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Problemstellung
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Implantate im dentalen Bereich ersetzen in der Regel die Zahnwurzel. Sie dienen dazu, eine Zahnkrone im Knochen zu befestigen. Spezialformen von Implantaten (Satellitenimplantate) zur Erhöhung der Primärstabilität wurden 2002 von Engelke beschrieben. Zahnimplantate verschiedener Designs gelten derzeit als Therapie der Wahl zum Ersatz verloren gegangener Zahnwurzeln.
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Im Zahnhalsbereich, am Übergangsbereich von Zahnkrone zur Zahnwurzel, also in der Region in der sich das Zahnfleisch und der Knochenrand an die Zahnwurzel anlagern, befindet sich ein äußerst kritischer Bereich des Zahnfaches, der Alveole, der bei der Zahnentfernung zumeist beschädigt wird und für den Übergang vom natürlichen Zahn mit seinem Zahnhalteapparat zum Implantat, das ausschließlich im Knochen verankert ist, in seiner Struktur erhalten werden muss, um optimale Resultate zu erzielen.
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Es ist bekannt, dass der so genannte Bündelknochen des Kieferkammes, der die marginale Zone des Zahnfaches (der Alveole) bildet, nach Verlust des Zahnhalteapparates, also des so genannten parodontalen Ligamentes durch Resorption schnell verloren geht. (Araujo et al. 2005). Es ist demzufolge therapeutisch sinnvoll, das parodontale Ligament zusammen mit einer dünnen Lamelle von Zahnhartsubstanz zu erhalten, wenn Implantate im Sinne der klassischen Zahnwurzelimplantate inseriert werden sollen. Berichte hierzu finden sich bei Hürzeler et al. 2010. Als Risiko kann allerdings festgehalten werden, dass die Resorption des Kieferkammes in der frühen Phase noch nicht präzise vorhergesagt werden kann. Somit besteht für eine sofortige Implantation ein erhebliches Misserfolgsrisiko. Die intraalveoläre Mikrochirurgie mit ausschließlich okklusalem Zugang zum Kieferkamm (Engelke et al. 2011) hat es ermöglicht, in praktisch allen Fällen Zähne ohne Bildung eines Weichteillappens durch Wurzelseparation und fraktionierte Extraktion zu entfernen, ohne das parodontale Gewebe zu verletzen und erlaubt in beliebigen Zonen in der Mundhöhle den Erhalt des parodontalen Ligamentes mit dem unmittelbar angrenzenden Wurzeldentin.
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Diese neue Technologie hat nun die Paradigmen der Zahnentfernung dahingehend verändert, dass eine Durchtrennung des parodontalen Ligamentes nicht mehr erforderlich ist, um die Zahnwurzel zu entfernen, so dass der Bündelknochen grundsätzlich erhaltungsfähig ist.
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Wird nun die Zahnwurzel unter Erhalt einer geringen Lamelle chirurgisch entfernt, so ergibt sich die Notwendigkeit, den durch die subtotale Entfernung der Wurzel entstehenden Raum in biologisch einwandfreier Weise abzuschließen mit folgendem Zielen:
- – 1 Hermetischer Wundverband zur Mundhöhle hin
- – 2 Erhalt der zervikalen Alveolararchitektur in der Regenerationsphase
- – 3 Retentionsvorrichtung zur Sicherung der Lagestabilität
- – 4 Option der Extrusion und Expansion von Komponenten der Zahnwurzel, des Parodontes und des Kieferkammes
- – 5 Option einer festen provisorischen Versorgung
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Beschreibung der Erfindung
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- – 1 Schaffung eines hermetisch geschlossenen „Bioreaktors” zur Erzeugung von Alveolarknochen. Grundlage ist dabei nicht die offene Wundheilung, die nach einer Zahnextraktion zu beobachten ist, sondern vielmehr ein Prozess, der der Ersatzresorption eines ankylosierten reimplantierten Zahnes zu vergleichen ist und der in ähnlicher Weise beim natürlichen Zahnwechsel zu beobachten ist.
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Das Zahnhalsimplantat nimmt dabei im wesentlichen die Funktion des Milchzahnhalses wahr, dessen Wurzel im Wesentlichen zentral resorbiert sind, wohingegen peripher lamellenartige Reste in der Übergangszeit des Zahnwechsels bis zum Verlust des Milchzahnes erhalten bleiben. Ein besonderer Aspekt ist dabei der Schutz des regenerativen Raumes vor Infektion und Eintritt von Speiseresten. Letzteres spielt beim Zahnwechsel eine nur untergeordnete Rolle, da das parodontale Attachment allmählich resorbiert wird und erst unmittelbar bei der Avulsion der Milchzahnkrone zerreißt. In sofern ist bei der Knochenregeneration mit Zahnhalsimplantaten dafür Sorge zu tragen, dass das Zahnhalsimplantat im parodontalen Sulcus eingelagert und dort analog zur in Resorption befindlichen Milchzahnkrone seine Schutzfunktion ausübt.
- – 2 Der Erhalt der Alveolararchitektur wird im Sinne einer zirkulären ringartigen Platzhaltefunktion im Zahnhalsbereich durch das Zahnhalsimplantat gelöst, so dass in dessen Inneren eine Knochenregeneration stattfinden kann: Auch hier richtet sich das Konzept des Zahnhalsimplantates nach dem Prinzip des Zahnwechsels: Die peripher gelegenen Abschnitte des intern resorbierten Milchzahnes erhalten biomechanisch die Kammarchitektur während des Durchbruchs des permanenten Zahnes aufrecht, im Gegensatz zur Situation nach Extraktion, wo die Narbenkontraktion im krestalen Bereich die Tendenz zur Volumenreduktion des Kieferkammes fördert. Der Ring sollte in seiner Wandstärke möglichst klein gehalten werden, damit sich möglichst viel Knochen entwickeln kann, er wird nach abgeschlossener Knochenregeneration entfernt. Durch geeignete Rauigkeiten der Oberfläche wird die Option geschaffen, Teile der Wurzellamelle adhäsiv zu befestigen und entweder zu fixieren oder zu manipulieren, d. h. in die Höhe oder in die Breite zu entwickeln. Die Höhe des Ringes muss ausreichen, um eine sichere Anlagerung des Parodontes zu unterstützen. Aufgrund der Anatomie ist eine Einteilung in 4 funktionelle Quadranten sinnvoll, wobei die approximalen dem Gingivaverlauf folgend eine stärker okklusale Position haben, die bukkale Fläche gegen über der oralen eine größere Vertikaldimension haben. Durch Schlitzung in vertikaler Richtung vorzugsweise im approximal gelegenen Abschnitt kann eine Adjustierung der oralen und vestibulären Ringkomponenten erfolgen und eine Adjustierung des Durchmessers durch Kompression oder Expansion vorgenommen werden.
- – 3 Eine Vorrichtung zur sicheren lagestabilen und kraftresistenten Positionierung der Vorrichtung während der Regenerationsphase ist zwingend. Diese Funktion ist äußerst bedeutsam. Hierzu werden dem Implantat typischerweise zwei approximal gelegene Retentionsarme hinzugefügt. In Ausnahmefällen kann auf einen Retentionsarm verzichtet werden oder von der approximalen Ausrichtung zugunsten einer Anordnung im oralen Quadranten abgewichen werden. Die Retentionsarme sollten aus einem dauerhaft formbeständigen Material (z. B. Metall) bestehen, das analog zu einer flexiblen Schiene an die individuelle Situation durch Kaltverformung angepasst und ggf. durch Auftragen von Kunststoff verstärkt werden kann. Die Anpassung erfolgt im Fall vorhandener Nachbarzähne an die Approximalfläche, bei fehlenden Nachbarzähnen wird die Retention über ein Miniimplantat im Kieferkamm erzielt, so dass beiderseits approximal eine Fixation gewährleistet ist. Eine weitere Retention nach oral kann ggf. hinzugefügt werden.
- – 4 Vorrichtung zur Extrusion des Komplexes aus ZHI und angrenzenden Zahnwurzelkomponenten: Dies kann z. B. durch an Nachbarzähnen oder Implantaten adhäsiv befestigte Geschieben erfolgen, in die entsprechende extensionsartige Elemente des ZHI (z. B. Kugel/Geschiebe ) geführt werden, während ebenfalls adhäsiv befestigte Stege über Gummis das ZHI vertikal unter Zugspannung versetzten und somit extrudieren können.
- – 5 Vorrichtung für die provisorische Versorgung: Im Falle einer Zahn-für-Zahn-Versorgung mit erhaltenen Nachbarzähnen existiert eine Vielzahl von provisorischen Versorgungsmöglichkeiten, die mit dem Zahnhalsimplantat eingesetzt werden können. Wird auf dem okklusalen Aspekt des Zahnhalsimplantates eine adäquate Zone von Mikro- oder Makroretentionen geschaffen, so erlaubt diese Retention die Verwendung adhäsiver Werkstoffe zur Herstellung einer Zahnkrone. Darüber hinaus ergibt sich die Option durch aufwändigere Gestaltung, z. B. als Pfosten oder mithilfe eines Schraubgewindes die Verbindung zu einer Zahnkrone auf dem Zahnhalsimplantat herzustellen.
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Zusätzlich können einige Eigenschaften ergänzt werden:
- – Transparente, abnehmbare Deckel als Zugang für Applikation von Wirkstoffen in den regenerativen Raum
- – Retentionszonen für bukkale und orale Zahnlamellen
- – Vorrichtung zur vertikalen Augmentation im Sinne von Ankern etc., die eine Extrusion erlauben.
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Zur Dimension der Zahnhalsimplantate ist folgendes festzustellen: Eine möglichst großer Hohlraum im Vergleich zur Substanz des ZHI wäre vorteilhaft, somit sollte die Wanddicke deutlich unter 1 mm liegen, um möglichst viel Raum zu schaffen ohne die Stabilität zu gefährden für die darunter einsetzende Bildung von Knochen. Eine Bauhöhe von mindestens der Höhe des gingivalen Attachments ist vorteilhaft für die sichere Anlagerung des gingivalen Gewebes an das Implantat während der Regenerationsphase. Im Hinblick auf die Verwendung von Zahnhalsimplantaten, die ggf. mit Anteilen der Zahnwurzeln verklebt werden können resultiert daraus, dass die von Neumeyer und Wachtel für den Zahnstumpf verwendete Länge von ca. 1/3 der Zahnwurzel als angemessen bezeichnet werden kann, zumal da durch die Ringform das Zahnhalsimplantat durch Auswahl geeigneter Größen ein zusätzlicher Raum im Vergleich zum Zahnstumpf an diesem Ort geschaffen werden kann. Der Durchmesser eines Zahnhalsimplantates entspricht den Querschnittsflächen natürlicher Zähne im Zahnhalsbereich. Das Zahnhalsimplantat sollte in vier Quadranten unterschiedliche Eigenschaften haben. In den approximal gelegenen Quadranten befinden sich die nach okklusal gerichteten Retentionsarme, die Aussparungen zur Aufnahme des Kunststoffes der adhäsiven Befestigung aufweisen und durch Kaltverformung individuell anpassbar gestaltet werden sollten. Auf der dem Kieferkamm zugewandten Seite befinden sich an den approximalen, vestibulären und oralen Quadranten zueinander durch Verformung adjustierbare Schilde, die in den einzelnen Quadranten in Dimension und Form unterschiedlich gestaltet sein können. Insbesondere durch Versteilbarkeit der oralen und vestibulären Schilde zueinander und relativ zur Oberfläche des Zahnhalsimplantates kann auf unterschieldliche Größen für unterschiedlich große Alveolendurchmesser zugunsten weniger Größen verzichtet werden.
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Durch die offene Gestaltung (Unterbrechung) des Ringes kann eine individuelle Anpassung eingebaut werden, die durch Kaltverformung eine Weitung oder Kompression ermöglicht, ohne die Funktion zu stören.
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Das ZHI ersetzt also einen replantierten Zahnwurzelstumpf, wobei eine auf adhäsiver Basis erfolgende Verbindung mit einzelnen erhaltenen Komponenten der Zahnwurzel ermöglicht wird. Das ZHI kann aus resorbierbarem Material hergestellt sein, um einen Zweiteingriff zur Entfernung zu vermeiden. Das Prinzip der Stabilisierung der zervikalen Alveolarkammarchitektur und der Okklusion des regenerativen Raumes bleiben dabei erhalten.
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Die zeigt den physiologischen Zahnwechsel bei dem der Milchzahn (1) von dem Zahnkeim des bleibenden Zahnes (2) ersetzt wird. Der Kieferkamm (3) bleibt dabei komplett erhalten. Der Zahnhalsbereich (5) des bleibenden Zahnes (6) stützt dabei den Kieferkamm und das Zahnfleisch (4). Die gleiche Funktion übt das Zahnhalsimplantat (8) mit seiner ringförmigen Komponente (9) aus. Mit der retentiven Komponente (10) kann das Zahnhalsimplantat am Nachbarzahn (7) befestigt werden.
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Die zeigt das Zahnhalsimplantat in einer helmartigen Grundform (12) die der Anschaulichkeit halber als geflügelter Helm mit Extensionen (13) in Ansichten von vestibulär, approximal und in der Aufsicht von okklusal dargestellt ist. (obere Reihe) Die untere Reihe zeigt analog das Zahnhalsimplantat in seiner Ausführungsform als Hohlkörper (14) mit einem approximalen Schlitz (17), ebenfalls in den Ansichten von vestibulär, approximal und in der Aufsicht von okklusal.
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zeigt das Zahnhalsimplantat (8) mit ringförmiger Komponente (9) in der Aufsicht in der Zahnreihe. Es ist koronal mit einem Deckel (18) verschlossen und mit einer retentiven Komponente (10) an den Nachbarzahnkronen (7) befestigt.
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Abbildungsverzeichnis
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- : Vergleich des physiologischen Zahnwechsels mit dem Zahnhalsimplantat
- : Ausführungsformen des Zahnhalsimplantates in Ansicht von vestibulär, approximal und in der Aufsicht von okklusal
Obere Reihe: helmartige Grundstruktur
Untere Reihe: Hohlkörper Grundform
- : Zahnhalsimplantat als Ringdeckelausführung in situ von okklusal
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Milchzahn
- 2
- Zahnkeim permanenter Zahn
- 3
- Kieferkamm
- 4
- Zahnfleisch
- 5
- Zahnhalsbereich
- 6
- Permanenter Zahn
- 7
- Nachbarzahnkrone
- 8
- Zahnhalsimplantat
- 9
- Ringförmige Komponente
- 10
- Retentive Komponente
- 11
- Alveole
- 12
- Helmartige Grundform
- 13
- Extensionen
- 14
- Hohlkörper des Zahnhalsimplantates
- 15
- vestibulärer Ringteil
- 16
- oraler Ringteil
- 17
- Schlitz
- 18
- Deckel
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Araujo et al. 2005 [0003]
- Hürzeler et al. 2010 [0003]
- Engelke et al. 2011 [0003]