DE19753182A1 - Topologisch fixierte matrixgebundene Nukleinsäure - Google Patents
Topologisch fixierte matrixgebundene NukleinsäureInfo
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Description
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung, bestehend aus einem oder einer Vielzahl von
Nukleinsäuremolekülen, welche mit beiden Enden an einer Matrix, z. B. einer festen
Oberfläche, befestigt und topologisch fixiert sind. Ferner betrifft die Erfindung ein Verfahren,
mit welchem zum einen die Aktivität von Nukleinsäure-Topologie-verändernden Enzymen oder
Proteinen bestimmt werden kann, sowie zum anderen die Wirksamkeit von Stoffen ermittelt
werden kann, die die genannten Enzymaktivitäten verändern.
Doppelsträngige DNA besteht aus einer rechtsgängigen Helix. In ihrer entspannten,
energieärmsten Konformation hat die DNA-Helix eine Ganghöhe von 10,4 Basenpaaren pro
Helixdurchgang. Eine Abweichung von dieser Ganghöhe, d. h. eine Über- oder Unterwindung,
kommt einer Energieerhöhung der DNA in ihrem Gehalt an Konformationsenergie gleich.
In Zellen liegt DNA in der Regel unterwunden vor. Der Grad dieser Unterwindung wird streng
geregelt und dient unter anderem als Energiespeicher für strangtrennende Prozesse. Bei
Ablesevorgängen wie Transkription und Replikation wird die Topologie des prozessierten
Stranges, d. h. die Windungsdichte der Helix im Raum, stark verändert. Damit diese
lebenswichtigen Prozesse ablaufen können, wirken eine Reihe von Enzymen, sog.
Topoisomerasen, auf die prozessierte DNA und normalisieren ihre Topologie, um den Ablauf
von Replikation und Transkription zu ermöglichen.
Hemmt man diese Enzyme, so kann die Zelle nur eingeschränkt oder gar nicht mehr
transkribieren oder replizieren; im letzteren Falle leitet eine Zelle aus einem höheren Tier den
programmierten Zelltod ein. Stoffe, welche Enzyme hemmen, die den topologischen Zustand
von DNA in bestimmten Zellen oder Organismen regulieren, haben weite Verwendung als
Cytostatika und Antibiotika gefunden. Ein einfaches, automatisierbares Verfahren, Hemmer
solcher Enzymaktivitäten zu finden, wäre sehr vorteilhaft zum Auffinden neuer Antibiotika oder
Cytostatika.
Der topologische Zustand eines DNA-Moleküls ist abhängig von dessen Lage im
dreidimensionalen Raum, und wird beschrieben durch die Summe der Zahl der Windungen der
DNA-Doppelhelix um sich selbst und der Zahl der Verwindungen der Helixachse im Raum
(Crick, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 73, 2639-2640 (1976)). Ein Molekül kann abhängig von
seiner Länge eine sehr große Zahl solcher topologischen Zustände einnehmen, die alle eine
unterschiedliche Konformationsenergie haben. Fixiert man das Molekül an beiden Enden, so
kann es immer noch viele verschiedene Zustände einnehmen, die jedoch dadurch charakterisiert
sind, daß bei ihnen die Summe aus Windungen der Helix um sich selbst plus der Windungen
der Helixachse im Raum immer gleich ist. Vergleichbar ist dies mit dem Bild eines an beiden
Enden festgehaltenen Springseils, in dem Schlaufen zwar innerhalb des Seiles verschoben
werden können, nicht aber aus dem Seil hinaus.
Zirkuläre DNA-Moleküle, welche zwei kovalent geschlossene Phosphat-Zucker-Ketten
aufweisen, sind topologisch fixiert. An dieser Art von Molekülen kann man die Wirkung von
Topologie-verändernden Enzymen und von deren Hemmstoffen studieren. Prinzipiell werden
dabei DNA-Ringe unterschiedlicher topologischer Zustände durch Enzymeinwirkung erzeugt,
und durch ihr Wanderungsverhalten durch ein Agarose- oder Polyacrylamidgel im elektrischen
Feld charakterisiert. Ein Nachteil dabei ist allerdings, daß der Aufbau eines solchen
Experiments, obwohl prinzipiell einfach, eine Reihe von Handreichungen umfaßt, welche nicht
ohne weiteres automatisierbar sind.
Neben der Wanderung zirkulärer Topoisomere im elektrischen Feld gibt es eine Reihe anderer
Ansätze, topologie-abhängige Phänomene sichtbar zu machen. Neben der Interkalation von
Farbstoffen wie Ethidiumbromid in die Helix, welche topologieabhängig ist, sowie der
unterschiedlichen Empfindlichkeit der DNA für DNA-modifizierende oder -abbauende Enzyme
oder Reagenzien, ist hier vor allem die Bindung von Antikörpern an topologieabhängig
auftretende DNA-Formen wie Z-DNA zu nennen (Lafer et al., Proc. Nat. Acad. Sci. USA 78,
3546-3550, 1981). Bei einer Reihe von Proteinen wird postuliert, daß sie in Abhängigkeit des
topologischen Zustands der DNA unterschiedlich stark an diese binden.
Eine andere Methode, DNA-Moleküle topologisch zu fixieren, wäre, sie mit beiden Enden so an
eine Matrix zu binden, daß die Stränge des Phosphatrückgrates an den Enden nicht mehr
umeinander frei drehbar sind. Dies würde man dadurch erreichen, daß man jeden Strang des
Doppelstranges an beiden Enden fixiert, oder aber den Strang an den Enden über eine kurze
Schleife einzelsträngiger Oligonukleotide schließt, und diese Schleife über mindestens zwei
Ankerpunkte mit der Matrix verbindet.
Matrix- oder Oberflächen-gebundene DNA ist aus der Literatur bekannt. Es gibt allerdings nur
wenig Hinweise darauf, daß DNA zur Untersuchung ihres topologischen Verhaltens fixiert
worden wäre. Strick et al. (Science 271, 1835 (1996)) beschreiben, wie sie ein DNA-Molekül
an einem Ende auf einem Objektträger festmachen und am anderen Ende ziehen, um die
Elastizität des Moleküles zu ermitteln. Die Moleküle sind allerdings linear, nicht kovalent
geschlossen und die Art der Befestigung sowie die Anzahl der Ankerpunkte undefiniert. Einen
ähnlichen Versuchsaufbau beschreiben Quake et al. (Nature 388, 151 (1997)), aber hier liegt
weder kovalent geschlossene DNA vor, noch ist das Molekül topologisch fixiert. Obwohl beide
Ansätze in ihrem experimentellen Aufbau brillant sind, ermöglichen sie nicht das schnelle und
unkomplizierte Untersuchen topologischer Phänomene.
Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein
System zu entwickeln, welches die Untersuchung topologischer Phänomene auf experimentell
einfache Weise möglich macht, vorzugsweise auf eine Art, welche der Automatisierung zum
Zwecke der Wirkstoffsuche zugänglich ist. Insbesondere ist es die Aufgabe der Erfindung,
Topoisomeraseaktivitäten, deren Hemmung sowie topologieverändernde andere
Enzymaktivitäten und deren Hemmung einem einfachen, automatisierbaren Testsystem
zugänglich zu machen.
Erfindungsgemäß wird die in der Einführung geschilderte Aufgabe so gelöst, daß
DNA-Moleküle mit beiden Enden so an eine Matrix gebunden werden, daß die Stränge des
Phosphatrückgrates an den Enden nicht mehr umeinander frei drehbar sind, indem man
entweder
- a) jeden Strang des Doppelstranges an beiden Enden fixiert, oder aber
- b) den Strang an beiden Enden über je eine kurze Schleife einzelsträngiger Oligonukleotide schließt, und diese Schleife über mindestens zwei Ankerpunkte mit der Matrix verbindet.
Erfindungsgemäß wird unterwundene matrixgebundene DNA dadurch hergestellt, daß man
die DNA-Moleküle vor der Bindung an die Matrix aufwindet, z. B. durch Interkalation eines
geeigneten Liganden wie Ethidiumbromid oder Chioroquin. Nach Bindung und Auswaschen
des Liganden liegt die DNA unterwunden vor. Umgekehrt ist es möglich, überwundene DNA
durch Bindung anderer Liganden, wie z. B. Netropsin, herzustellen.
Die Bindung der DNA an die Matrix erfolgt dadurch, daß chemisch modifizierte
DNA-Bausteine, welche an den Enden der DNA-Moleküle vorliegen, über kovalente oder quasi
kovalente Wechselwirkungen an die Oberfläche der Matrix gebunden werden. Zum Beispiel
können die Enden der DNA-Moleküle mit kurzen, durch automatisierte chemische Synthese
hergestellten einzelsträngigen Schleifen verknüpft werden, wobei einzelne Basen
biotinmodifiziert sind. Diese Moleküle binden an eine Streptavidin-beschichtete Matrix mit einer
Stärke, die der von kovalenten Bindungen nahekommt. Alternativ können Aminolinker-
modifizierte DNA-Moleküle an eine Matrix gebunden werden, die aktivierte Carbonsäurereste
oder epoxid-aktivierte Reste enthält. Die Bindung von thiolmodifizierter DNA an
Goldoberflächen ist ebenfalls denkbar.
Die Länge der erfindungsgemäßen matrixgebundenen DNA-Moleküle ist variierbar und kann je
nach Aufgabenstellung der zu untersuchenden Enzymaktivität zwischen zwanzig Basenpaaren
und vielen Kilobasen liegen. Die topologieabhängige Bindung des Anti-Z-DNA-Antikörpers
Z22 (Stollar et al.: J. Biol. Chem. 257, 12 801-12 085 (1982); ibid: 261, 468-476 (1986);
ibid.: 265, 18 608-18 614 (1990)) wurde für DNA-Konstrukte bis ≦ 200 bp gezeigt, kleinere
Konstrukte wurden nicht untersucht. Es ist allerdings vorstellbar, z. B. zur Untersuchung von
topologieabhängigen Sequenzerkennungsphänomenen auch viel kürzere Konstrukte zu binden.
Der Nachweis topologiespezifischer DNA-Strukturen oder des topologischen Zustands kann
auf mehrerlei Weise erfolgen. Vor allem bieten sich Methoden an, die leicht in automatisierbaren
Systemen nachgewiesen werden können, also vor allem enzymatische Nachweismethoden wie
die Bindung von Antikörpern oder Proteinen, welche durch Sekundär-Antikörper-gekoppelte
Farbreaktionen sichtbar gemacht werden können, oder die fluorimetrisch nachweisbare
Interkalation von Ethidiumbromid, Propidiumiodid oder anderen Farbstoffen. Da die
Interkalation dieser Farbstoffe die DNA-Helix aufwindet, erhöht sie in einem topologisch
fixierten DNA-Molekül die Konformationsenergie, da die Aufwindung an anderer Stelle im
Molekül durch Windungsenergie kompensiert werden muß. Es binden topologisch fixierte
Moleküle ab einer bestimmten Konzentration an Interkalator meßbar weniger Farbstoff als
relaxierte Moleküle; dieser Unterschied ist direkt meßbar.
Ferner sei der direkte Nachweis von topologieabhängigen Parameterveränderungen bei der
Untersuchung mit Oberflächenplasmonresonanz oder der Nachweis von Bindungen oder
Enzymaktivitäten durch diese Methode an matrixgebundener topologisch fixierter DNA
genannt.
Die Untersuchung von Enzymaktivitäten, welche den topologischen Zustand von DNA
verändern können, erfolgt erfindungsgemäß so, daß matrixgebundene topologisch fixierte
DNA eines definierten topologischen Zustands mit der betreffenden Enzymaktivität inkubiert
wird, und die Veränderung des topologischen Zustands der DNA entweder nach kontrolliertem
Abbruch des Experiments oder im Echtzeitverfahren durch eine der genannten Methoden verfolgt
wird. Die Wahl der geeigneten Meßmethode und -parameter wird dabei unter anderem stark
vom Mechanismus der zu untersuchenden Enzymaktivität abhängen.
Plasmid Blueskript SK (Stratagene) wurde mit EcoRI vollständig geschnitten und anschließend
mit einem 200-fachen molaren Überschuß an 5'phosphoryliertem Oligodesoxynukleotid
AATTGGCCGGCCGGCXTTXGCCGGCCGGCC (X entspricht Biotin-modifiziertem Uracil)
(TIB-MolBiol, Berlin) mit T4-DNA-Ligase (MBI, Heidelberg) ligiert. Nach Abtrennen der
überschüssigen Oligodesoxynukleotide erhält man das kovalent geschlossene, ca. 3 kb lange
DNA-Molekül mit je zwei Biotinmodifikationen an beiden Enden.
Kovalent geschlossene DNA aus Schritt 1 wurde in Tris-Puffer (pH 8.0) in einer Konzentration
von 2 µg/ml aufgenommen; je 2 ng des Konstruktes wurde in 75 µl Phosphat-gepufferter
physiologischer Kochsalzlösung (PBS) in Anwesenheit von 20 µM Ethidiumbromid 45 min
auf Streptavidin-beschichteten Mikrotiterplatten (Boehringer Mannheim) inkubiert.
Anschließend wurde dreimal mit PBS gewaschen.
Die mit unterwundener DNA beschichteten Mikrotiterplattennäpfe werden mit je 4 µ
Topoisomerase I (Life) zwischen 0 und 30 min inkubiert. Die topologieabhängige
Konformationsänderung unter Einwirkung der Topoisomerase wird durch Inkubation mit anti-
Z-DNA-Antikörper Z22 und anschließender Inkubation mit sekundärem Peroxidase
konjugiertem Anti-Maus-IgG (Boehringer) nach Farbreaktion mit Tetramethylbenzidin
nachgewiesen.
Fig. 1 zeigt schematisch ein kovalent geschlossenes, topologisch fixiertes DNA-Molekül,
welches an einer festen Oberfläche gebunden ist.
Fig. 2 zeigt den schematischen Ablauf des Verfahrens: Topologie-induzierte Z-DNA kann durch
Antikörperbindung nachgewiesen werden (linke Seite); Topoisomeraseeinwirkung (rechts
oben) entspannt die DNA, wodurch die Z-DNA-Struktur verschwindet; das Antikörper-Signal
wird dadurch verhindert (rechts unten).
Claims (10)
1. Matrix-gebundenes topologisch fixiertes Desoxyribonukleinsäuremolekül.
2. Matrix-gebundenes topologisch fixiertes Desoxyribonukleinsäuremolekül nach Anspruch 1,
wobei das Molekül aus einem linearen Doppelstrang komplementärer Basensequenz besteht,
dessen beide Enden so an die Matrix gebunden sind, daß die jeweiligen beiden Enden der
Doppelstrang-bildenden Einzelstränge nicht umeinander rotieren können.
3. Matrixgebundenes topologisch fixiertes Desoxyribonukleinsäuremolekül nach Anspruch 2,
wobei das Molekül aus einem linearen Doppelstrang komplementärer Basensequenz besteht,
dessen Stränge an jedem Ende durch eine kurze Schlaufe einzelsträngiger Nukleotide kovalent
verbunden sind.
4. Matrixgebundenes topologisch fixiertes Desoxyribonukleinsäuremolekül nach Anspruch 3,
bei welchem die Bindung an eine Streptavidin-beschichtete Matrix durch an die DNA
gekoppelte Biotinreste vermittelt wird.
5. Matrixgebundenes topologisch fixiertes Desoxyribonukleinsäuremolekül nach Anspruch 3,
bei welchem die Bindung an eine Goldoberfläche über in der kürzen Schlaufe enthaltene
thiolmodifizierte Basen vermittelt wird.
6. Verfahren zum Untersuchen von topologieändernden Enzymaktivitäten, dadurch
gekennzeichnet daß
- a) ein topologisch fixiertes DNA-Molekül mit definierter Topologie auf einer Matrix fixiert wird,
- b) die topologisch fixierte DNA in Anwesenheit der zu untersuchende Enzymaktivität inkubiert wird und
- c) die Veränderung im topologischen Zustand nachgewiesen wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, wobei das DNA-Molekül durch an die DNA gekoppelte
Biotinreste an eine Streptavidin-beschichtete Matrix gebunden ist.
8. Verfahren nach Anspruch 6, wobei das DNA-Molekül über in der kurzen Schlaufe enthaltene
thiomodifizierte Basen an eine Goldoberfläche gebunden ist.
9. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß Anti-Z-DNA-spezifischer
Antikörper zum Nachweis topologischer Veränderungen in der matrixgebundenen DNA benutzt
wird.
10. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß der topologische Zustand der
DNA nach Einwirkung der Enzymaktivität durch Fluoreszensintensitätsmessung eines in die
DNA interkalierten Fluoreszensfarbstoffes direkt gemessen wird.
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