohr von oben her
gegen den Boden der Flasche drückt.
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Bei allen vorstehend beschriebenen Ausführungsformen des Geräts wird
die an der Verbrauchsstelle gewachsene Kultur durch Neigen der Flasche und durch
zusätzliche Erhöhung des Innendrucks durch das Ausguß röhrchen entnommen. Man kann
aber auch mit Hilfe von Überdruck in der Flasche ohne Neigung derselben das gewünschte
Flüssigkeitsvolumen entnehmen.
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Fig. 4 veranschaulicht eine derartige Ausführungsform. Hierbei ist
der Gummiverschluß b an seinem Oberteil mit einer Gummimanschette j versehen, durch
die ein dünnes Glasrohr k in die Nährflüssigkeit eingeführt ist und als Steigrohr
für diese dient. Das Ausgußröhrchen ist beil mit Hilfe einer Klemme verschlossen.
Herrscht nun innerhalb der Flasche ein Überdruck, so genügt es, die Klemme beil
ein klein wenig zu öffnen, um Kulturflüssigkeit auslaufen oder austropfen zu lassen.
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Eine derartige Einrichtung zum Entnehmen von Kulturflüssigkeit kann
bei den verschiedenen Ausführungsformen des Geräts vorgesehen sein.
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PATENTANSPROCHE: 1. Verfahren zur Gewinnung von frischen, lebenden
Reinkulturen von therapeutisch oder industriell anzuwendenden Mikroorganismen an
der Verwendungsstelle, dadurch gekennzeichnet, daß die Mikroorganismen an der Herstellungsstelle
im Ruhezustand, z. B. als gefriergetrocknetes Pulver, in einen Behälter, z. B. ein
Glasrohr, eingeschlossen werden, das mit einem größeren, mit Nährlösung beschickten
Behälter, z. B. einer Flasche, in solcher Verbindung steht, daß die Mikroorganismen
an der Verwendungsstelle dadurch, daß der Bakterienbehälter zerstört wird, ohne
InfektionsgefaJhr in die Nährlösung übergeführt und in dieser zum Wachstum gebracht
werden können.