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Fehlermeßverfahren für mehradrige Kabel bei Nebenschluß in allen Adern
Wenn
alle Adern eines mehradrigen elektrischen Kabels mit Nebenschluß behaftet sind und
eine Hilfsader zur Herstellung der Brückenschaltungen nach Varley oder Murray nicht
verfügbar ist, greift man vorzugsweise zu einer Stromverzweigungsschaltung.
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Diese besteht nach Bild I darin, daß der Fehlerstelle über zwei Adern
(Batterieadern) eine Spannung aufgedrückt wird und daß zwei andere Adern (Meßadern)
an beiden Kabelenden über zwei gleiche Galvanometer verbunden werden. Der in der
Fehlerstelle unter der Einwirkung der aufgedrückten Spannung in die Meßadern eindringende
Strom verzweigt sich im umgekehrten Verhältnis der Widerstände, so daß man aus den
Galvanometerablenkungen die Teilwiderstände der Meßadern und damit den Fehlerort
berechnen kann. Diese Grundschaltung läßt mancherlei Ausführungsformen zu, indem
man den Galvanometern Widerstände vorschaltet oder parallel schaltet, und führt
in den meisten Fällen zu guten Ergebnissen.
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Die Schaltung versagt aber, wenn der Nebenschluß sehr stark ist, so
daß er nahezu einen Kurzschluß aller Adern darstellt, wie es vorkommt, wenn sich
an der Fehlerstelle Feuchtigkeit in größerer Länge im Kabel ausbreitet, z. B. auf
IO m und mehr. Untersuchungen haben ergeben, daß dieses Versagen darauf zurückzuführen
ist, daß sich in der Fehlerstelle unter der Einwirkung der aufgedrückten Spannung
an den Meßadern eine elektrolytische Gegenspannung bis
etwa I V
ausbildet, die den Stromeintritt in die Meßadern sperrt, wenn die zwischen den Batterieadern
wirksame Teilspannung nicht höher liegt. Diese Teilspannung ist um so niedriger,
je kleiner der Fehlerwiderstand f und je größer der Aderwiderstand x ist.
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Sie bleibt in extremen Fällen daher kleiner als die elektrolytische
Gegenspannung. Da man die Meßspannung aus kabeltechnischen Gründen nicht beliebig
steigern kann, erhält man in den Galvanometern keinen Strom.
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Erfindungsgemäß kann man diesem Übelstand dadurch begegnen, daß die
Meßströme von unmittelbar in den Meßstromkreisen wirksamen Spannungen erzeugt werden,
was auf zweierlei Weise geschehen kann. Die eine Möglichkeit besteht darin, daß
man die Meßspannung zunächst auf zwei beliebige Adern einige Zeit, etwa 5 bis 10
Min., einwirken läßt.
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Infolge Elektrolyse werden die beiden Adern in der Fehlerstelle dadurch
zu einem galvanischen Element (sie werden gewissermaßen formiert) und liefern danach
einen ziemlich konstanten Meßstrom, wenn man nach Wegnahme der Spannung die beiden
Galvanometer anschaltet. In Bild ob ist dies durch eine in Reihe mit dem Nebenschluß
eingezeichnete Spannung Uf angedeutet. Die Wirkung kann erhöht werden, wenn man
den Formierungsvorgang mit umgekehrter Spannung wiederholt. Aus den Galvanometerströmen
i1 und i2 kann man dann in bekannter Weise den Fehlerort berechnen.
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Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß man nach Bild 2 jedem Galvanometer
eine Spannung U, und U2, die vorzugsweise gleich sind, vorschaltet, die beispielsweise
aus je einer oder mehreren Samralerzellen geliefert werden. Diese Anordnung empfiehlt
sich, um bei größeren Aderwiderständen und geringer Galvanometerempfindlichkeit
ausreichende Meßströme zu erhalten. Es läßt sich nachweisen, daß für U1 = U2 die
für die Verzweigungsmeßschaltung nach Bild 1 bekannte Gleichung für die schadhafte
Kabellänge gilt: x = ri2 + G/2(i2-i1), (I) i1 + i2 wobei G den Galvanometerwiderstand
und r den Aderwiderstand bedeuten.
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Kleine Ungleichheiten der beiden Spannungen haben nur geringen Einfluß
auf das Meßergebnis.
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Man kann zeigen, daß der Meßfehler die Größe: #x = U1 - U2 (2) 2(i1
+ i2) hat. Da die Summe i1 + i2 außer von den Spannungen und den Aderwiderständen
wesentlich auch von dem Fehlerwiderstand f abhängt, und zwar im umgekehrten Verhältnis
von f, so wird # x um so kleiner, je kleiner U, - = # U und je kleiner f ist. Für
f # r läßt sich nachweisen, daß eine Spannungsdifferenz von p % in Abhängigkeit
von der Fehlerlage höchstens p/2 0/o von r ausmacht und bei # U # daher vernachlässigt
werden kann. Wenn die Voraussetzungen # U # U1 und f # r nicht erfüllt sind, ist
d x nach Gleichung (2) zu berechnen und bei der Auswertung der Messung zu berücksichtigen.
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In Gleichung (1) besteht der Zähler aus zwei Summanden, von denen
der eine durch G, der andere durch r mitbestimmt wird. Der Widerstand G ist gegeben
und konstant, der Widerstand r dagegen im allgemeinen unbekannt; er muß also. durch
Messung ermittelt werden. Bei sehr kleinem Fehlerwiderstand f fällt die Messung
naturgemäß aber sehr ungenau aus.
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Auch die Berechnung aus der Kabellänge ist wegen der großen Temperaturabhängigkeit
von Kupfer recht unsicher. Man muß daher bestrebt sein, eine Meßformel zu finden,
die das Verhältnis xl oder das der entsprechenden Längen lx/l liefert. Dies erreicht
man nach Weiterbildung des Erfindungsgedankens dadurch, daß man eine zweite Messung
ausführt, bei der den Galvanometern entsprechende Widerstände vorgeschaltet oder
parallel geschaltet werden. Man macht z. B. die erste Messung nach Bild I b, die
zweite nach Bild 3 mit dem Zusatzwiderstand R, wobei die Meßströme i1' und i2' sein
mögen. Beide Schaltungen und alle folgenden können sinngemäß auch mit den Zusatzspannungen
U1 und U2 wie in Bild 2 ausgeführt werden.
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Für x erhält man dann außer demWert aus Gleichung (1) einen zweiten
nach Bild 3 (r+R/2)i2'+G/2(i2'-i1') -R/2 (3) i1' + i2' Aus beiden Gleichungen ergibt
sich mit 1 = 1 xlr i2 (i2-i1) (i1i2'-i1'i2) lx = l( + ) . (4) i1+i2 (i1+i2)[R/G.i1i1'+(R/G+2)i1'i2-2i1i2']
Diese Gleichung ist für den praktischen Gebrauch reichlich unhandlich: Zu einer
einfacheren Formel kommt man, wenn man bei der Messung nach Bild 3 den Widerstand
R veränderlich macht und so einregelt, daß die Ablenkungen beider Galvanometer gleich
groß sind. Dann ist 2x + R + G = 2 (r-x) + G und somit x = 2r-R. (5) 4 In Verbindung
mit Gleichung (I) und lx = l x/r ergibt (R+G)i2-Gi1 lx = l . (6) R(i1+i2)+2G(i2-i1)
Bei Gleichung (5) ist vorausgesetzt, daß der Fehler vor der Mitte der Kabellänge
l liegt. Andernfalls ist i1<i2, so daß man durch einen am Kabelanfang zugeschalteten
Widerstand R nicht auf gleiche Stromwerte abgleichen kann. Man wäre daher gezwungen,
die Meßplätze zu wechseln, was mit Zeitverlust verbunden ist. Um dies zu vermeiden,
läßt man durch den Meßhelfer am Kabelende einen festen Zusatzwiderstand Z von solchem
Betrage hinzuschalten, daß i1>i2 wird, und kann dann mit Rabgleichen (Bild 4b).
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Dann ergibt sich in Verbindung mit einer Messung nach Bild 1b (R+G-Z)i2-Gi1
(R-Z) (i1+i2) + 2G(i2-i1)
Benutzt man zur Erzeugung der Meßströme
zwei Zusatzspannungen nach Bild 2, so kann man im Falle, daß zunächst jr Z,<
i2 ist, die Bedingung jr 1> i2 auch dadurch verwirklichen, daß man U, wesentlich
größer -als U2 wählt. Dann muß das Ergebnis natürlich nach Gleichung (2) berichtigt
werden.
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Will man aus Gründen der praktischen Handhabung bei beiden Messungen
auf gleiche Galvanometerausschläge abgleichen, so ersetzt man die Messung nach Bild
Ib oder 2 durch eine Schaltung, bei der dem Galvanometer am Kabelanfang ein Widerstand
R' parallel geschaltet ist (Bild 4a). Aus Bild 4a ergibt sich die an sich bekannte
Gleichung x = (r+Z/2) R', (8) G+2R' aus Bild 4b 2r-R+Z x = . (9) 4 Mit diesen beiden
Gleichungen kommt man zu der Meßformel RR' lx = l . (10) 2RR'-G(Z-R) Den Wechsel
zwischen zwei verschiedenen Schaltungen- kann man nach Bild 5a und 5 b vermeiden.
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Der Zusatzwiderstand Z ist erforderlich, weil angenommen wird, daß
die Fehlerstelle jenseits der Mitte der Kabellänge liegt. Bei der zweiten Messung
wird Z auf Z' erhöht. Man gleicht in beiden Schaltungen mit R bzw. R' auf gleiche
Galvanometerströme i bzw. i' ab.
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Dann ist RR'(Z'-Z) lx = l . (11) 2RR'(Z'-Z)-G(RZ-R'Z') In ähnlicher
Weise kann man bei der zweiten Messung unter Belassung von Z am Kabelende am Anfang
einen WiderstandZ' hinzusetzen und erhält dann R lx = l . (12) ZG (R'-R) Z'(G+R')
Eine Möglichkeit, mit einer einzigen Messung auszukommen, selbst wenn der Fehler
jenseits der Mitte der Kabelstrecke liegt, bietet die Schaltung 6. Bei dieser sind
beiden Galvanometern regelbare Widerstände R und R' parallel geschaltet, mit denen
auf gleiche Galvanometerablenkungen abgeglichen wird.
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Dabei braucht einer der beiden Parallelwidcrstände nur in groben Stufen
regelbar zu sein, zweckmäßig derjenige, der am Kabelende durch den Meßhelfer bedient
wird. Der Feinabgleich erfolgt dann durch den anderen Parallelwiderstand (Kurbelwiderstand
oder Schleifdraht). In Bild 6 ist als Beispiel dargestellt, daß die Meßströme von
den Zusatzspannungen U1 und UL erzeugt werden. Für U,= U2 gilt R(G+R') lx = l .
(12) R(G+R')+R'(G+R)