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Anorganische Füllstoffe für Reaktivkunststoffsysteme
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Für die Herstellung von Formteilen werden zunehmend Reaktivkunststoffsysteme
verwendet, das sind Systeme, deren reaktive Komponenten erst in der Form miteinander
unter Bildung des Kunststoffs reagieren. Beispiele für derartige Reaktivkunststoffsysteme
sind Epoxyharzsysteme, ungesättigte Polyesterharze, Polyurethansysteme und insbesondere
Systeme für die aktivierte anionische Lactampolymerisation.
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Derartige Reaktivkunststoffsysteme können durch anorganische Füllstoffe
modifiziert und verstärkt werden.
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Die Verwendung anorganischer Füllstoffe führt jedoch häufig zu unbefriedigenden
Ergebnissen: In der Praxis beobachtet man dabei mehr oder weniger starke Verfärbungen
der Polymermatrix und/oder eine mehr oder weniger starke Inhibierung der Polymerisation.
Oft geht mit der Verfärbung einher die Bildung eines Hofes um die Füllstoffe herum.
Dabei wird die Haftung des Polymeren an dem Füllstoff geschwächt. Vielfach wird
auch ein Anstieg des Restmonomerengehalts von üblicherweise 3 auf bis zu 10 z im
Formkörper festgestellt, die Wasseraufnahme des Polymeren steigt gleichzeitig mit
der Erhöhung des Restmonomerengehalts, und die Maßhaltigkeit der Formteile wird
verschlechtert.
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Die aufgezeigten Nachteile sind je nach Art und Typ des Füllstoffmaterials
unterschiedlich ausgeprägt und die genaue Ursache ist bisher nicht bekannt. Sie
treten auch bei gebundenen und auch bei ungebundenen, bei geschlichteten und ungeschlichteten
Fasermaterialien auf. Besonders stark sind diese störenden Effekte bei Verwendung
von Alkalimetallkatalysatoren, wie a Natriumlactamat, weniger stark bei Magnesiumkatalysatoren,
wie Lactam-magnesiumbromid oder -chlorid und Methylmagnesiumbromid oder -chlorid.
Es ist auch möglich, daß die Nachteile durch Reaktion der Katalysatoren mit störenden
Molekülgruppen der Füllstoffmaterialien und/oder ihrer Bindemittel oder Schlichten
verursacht werden.
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Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß die aufgezeigten Nachteile
dadurch unterbunden werden können, daß man die anorganischen Füllstoffe mit einem
inerten Polymerisat beschichtet.
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Gegenstand der Erfindung sind somit anorganische Füllstoffe für Reaktivkunststoffsysteme,
die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie oberflächlich mit 0,1 bis 16 Gewichtsprozent
eines inerten Polymerisats beschichtet sind, das eine Löslichkeit in Toluol bei
100"C von mehr als 1 Gew.% und
eine Löslichkeit in Caprolactam bei
150°C von weniger als 0,1 Gew.% aufweist.
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Anorganische Füllstoffe sind faserförmige und nichtfaserförmige Materialien,
wie Glasfasern, Asbest, Steinwolle, Wollastonit, Glimmer, Talkum, Kreide, Calciumsilikat,
Molybdänsulfid.
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Sie weisen im allgemeinen einen Durchmesser von weniger als 50 Am,
insbesondere 1 bis 20 jm auf, während die Länge beliebig groß sein kann.
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Bevorzugter Füllstoff sind Glasfasern, sowohl Schnittglasfasern etwa
der mittleren Länge von 0,1 - 10 mm, als auch handelsübliche Endlosfasern Faserstärke,
Rovings und Flächengebilde wie Matten, Vliese, Gewebe und Filz. Der Durchmesser
der Glasfasern beträgt in der Regel 1 bis 50 ;ihm, insbesondere 5 bis 20 pm.
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Erfindungswesentlich ist die Beschichtung des anorganischen Füllstoffs
mit einem inerten Polymerisat. Geeignet sind Olefinpolymerisate wie Polyethylen,
Polypropylen, Polyisobutylen und Copolymere von Olefinen mit Vinylestern oder (Meth)acrylestern,
wie Ethylen-Vinylaceta t-Co polymere, Ethylen-Butylacrylat-Copolymere, Polyacrylate,
wie Poly-n-butylacrylat, Polybutadien, Styrol-Butadien-Copolymere oder -Blockcopolymere,
ABS-Polymere, Polysulfone, Polycarbonate, Copolymere aus unterschiedlichen Olefinen,
wie Ethylen-Isobutylen-Copolymere.
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Auch Umsetzungsprodukte von Enaminen mit Diisocyanaten sind geeignet.
Die Polymerisate können auch reaktive Gruppen enthalten, welche mit der Oberfläche
des Füllstoffs, bzw. mit den reaktiven Gruppen an der Füllstoffoberfläche in chemische
oder physikalische Wechselwirkung treten. Geeignet reaktive Gruppen, die im Polymerisat
im allgemeinen nur in einer Menge von 0,1 bis 10 Gew.% vorhanden sind, sind beispielsweise
Carboxyl, Amino, und phenolische OH-Gruppen, olefinische Doppelbindungen sowie Acyllactame.
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Das Beschichtungsmittel wird im allgemeinen in einer Menge von 0,1
bis 16 Gew.%, vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.%, bezogen auf den Füllstoff verwendet.
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Das verwendete Polymerisat muß eine Löslichkeit in Toluol bei 100°C
von mehr als 1 Gew.%, insbesondere 1,5 bis 10 Gew.%, und eine Löslichkeit in Caprolactam
bei 150"C von weniger als 0,1 Gew.% aufweisen. Durch diese Bedingung ist gewährleistet,
daß das Polymerisat auf dem Füllstoff fest haftet und nicht durch das Reaktionskunststoffsystem
gelöst wird.
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Das Beschichtungsmittel soll den Füllstoff auf seiner gesamten Oberfläche
umhüllen. Die Schichtdicke beträgt im allgemeinen 0,005 bis 4 jim, vorteilhaft 0,01
bis 1 po.
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Es ist möglich, das Polymerisat im geschmolzenen Zustand auf den Füllstoff
aufzubringen. Zweckmäßig arbeitet man jedoch mit einer Lösung des Polymerisats in
einem üblichen Lösungsmittel. Es ist ausreichend, wenn die Lösung eine Konzentration
zwischen 0,1 und 10 Gew.%, insbesondere 0,5 bis 5 Gew.% aufweist. Man tränkt den
Füllstoff mit der Lösung und dampft anschließend das Lösungsmittel bei Normaldruck
oder vermindertem Druck und Temperaturen von 40 bis 160es ab.
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Geeignete Lösungsmittel sind Toluol, Methylenchlorid, Aceton, Xylol,
Ethylacetat.
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Soll das Polymerisat auf der Füllstoffoberfläche vernetzt vorliegen,
so kann man der Polymerlösung geeignete Radikalbildner wie Peroxide, Azostarter
oder C-C-labile Verbindungen zusetzen, die während des Abdampfens des Lösungsmittels
bei der erhöhten Temperatur die Vernetzung des Polymerisats bewirken.
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Die erfindungsgemäßen Füllstoffe werden als Verstärkungsmittel für
Reaktivkunststoffe verwendet. Die Herstellung der Füllstoffe enthaltenden Formteile
aus Reaktivkunststoffen erfolgt beispielsweise nach den Verfahren, wie sie in Piechota
und Röhr "Integralschaumstoffe" Carl Hanser Verlag 1975, S. 34 bis 37 beschrieben
sind.
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Die neuen Füllstoffe werden insbesondere bei der Herstellung von Formteilen
durch aktivierte anionische Lactampolymerisation verwendet. Dabei setzt man sie
in Mengen von 10 bis 60 Gew.%, bezogen auf das Formteil, ein.
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Die Herstellung der Formteile ist bekannt und beispielsweise in Kunststoff-Handbuch
Band VI, Carl Hanser Verlag 1966, Seite 46 bis 49 beschrieben. Dabei geht man von
zwei Komponenten A und B aus, wobei die Komponente A eine Katalysator enthaltende
Lactam-Schmelze ist. Die beiden Komponenten werden gemischt, in eine Form transportiert
und dort polymerisiert.
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Bevorzugtes Lactam ist £-Caprolactam, darüber hinaus können auch Pyrrolidon,
Capryllactam, Laurinlactam, dnantlactam sowie die entsprechenden C-substituierten
Lactame alleine oder in Kombination mit 6-Caprolactam eingesetzt werden. Die Lactame
können auch modifiziert sein, beispielsweise mit Polyetherolen, präpolymeren Isocyanaten
oder mit Bisacyl-Lactamen nach der DE-A 24 12 106.
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Geeignete Katalysatoren sind z.B. Alkali- und Erdalkaliverbindungen
von Lactamen, wie Natrium-C-caprolactam, oder von kurzkettigen aliphatischen Carbonsäuren,
wie Natrium- oder Kaliumformiat, oder von Alkoholen mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen,
wie Natriummethylat oder Kalium-tert.-butylat.
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Außerdem können auch Alkali- oder Erdalkalihydride, -hydroxide oder
-carbonate verwendet werden, sowie Grignard-Verbindungen. Die Katalysatoren werden
üblicherweise in Mengen von 0,1 bis 10 Mol.Z, bezogen auf Gesamtlactam, eingesetzt.
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Als Aktivatoren kommen in Frage: N-Acyllactame, wie N-Acetylcaprolactam,
Bisacyllactame, substituierte Triazine, Carbodiimide, Keten, Cyanamide, Mono- und
Polyisocyanate, sowie maskierte Isocyanatverbindungen. Sie werden bevorzugt in Mengen
von 0,1 bis 10 Mole bezogen auf Gesamtlactam, eingesetzt.
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Die Schlagzähigkeit der Formmassen kann durch übliche Zusätze, wie
Polyalkylenglykole mit Molekulargewichten von 2000 bis 100.000 erhöht werden, ferner
durch Zusatz von reaktiven oder nicht reaktiven Kautschuken, wie z .3. Pfropfpolymerisaten.
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Die Herstellung der Formkörper erfolgt im allgemeinen in üblicher
Weise dadurch, daß man ein Gemisch aus Füllstoff, Lactam, Katalysator und Aktivator
in die Formm füllt oder aber daß das Fasermaterial in die Form eingelegt wird, anschließend
ein inniges Gemisch aus Lactam, Aktivator und Katalysastor in die Form eingefüllt
wird und nach beendeter Reaktion die Form geöffnet und das Formteil entnommen wird.
Die Herstellung kann beispielsweise auch nach dem Verfahren der Reaktionsspritzgußtechnik
(RIM) erfolgen, wie sie für Polyurethane, z.B. von Piechota und Röhr in "Integralschaumstoffe",
Carl Hanser Verlag 1975, S. 34-37, beschrieben ist.
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Die beiden Komponenten A (Lactam + Katalysator) und B (Lactam + Aktivator)
werden in Vorlagekesseln getrennt auf eine Temperatur oberhalb des Schmelzpunktes
des Lactams, vorzugsweise auf 80 bis 140"C, temperiert.
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Mit hydraulisch angetriebenen, beheizten Tauchkolbenpumpen werden
die Komponenten durch beheizte Rohre zu einem ebenfalls beheizten Mischkopf gefördert.
Beim Einpressen in die Form wird der Räumkolben des Mischkopfes zurückgezogen und
die beiden genau dosierten Komponenten treten in die geöffnete Mischkammer ein,
werden dort innig vermischt und in die angeflanschte Form eingepreßt. Dies geschieht
im allgemeinen unter einem Druck von mehr als 1 bar, vorzugsweise von 1,1 bis 300
bar und insbesondere bei 2 bis 30 bar. Grundsätzlich ist es aber auch möglich, drucklos
zu arbeiten, wenn man durch Verwendung spezieller Apparaturen dafür sorgt, daß die
Schmelze genügend rasch in die Form eingedüst wird. Inner-
halb
von 2 bis 50 sec, vorzugsweise von 3 bis 20 sec, ist die Lactam-Schmelze vollständig
von dem Mischkopf in die Form überführt. Eine Stickstoffspülung der Form ist in
der Regel nicht erforderlich.
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Die Form ist erfindungsgemäß auf eine Temperatur von 120 bis 1800C,
vorzugsweise auf 125 bis 1600C und insbesondere auf 130 bis 1500C vorgeheizt. Da
das textile Fasergebilde bereits vorher in die Form eingelegt worden war, hat auch
dieses die Formtemperatur angenommen. Die Lactam-Schmelze erwärmt sich in der Form
rasch auf deren Temperatur und polymerisiert dabei innerhalb eines Zeitraumes von
weniger als 3 min. Im allgemeinen kann das fertige Formteil bereits nach 1 bis 2
min aus der Form entnommen werden. Bei einer Polymerisationstemperatur zwischen
120 und 1800C entsteht ein hochmolekulares Polyamid mit einem K-Wert (nach Fikentscher,
Cellulosechemie 13, S. 58) von mehr als 100, vorzugsweise von 110 bis 160, dessen
Gehalt an Monomeren und Oligomeren unter 3 %, vorzugsweise unter 2 Z, liegt. Der
K-Wert kann durch Zusatz bekannter Regler, z.B. langkettiger aliphatischer Monoamine,
wie Stearylamin, oder Vernetzer, wie z.B. Methylenbiscaprolactam, gesteuert werden.
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Unter Verwendung der erfindungsgemäßen Füllstoffe kann man großflächige
Formteile, beispielsweise Platten einer Dicke zwischen 0,5 und 20 mm herstellen.
Diese können als Halbzeug durch Pressen bei Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes
des Polyamids zu Fertigteilen weiterverarbeitet werden. Wenn man entsprechend ausgestaltete
Formen und konturierte Matten verwendet, kann man aber auch direkt Fertigteile herstellen.
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Die Formteile zeichnen sich durch gute mechanische Eigenschaften und
eine einwandfreie Oberfläche aus. Sie eignen sich insbesondere als Formteile für
die Automobil- und Flugzeugindustrie, beispielsweise für Karosserieteile, wie Kotflügel
und Türen, sowie für technische Gehäuse und zur Herstellung von Sandwichteilen.
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Die im Beispiel genannten Prozente beziehen sich auf das Gewicht.
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Beispiele 1 bis 11 Als Füllstoffe wurden handelsübliche Glasfasermatten
(Hersteller Fa. Gevetex, Bezeichnung U814) verwendet. Die Glasfasermatten (Faserdurchmesser
ca. 10 pm, Flächengewicht ca. 450 g/m2) wurden mit einer Lösung des inerten Polymeren
getränkt und anschließend bei 80"C und vermindertem Druck das Lösungsmittel abgezogen.
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Unter Verwendung dieser Glasmatten wurden Platten der Dicke 4 cm hergestellt.
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Jeweils eine Glasmatte wurde in eine auf 150°C geheizte Form eingelegt
und eine auf 125"C erwärmte Mischung aus 85,5 Teilen Caprolactam, 6,0 Teilen einer
17,5 Zeigen Lösung von Natriumlactamat in Caprolactam und 8,5 Teile einer 16,5 algen
Lösung von Hexamethylendiisocyanat in Caprolactam eingefüllt. Nach drei Minuten
wird die Form geöffnet und das Formteil entnommen.
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Die Ergebnisse sind in Tabelle I zusammengefaßt.
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Tabelle 1 Bsp. Polymerisat Menge verwendetes Verfärbungen Gew. % Lösungsmittel
A 0 0 - dunkelbraun B 0 0 - dunkelbraun 1 Ethylen-Isobutylen- 0,7 1 Zig in Toluol
farblos -Copolymerisat (50/50 Gew.%) 2 Ethylen-Isobutylen- 15,93 5 %ig in Toluol
farblos -Copolymerisat (50/50 Gew.%) 3 Polybutadien 0,35 1 %ig in Toluol farblos
4 Ethylen-Vinylacetat- 1,1 1 %ig in Toluol farblos Copolymerisat (30/70 Gew.% 5
Ethylen-Acrylsäure- 0,6 1 %ig in Toluol farblos -Copolymerisat (90/10 Gew.%) 6 Polyethersulfon
0,4 1 %ig in Toluol farblos (UDEL P 1800) 7 Styrol-Butadien- 0,35 1 70ig in Toluol
farblos -Polymerisat (30/70 Gew.) 8 Poly-n-butyl- 0,2 1 70ig in Toluol farblos acrylat
9 Polycarbonat 0,15 1 %ig in Methy- farblos lenchlorid 10 Styrol-Butadien- 0,4 1
a/oig in Toluol farblos -Polymerisat (30/70 Gew.%) + 2 Gew.% Dicumylperoxid 11 Polybutadien
0,35 1 70ig in Toluol farblos + 2 Gew.% Dicumylperoxid
Tabelle
I: Fortsetzung Bsp. Glasgehalt Zugfestigkeit Dehnung Gelzeit [Gew.%] (N/mm²] [%]
isecj A 9,43 67 4,45 38 B 9,91 62 3,05 25 1 7,79 78 5,1 26 2 6,2 58 5,8 25 3 7,8
78 4,85 26 4 7,06 76 4,85 28 5 6,81 75 5,25 27 6 9,24 82 5,6 26 7 6,8 74 4,65 25
8 8,75 76 5,3 26 9 7,2 78 4,0 28 10 8,0 80 3,5 28 11 7,8 78 8,0 29