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Verfahren zum Erlernen des Sprechens bei
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Gehörlosen und stark Schwerhörigen Die Erfindung betrifft ein Verfahren
zum Erlernen des Sprechens bei Gehörlosen und stark Schwerhörigen, wobei konstant
unterscheidbare Reizmerkmale, die dem akustischen Muster entsprechen, den Tastrezeptoren
des Hörbehinderten eingeleitet werden und somit eine Ersatzrückkopplung ermöglicht
wird.
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Bei Schwerhörigen kann die Resthörfähigkeit durch akustische Geräte
unterstützt werden. Diese Geräte bestehen im wesentlichen aus Verstärkern, die zum
Teil selektiv arbeiten, um die geschädigte Hörkurve auszugleichen oder um die Sprachsignale
in einen anderen Frequenzbereich umzusetzen, der weniger geschädigt ist. Zum Erlernen
des Sprechens und zur Erhaltung der Sprechfähigkeit bei Gehör losen und stark Schwerhörigen
muß der Ausfall des Gehörsinns ausgeglichen werden. Hierfür gilt das Prinzip der
Mustertransformation, d.h. der Rückkopplung bzw. Umsetzung eines für den ausgefallenen
Gehörsinn erkennbaren Musters in ein anderes Muster, das von einem verbliebenen
Sinn erkannt werden kann. Für diesen Zweck werden u.a. akustisch-taktile und akustisch-optische
Mustertransformationen herangezogen.
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Bei der akustisch-optischen Mustertransformation werden vom Auge Leistungen
des Gehörs übernommen, d.h. die akustischen Muster werden so dargestellt, daß sie
visuell erkannt und zugeordnet werden können. Abgesehen davon, daß die optischen
Geräte bei der Sprachanbildung von z.B. Taubblinden nicht eingesetzt werden können,
hat sich herausgestellt, daß sie auch für die unmittelbare Praxis in der Artikulation
bei Hör-Sprach-Geschädigten nicht genügend leistungsfähig sind. Ferner sind der
Informationsgehalt, die Unterscheidbarkeit, die Kontrolle und die Produzierbarkeit
der Darstellungen nicht zufriedenstellend.
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Die taktilen Geräte, z.B. Vibratoren, ermöglichen über die Tastrezeptoren
der Haut die Transformation des akustischen Musters
in ein taktiles
Muster und erlauben über die technisch verdeutlichten Reize eine Selbstimitation,
die für die Sprachanlernung und -erhaltung wesentlich ist. Die Vibratoren geben
jedoch eindimensionale taktile Informationen, die sich primär auf die akustischen
Muster beziehen. Der Verlauf der schnellen Frequenz- und Amplitudenein- und ausschwingungsvorgänge
der Sprachphoneme wird nicht empfunden.
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Allen bekannten Geräten ist gemeinsam, daß sie insbesondere bei Sprachanlernung
von Kindern die Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen, da sie mehr als der
Inhalt des Lehrstoffes die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Die meisten Gerate können
ferner nicht ständig angesetzt, z.B. am Körper getragen werden, da sie groß und
schwer sind. Bei visuellen Systemen kommt noch hinzu, daß sie den Zugang zu anderen,
bei der Sprachanlernung wichtigen Informationen, wie Mundbewegung des Lehrers usw.,
versperren und außerhalb des Ausbildungsortes die Orientierung blockieren.
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Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die vorgenannten
Nachteile zu überwinden und ein System zu entwickeln, mit dem zur Sprachanlernung
der Gehörlosen die akustischen Muster wirksamer transformiert werden können und
die bisher schwierige Eigenkontrolle der beim Sprechen zu beachtenden Notwendigkeiten,
besonders im Hinblick auf ein Zuviel oder Zuwenig an Lautstärke, zu kurze oder zu
lange Dauer der Sprechlaute, zu hohe oder zu tiefe Stimmlage usw., ermöglicht wird.
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Es hat sich nun gezeigt, daß diese Aufgabe in technisch fortschrittlicher
Weise gelöst werden kann, indem bei dem Verfahren der eingangs genannten Art durch
Oberflächenelektroden am vokalen Trakt aus der Muskelaktivität beim Artikulieren
elektrische Signale abgeleitet und in ein der jeweiligen Artikulation entsprechendes
fühlbares Muster umgewandelt werden.
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Die aus der Muskelaktivität abgeleiteten elektrischen Signale werden
vor der Umwandlung in das fühlbare Muster verstärkt und von den nicht von der Artikulation
stammenden Signale befreit. Wesentlich ist, daß das fühlbare Muster in Form von
elektrischen oder mechanischen Reizimpulsen vorliegt. Dadurch werden im Gegensatz
zu den bisher üblichen akustisch-taktilen Systemen, wie Vibratoren, die fühlbaren
Muster nicht punktweise dem Hörbehinderten zugeleitet, sondern angeordnet in einer
Matrix. Somit wird die subjektive Sinnesempfindung um eine zusätzliche Dimension
erweitert, die sich insbesondere bei der Sprachanlernung zur Unterscheidung von
Sprachphonemen vorteilhaft auswirkt.
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Dem erfindungsgemäßen Verfahren liegt die Erkenntnis zugrunde, nach
dem der Perzeptionsvorgang durch einen Vergleich des akustischen Sprachmusters mit
den motorischen Signalen zur Steuerung des vokalen Traktes beschrieben werden kann
(R. Peters, Perceptual Organization for Speech and Other Auditory Signals, University
of Southern Mississippi; P. Biesalski, Phoniatrie und Pädoaudiologie, Institut für
Kommunikationsstörung, Mainz) 1 In einem Modell der Sprachwahrnehmung wird dem auditiven
System ein Merkmalsdetektor im Rahmen eines Mustererkennungsprozesses zugeordnet.
Wesentlich
dabei ist, daß diese Merkmale in direkter Beziehung zu
den artikulatorischen Parametern stehen. Aus dem empfangenen akustischen Muster
werden nicht die akustischen Parameter sondern die Merkmale ausgewählt, die zur
artikulatorischen Bildung des Klangbildes wichtig sind. Demnach wird die Sprache
durch Beurteilung der Lautbildung erkannt. Die Steuerung der Artikulation kann durch
direkten Vergleich der zu erzeugenden motorischen Signale mit den ausgewählten Merkmalen
erfolgen.
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Erfindungsgemäß wird in einem Ersatzsinneskanal die artikulatorischen
Eigenschaften der Sprache dargestellt. Die artikulatorischen Parameter werden mittels
Oberflächenelektroden am vokalen Trakt aus der Muskelaktivität des Gehörlosen als
physiologische Signale abgeleitet. Dabei werden nur Signale dargestellt, die die
phonemtypischen Informationen, wie Lippenformation, Mundöffnungsgrad, Zungenstellung
und Zungentonus verdeutlichen. Diese Signale liefern zusätzlich Informationen über
die Dauer der einzelnen Sprachlaute. Auch eine Anzeige über Lautstärke, Stimmlage
und Stimmdruck ist möglich.
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WeitereMerkmale, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung
gehen aus der folgenden Erläuterung weiterer Einzelheiten anhand der beigefügten
Abbildungen hervor.
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Es zeigen Figur 1 in schematischer Vereinfachung eine mögliche Vorrichtung
zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens;
Figur 2 den Einsatz
der in Figur 1 dargestellten Ausführungsform während des Unterrichts; Figur 3 eine
weitere Einsatzmöglichkeit, bei der eine Anordnung Monitor/Videobandspeicher die
Lehrerfunktion ausführt.
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Aus Figur 1 geht hervor, daß die von den Oberflächenelektroden 1 im
Bereich des vokalen Traktes abgeleiteten Signale über eine Eingangsstufe 2, die
einen Filter und einen Impedanzwandler aufweist, und einen einstellbaren Verstärker
3, auf eine Filterstufe Lt gegeben werden. Die erzielten Signale werden über einen
weiteren Verstärker 5 und einen anschließenden Impedanzwandler 6 an die Elektroden
der Matrixanordnung 7 zur Rückkopplung in das taktile System überführt.
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In Figur 2 wird dargestellt, daß durch die zusätzliche Sprachhilfe
des Lehrers die bei der lehrhaften Artikulation entstehenden Muster den Schülern
auf die persönliche Matrixanordnung der Rückkopplung eingeleitet werden können.
Der Schüler ist somit in der Lage, die erhaltenen taktilen Muster dem Mundbewegungsbild
des Lehrers zuzuordnen. In einem Wechselspiel der Lehrer/Schüler-Artikulation ist
ein Vergleich und somit eine Korrektur bzw. Anpassung des Klangbildes durch den
Schüler möglich. Dadurch wird eine Intensivierung des Sprachunterrichtes erzielt.
Eine Ablenkung durch technische Geräte findet nicht statt. Die Übertragung der Information
von Lehrer zu Schüler kann über Leitungen bzw. drahtlos über Kleinsender erfolgen.
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In Figur 3 übernimmt eine Monitor/Videospeicher-Anordnung die Lehrerfunktion.
Auf diese Weise kann das System zum Selbststudium bzw. als Ergänzung zum Unterrichtung
eingesetzt werden. Der Monitor 8 vermittelt dem Schüler die bildliche Darstellung
des artikulierenden Lehrers. Der dazu gehörige Text kann als Untertitel ebenfalls
eingeblendet werden. Der Videoband-Speicher 9 enthält die Information für den Monitor
8 und die Artikulationsmuster für die Rückkopplungsmatrix 7 des Schülers. Der Schüler
hat dadurch die Möglichkeit, das Videoband beliebig oft zurückzuspulen und das eigene
Artikulationsmuster mit dem gespeicherten zu vergleichen.
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Ein Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht vor allem darin,
daß das System von dem Hörbehinderten ständig und netzunabhängig eingesetzt werden
kann. Durch die sofortige Rückkopplung der aus der Artikulation abgeleiteten Muster
ist eine zeitlich richtige Zuordnung zu der Artikulation möglich. Nach Abschluß
der Sprachanlernung kann das System weiterhin von den Gehör losen benutzt werden,
um die einmal erworbene Sprechfähigkeit weiterhin zu erhalten und ständig zu kontrollieren.
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