DE4420791C1 - Verfahren zur Expression von genetisch modifizierten Molekülen und dafür geeignete Wirtszellen - Google Patents
Verfahren zur Expression von genetisch modifizierten Molekülen und dafür geeignete WirtszellenInfo
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Description
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Expression von genetisch modifizierten
Molekülen in Wirtszellen durch Einschleusung der entsprechend kodierten mRNA oder
rekombinanten DNA.
Zu den bislang hauptsächlich angewandten Expressionssystemen für genetisch
abgewandelte Biomoleküle, insbesondere Proteine, gehören Mikroorganismen,
Zellkulturen (z. B. Nierenzellinien) und Hefen. Für die funktionelle Expression von
Proteinen, die als Ionentransporter in Zellmembranen lokalisiert sind und
elektrophysiologisch charakterisiert werden können, werden vornehmlich Oozyten des
Krallenfroschs Xenopus laevis eingesetzt. Hierzu müssen Krallenfrösche betäubt und zur
Entnahme der Oozyten operiert werden. Zur Injektion von mRNA in die Oozyten
müssen diese dann entweder präparativ oder mit Hilfe von Enzymen vereinzelt und zur
darauf folgenden elektrophysiologischen Charakterisierung unter mikroskopischer
Beobachtung weiter präpariert werden.
Gemäß CA 116: 249633y
verknüpften die Autoren ein Diatomeen-Plasmid mit einem
anderen (PSV-CAT) Plasmid zu einem neuen
Hybridplasmid, das als shuttle Vektor verwendet werden
kann. Dieser shuttle Vektor kann zur DNA-Amplifikation
eingesetzt werden.
Die Autoren des Abstracts JP 3076-583-A beschreiben die
Transformation von Blaualgen durch Einbau eines
rekombinanten Plasmids, das für Superoxiddismutase
(SOD) kodiert. Sie schlagen eine Verwendung des
transformierten Systems für die Massenproduktion von
(explizit) SOD in Blaualgen vor.
Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß
Characeae-Zellen für die Expression von genetisch
modifizierten Molekülen durch Injektion von mRNA brauchbar sind.
Demgemäß ist das erfindungsgemäße Verfahren der eingangs genannten Art dadurch
gekennzeichnet, daß man als Wirtszellen Zellen der
Characeae verwendet.
Mit Algenzellen der Familie Characeae sind Anzucht, Manipulation und auch Versand
außerordentlich einfach. Solche Algen können ohne besonderen Aufwand in Kübeln, in
denen sie unter Minimalbedingungen heranwachsen, gezüchtet und entnommen werden.
Die Algenzellen haben einen Durchmesser von etwa 1 mm und eine Länge von 5-15 cm
(variiert mit Anzuchtbedingungen). Solche Algenzellen sind ohne weitere Vorbehandlung
für eine Injektion tauglich.
Für das erfindungsgemäße Verfahren verwendet man die
Internodialzellen der Characeae.
In diese können artfremde - insbesondere tierische - mRNA oder rekombinante DNA
speziell in Form von Plasmiden oder Vektoren eingeschleust werden.
Weitere Besonderheiten der Erfindung ergeben sich aus den Patentansprüchen und der
nachfolgenden Beschreibung.
Besonders zweckmäßig ist die Injektion von mRNA für die Polypeptidsynthese von
Membran-Transportproteinen: auf diese Weise erlangt man nach Entleerung der
entsprechend infizierten Zelle in eine wäßrige Lösung cytoplasmatische Tropfen mit im
Tonoplasten eingebautem Protein (Ionenkanäle), die z. B. für Untersuchungen der die
Kanalaktivität beeinflussenden Eigenschaften neuer Medikamente geeignet sind.
Algenzellen mit exprimierten Proteinen können als versandfähiges Produkt ohne weiteres
zur Verfügung gestellt werden.
Nachfolgend werden Anzucht, Präparation und Injektion sowie die Charakterisierung der
mit exprimiertem Protein versehenen Alge am Beispiel der Chara corallina (C. australis
R. Brown) im einzelnen beschrieben:
Der Boden von Plastikkübeln (Pflanzkübel) mit einem Fassungsvermögen von 50 l oder
größerem Volumen wird auf eine Höhe von etwa 3-5 cm mit Lauberde gefüllt. Mit
Leitungswasser wird vorsichtig auf eine Höhe von ca. 10 cm aufgefüllt. Nach Absetzen
der aufgeschwemmten Erde werden Büschel von Characeen mit den Wirtel-Enden in die
Erde eingesetzt. Der Kübel wird mit Leitungs-/demin. Wasser im Verhältnis von etwa 1 : 2
bis zum Rand gefüllt. Innerhalb von 6 Wochen sind die Algen angewachsen und haben
neue Internodien gebildet. Um lange Internodien zu erhalten sollte direktes Sonnenlicht
vermieden werden (Abschattung durch Gärtnernetze). Die Pflanzen wachsen ohne
weitere Pflege; Freilandhaltung ist ab Mai empfehlenswert, ab Ende September sollten
die Anzuchtkübel im Hause gehalten werden (Raumtemperatur, Beleuchtung mit
12h/12h Licht/Dunkel-Periode durch Osram-Fluora Röhrenlampen). Es empfiehlt sich,
einmal im Jahr einen Anzuchtkübel neu anzusetzen.
Stränge von Internodialzellen werden dem Anzuchtkübel entnommen und in einer flachen
Schale in Leitungswasser ohne Zusatz vereinzelt.
Mehrere Zellen werden in ein Medium höheren osmotischen Wertes überführt und
mindestens 15 min adaptiert (Injektionsmedium).
Pflanzenzellen besitzen einen Turgor. Um zu vermeiden, daß beim
Einstich einer Mikropipette in die Zelle Cytoplasma in die Pipette
eindringt, oder daß bei Zurückziehen der Mikropipette nach erfolgter
Injektion die Zelle Cytoplasma verliert, wird vor der Injektion der
Turgor gesenkt, indem die Zelle in ein Medium höheren osmotischen
Werts gebracht wird. Durch Wasserabgabe verringert sich der
Turgor.
Zusammensetzung des Injektionsmediums (in mol·m-3):
1 KCl, 1 CaCl₂, 220 Sorbitol, 5 Tris, pH 7.5.
1 KCl, 1 CaCl₂, 220 Sorbitol, 5 Tris, pH 7.5.
Adaptierte Zellen werden entnommen und nach Injektion von mRNA wieder ins
Injektionsmedium transferiert. Nach weiteren ca. 15 min werden die durch Injektion
manipulierten Zellen in das Inkubationsmedium transferiert
Die Physiologie der Zelle ist bei niedrigen (im Gegensatz zu hohen)
osmotischen Werten des externen Milieus nicht eingeschränkt. Als
Inkubations- oder Kontrollmedium dient eine Lösung der folgenden
Zusammensetzung (in mol·m-3):
0.5 KCl, 0.5 CaCl₂, 0.5 MgCl₂, 5 Tris, pH 7.5.
0.5 KCl, 0.5 CaCl₂, 0.5 MgCl₂, 5 Tris, pH 7.5.
Je nach Expressionsdauer können Zellen entnommen und für elektrophysiologische
Untersuchungen präpariert werden. Die Präparation selbst dauert etwa 2 min. Hierzu
wird eine Internodialzelle auf saugfähiges Papier (z. B. Kleenex) gelegt und vorsichtig
trocken gewischt; auf einem Träger (z. B. Objektträger für Mikroskopie, Kunststoffplatte
von ähnlicher Geometrie) wird sie so plaziert, daß an einer Seite des Trägers ungefähr
1 cm der Zelle über den Rand hinausragt; nach Turgorverlust (lokal zu beobachtendes
Abflachen der Zelle) kann die Spitze der Zelle mit einer Schere abgeschnitten werden; die
Öffnung der Zelle wird in die mit Meßlösung gefüllte Experimentierkammer getaucht,
das Cytoplasma läuft aus dem offenen Internodium.
Da cytoplasmatische Tropfen keine Zellwand besitzen, muß auf den
osmotischen Wert der externen Lösung geachtet werden. Mit großer
Toleranz sind etwa 300 osmol·m-3 zu empfehlen. Als typische
Meßlösung wird im folgenden ein Medium angegeben, das
entsprechend des gewünschten Meßprotokolls in seiner ionalen
Komposition geändert werden kann. Im allgemeinen ist die
Lebensdauer der cytoplasmatischen Tropfen bei Ca2+-Anwesenheit
langer. Zusammensetzung einer typischen Meßlösung (in mol·m-3):
150 KCl, 5 CaCl², 5 MgCl₂, 5 Tris, pH 7.5.
150 KCl, 5 CaCl², 5 MgCl₂, 5 Tris, pH 7.5.
Als Puffersysteme können auch HEPES, MES, MOPS etc. verwendet
werden. Cytoplasmatische Tropfen adaptieren zumindest innerhalb
eines pH-Bereichs 5.5-8.0.
Das auf den Boden sinkende Cytoplasma ist mit dem Original-Tonoplasten umgehen und
bildet sogenannte cytoplasmatische Tropfen. Die Unversehrtheit der Membran ist durch
eine kugelförmige Geometrie der Tropfen angezeigt. Große Tropfen können auch eine
unregelmäßige Gestalt annehmen, auf jeden Fall ist bei intakter Membran eine klare
Kontur zu erkennen. Bei vorsichtiger Präparation können die Tropfen in der Regel
Durchmesser zwischen 200 und 800 µm erreichen.
Die membranumschlossenen Tropfen sind der patch clamp-Technik unmittelbar
zugänglich; gewöhnlich sind Leckwiderstände von mehr als 10 GΩ zu erreichen, ohne
daß die Glasmikropipetten hitzepoliert sind, mit Leichtigkeit werden mit polierten
Pipetten 50 GΩ erreicht. Als natürlich vorkommender Ionenkanal residiert neben einem
hochleitenden, spezifischen K⁺-Kanal in der Tropfenmembran (Permeabilitätsverhältnis
PNa/PK < 0.01) auch ein Cl⁻-Kanal (ca. 20 pS).
Für Einzelkanalmessungen werden Kapillaren aus Hartglas (auch mit eingeschmolzenem
Filament) mit Hilfe eines Elektrodenziehgeräts zu Mikropipetten mit einem
Öffnungsdurchmesser von 1 µm oder kleiner ausgezogen. Pipetten mit
eingeschmolzenem Filament lassen sich schneller und luftblasenfrei mit Salzlösung füllen.
Zur Ableitung makroskopischer Ströme eignen sich Mikropipetten mit größeren
Öffnungsdurchmessern. Die Komposition der Pipettenlösung soll dem gewünschten
Meßprotokoll entsprechen.
Im Regelfall bildet sich ein sogenanntes gigaseal ohne nach Kontakt der Pipette mit dem
cytoplasmatischen Tropfen einen Unterdruck an der Pipetteninnenseite anzulegen.
Die Tropfenmembran erträgt in der attached-cell-Konfiguration Pipettenspannungen
zwischen -100 und mehr als +200 mV.
- a) Klonierte mRNA, die für Connexin CX32 (gap junction-Protein) in Mausleberzellen kodiert, wurde Chara corallina injiziert. Nach 2 Tagen konnten Stromfluktuationen durch Einzelkanäle gemessen werden, die zweifellos von exprimiertem Connexin herrührten. Grund zu dieser Annahme war dadurch gegeben, daß erst nach Kontakt zwischen exzidierten Vesikeln in outside-out-Konfiguration mit dem zurückgebliebenen unversehrten Tropfen Cs⁺-Ströme durch eine hohe Leitfähigkeit gemessen werden konnten. Normalerweise ist die Tropfenmembran für Cs⁺ impermeabel, ohne Membran- Membran-Kontakt konnte kein Strom beobachtet werden. Gleichzeitig wurde die Unversehrtheit der Meßkonfiguration (kein erhöhter Leckstrom) durch Invertierung der Pipettenspannung gezeigt. In diesem Fall trat nur der zu Versuchsbeginn gemessene geringe Leckstrom auf.
- b) Klonierte mRNA, die für den nicotinischen Acetylcholin-Rezeptor (nAChR) in Zellen des Rattenmuskels kodiert, wurde in Chara corallina injiziert. Etwa 24 Stunden später konnte Kanalaktivität gemessen werden, die zweifellos von exprimiertem nAChR herrührte. Grund zu dieser Annahme waren Einzelkanalfluktuationen, die durch Carbamoylcholinchlorid (= Carbachol) induziert werden konnten. Der exprimierte nAChR zeigte die typische Charakteristik einer Desentisierung durch erhöhte Carbachol- Konzentrationen, ein kooperatives Verhalten im gating (Hill-Koeffizient n∼2) und Tubocurarin-Empfindlichkeit.
- A. Stromfluktuationen durch einen ACh-Rezeptor, der in Chara corallina exprimiert wurde (αβγδ-Untereinheiten). Rechts neben den Fluktuationsspuren sind die Carbachol- Konzentrationen (in mmol·m-3) notiert, die die Kanalaktivität hervorriefen, die unterste Spur demonstriert die Kanalblockierung durch d-Tubocurarin (200 mmol·m-3). Der Geschlossenzustand des nAChR ist jeweils am rechten Rand der Spuren markiert
- B. Amplitudenhistogramme der in A. gezeigten Aufnahmen (aus je 20 s Spurlänge). In den Diagrammen sind die jeweiligen Konzentrationen des applizierten Carbachol angegeben (in mmol·m-3), bzw. das Histogramm für die Tubocurarin-Applikation (Cur).
- C. Hill-plot zum kooperativen Verhalten der Carbachol-Bindung an den nAChR. Dargestellt ist das Verhältnis zwischen Offen- und Geschlossenwahrscheinlichkeit des Kanals als Funktion der Carbachol-Konzentration.
Neben der Bildung von exprimierten Membranproteinen im Tonoplasten
cytoplasmatischer Tropfen können auch wäßrig-lösliche Proteine exprimiert werden.
Nach Überexpression in Algenzellen könnten diese Proteine mit biochemischen
Methoden aufgearbeitet und in klinischen Tests erprobt werden.
Injizierte Algenzellen sind als lebende Zellen oder als tiefgefrorene Präparate
versandfähig, sie überstehen in einfachster Verpackung ohne Kühlung mehrere Tage.
Die Expression von Biomolekülen in genetisch manipulierten Wirtsorganismen spielt eine
wesentliche Rolle bei der Gewinnung hochwertiger Substanzen mit Spezialwirkung. Eine
solche wird erfindungsgemäß mittels eines bislang nicht eingesetzten Biosystems
(genetisch manipulierte Algen) erreicht.
Von besonderem Nutzen ist dabei die Expression von speziellen Membranproteinen
animalischen Ursprungs in der Membran cytoplasmatischer Tropfen, die sich für
Untersuchungen des Wirkstofftransports in Organzellen mit Spezialfunktion eignen.
Diese Möglichkeit erscheint insbesondere für Untersuchungen zur zellselektiven
Einschleusung bestimmter Wirkstoffe von erheblicher Bedeutung.
Von permanent transfizierten Zellen, d. h. von solchen, denen der fremde genetische
Code stabil eingebaut wurde, kann die genetische Information und damit
Expressionsfähigkeit bei Zellteilung an die nachfolgenden Tochterzellen weitergegeben
werden. Von besonderem Interesse dürfte hierbei sein, daß zur Kultivierung größerer
Algenmengen aus solchen manipulierten Zellen keine zusätzlichen Energiequellen
herangezogen werden müssen, da die Grünalgen autotroph sind, und auch das Problem
der Sterilität nicht aufkommt (wie z. B. bei Mikroorganismen-Kulturen).
Ein weiterer Nutzen kann die umfassende Erläßlichkeit von Tierversuchen sein, wenn die
Alge als Expressionssystem genutzt wird.
Auf diese Weise erlangen die an sich bekannten Transportuntersuchungen mit Hilfe von
cytoplasmatischen Tropfen von Characeen (H. Lühring, 1986, Protoplasma 133: 19-28)
eine besondere Zweckdienlichkeit.
Claims (8)
1. Verfahren zur Expression von genetisch modifizierten Molekülen in Wirtszellen durch
Einschleusung der entsprechend kodierten mRNA oder rekombinanten DNA,
dadurch gekennzeichnet,
daß man als Wirtszellen Characeae-Zellen
verwendet.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß man in die Zellen artfremde mRNA injiziert.
3. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß man rekombinante DNA oder mRNA für die Polypeptidsynthese von Membran-
Transportproteinen injiziert
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß Zellen mit rekombinanter DNA permanent transfiziert werden.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß Tochterzellen aus permanent transfizierten Zellen verwendet werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-5 zur Gewinnung von hochwertigen
Polypeptiden durch Expression,
dadurch gekennzeichnet,
daß man das exprimierte Material vom Zellmaterial separiert.
7. Characeae-Zellen mit exprimierten Membranproteinen, ggf. in gefriergetrockneter Form.
8. Verwendung von Characeae-Zellen mit exprimierten Membranproteinen nach Anspruch
2-7 für pharmakologische Untersuchungen.
Priority Applications (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE19944420791 DE4420791C1 (de) | 1994-06-15 | 1994-06-15 | Verfahren zur Expression von genetisch modifizierten Molekülen und dafür geeignete Wirtszellen |
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Publications (1)
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DE4420791C1 true DE4420791C1 (de) | 1995-05-18 |
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Country Status (1)
Country | Link |
---|---|
DE (1) | DE4420791C1 (de) |
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-
1994
- 1994-06-15 DE DE19944420791 patent/DE4420791C1/de not_active Expired - Fee Related
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