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Elektrische-Elektronen- oder Ionenlinse Es ist bekannt, daß man bei
Anlegen von hochfrequenter Wechselspannung an ein geeignet gebautes Beschleunigungssystem
geladenen Teilchen Geschwindigkeiten erteilen kann, die größer sind, als es der
Amplitude der Wechselspannung entspricht. Dabei wird die Tatsache benutzt, daf>
die Teilchen in dem Svstem Laufzeiten haben, die in derselben Größenordnung liegen
wie die Schwingungsdauer der Wechselspannung. So kann ein Teilchen, für das in einem
gegebenen Augenblick in einem Feldteil ein Beschleunigungsfeld, in dem anderen Feldteil
ein Verzögerungsfeld herrscht, tatsächlich dauernd, beschleunigt werden, weil es
den zweiten Feldteil zu einer späteren Zeit erreicht als den ersten. In der Zwischenzeit
hat sich nämlich die Richtung der Wechselspannung umgekehrt und damit .aus dem Verzögerungsein
Beschleunigungsfeld gebildet. Nach der Erfindung dient bei einer elektrischen Elektronen-
oder Ionenlinse zu ihrem Betrieb eine hochfrequente Wechselspannung, deren Schwingungsdauer
von gleicher Größenordnung wie die Laufzeit der Ladungsträger innerhalb der Linse
ist. Ferner sind Mittel vorgesehen, durch die den Elektronen eine derartige Beschleunigung
erteilt wird, daß sie nur in einem bestimmten Bereich der elektrischen Phase die
Linse erreichen. Von den an sich bekannten Anordnungen, welche mit Wechselspannung
betriebene elektrische Linsen verwenden, unterscheiden sich die Linsen nach der
Erfindung dadurch, daß bei diesen die Schwingungsdauer der Wechselspannung von der
Größe der Laufzeit der Elektronen in der Linse ist, während bei den bekannten Anordnungen,
bei denen Wechselspannungen mit Netzfrequenz benutzt werden, die Schwingungsdauer
der Wechselspannung
ein Mehrfaches der Laufzeit der Elektronen
vom Gegenstands- zum Bildort beträgt.
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Einige elektrische Elektronenlinsen nach der Erfindung sind in den
Abbildungen dargestellt, an Hand deren die Wirkungsweise der Linsen mit hochfrequenter
Wechselspannung im folgenden erläutert wird.
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Abb. i zeigt eine Immersionslinse, welche nach Abb. i a aus zwei Zylindern
besteht, welche sich auf verschiedenem Potential befinden. Die Richtung der optischen
Achse sei hier und im folgenden mit z bezeichnet. In den Abb. i b und i c ist der
Potentialverlauf auf der Achse dargestellt, genauer der Verlauf des negativen Potentials
U. Nimmt man an, daß sich die Elektronen von links nach rechts bewegen, so stellt
also Abb. i b das Potential einer Verzögerungslinse, Abb. i c das einer Beschleunigungslinse
dar. Über der Achse ist durch die bekannten optischen Symbole dargestellt. «-elche
Linsenwirkungen das Potentialfeld ausübt. Man erkennt aus der Darstellung, daß in
beiden Linsen, der Beschleunigungs- und der Verzögerungslinse, Gebiete mit Zerstreuungswirkung
und Gebiete mit Sammelwirkung vorhanden sind. Man erkennt ferner, daß die Zerstreuungswirkung
jedesmal in dem Gebiet hoher Elektronengeschwindigkeit auftritt, was zur Folge hat,
daß die Linse als Ganzes in beiden Fällen eine Sammellinse darstellt. Diese an Hand
der Immersionslinse ausgeführten Betrachtungen gelten, wie von verschiedenen Seiten
des öfteren dargelegt wurde, ganz allgemein für beliebige Formen der kurzen Immersions-
oder Einzellinse. Lediglich unter Verwendung von Lochblendenlinsen ist es möglich,
Zerstreuungslinsen herzustellen. Aber auch unter Wrwendung von Lochblendenlinsen
gelingt es nicht, chromatisch korrigierte Linsensysteme herzustellen.
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Wird nun eine Immersionslinse mit hochfrequenter Wechselspannung betrieben,
deren Frequenz und Phasenlage so gewählt ist, daß von bestimmten Elektronen der
erste Teil der Immersionslinse während der einen Halbwelle, der z«-eite Teil während
der anderen Halbwelle der Wechselspannung durchlaufen wird, so ist es möglich, für
diese Elektronen eine reine Sammellinse oder eine reine Zerstreuungslinse herzustellen.
Dieser Sachverhalt sei näher erläutert an Hand der Abb. i d und i e, und zwar für
den Fall einer reinen Zerstreuungslinse. In Abb. i d ist der Verlauf des Potentialfeldes
für verschiedene Zeiten dargestellt, wie sogleich erläutert werden soll, in Abb.
i e der Verlauf der Wechselspannung unter Berücksichtigung der Laufzeiten der Elektronen
in der Linse. Zu einem bestimmten Zeitpunkt möge sich das Elektron in der durch
I bezeichneten Stelle der Linse (neben der Achse) befinden. In diesem Augenblick
habe die Wechselspannung den Wert Null (Abb. i e), so daß an den Linsenelektroden
keine Spannung liegt. Das Potentialfeld wird infolgedessen durch die gerade Linie
i (Abb. i d) dargestellt. Infolge seiner anfänglichen Geschwindigkeit befindet sich
das Elektron nach einiger Zeit im Punkt II. Nach Abb. i e hat die Wechselspannung
dann einen bestimmten positiven Wert, so daß sich ein Potential ausbildet, wie es
durch die Kurve 2 in Abb. i d angedeutet ist. Es bildet sich also in dem Gebiet,
in dem sich als Elektron befindet, der einer Zerstreuungslinse entsprechende Teil
einer Immersionslinse aus. Wenn die Wechselspannung ihren Maximalwert erreicht,
befindet sich das Elektron im Punkt 111,
so daß sich nunmehr die am stärksten
gekrümmte Potentialkurve 3 ausbildet. Während der nächsten Viertelphase der Wechselspannung
durchläuft das Elektron die Punkte IV und V, während deren das Feld nach den Kurven
:I und 5 abgebaut wird. Durchläuft nun das Elektron den zweiten Teil der Immersionslinse,
in dem nach Abb. i b eine Sammelwirkung herrschen würde, so hat die Wechselspannung
geniäl.i Abb. i e ihr Vorzeichen umgekehrt und damit aus dem zweiten verzögernden
Teil der Immersionslinse einen beschleunigenden Teil gemacht. Während das Elektron
von V nach IX läuft, wird dieses beschleunigende Feld gemäß den Kurven 5 bis 9 auf-
und abgebaut. Auch in dem zweiten Teil der Linse erfährt das Elektron dann eine
Ablenkung nach der Zylinderwand zu, also ein Elektronenbündel eine Zerstreuungswirkung.
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Durch Anlegen von hochsequenter Wechselspannung gelingt es also, aus
der Immersionslinse eine reine Zerstreuungslinse zu machen. Entsprechend kann, falls
die Phase der Wechselspannung um 13o- verschoben bzw. der Augenblick, in dem das
Elektron die Linse erreicht, um i 8o' dieser Spannung verschoben wird, aus der Immersionslinse
eine Sammellinse verstärkter Wirkung gemacht werden. Allerdings ist gerade die Möglichkeit
der Herstellung einer Zerstreuungslinse von besonderer Bedeutung, denn eine Zerstreuungslinse
ähnlich der optischen Zerstreuungslinse war in der Elektronenoptik bisher nicht
bekannt, so daß es auch nicht möglich war, eine achromatische Linsenanordnung zu
bauen.
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Der hochfrequente Wechselspannungsbetrieb bei einer elektrischen Linse
ist natürlich nicht auf die Immersionslinse beschränkt. In den Abb.2 und 3 sind
als weitere Fälle die aus drei Elektroden bestehende Einzellinse
(Abb.
2 a). sowie ein aus Kathode und zwei Zylindern bestehendes Immersionsobjektiv (Abb.
3 a) dargestellt. In der Abb. b ist wiederum der Potentialverlauf bei statischem
Betrieb bzw. in einem gegebenen Augenblick des Wechselspannungsbetriebes dargestellt.
Die -Abb. d zeigen verschiedene Orte des Elektrons (durch römische Ziffern markiert),
denen die mit den entsprechenden arabischen Ziffern bezeichneten Potentialverläufe
zukommen. Auch hier ist der Fall einer reines Zerstreuungslinse ins Auge gefaßt.
In den Abb. e ist die Größe der Wechselspannung dargestellt. Dabei ist eine sinusförmige
Wechselspannung zugrunde gelegt, die Wechselspannung aber nicht über der Zeit, sondern
über dem Ort aufgetragen, wobei die Zeit durch Einsetzen der bekannten Geschwindigkeit
des Elektrons in der Achse eliminiert wurde. Während in den Abb. i und 2 die dadurch
bedingte Verzerrung der Sinuskurve wenig ins Gewicht fällt, ist sie der Abb. 3 e
besonders deutlich zu entnehmen.
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Im vorhergehenden wurde die Wirkungsweise einer mit hochfrequenter
Wechselspannung betriebenen elektrischen Linse an Hand des sich zeitlich ändernden
Potentialverlaufs zu erklären versucht. Diese Darstellung ist insofern noch unvollkommen,
als der übersichtlichkeit wegen das Potential diskontinuierlich gezeichnet wurde.
Tatsächlich ändert sich natürlich das Potential stetig. In Wechselfeldern ist die
Bedeutung des Potentials nicht die gleiche wie bei statischen Feldern. Es ist zweckmäßiger,
in diesem Fall von dem Potentialbegriff abzusehen und auf die Kraftwirkung überzugehen.
Im statischen Fall berechnet sich die auf ein in Achsennähe befindliches Elektron
wirkende Kraft im Falle eines Potentials V = U(z) zu E=- U"r, wo die
Striche Differenziationen nach Z bedeuten und r der Abstand des Elektrons von der
Achse ist. U kann z. B. das in Abb. i b oder i c dargestellte Potential der Immersionslinse
sein. Wird nun die Immersionslinse mit einer Wechselspannung betrieben, so hat das
Potential das Aussehen V = U (z) # sin lt, und die Kraft berechnet sich daraus,
wie den Ausführungen von B r ü c h e und R e c k n a g @e 1 in der Zeitschrift für
technische Physik, Bd. 17, S. i 26 ff (1936), insbesondere der Anmerkung 12 auf
S. 132 entnommen werden kann, zu E = - U"r # sin lt. Hierbei ist von konstanten
Proportionalitätsfaktoren abgesehen worden. Während sich im rein statischen Fall
die Art der Linsenwirkung, nämlich das Vorzeichen von E, lediglich ,aus dem Vorzeichen
von U" bestimmt, kommt bei der mit Wechselspannung betriebenen Linse noch das Vorzeichen
des zeitlich veränderlichen sin-Faktors hinzu. Außerdem wird durch die veränderliche
Größe dieses Faktors die Größe der Kraft, also die Größe der jeweils vorhandenen
Sammel- oder Zerstreuungswirkung beeinflußt.
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Die mit hochfrequenter Wechselspannung betriebenen Linsen können natürlich
ebensogut für positive Teilchen wie für Elektronen benutzt werden. Zur Erzielung
der gleichen Wirkung sind dann lediglich die Potentiale in den Linsenelektroden
gegenüber den für Elektronen gewählten Spannungen umzukehren.
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Es wurde bisher der Fall ins Auge gefaßt, daß zum Betrieb der Linsen
eine sinusförmige Spannung dient. Es ist natürlich möglich, auch Spannungen anderer
willkürlich vorgegebener Kurvenform zu verwenden, wie sie heutzutage. leicht herzustellen
sind. Als solche Spannungen vorgegebener Kurvenform kommen insbesondere rechteck-
oder dreieckförmige Spannungen in Frage. In jedem Fall hat die Verwendung rechteckförmigerSpannungen
den Vorteil, daß die höchstmögliche durch eine gegebene Feldanordnung erzielbare
Linsenwirkung erreicht wird. Würde z. B. die in Abb. i untersuchte Immersionslinse
mit einer rechteckförmigen Spannung betrieben werden, so hätte das Potential, während
die Elektronen den ersten Teil der Linse durchlaufen, die durch 3 in Abb. i d dargestellte
Form, im zweiten Teil der Linse die durch 7 dargestellte Form.
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Es ist natürlich möglich,. die mit hochfrequenter Wechselspannung
btriebenen Linsen nach der vorliegenden Art mit statischen elektrischen oder magnetischen
Linsen zu kombinieren. Insbesondere ist dies für die Herstellung einer chromatisch
korrigierten Linsenanordnung von Vorteil, da die Sammellinse- durch eine bekannte
statische Linse hergestellt werden kann, während die zur Korrektion notwendige Zerstreuungslinse
durch eine mit hochfrequenter Wechselspannung betriebenen Linse geliefert wird.
Bei Verwendung mehrerer mit hochfrequenter- ',JTechselspannung betriebener Linsen
ist es zweckmäßig, eine einzige Spannungsquelle zu verwenden. In die Zuführungen
zu den einzelnen Linsen können dabei Vorrichtungen angebracht sein, welche die Phase
der Spnnung beeinflussen oder aber ihre Form verändern. Es ist z. B. möglich, eine
Spannungsquelle zu benutzen, welche eine sinusförmige Spannung liefert, mit dieser
sinusförmigen Spannung aber nur eine der Linsen zu betreiben, während eine andere
Linse mit Hilfe einer rechteckförmigen Spannung betrieben wird. Die aus der erstgenannten
Spannung gewonnene Form wie auch die Höhe der angelegten Spannungen kann bei den
einzelnen Linsen verschieden sein.
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Da die gewünschte Wirkung einer Linse
nur in bestimmten
Bereichen der elektrischen Phase eintritt, muß nach der eingangs gegebenen Lehre
dafür Sorge getragen werden, daß in Abbildungseinrichtungen, welche hochfrequente
Wechselspannungslinsen benutzen, die geladenen Teilchen nur in diesen Phasen in
die Linse eintreten. Das kann z. B. dadurch erreicht werden, daß bereits die Beschleunigung
intermittierend erfolgt, wobei auch die Beschleunigungsspannung der gleichen Quelle
entnommen werden kann wie die Linsenspannungen. Auch in die Zuführung der Beschleunigungsspannung
können Mittel eingefügt werden, welche die Phase, die Form oder die Höhe der Spannung
oder mehrere dieser Größen gleichzeitig ändern.