DE3643263C2 - - Google Patents
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Description
Die Erkennung von Stoffwechselstörungen, insbesondere
die Erkennung der Ursachen für Steinbildungen in den
Harnwegen eines Probanden, erfordert bisher im Wege
sehr umfangreicher Untersuchungen die Analytik von Blut-
und Harnparametern und zur Verifizierung von Harnstei
nen müssen sich Patienten außerdem meist stark belasten
den Untersuchungen, wie Röntendiagnostik und Cystoskopie,
unterwerfen oder Diagnoseverfahren, wie Ultraschall
tomographie oder Kernspintomographie über sich ergehen
lassen, die in ihren Nebenwirkungen noch wenig aufge
klärt sind.
Durch die Erfindung soll daher ein einfaches Verfahren
angegeben werden, das ohne die für herkömmliche Diagnose
verfahren charakteristischen Patientenbelastungen die
Früherkennung von Nierenfehlfunktionen und Steinbildungs
neigungen in den Harnwegen von Patienten ermöglicht.
Ferner soll eine für diesen Zweck geeignete Vorrichtung
angegeben werden.
Gelöst ist diese Aufgabe durch die Verwendung der AC-
Impedanz-Spektroskopie (Frequenzganganalyse) mittels
niederfrequenter Impedanzmessung im Frequenzbereich von
0,01 Hz bis 100 Hz zur Untersuchung des Leitfähigkeits
verhaltens von Proben eines 12 h bis 24 h Harns eines
Probanden zwecks Erkennung von Stoffwechselstörungen,
insbesondere zur Erkennung der Steinbildungsneigung
eines Harnspenders, wobei das Leitfähigkeitsverhalten
gegenüber polarisierten Grenzflächen (Meßelektrode)
als Anzeichen für das Vorliegen einer Harndiskriminierung
untersucht wird.
Die erfindungsgemäße Verwendung der AC-Impedanz-Spek
troskopie geht aus von der Erkenntnis, daß Harn eine
elektrolytische Lösung ist und Kristallnukleation und
Kristallwachstum primär eine Folge der elektrophysikali
schen Eigenschaften einer Lösung bzw. eines Elektrolyts
(Redoxpotential, pH-Wert) sowie des dielektrischen Verhal
tens von äußeren Phasengrenzschichten (Zellgewebe und
Abbauprodukte wie Gewebsreste, Blutkörperchen, Bakterien
und dgl.) und von inneren Grenzschichten (Molekül-Cluster,
Solvatbildungen, Ionenadsorbate und dgl.) sind.
Durch die erfindungsgemäße Verwendung ist ein Diagnosever
fahren aufgezeigt worden, bei dem das elektrische Verhalten
von Harnen als Kriterium für eine Steinbildungsneigung
bei dem jeweiligen Harnspender herangezogen wird und das
es erlaubt, eine Harnprobe außerhalb des Körpers des Pro
banden einer Frequenzganganalyse im Labor zu unterwerfen.
Nach eingehenden Versuchen hat sich als zweckmäßig erwie
sen, wenn zur Abkürzung der Meßdauer im niederen Frequenz
bereich zwischen 0,01 Hz und 10 Hz eine Fast-Fourier-
Transform (FFT)-Analyse vorgenommen wird. Als gleich
falls vorteilhaft hat sich erwiesen, wenn die AC-Impedanz
messung an der zu untersuchenden Harnprobe bei verschie
dener DC-Polarisation oberhalb und unterhalb des Redox
potentials des Harns mittels der 3-Elektroden-Methode
mit je einer Meß-, Arbeits- und Bezugselektrode durch
geführt wird.
Die Untersuchung der Eigenschaften verschiedener Mate
rialien mittels AC-Impedanz-Spektroskopie ist zwar be
reits bekannt (J. of Physics E. Vol. 7, 1974, Seiten
657 bis 662), wie Korrosionsuntersuchungen, die Unter
suchung von Kunststoffbeschichtungen von Metallen über
Elektrolytprozesse und die Untersuchung von Membranen
bis hin zu Zellgewebe, aber in allen bekannten Fällen
handelt es sich um die Bildung elektrischer Doppelschich
ten. Die Verwendung der AC-Impedanz-Spektroskopie zur
Charakterisierung der Kristallisationseigenschaften
von Lösungen ist jedoch bisher nicht bekannt und durch
die vorbekannten Anwendungen auch nicht nahegelegt.
Insbesondere gilt dies bezüglich der Diskriminierung
des Inhibierungsverhaltens von Harn, was für die Stein
bildungsneigung des jeweiligen Harnspenders bestimmend
ist.
Die für die erfindungsgemäße Verwendung bestimmte und geeignete
Vorrichtung umfaßt ein vorzugsweise rechnergestütztes, aus
einem Potentiostaten und einem Lockin-Verstärker bestehen
des AC-Impedanz-Meßgerät und ein beheizbares, elektrisch
nichtleitendes Meßgeräß zur Aufnahme der Harnprobe,
das mit Meßelektroden sowie mit einem Rührer ausgerüstet
ist, wobei der Rührer ein isoliert eingespannter Edel
stahl-Blattrührer zum nichtturbulenten Rühren des Harns
ist und es sich bei dem Meßgefäß um ein doppelwandiges
Glasgefäß mit einem Deckel handelt, der eine Durchführung
einer Antriebswelle des Rührers aufweist und in Bohrungen
wenigstens ein Thermometer, eine Redox- und pH-Einstab
meßkette sowie Meßelektroden aufnimmt.
In weiterer Ausgestaltung der Vorrichtung ist es vor
teilhaft, als Arbeitselektrode eine massive Goldelek
trode mit einem Durchmesser von etwa 10 mm einzusetzen,
während es sich bei der Meßelektrode um eine Glassy-
Carbon-Elektrode und bei der Bezugselektrode um eine
Standard-Kalomel-Elektrode handelt.
Eine ebenfalls vorteilhafte Weiterbildung der Vorrich
tung sieht vor, daß der Abstand zwischen Arbeits- und
Meßelektrode etwa doppelt so groß wie der Durchmesser
der Arbeitselektrode ist bzw. etwa 20 mm beträgt und
daß zum Eliminieren des Einflusses der Grenzschicht der
Arbeitselektrode die Bezugselektrode über einen Brücken
elektrolyten, etwa eine 3,5n KCL-Lösung, in einer
Luggin-Kapillare direkt an die Arbeitselektrode heran
geführt ist.
Eine Ausführungsform der Vorrichtung und das damit
durchführbare Verfahren sollen nachstehend anhand
der beigefügten Zeichnungen erläutert werden. Es
zeigt
Fig. 1 in einem Blockschaltbild einen kompletten
Meßplatz zum Durchführen des erfindungs
gemäßen Verfahrens,
Fig. 2 ein mit Meßelektroden und einem Rührer
ausgerüstetes Meßgefäß zum Aufnehmen
einer zu untersuchenden Harnprobe in
einer perspektivischen Ansicht,
Fig. 3a, b anhand schematisch dargestellter Nyquist-Plots
den komplexen Widerstand Z″ (Reaktanz)
des Harns eines steinfreien Harnspenders
über der Resistanz Z′, jeweils ausgehend
vom Redoxpotential für verschiedene
Positive (Fig. 3a) und Negative (Fig. 3b)
Polarisationen,
Fig. 4a, b schematische Nyquist-Plots wie in den
Fig. 3a, b, jedoch vom Harn eines
Steinträgers und die
Fig. 5a bis 9b durch Harnuntersuchungen gewonnene
Nyquist-Plots (Ausschnitte).
Das in der Blockdarstellung nach Fig. 1 veranschau
lichte AC-Impedanz-Meßsystem 10 ist rechnergestützt
und umfaßt eine unten noch im einzelnen zu erläuternde
Meßzelle 12, einen Potentiostaten 15 und einen Lockin-
Verstärker 14, die auf einen Computer 15 mit entsprechen
dem Software-Programm zur automatischen Datenaquisition
einer Meßsequenz geschaltet sind. Dem Computer 15
zugeordnet sind ein Datenspeicher 16, ein Drucker 17
und ein Display 18, was jedoch bekannt ist und im
einzelnen hier auch nicht interessiert. Dieses Meßsystem
kombiniert die Fast-Fourier-Transform (FFT)-Technik
im Frequenzbereich zwischen 10-4 und 11 Hz und die
phasensensitive Lockin-Detektion im Frequenzbereich
von 5 Hz bis 100 kHz.
Die Meßzelle 12 umfaßt das in Fig. 2 in einer perspek
tivischen Ansicht aufgebrochen dargestellte Glasgefäß
20 als Meßgefäß zur Aufnahme jeweils einer Harnprobe
(hier z. B. 400 ml eines 24-h-Harns) in einem Aufnahme
raum 21, der mittels eines Deckels 22 aus Teflon nach
oben abgeschlossen ist. Das im wesentlichen zylindrisch
ausgebildete Glasgefäß 20 ist gleichermaßen im Bereich
seiner seitlichen Wandungen und seines Bodens doppel
wandig ausgeführt und mittels eines durch den Zwischen
raum 23 zwischen den doppelten Wandungen hindurchschleus
baren Wärmeträgermediums beispielsweise auf Körper
temperatur von 37° C beheizbar. Die Zu- und Abfuhr
eines derartigen Wärmeträgermediums erfolgt in der durch
die Pfeile 24, 25 angedeuteten Weise über sich vom
Mantel des Glasgefäßes seitlich forterstreckende Nippel
26, 27, an die in nicht weiter dargestellter Weise ent
sprechende Schläuche zum Führen eines derartigen Mediums
anschließbar sind.
Der die obere Offenseite des doppelwandigen Glasgefäßes
20 abschließende Deckel 22 ist mit je einer Bohrung 28
für die Aufnahme eines nicht gezeigten Thermometers
und je einer ebenfalls nicht gezeigten Redox- und
ph-Elektrode versehen. Ferner sind in Bohrungen des
Deckels 22 eine Meßelektrode 30 und eine Arbeits
elektrode 31 aufgenommen, desgleichen eine Bezugs
elektrode 32, die in den Aufnahmeraum 21 des Glas
gefäßes bzw. eine in diesem aufgenommene Harnprobe
hineinragen. Bei der Bezugselektrode 32 handelt es
sich um eine Standard-Kalomel-Halbzelle (Hg/HgCl₂)
in 3,5n KCL-Lösung, wobei der Brückenelektrolyt über
eine Luggin-Kapillare 33 an die Arbeitselektrode
herangeführt ist. Bei der Meßelektrode 30 handelt
es sich um eine elektro-neutrale Glassy-Carbon-Elektrode,
hingegen bei der Arbeitselektrode 31 um eine Elektrode
aus massivem Gold mit einem Durchmesser von ca. 10 mm,
die im Abstand von etwa 20 mm zur Arbeitselektrode 31
angeordnet ist. Ferner erstreckt sich durch eine
Ausnehmung im Deckel 22 eine isoliert eingespannte
Welle 35 eines im Aufnahmeraum 21 aufgenommenen Blatt
rührers 36 aus Edelstahl hindurch.
Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird
eine zu untersuchende Harnprobe, etwa ein Volumen von
400 ml eines 24h-Harns, im Glasgefäß 20 aufgenommen, wo
bei die erwähnten Elektroden in den Harn hineinragen,
der zum Beispiel auf 37° temperiert und während des gesam
ten Meßvorganges mittels des Blattrührers 36, der bei
spielsweise mit 100 U/min umläuft, im nichtturbulenten
Bereich gerührt wird. Gemessen wird der komplexe Wider
stand (Impedanz) des Harns, bestehend aus Resistanz Z′
und Reaktanz Z″ für unterschiedliche Polarisationen.
Dabei wird einmal die Arbeitselektrode über das Redox
niveau des Harns angehoben (positives DC) und zum
anderen unter das Redoxniveau abgesenkt (negatives DC).
Jede Meßreihe wird mit DC = 0 (Redoxpotential) begonnen
und jeweils in wählbaren Stufen fallend mit negativem
und steigend mit positivem DC (gegen Kalomel) fortge
setzt. Dabei zeigt sich, daß die Harne von steinfreien
Spendern und Steinträgern sich in ihrem komplexen
Leitfähigkeitsverhalten prinzipiell unterscheiden.
Mit zunehmender Polarisation, also größer werdendem
positivem oder negativen DC, steigt die kapazitive
Leitfähigkeit (Suszeptanz) des Harns (Reaktanz Z′′
fällt), und zwar bei Anhebung, also positiver Polarisation,
stärker als bei negativer Polarisation. Dabei lassen
sich inhibierte Harne steinfreier Spender ohne merk
liche Leitfähigkeitsänderung stärker polarisieren
als zur Kristallisation neigende Harne eines Stein
trägers.
Die schematisch veranschaulichten Nyquist-Plots zeigen
das Leitfähigkeitsverhalten von Harnen steinfreier
Harnspender (Fig. 3a, b) und von Steinträgern (Fig. 4a, b)
qualitativ, und zwar jeweils ausgehend vom Redoxpotential
(DC = 0) bei in Stufen von 200 mV steigendem bzw. fallen
dem DC. Aus Fig. 4b ist ersichtlich, daß beim Harn
eines Steinträgers schon bei DC = - 0,4 V eine erheb
liche Leitfähigkeitsänderung eingetreten ist, hingegen
gemäß Fig. 3 b beim Harn eines steinfreien Probanden
erst bei DC ≦ - 1,0 V. Für positive DC ist diese
Differenzierung weitaus weniger ausgeprägt, aber
immer noch signifikant. So zeigt Fig. 4a beim Harn
eines Steinträgers bei DC ≧ + 0,2 V eine Leitfähig
keitserhöhung, hingegen gemäß Fig. 3a der Harn eines
steinfreien Harnspenders erst bei DC ≧ + 0,4 V.
Korrespondierend zu den schematischen Darstellungen
der Fig. 3a, b und 4a, b handelt es sich bei den
Fig. 5a, b und 6a, b um auf durchgeführten Messungen
beruhende Nyquist-Plots. Dabei entsprechen einander
die Fig. 3a und 5a, die Fig. 3b und 5b, die Fig. 4a
und 6a sowie die Fig. 4b und 6b.
Während im "hohen" Frequenzbereich mittels Lockin-Ver
stärker die Messung der Phasenverschiebung von Strom
und Spannung bei einzelnen Frequenzen (Mono-Mode)
erfolgt, ist im "niederen" Frequenzbereich zur Abkürzung
der Meßdauer eine Fast-Fourier-Transform (FFT)-Analyse
notwendig. Als Meßsignal wird ein vorprogrammiertes
"AC-Rauschsignal" (Frequenzgemisch) benutzt und eben
falls die Phasenverschiebung von Strom und Spannung
analysiert. Dabei kann eine künstliche Polarisation
(DC positiv oder negativ gegen den Bezugspunkt) zwischen
Arbeits- und Counter-Elektrode erzeugt werden. Die
AC-Implitude wird mit zum Beispiel 20 mV für alle
DC's gleich gewählt.
Beim steinfreien, nicht gefährdeten Harnspender zeigt
der Harn eine nur geringe Beeinflussung der Leitfähig
keit, und zwar gemäß Fig. 5a bei positivem DC bis
etwa + 0,2 V keine wesentliche Widerstandsänderung
im niederfrequenten Bereich, hingegen nach Fig. 5b
ausgeprägt bei negativem DC bis etwa - 0,8 V keine
wesentliche Widerstandsänderung. Erhebliche Leitfähig
keitssteigerungen treten erst bei DC = + 0,4 V und
DC = - 1,0 V auf.
Die Ersatzschaltung einer dielektrischen Grenzschicht,
mithin auch einer Zellmembran oder eines Zellgewebes,
stellt in der Regel ein komplexes RLC-Netzwerk dar,
also eine Schaltung aus Ohm'schen Widerstand R, induk
tivem Widerstand L und kapazitivem Widerstand C,
das aber in vielen Fällen auf einfachere Netzwerke
zurückgeführt werden kann (elektrophysikalische Analogie).
In biologischen Systemen (bioelektrochemisch) ist
die Reaktanz Z″ in der Regel negativ, also kapazitiv,
während eine positive Reaktanz (induktive) selten
vorkommt, wie zum Beispiel durch eine spannungs
zeitabhängige Widerstandsänderung (Beispiel: Ca-Ausstrom
bei Neuronen). Am Zellverband wird sich das Impedanz
verhalten infolge Beteiligung unterschiedlicher Strukturen
(Moleküle, Membranen, Zellgewebe) immer in mehreren
zusammenhängenden Cole-Kreisen äußern, die ineinander
übergehen. Der Durchmesser der Cole-Kreise ist dabei
von der Polarisation (DC oder BIAS) abhängig. Ein
Membranpotential (Redox- oder pH-Gradient) stellt
dabei eine innere Spannungsquelle dar.
Der Harn eines Steinträgers zeigt gegenüber dem Harn
eines steinfreien Patienten eine "Unverträglichkeit"
gegenüber DC-Polarisation im niederfrequenten Bereich
zwischen ≦ 0,01 Hz bis 10 Hz, wie aus Fig. 6a für positive
DC und aus Fig. 6b für negative DC ersichtlich ist.
Im Frequenzbereich zwischen 0,01 Hz bis 100 kHz rührt
bereits ein DC = + 0,2 V bzw. - 0,2 V zu einer starken
Widerstandserniedrigung und somit zu einer entsprechen
den Leitfähigkeitserhöhung.
Die Fig. 7a, b zeigen Nyquist-Plots des Harns eines
Patienten, der nach Röntgenaufnahmen vermeintlich
steinfrei ist. Es ist ersichtlich, daß sich dieser
Harn ganz ähnlich verhält und bereits eine verringerte
Verträglichkeit wie der Harn des Steinträgers gegenüber
DC-Polarisation zeigt. Nur ein DC= + 0,4 V (Fig. 7a)
und ein DC = - 0,4 V (Fig. 7b) führen zu einer starken
Widerstandserniedrigung. Der Spender dieses Harns
ist steingefährdet.
In der Niere bzw. den Nierenpapillen befinden sich,
wie an der Oberfläche von Membranen, Stellen unter
schiedlicher Ladungsdichte (Potentiale), die Ursache
von Polarisations- und Adsorptionsvorgängen sein
können, wie sie simuliert und oben beschrieben wurden.
Bei Polarisation des Harns in der Nähe des Redoxpotentials
(DC = 0) ergibt sich die geringste Leitfähigkeit bei
entsprechend hohem Widerstand im niederfrequenten
Bereich, der das Transportverhalten (Diffusionseigen
schaften) in der Grenzschicht charakterisiert. Mit
zunehmender "Vorspannung", also einer vom Redoxpotential
verschiedenen Polarisation (DC 0) werden die Stoff
transportraten erhöht. Dies äußert sich in erhöhter
Leitfähigkeit. Harne mit oder ohne Steinbildungsneigung
zeigen unterschiedliche "Redox-Pufferung". Dies wurde
oben als Polarisationsverträglichkeit bezeichnet.
Nach durchgeführten Versuchen zur sphärolithischen
Kristallisation an einem "Modellsystem" mit polarisierten
Lösungen sind stets die Stellen negativerer Ladung,
also niederen Potentials, Ausgangspunkt für Keimbildung
im System. Bei komplexen Redoxsystemen, wie einem
Harn, können solche Keimzentren nicht nur die anliegenden
Gefäßwände (Zellgewebe) sein, sondern auch innere
Phasengrenzflächen, wie Solvat-Cluster, Sediment
oder reine Kolloidpartikel.
Harninhaltsstoffe, wie zum Beispiel die sauren Muco
polysaccharide (GAGS), spielen wegen ihrer Ionenaus
tauschereigenschaften eine besondere Rolle bei der
Bildung von Kolloidpartikeln und Solvaten. Als größere
polare Moleküle adsorbieren sie anionische wie kationische
Ladungen in verstärktem Maße gegenüber einfachen
polaren Harninhaltsstoffen. Hinzukommen Effekte,
wie Wasserstoffbrückenbildung und Polarisation von
an sich unpolaren Substanzen, ferner Solvatschichten
bildung über mehre Moleküllagen hinweg. Derartige
Cluster können dabei je nach Schwankungen der Harn
inhaltsstoffe, zum Beispiel infolge Nahrungsaufnahme
oder Einnahme von Medikamenten, äußerlich elektro
neutral bis elektronegativ oder elektropositiv werden.
Hieraus folgt, daß das elektrophysikalische Verhalten
eines Harns nicht nur die Metabolismen des Körpers
(zum Beispiel der Niere) wiederspiegelt, sondern
auch die Wirkung von Medikamenten auf diese. Die
Frequenzganganalyse ist daher auch eine Methode zur
Bestimmung der Wirkung von bestimmten Pharmaka und
kann mithin auch für klinische Tests eingesetzt werden.
Beim steinfreien Patienten fällt auf, daß eine Hyper
polarisation bei DC = + 0,6 V widerstandserhöhend wirkt.
Dies ist aus dem Nyquist-Plot nach Fig. 8 ersichtlich.
Bei den Fig. 9a und 9b handelt es sich um Nyquist-
Plots vom Harn eines rezidivierenden Harnspenders.
Dieser Harn zeigt, wie der Harn eines Steinträgers
(Fig. 6a und 6b), eine geringe DC-Verträglichkeit
von DC = - 0,2 V bzw. DC = + 0,2 V und gleicht damit dem
Impedanzverhalten des Harns eines vermeintlich stein
freien Patienten (vgl. Fig. 7a und 7b).
Da Harne Langzeitrelaxationen zeigen, d. h. ihr Leit
fähigkeitsverhalten verändern (mit zunehmendem Alter
eines Harns steigt dessen Widerstand), sollten bei
erfindungsgemäßen Messungen möglichst "frische" Harne
verwendet werden.
Künstliche Harne, die häufig zum Untersuchen von
Kristallisationsverhalten, Keimbildung oder Stoff
wechselabhängigkeiten verwendet werden, zeigen dieses
charakteristische Verhalten ebenfalls, und zwar ins
besondere ohne Mg-Citrat- oder Chondroitinsulfat-
Stabilisierung. Aber auch Harne mit Zusatz von Konser
vierungsmittel (Thymidin) ändern ihr Leitfähigkeits
verhalten.
Die Abhängigkeit von unterschiedlichen Grenzflächen
potentialen (DC) läßt sich an künstlichem Harn jedoch
nicht verifizieren, da diesem offensichtlich wesent
liche Bestandteile des natürlichen Harns fehlen.
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist ein möglichst
völlig "erdfreies" Messen sowie nicht-turbulentes
Rühren, um elektrische bzw. mechanische Anregungen
zur Nukleation (Kristallkeimbildung) zu vermeiden.
Um bleibende Veränderungen, also Reaktionen im Elektro
lyt, auszuschließen, ist mit möglichst kleiner Spannungs
amplitude der Frequenz zu messen, beispielsweise
mit einem AC ≦ 20 mV. Dadurch ist lineares Verhalten,
also Proportionalität von Ein- und Ausgangssignalen
und gleiche Wellenform, des Elektrolyts gewährleistet.
Negative und positive DC wurden bei den durchgeführten
Versuchen in getrennten Meßreihen mit je 400 ml
eines frischen 24h-Harns gemessen. Beim Steinträger
wurde bei negativer Polarisation bereits Sediment
bildung initiert. Diese festen Partikel können ihrer
seits Ladungen adsorbieren, was die Leitfähigkeit
des Harns erheblich verändert. Aus diesem Grunde
wurden für die beiden Meßreihen mit negativer und
positiver Polarisation jeweils frische Harnproben
verwendet.
Zur Abkürzung der Meßzeit wurde der Frequenzbereich
10-2 Hz bis 100 kHz benutzt. In der Praxis reicht
dieser Frequenzbereich zur Differenzierung aus. Dieser
ELF-Bereich charakterisiert das Stofftransportverhalten
(Diffusion) des elektrochemischen Systems und damit
die Kristallisationsneigung.
Die Steinbildungsgefahr besteht in der geringen Redox
pufferung (DC-Verträglichkeit) eines Harns beim Stein
träger, da in den Harngängen, sei es nun am Zellgewebe
oder an den Harninhaltsstoffen, immer Stellen unter
schiedlicher Oberflächenladung vorliegen.
Claims (6)
1. Verwendung der AC-Impedanz-Spektroskopie (Frequenz
ganganalyse) mittels niederfrequenter Impedanzmessung
im Frequenzbereich von 0,01 Hz bis 100 kHz zur Unter
suchung des Leitfähigkeitsverhaltens von Proben eines
12-h bis 24-h Harns eines Probanden zwecks Erkennung
von Stoffwechselstörungen, insbesondere zur Erkennung
der Steinbildungsneigung eines Harnspenders.
2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß zur Abkürzung der Meßdauer im niederen Frequenzbe
reich zwischen 0,01 Hz und 10 Hz eine Fast-Fourier-Trans
form (FFI)-Analyse vorgenommen wird.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekenn
zeichnet, daß die AC-Impedanzmessung an der zu unter
suchenden Harnprobe bei verschiedener DC-Polarisation
oberhalb und unterhalb des Redoxpotentials des Harns
mittels der 3-Elektroden-Methode mit je einer Meß-,
Arbeits- und Bezugselektrode durchgeführt wird.
4. Für die Verwendung gemäß einem der Ansprüche 1 bis
3 geeignete Vorrichtung mit einem vorzugsweise rechner
gestützen AC-Impedanzmeßgerät, das aus einem Poten
tiostaten und einem Lockin-Verstärker besteht, und
mit einem beheizbaren, elektrisch nicht-leitenden Meß
geräß zur Aufnahme der Harnprobe, das mit Meßelektroden
sowie mit einem Rührer ausgerüstet ist,
dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Rührer
um einen isoliert eingespannten Edelstahl-Blattrührer
(36) zum nicht turbulenten Rühren des Harns und bei
dem Meßgefäß um ein doppelwandiges Glasgefäß (20) mit
einem Deckel (22) handelt, der eine Durchführung einer
Antriebswelle des Rührers aufweist und in Bohrungen
(28) wenigstens ein Thermometer, eine Redox- und pH-Ein
stabmeßkette sowie Meßelektroden aufnimmt.
5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet,
daß als Arbeitselektrode (31) eine massive Goldelektrode
(mit einem Durchmesser von etwa 10 mm) dient, während
es sich bei der Meßelektrode (50) um eine Glassy-Carbon-
Elektrode und bei der Bezugselektrode (32) um eine
Standard-Kalomel-Elektrode handelt.
6. Vorrichtung nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekenn
zeichnet, daß der Abstand zwischen der Arbeitselektrode
(31) und Meßelektrode (30) etwa doppelt so groß wie der
Durchmesser der Arbeitselektrode ist bzw. etwa 20 mm be
trägt und daß zum Eliminieren des Einflusses der Grenzschicht
der Arbeitselektrode die Bezugselektrode (32) über
einen Brückenelektrolyten, etwa eine 3,5n KCL-Lösung,
in einer Luggin-Kapillare direkt an die Arbeitselektrode
herangeführt ist.
Priority Applications (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE19863643263 DE3643263A1 (de) | 1986-12-18 | 1986-12-18 | Verfahren und vorrichtung zur erkennung von stoffwechselstoerungen durch harnuntersuchung, insbesondere zur frueherkennung einer steinbildungsneigung des harnspenders |
Applications Claiming Priority (1)
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DE19863643263 DE3643263A1 (de) | 1986-12-18 | 1986-12-18 | Verfahren und vorrichtung zur erkennung von stoffwechselstoerungen durch harnuntersuchung, insbesondere zur frueherkennung einer steinbildungsneigung des harnspenders |
Publications (2)
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DE3643263A1 DE3643263A1 (de) | 1988-07-07 |
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ID=6316482
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DE19863643263 Granted DE3643263A1 (de) | 1986-12-18 | 1986-12-18 | Verfahren und vorrichtung zur erkennung von stoffwechselstoerungen durch harnuntersuchung, insbesondere zur frueherkennung einer steinbildungsneigung des harnspenders |
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