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Das Gebrauchsmuster bezieht sich auf die in-vitro Prüfung von neuen Materialien oder Oberflächenbeschichtungen gegenüber lebenden Zellen, dem so genannten Zytotoxizitätstest. Wenn neue Materialien, wie beispielsweise Implantate, bei Menschen eingesetzt werden sollen, muss man diese vorher einer Prüfung hinsichtlich der Verträglichkeit unterziehen. Hierzu gibt es unterschiedliche Prüfvorschriften (siehe Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 5: Prüfungen auf In-vitro-Zytotoxizität (ISO 10993-5:2009); Deutsche Fassung EN ISO 10993-5:2009). Bei der Prüfung von Extrakten der zu testenden Materialien kann die Auswertung des zytotoxischen Effektes mit relativ geringem Aufwand mittels der Messung der optischen Dichte erfolgen. Soll jedoch das Material an sich mittels indirekten Kontakts getestet werden (Agardiffusionstest), erfolgt die Auswertung durch Betrachtung der Morphologie der Zellen, was sehr subjektiv und zudem zeitaufwendig ist.
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Das Grundprinzip des Agardiffusionstestes laut ISO 10993-5 besteht darin, dass eine bestimmte Zellart (vorzugsweise: L-929; DSMZ no: ACC 2; ATCC no: CCL 1, NCTC Klon 929) in einer Zellkulturschale ausgesät und solange kultiviert wird, dass zunächst ein Bedeckungsgrad von etwa 80% erreicht wird. Diese Zellrasen-Bedeckung definiert den Startpunkt des Tests. Anschließend wird das Nährmedium entfernt und die Zellen werden mit einer Agarose-Nährmedium-Mischung bedeckt. Danach wird der zu untersuchende Probekörper auf die entstandene Gelschicht gelegt. Der Probekörper soll dabei ein etwa Zehntel der Oberfläche der Zellschicht bedecken. Es wird nun im Mikroskop betrachtet, wie sich die Zellen, sowohl im Bereich direkt unter dem Probenkörper als auch darum herum (bis 1 cm über den Probenkörper hinaus bzw. mehr als 1 cm über den Probenkörper hinaus) verändern (Zeichnung 1). Zellen, welche in einer ungünstigen (toxischen) Umgebung liegen, ziehen sich zusammen, lösen sich vom Trägermedium und sterben ab. Hierbei wird die Änderung der Zellform (länglich oder kugelig) und der Bedeckungsgrad mit Hilfe eines Mikroskopes begutachtet. Dieser Veränderungsgrad (bis zum möglichen, völligen Absterben von Zellen) wird in verschiedenen Zeitabständen mehrmals bis zu max. 72 Stunden nach Auflegen des zu testenden Materials bestimmt.
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Anhand der mikroskopischen Untersuchung soll die Reaktivität des Materials auf die Zellen, beispielsweise laut DIN-Norm in folgende Grade eingeteilt werden:
Gradeinteilung | Reaktivität | Beschreibung der Reaktivitätszone |
0 | Keine | Keine nachweisbare Zone unter dem Probekörper oder um ihn herum |
1 | Gering | Einige fehlgebildete oder degenerierte Zellen unter dem Probekörper |
2 | Leicht | Auf die Fläche unter dem Probekörper begrenzte Zone |
3 | Mäßig | Zone erstreckt sich bis 1,0 cm über den Rand des Probekörpers hinaus |
4 | Stark | Zone erstreckt sich mehr als 1,0 cm über den Rand des Probekörpers hinaus |
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Es sind aber auch andere Einteilungen möglich. Wie der Tabelle entnommen werden kann, sind die Kriterien für die Gradeinteilung (Morphologieänderungen der Zellen) sehr subjektiv von der Bewertung durch die zu begutachtende Person abhängig.
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Während der Wachstumszeit müssen die Zellen mit Nährstoffen versorgt werden und möglichst bei konstanten 37°C wachsen, um Fehlereinflüsse zu minimieren. Geht man davon aus, dass die gesamte Fläche im Bereich von etwa einem 10 mm Umkreis um den Probenkörper und der Zelldurchmesser bei etwa 5–30 μm liegt, ist es ein enormer Aufwand, diese Auswertung mit dem Mikroskop und dem menschlichen Auge vorzunehmen (bis zu 107 Zellen). Gegenwärtig untersuchen erfahrene Laboranten den Zustand der Zellen nach einem festgelegten Zeitraum (Endpunktmethode), meistens nach 24, 48 oder 72 Stunden und erstellen ein Protokoll. Hinzu kommt, dass der Beobachtungsprozess an mehreren Parallel-Proben (min. je 3 Proben pro Material und zusätzlich je 3 Positiv- und Negativkontrollen) und in einer Klimakammer bei 37°C durchgeführt werden muss. Daher kommt es zu einer Vielzahl von Problemen:
- – Die Auszählung ist subjektiv und extrem zeitaufwendig, insbesondere bedingt durch die komplizierte Veränderungsform der Zellen, die relativ hohe Anzahl der zu beurteilenden Zellen sowie des relativ schlechten Kontrastverhaltens bzw. Lichtverhältnisse.
- – Es ist ein enorm großer Aufwand, die Verträglichkeit eines Materials zu bestimmen, da immer min. 9 Einzelproben getestet werden müssen.
- – Durch den Ortswechsel der Kulturen zwischen dem Brutschrank und dem Labor, in dem Mediumwechsel, Waschen der Zellen sowie die mikroskopische Auswertung durchgeführt wird, können die kultivierten Zeilen empfindlich in ihrem Wachstum und damit in ihrer Morphologieentwicklung gestört werden, was zu falschen Aussagen über die Zytotoxizität führen kann.
- – Eine zeitliche Auflösung des Tests ist, da es sich um eine Endpunktmethode handelt, nicht gegeben
- – Lokale, natürliche Wachstumsunterschiede innerhalb des Wells werden aufgrund der limitierten Bildanzahl der manuellen Auswertung in der Regel nicht berücksichtigt.
- – Die Einteilung nach Graden ist subjektiv
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Es soll deshalb eine Anordnung aufgebaut werden, die es gestattet diesen Prozess objektiv und halbautomatisch durchzuführen. Diese Anordnung soll folgendermaßen aussehen:
Die Kultivierung der Zellen soll in für die Zellkultur geeigneten sterilen Mikrotiterplatten mit 1 bis 20 Probenkammern (Wells) erfolgen (z. B. 6-Well-Format, siehe Zeichnung 2). Typischerweise werden dabei Abmessungen von Breite b = 85 mm, Höhe h = 17,5 mm, Länge l = 128 mm und Well-Durchmesser d = 35 mm genutzt. Es sind aber auch andere Geometrien und Anordnungen möglich. Dadurch ist es möglich, mehrere Proben sowie die Positiv- und Negativkontrolle unter gleichen Bedingungen zu untersuchen und zu vergleichen. Eine Vorrichtung soll die Zellen in Mikrotiterplatten automatisiert aussäen. Dafür werden die Zellen resuspendiert und mittels eines in den Deckel der Mikrotiterplatte integrierten fluidischen Systems in definierter Zahl in die Zellkulturkammern eingespült. Die Zellen heften sich daraufhin am Untergrund fest und beginnen sich zu vermehren. Der Bedeckungsgrad des Untergrundes mit den Zellen soll dann optisch mittels Kamera überwacht werden. Ab einer Bedeckung von 80% der Bodenfläche einer Kammer (Well) kann der Test starten. Zudem wird über die bereits erwähnte Fluidik das Nährmedium automatisch ausgetauscht, um so eine optimale Versorgung der Zellen ohne Personalaufwand und unter gleichbleibenden Testbedingungen ohne Temperaturschwankungen zu gewährleisten. Aufgrund der Vielzahl der zu untersuchenden Proben und, um eine Parallelisierung zu ermöglichen, sollen mehrere Mikrotiterplatten parallel untersucht werden. Der Deckel der Platte mit der integrierten Mikrofluidik kann dabei mehrfach verwendet werden. Eine digitale Mikroskopieranordnung wird so aufgebaut, dass die Kassetten (Mikrotiterplatte mit Fluidik) mit den Proben automatisch in den Aufbau ein- und ausgesteckt werden können. Dieser Aufbau ermöglicht zudem die automatische Fokussierung auf die zu begutachtenden Zellen sowie Kontrasteinstellung/Helligkeitseinstellung für ein optimales Bild. Des Weiteren wird über einen xy-Positioniertisch die Probenmitte (= Mittelpunkt des aufgelegten Probenkörpers oder Referenzmarkierungen der Kassette) angesteuert und automatisch so positioniert, dass eine Fotoserie in Abhängigkeit des Abstandes zur Probe aufgenommen werden kann. Durch die Diffusion möglicher toxischer Stoffe von der Probe nach außen (Konzentrationsgradient) werden weiter von der Probe entfernte Zellen geringer in ihrer Entwicklung beeinflusst. Dabei werden Aufnahmen der Zellen direkt unter dem Probenkörper (Zone 1), der Fläche innerhalb eines Radius von < 1 cm um den Probenkörper herum (Zone 2) und in einem Radius von > 1 cm hinaus gemacht (Zone 3). Dies entspricht der Zoneneinteilung analog zur DIN-Norm. Durch die exakte xy-Positionierung sind auch feinere Einstufungen der Zonen möglich.
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Die gesamte Anordnung befindet sich in einer Klimakammer bei 37°C, womit der kritische Schritt durch die Herausnahme aus dem temperierten Bereich entfällt. Mit Hilfe der Mikroskopieranordnung wird sowohl im Auflicht- als auch im Durchlichtverfahren ein digitales Foto von der Zellstruktur erstellt. Dieses digitale Foto wird über eine Schnittstelle nach außen für die Auswertung gegeben. Die digitale Aufnahme bzw. das digitale Datenpaket kann zu beliebigen Zeiträumen durchgeführt werden. Dadurch ist eine kontinuierliche Beobachtung der Zellenveränderungen bzw. der Zellvitalität möglich. Es ist auch möglich, die kontinuierliche Veränderung einzelner Zellen darzustellen. Um den Kontrast zu verbessern, wird sowohl im Auf- als auch Durchlicht gearbeitet. Für eine weitere Kontrastverbesserung können verschiedene Fokusebenen aufgenommen und kombiniert werden. Dies kann auch über ein selbstlernendes System automatisch gesteuert werden. Auch dadurch ist eine Erhöhung der Kontrastdarstellung möglich. Des Weiteren ist eine Bestrahlung der Probe mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge möglich. Die Wellenlänge wird beispielsweise durch Interferenzfilter erzeugt und kann sowohl im UV-, Vis- als auch im NIR-Bereich liegen. Es können auch akustooptische Filter oder ähnliche Anordnungen benutzt werden. Durch die Bestrahlung mit unterschiedlichen Wellenlängen ist eine weitere Kontrastverbesserung bzw. eine Darstellung von bestimmten geometrischen Effekten der Zellen möglich, die Aufschluss über den Grad des Absterbens geben. Die aus dem Messraum gewonnen digitalen Daten werden mit Hilfe von unterschiedlichen Algorithmen bzw. Softwarepaketen bearbeitet. Die Zellen werden auf dem Foto gezählt und einzeln charakterisiert, um die Zellform (Exzentrizität), Größe und den Bedeckungsgrad zu bestimmen. Damit erfolgt die Darstellung der zeitlichen Veränderung der Zellekultur ortsaufgelöst in jedem Well. Anhand des Verhältnisses der Anzahl lebender zur Anzahl toter Zellen kann eine Zuordnung hinsichtlich 3 bis 20 Stufen der Toxizität in Abhängigkeit von der untersuchten Probe erfolgen. Die Anzahl der Stufen hängt von der entsprechenden Vorschrift oder den Anforderungen an die Messgenauigkeit ab. Typischerweise werden die 5 Stufen aus der DIN-Norm verwendet. Dieser Zustand kann in beliebigen Zeitabständen computergestützt bestimmt, ausgewertet und digital gespeichert werden. Des Weiteren wird ein Algorithmus und ein Softwarepaket verwendet, welche eine Zuordnung der Bilder zu den Wells auf der jeweiligen Mikrotiterplatte und zur Lage der Bilder und somit Zellen in Relation zum zu testenden Material erlauben. Somit kann das Absterben der Zellen (Zytotoxizität) in Abhängigkeit vom Abstand zum Probenmaterial ausgewertet werden. Dies entspricht einer Konzentrationsabhängigkeit der möglicherweise toxischen Wirkung einer Substanz. Um eine optimale Kontrastdarstellung zu erreichen, kann unter dem Material mit dem Auflichtverfahren gearbeitet werden, dagegen neben dem Material mit dem Durchlicht- und/oder Auflichtverfahren (Zeichnung 3 und 4). Somit steht dem Anwender ein Messsystem mit unterschiedlichen Kassetten (entspricht den Mikrotiterplatten) zur Verfügung, die automatisch eingeschoben werden können, welches eine bildhafte digitale Darstellung der zeit- und ortsabhängigen (x, y) Veränderung der Zellstruktur innerhalb von 0 bis 200 Stunden nach Einwirkung des Probenmaterials darstellt.
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Bezugszeichenliste
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Legende zu Zeichnung 1
- 1
- Probekörper
- 2
- Zellrasen in Agarose
- 3
- Beobachtungsrichtungen
Legende zu Zeichnung 2 - 1
- Breite b
- 2
- Höhe h
- 3
- Länge l
- 4
- Durchmesser d
Legende zu Zeichnung 3 - 1
- Positioniereinheit
- 2
- Probe
- 3
- Objektiv
- 4
- Strahlteiler
- 5
- ichtquelle
- 6
- Kamera
Legende zu Zeichnung 4 - 1
- Positioniereinheit
- 2
- Probe
- 3
- Objektiv
- 4
- Kamera
- 5
- Lichtquelle
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 5: Prüfungen auf In-vitro-Zytotoxizität (ISO 10993-5:2009) [0001]
- Deutsche Fassung EN ISO 10993-5:2009 [0001]
- ISO 10993-5 [0002]