-
Verfahren zur kontinuierlichen Polymerisation ungesättigter Verbindungen
in disperser Phase
Es ist bekannt, daß Polymerisationen durchgeführt werden können
unter kontinuierlicher Zuführung der monomeren Verbindung in den Polymerisationsprozeß
und Abführung des Polymerisats. Diese sogenannte kontinuierliche Polymerisation
läßt sich ohne besondere Schwierigkeiten bei der Polymerisation der Monomeren für
sich oder zusammen mit Lösungsmitteln anwenden, wobei lediglich Voraussetzung ist,
daß ein Endprodukt Fließeigenschaften besitzt. Man muß dabei beachten, daß der Reaktionsraum
der Anfangsphase von dem der Endphase getrennt ist. Diese Trennung braucht durchaus
nicht scharf zu sein, weil eine meist sehr beachtliche Steigerung der Zähigkeit
(in Poisen gemessen um das Iooofache und mehr) die unerwünschte Durchmischung von
Ausgangs- und Endprodukt von selbst unterbindet.
-
Anders dagegen liegen die Verhältnisse bei der Durchführung einer
kontinuierlichen Polymerisation in disperser Phase, wie sie z. B. in der allgemein
bekannten Emulsionspolymerisation oder auch in der spezielleren Polymerisation in
Körner- oder Perlform vorliegt. Hierbei stößt man auf Schwierigkeiten, die sich
im wesentlichen darauf gründen, daß es nicht ohne weiteres gelingt, die Dispersion
während der ganzen Reaktionsdauer aufrechtzuerhalten. Die Anwendung hochwirksamer
Dispersionsmittel wirkt zwar einer schädlichen Entmischung
und Abscheidung
des Polymerisates entgegen, ist aber nicht allgemein brauchbar und darf bei der
Polymerisation in Perlform überhaupt nicht zur Anwendung kommen. Man hat dieser
Entmischung dadurch zu begegnen versucht, daß man die Emulsionspolymerisation in
einem Röhrensystem vornimmt, wobei die grundsätzliche Forderung für eine kontinuierliche
Polymerisation, nämlich die räumliche Trennung von Anfangs- und Endphase, erfüllt
ist und darüber hinaus die in einem Rohr erreichbare Strömungsgeschwindigkeit den
Verteilungszustand aufrechterhalten soll. Erfahrungsgemäß überwindet aber das Strömungsrohr
bei der Emulsionspolymerisation die Schwierigkeit der Phasentrennung nicht, weil
die Entmischung nur im Gebiet der turbulenten Strömung, d. h. bei sehr hoher Strömungsgeschwindigkeit
unterbunden wird. Hohe Strömungsgeschwindigkeit aber erfordert kleine Rohrquerschnitte.
Diese aber wie auch die Reaktionsdauer machen übermäßig große Rohrlängen notwendig.
Geringe Rohrquerschnitte bringen große Wandflächen, die für die Temperaturführung
einer Apparatur zwar günstig, für Emulsionspolymerisation aber insofern äußerst
nachteilig sind, weil bekannterweise aktive Oberflächenzentren die Polymerisation
beschleunigen und Polymerisationsausscheidung aus der Emulsion hervorrufen. Dadurch
treten Störungen auf, die auf einem Zuwachsen des Strömungsrohres beruhen und nur
durch Stillegen der Apparatur und umständliche Reinigung zu beheben sind. Das heißt,
das Strömungsrohr bringt bei der Emulsionspolymerisation keinen technischen Fortschritt,
ebensowenig aber auch bei der Perlpolymerisation. Ein langes Strömungsrohr ist räumlich
nur durch Umlenkungen unterzubringen. An diesen wird aber besonders bei den Reaktionsbedingungen
(Wärme) das beispielsweise in Wasser suspendierte Perlpolymerisat angespült und
verklebt.
-
Es wurde nun gefunden, daß man die Polymerisation ungesättigter Verbindungen
in disperser Phase ohne die oben gekennzeichneten Schwierigkeiten störungslos durchführen
kann, wenn man die Polymerisation in einem vertikal aufgestellten Rohr mit durchgehendem
oder teilweisem Rühren durchfuhrt.
-
Es lag an und für sich nahe, die beschriebenen, durch Koagulation
hervorgerufenen Störungen durch gute mechanische Durchmischung, z. B. mittels Rührer
oder Zirkulationspumpe, zu beseitigen. In diesem Falle tritt aber eine Verteilung
des monomeren Produktes auf die gesamte Emulsion ein, so daß zu erwarten war, daß
bei einem kontinuierlichen Zulauf der Emulsionskomponenten und einer entsprechenden
Entnahme der Polymerisatemulsion aus der Apparatur die Konzentration im Endprodukt
des Monomeren nie unter einen bestimmten Betrag fällt.
-
Überraschenderweise wurde aber gefunden, daß es möglich ist, eine
einwandfreie Emulsions- oder Suspensionspolymerisation kontinuierlich so durchzuführen,
daß die austretende Polymerisation oder Suspension praktisch frei von monomerem
Produkt ist, wenn man die Polymerisation in einem vertikal aufgestellten Rohr mit
entsprechendem Rührwerk durchführt.
-
Mit Hilfe dieser Apparatur gelingt es, die Polymerisation so zu leiten,
daß man im Verlaufe des Durchgangs durch die Apparatur eine stetig steigende Anreicherung
an Polymerisat erreicht, während die Konzentration des Monomeren entsprechend abnimmt
und beim Austritt aus der Apparatur praktisch gleich Null ist.
-
Das Rührwerk ist je nach der Art derherzustellenden Emulsion oder
Suspension verschieden ausgebildet.
-
Zur Herstellung von Emulsionen, vor allem von solchen, die während
der Polymerisation zur Entmischung neigen, erstreckt sich der Rührer am zweckmäßigsten
über die ganze Länge des Rohres. Er muß so konstruiert sein, daß die einzelnen Zonen
der Rührkolonne möglichst wenig miteinander in Mischung treten können. Beispielsweise
eignen sich Spiralrührer nicht, Blattrührer dagegen sehr gut.
-
Zur Herstellung von Perlpolymerisaten eignet sich am besten ein Rührer,
der nur den oberen Teil des Reaktionsraumes bestreicht. Dadurch wird nur das in
Polymerisation begriffene Reaktionsgut in intensiver Bewegung gehalten, während
das fertige Polymerisat in die darunterstehende ruhende Zone absinkt, weil die Polymerisation
eine Zunahme des spezifischen Gewichtes bewirkt.
-
Ganz allgemein kann festgestellt werden, daß sich die gekennzeichnete
Apparatur in solchen Fällen besonders bewährt, wo das spezifische Gewicht der monomeren
Verbindung geringer und das des Polymerisates größer ist als das Medium, in dem
polymerisiert wird.
-
Die Beschickung der Apparatur erfolgt von oben entweder mit einer
Emulsion des Monomeren in dem vorgesehenen Suspensionsmittel oder mit beiden Komponenten
getrennt. Die Polymerisation des Monomeren erfolgt während des Durchgangs durch
die Kolonne bei Temperaturen, die die Polymerisationsgeschwindigkeit der Länge des
Fließweges anpassen; sie ist bei richtiger Abstimmung der Durchflußgeschwindigkeit
und Apparaturdimensionen in der am unteren Teil der Apparatur austretenden Emulsion
restlos beendet.
-
Die Emulsionspolymerisation in einer Rührkolonne ist deshalb von
besonderem Vorteil, weil jede Entmischung der dispersen Phase des Monomeren immer
dadurch wieder aufgehoben wird, daß das aus der Emulsion durch Verdampfung ausgeschiedene
Monomere, sofern es nicht durch die Rührung wieder dispergiert wird, in den oberen
Teil der Kolonne steigt, hier wieder mit frischem Emulgator und Katalysator in Berührung
kommt und von neuem die ganze Apparatur durchlaufen muß. Dieser Vorgang tritt vor
allem dann in Erscheinung, wenn beim Siedepunkt der Monomeren gearbeitet wird, weil
das rücklaufende Kondensat eine starke Verschiebung der Phasen mit sich bringt.
-
Ein weiterer Vorteil der Rührkolonne ist die Möglichkeit der Aufteilung
in verschiedene Temperaturzonen, deren Temperaturen dem Verlauf des Polymerisationsvorganges
angepaßt werden. Bei schnell verlaufenden Polymerisationen können starke Temperatursteigerungen
durch entsprechende Kühlung ausgeglichen werden. Bei langsamer verlaufenden Polymerisationsvorgängen
wird entsprechend geheizt.
-
Das Verfahren eignet sich zur Herstellung aller Arten von Emulsions-
oder Suspensionspolymerisaten von beliebiger Teilchengröße. Diese kann schwanken
zwischen Durchmessern von 1 t und weniger bis zu 1 mm und mehr. Im letzteren Falle
bedarf es zum Austragen der Suspension aus der Apparatur einer besonderen Austragsvorrichtung,
z. B. in Form eines Baggerwerkes, während fein disperse Produkte durch ein einfaches
Verschlußorgan der Apparatur entnommen werden können. Als Suspensionsmittel kommen
solche Lösungsmittel in Frage, die das Polymerisat nicht lösen, z. B. Wasser, Benzin,
Meethanol. Als Emulgatoren in Wasser als Medium eignen sich alle gebräuchlichen
Emulgiermittel vom Typ der Seifen, Sulfonate u. dgl. wie auch vom Typ der wasserlöslichen
Kolloide synthetischer oder natürlicher Herkunft, und bei organischen Suspensionen
verwendet man Dispergiermittel, wie Kautschuk oder Polyäthylenoxyd. Ferner sind
als Emulgiermittel sehr fein verteilte anorganische Stoffe, wie staubfeines Aluminiumoxyd,
Talkum, Zinkoxyd usw., geeignet.
-
Zur Polymerisation nach dem beschriebenen Verfahren eignen sich alle
Verbindungen mit C Doppelbindungen, die für sich oder im Gemisch mit anderen polymerisieren,
z. B. Vinylester organischer oder anorganischer Säuren, Acrylderivate, Methacrylester,
Styrol, Vinylketone, Maleinsäurederivate, Fumarsäurederivate, Crotonsäurederivate,
Butadien, Chlor-2-butadien-(I, 3), Isopren, Vinylacetylen. Als Polymerisationsbeschleuniger
kommen in der Hauptsache Verbindungen mit peroxydischer Sauerstoffbrücke 0 - 0 -
in Frage: Wasserstoffsuperoxyd, Acetylperoxyd, Benzoylperoxyd, Salze von Persäuren,
wie Persulfate, aber auch die als saure Polymerisationskatalysatoren bekannten Verbindungen,
wie Pvorfluorid und Zinntetrachlorid.
-
Beispiele I. Die erforderliche Apparatur besteht aus einem vertikalen,
3 m langen, in fünf Temperaturzonen aufgeteilten Rohr von 12 cm lichter Weite mit
durchgehendem Rührer. Der Kopf der Kolonne ist ausgerüstet mit Rückflußkühler und
Zulaufstutzen für die flüssigen Ausgangsprodukte, am Boden der Kolonne befindet
sich ein leicht regulierbares Verschlußorgan.
-
Zu Beginn des Arbeitens wird die Apparatur bis zu sol/5 ihrer Höhe
mit einer zur Dispergierung geeigneten Lösung, bestehend aus 94,8 Gewichtsteilen
Wasser, 5,0 Gewichtsteilen hochviskosem Polyvinylalkohol, 0,I Gewichtsteilen Wasserstoffsuperoxyd
und 0,I Gewichtsteilen Ameisensäure, gefüllt und geheizt. Sobald die Lösung 75"
erreicht hat, wird unter Rühren mit dem Zulauf von Vinylacetat und einer oben beschriebenen
Polyvinylalkohollösung im Gewichtsverhältnis I: I begonnen. Die Polymerisation springt
sofort an; sobald in dem oberen Teil der Kolonne noch etwa l/lo freier Raum ist,
wird aus dem unteren Austritt der Apparatur Flüssigkeit in dem Maße abgezogen, als
dem Zulauf entspricht. Nach Ingangkommen der Polymerisation werden die vier oberen
Heizzonen auf 75, 95, 80, 900 gebracht, während die untere Zone gekühlt wird. Der
stündliche Durchsatz beträgt etwa 30 kg. Die fertige Emulsion hat sahnige Konsistenz,
die Vinylacetat-Polymerisatteilchen besitzen einen Durchmesser von I bis 2.
-
2. Eine druckfeste Apparatur gemäß Beispiel I, bestehend aus Rührkolonne
mit durchgängigem Rührer und Zulaufgefäß, wird, wie oben beschrieben, mit dem Dispergiermittel,
bestehend aus 94,5 Gewichtsteilen Wasser, 0,5 Gewichtsteilen Kaliumpersulfat und
5 Gewichtsteilen polyacrylsaurem Natrium, gefüllt und geheizt. Bei 60° wird dann
aus dem Zulaufgefäß ein Gemisch aus 80 Gewichtsteilen Vinylchlorid und 20 Gewichtsteilen
Acrylsäureäthylester zugeschleust. Sobald die Polymerisation in Gang gekommen ist,
wird mit dem Zuschleusen eines Gemisches von 60 Gewichtsteilen der oben bezeichneten
wäßrigen Natriumpolyacrylatlösung und 40 Gewichtsteilen des monomeren Gemisches
begonnen.
-
Die Temperatur im oberen Teil der Apparatur wird auf 60°, der mittlere
auf 70 bis 80" gehalten, und der untere wird gekühlt. Die anfallende Emulsion ist
sahnig und feindispers.
-
3. Eine Apparatur, bestehend aus einem vertikal aufgestellten emaillierten
heizbaren Rohr, dessen oberer Teil konisch kesselartig erweitert ist und mit Rührer,
Rückflußkühler und Zulaufstutzen versehen ist und -das selbst mit seinem unteren
Teil auf einem größeren Kessel aufmontiert ist, wird mit einer konzentrierten Lösung
von Natriumchlorid (spezifisches Gewicht = 1,20), der auf 100 Gewichtsteile I Gewichtsteil
oxyoctodekansulfonsaures Natrium eingesetzt sind, gefüllt und auf 98" geheizt. In
die obere kesselartige Erweiterung der Apparatur wird bei dieser Temperatur eine
Lösung von 0,5 Gewichtsteilen Benzoylsuperoxyd und 99,5 Gewichtsteilen Vinylchloracetat
unter schnellem Rühren eingetragen.
-
Die Polymerisation verläuft spontan und ist kenntlich an dem langsamen
Absinken der spezifisch schwereren Polymerisatteilchen in der Suspensionsflüssigkeit.
Auf dem Weg durch die Kochsalzlösung, die in dem rohrförmigen Teil der Apparatur
auf 100 bis 1020 gehalten wird, werden die absinkenden perlförmigen anpolymerisierten
Vinylchloracetatteilchen vollständig auspolymerisiert und sinken in das untere,
auf 10 bis 150 gehaltene Auffanggefäß ab. Das Polymerisat wird aus diesem mittels
eines Förderwerkes ausgetragen, filtriert, gewaschen und getrocknet. Da sich infolge
Verseifung des Chloressigsäurevinylesters in der Suspensionsflüssigkeit Verseifungsprodukte
anreichern, die die Polymerisation stören, wird die Apparatur in dem Maße, wie das
Vinylchloracetat durchgesetzt wird, mit frischer Suspensionsflüssigkeit beschickt,
während die verbrauchte mit dem Polymerisat abgezogen wird.
-
4. Ein emailliertes Druckgefäß von 3001 Inhalt und I,80 m Höhe, in
dessen oberem Teil ein kleiner viereckiger Blattrührer von 20 cm Kantenlänge angebracht
ist, der mit 90 Umdrehungen in 1 Minute läuft, wird mit einer 20 gewichtsprozentigen
Emulsion eines Gemisches von 7 Raumteilen verflüssigtem Vinylchlorid mit 1 Raumteil
Acrylsäuremethylester in Wasser, das 1,3 0/o a-oxyoktodekansulfonsaures Natrium
und 0,3 01o Kaliumpersulfat gelöst enthält, so weit gefüllt, daß der Rührer ganz
eintaucht.
-
Durch Aufheizen auf 50° wird die Polymerisation eingeleitet. Im unteren
Teil des Druckgefäßes ist ein Verbindungsrohr angebracht, das in einem danebenstehenden
emaillierten Kessel von 301 Inhalt von oben her mündet. Dieser Kessel, der zur Nachpolymerisation
dient, wird vollkommen mit einer I°/Oigen Lösung von a-oxyoktodekansulfonsaurem
Natrium gefüllt. Wenn die Polymerisation im 300-1-Gefäß so weit fortgeschritten
ist, daß der Druck allmählich nachläßt, wird durch Öffnen eines Hahns die Verbindung
der beiden Kessel hergestellt. Im Verlauf jeder halben Stunde werden dann 41 verflüssigtes
Vinylchlorid, o,6 1 Acrylsäuremethylester und 9,41 Emulgierflüssigkeit, in welcher
I20 g a-oxyoctodekansulfonsaures Natrium und 20 g Natriumpersulfat gelöst sind,
kontinuierlich oben in das 300-1- Gefäß gegeben. In dem gleichen Maße werden unten
am 30-l-Gefäß I3,6 kg Emulsion je 1/2 Stunde kontinuierlich entnommen. Die Temperatur
der beiden Kessel wird auf 50° gehalten. Es ist darauf zu achten, daß der Flüssigkeftsstand
in dem 300-1-Gefäß möglichst konstant bleibt und der Rührer stets in die Flüssigkeit
eintaucht. Man erhält ein Mischpolymerisat mit 83 bis 840/, Vinylchlorid in einer
Ausbeute von etwa wo01, bei Erzeugung von etwa 190 kg Polymerisat in 24 Stunden.