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Verfahren zur Erzeugung von Kälte Der Prozeß der Ausdehnung eines
Gases unter Arbeitsleistung, der zur Kälteerzeugung bei tiefen Temperaturen theoretisch
am geeignetsten erscheint, läßt sich im allgemeinen Falle nicht verwirklichen, weil
eine Arbeitsleistung in der Turbine aus verschiedenen Gründen ausscheidet und eine
solche im Zylinder an der Notwendigkeit eines für dieses Temperaturgebiet geeigneten
Schmiermittels scheitert. Zur Verflüssigung der Luft hat C 1 a u d: e diese Schwierigkeit
durch einige Kunstgriffe überwunden, die sich aber auf die Verflüssigung der noch
tiefer siedenden Gase Wasserstoff und Helium nicht übertragen lassen. Dies ist besonders
deswegen bedauerlich, weil man nun zur Verflüssigung dieser Gase auf die irreversible
Entspannung ohne Arbeitsleistung angewiesen ist, und weil anderseits gerade hier
ein Verfahren mit Arbeitsleistung gegenüber seiner Verwendung bei höheren Temperaturen
einen besonderen Vorteil aufweisen würde. Bei tiefen Temperaturen konvergieren nämlich
die Wärmekapazitäten aller Substanzen gegen Null, so daß der Verlust, der durch
die beim Arbeitshub notwendige Mitabkühlung von Zylinder und Kolben auftritt und
der sonst einen wesentlichen Nachteil dieses Verfahrens bildet, ebenfalls verschwindet.
So hat z. B. Eisen bei einer für die Wasserstoffverflüssigung benötigten Temperatur
eine fünfzigmal, bei einer für die Heliumverflüssigung benötigten Temperatur sogar
eine 3ooomal kleinere Wärmekapazität als bei Zimmertemperatur.
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Der Erfindungsgedanke besteht nun im folgenden: Der Zylinder mit beweglichem
Kolben wird durch einen Raum ersetzt, dessen Begrenzungen zum Teil aus einem elastischen
Material bestehen. Durch äußere Kräfte kann man also sein Volumen verändern und
nach Anbringung von Ventilen die ganze Anordnung zur dauernden Aufnahme bzw. Leistung
äußerer Arbeit durch Kompression bzw. Entspannung des eingeschlossenen Gases benutzen.
Als elastische Begrenzungen kommen z. B. die jetzt im Handel befindlichen Wellrohre
in Betracht. Es werden solche Schläuche gebaut, die sich innerhalb der Elastizitätsgrenze
bis auf das Doppelte ihrer kleinsten Länge dehnen lassen. @ Zur Vergrößerung des
Übersetzungsverhältnisses, also zur Verkleinerung des schädlichen Rauines, kann
man die festen Begrenzungen des Rohres in bekannter Weise in das Innere einspringen
lassen, wie dies z. B. in der Figur gezeichnet ist. Fig. r zeigt die Anordnung im
Zustande kleinsten, Fig. a im Zustande größten Volumens; die Ventile sind nicht
gezeichnet.
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Durch hierfür unternommene Versuche ist nachgewiesen, daß die elastischen
Eigenschaften des Wellrohres (Tombakschlauches) auch bei den tiefsten Temperaturen
von
denen - bei Zimmertemperatur nur ganz unwesentlich - verschieden
sind. Als vorteilhaft kommt in Betracht, daß die Festigkeit aller Substanzen, wie
bekannt, mit fallender Temperatur dauernd zunimmt. Ferner hat sich gezeigt, daß
Ermüdungserscheinungen des Wellrohres durch die dauernde Beanspruchung nicht auftreten,
wenn man nur mit der Deformation innerhalb der Elastizitätsgrenzen bleibt.
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Grundsätzlich neu an dieser Anordnung ist die Verwendung eines aus
einem Wellrohr bestehenden Zylinders zur Entspannung eines Gases unter Arbeitsleistung
zum Zwecke der Kälteerzeugung. Da bei dieser Vorrichtung kein Kolben zur Volumenänderung
benutzt wird, kommt auch die schädliche Reibungswärme desselben an der Zylinderwandung
sowie die schwierige Abdichtung in Fortfall. Dadurch wird es auch möglich, die ganze
Entspannungsvorrichtung und nicht nur einen Teil derselben in ein ideal wärmeisolierendes
Hochvakuum zu setzen. Das Fehlen jeglicher Schmiermittel erhält den Arbeitsraum
von Dampfdrucken einer anderen Substanz als des Kältemittels vollkommen frei. Außerdem
ermöglicht diese Entspannungsanordnung erst die Verflüssigung des Wasserstoffs und
des Heliums nach dem Prinzip von C 1 a u d e, da unterhalb der Temperatur der flüssigen
Luft alle Schmiermittel eingefroren sind. Die Ventildurchführungen werden ebenfalls
gegen das Hochvakuum durch Wellrohre abgedichtet.
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Die Durchführung einer mit diesen Hilfsmitteln arbeitenden Gasverflüssigung
sei hier in großen Zügen am Beispiel der Wasserstoffverflüssigung skizziert: Man
geht von der Temperatur der flüssigen Luft aus. Die Kompressionsanordnung befindet
sich in einem Bade dieser Temperatur, an das die Kompressionswärme abgegeben wird.
Das komprimierte Gas wird zur Entspannungsanordnung geleitet, die in einem von flüssiger
Luft umgebenen hochevakuierten Raume thermisch möglichst gut isoliert angebracht
ist. Das entspannte Gas kehrt, in einem Gegenströmer seine Kälte an das zuströmende
Gas abgebend, wieder zur Kompressionsanordnung zurück. Kompressions- wie auch Entspannungsvorrichtung
arbeiten auf eine außen (bei Zimmertemperatur) befindliche Kurbelwelle, die durch
einen Motor angetrieben wird. Sämtliche Durchführungen für die Ventile und die die
mechanische Arbeit übertragenden Stangen sind durch elastische Rohre abgedichtet.
Abb. 3 zeigt eine schematische Darstellung der hierzu nötigen Vorrichtung.
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Der Apparat besteht aus zwei Teilen L und H. L ist mit flüssiger
Luft gefüllt, in H
herrscht Hochvakuum. In einer Kompressionseinrichtung K,
die auf die oben erwähnte Weise gebaut ist, wird Helium komprimiert und durch das
Rohr i nach Passieren des Gegenströmers G in der Dilatationsvorrichtung D unter
Arbeitsleistung entspannt. Die von I( und D nach außen führenden, der übertragung
der Arbeitsleistung dienenden Teile sind nicht gezeichnet. Von D aus wird das Helium
'durch Rohr z nach Passieren des Austauschers A und des Gegenströmers G wieder der
Kompressionsvorrichtung zugeführt. Durch das Rohr 3 wird Wasserstoff nach Passieren
von G und A zu einem Gefäß S geführt.
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Der Apparat arbeitet folgendermaßen: Durch den Kreislauf des Heliums
von I( über D nach K zurück wird in D dauernd Kälte erzeugt.
Man kann die Dimensionen leicht so wählen, daß man bei einer Ausgangstemperatur
von der der flüssigen Luft hinter D die kritische Temperatur des Wasserstoffs unterschreitet.
Infolgedessen kann man den durch 3 zugeleiteten und in G vorgekühlten Wasserstoff
durch Wärmekontakt mit dem kalten Helium in A durch Druck verflüssigen und in S
sammeln.
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Da sich beim Claude-Verfahren gezeigt hat, daß die Verflüssigung des
Gases im Zylinder direkt zu Unzuträglichkeiten führt (Flüssigkeitsschläge und schlechter
Wirkungsgrad infolge der Abweichungen des Gases vom idealen Zustand in der Nähe
des Verflüssigungspunktes), so kann man entweder wie C 1 a u d e bzw. H e y 1 a
n d t die Entspannung bei einer etwas höheren Temperatur vor sich gehen lassen und
einen anderen Teil des Gases bei dieser Temperatur durch Druck verflüssigen bzw.
nun noch den Joule-Thomson-Effekt zu Hilfe nehmen, oder auf die folgende grundsätzlich
neue Weise arbeiten, die durch die absolute Dichtheit des ganzen Systems ermöglicht
wird: Man läßt nicht das zu verflüssigende Gas selbst den Prozeß ausführen, sondern
ein tiefer siedendes, z. B. Helium zur Wasserstoffverflüssigung und Wasserstoff,
Helium oder Neon zur Luftverflüssigung, und benutzt die so erzeugte tiefe Temperatur
zur Verflüssigung des eigentlichen Gases. Die Verwendung der Edelgase hat außerdem
noch den großen Vorteil der Ungefährlichkeit, der relativ hohe Preis fällt nicht
ins Gewicht, da bei der absoluten Dichtheit nichts verlorengeht.
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Das Verfahren läßt sich noch auf andere Weise durchführen: In dem
oben beschriebenen Beispiel der Wasserstoffverflüssigung läßt man die Kompression
nicht bei der Temperatur der flüssigen Luft vor sich gehen, sondern z. B. bei Zimmertemperatur.
Das
komprimierte Gas läßt man vor Berührung mit dem flüssigen Luftbade
seine Temperatur mit dem rückströmenden austauschen. Dadurch wird der Wirkungsgrad
ein klein wenig verschlechtert, die Anlage gewinnt aber an Einfachheit.
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Es sei noch betont, daß das Verfahren nicht nur zur Erzeugung der
hier erwähnten extrem tiefen Temperaturen benutzt werden kann, obwohl es gerade
hierfür besondere Vorteile aufweist, sondern auch zur Kälteerzeugung bei beliebiger
Temperatur.