DE19730486C2 - Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehaltiger Biomasse - Google Patents
Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehaltiger BiomasseInfo
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Description
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehalti
ger Biomasse, beispielsweise von Holz, um Lignin und Hemicellulose von Cellulose
abtrennbar zu machen.
Der Ausdruck "abtrennbar machen" bedeutet hier und im folgenden, daß das Lignin nach
erfolgter Verfahrensführung von der Hemicellulose und Cellulose getrennt werden kann,
z. B. durch Extraktion mit organischen Lösemitteln.
Hohe Ligninanteile finden sich angereichert in der Mittel-Lamelle des Holzes. Dadurch
wird die Steifheit von Holz bewirkt. Der maximal zulässige Gehalt an Lignin nach einem
Zellstoffaufschluß vor Einleitung der Bleiche im großtechnischen Maßstab wird mit einer
κ-Zahl von 40 angegeben. Lignin bildet Tröpfchen (koaguliert), wenn es weich wird. Diese
Partikel (im allgemeinen liegen sie in Kugelform vor und weisen Durchmesser von ca. 1-3
µm auf) lösen sich in organischen Lösemitteln bzw. in NaOH.
Bei den klassischen Holzaufschlußverfahren (Sulfat-, Sulfit-, bzw. Milox-Verfahren) wird
das Lignin chemisch gespalten und hauptsächlich werden die Spaltprodukte (Lignin
sulfonsäuren) aufgelöst. Hierbei beruht die Extrahierbarkeit des Lignins auf zwei Effekten,
nämlich der Spaltung der β-Aryl-Alkyletherbindung unter Bildung von Phenol und der
Solubilisierung durch DP-Abbau (Methoxyspaltung). Die Nachteile dieser klassischen
Zellstoffprozesse sind hauptsächlich der hohe Wasserbedarf, der große Gehalt an
organischen Stoffen im Abwasser und die relativ hohen Betriebskosten. Letztere sind nicht
zuletzt durch die Nebenbetriebe zur Aufarbeitung der Lauge und der Abwasser- bzw.
Abfallströme bedingt. Die konventionellen Verfahren kommen ohne den Einsatz von
schwefelhaltigen Verbindungen nicht zu einer Abtrennung des Lignins; dies ist mit
Geruchsbelästigungen verbunden.
Anlagen nach den konventionellen Verfahren sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
erst ab Jahreskapazitäten von mehr als 500000 Tonnen zu betreiben. Die Chemiezell
stoffproduktion nimmt dabei neben der Papierzellstoffproduktion nur einen geringen An
teil von 1-2% der Kapazität ein. Andererseits wünscht sich jeder Chemiezellstoffver
arbeiter auf seine Belange hin maßgeschneiderte Zellstoffe, möglichst in verschiedenen
Abstufungen der Qualitäten.
Anders als beim Papierzellstoff (Papier, Karton, Fluff) sind für den Chemiezellstoff die
chemischen Eigenschaften und nicht die physikalischen Eigenschaften der Zellstoffasern
maßgebend, da die Struktur der Fasern im Prozeß der chemischen Zellstoffverarbeitung
ohnehin gebrochen wird. Bei den Chemiezellstoffen kommt es noch mehr als bei den Pa
pierzellstoffen auf die quantitative Entfernung des Lignins an. Außerdem spielen folgende
Kriterien eine Rolle: Polymerisationsgrad und -verteilung; Weißgrad und die Quellbarkeit
in NaOH.
Ein Nachteil der industriell eingeführten Zellstoffverfahren ist der Verlust der Reaktivität
infolge der Trocknung. Sogenannte "nie-getrocknete Pulpe" ("never-dried pulp") ist da
gegen hochreaktiv.
Es sind andererseits Verfahren bekannt, bei denen Lignocellulosematerial in zerteilter
Form in ein Druckgefäß gepackt wird, das Druckgefäß mit komprimiertem Wasserdampf
gefüllt wird und der Druck unter Ausstoß des plastifizierten Lignocellulosematerials aus
dem Druckgefäß plötzlich reduziert wird. Dieser Stand der Technik wird oft als Dampf
explosion ("Steam-Explosion") bezeichnet und ist in einer Vielzahl von Patenten festge
halten, die sich in erster Linie auf die technische Auslegung und auf die grundsätzlichen
Verfahrensweisen beziehen. Die meisten Studien wurden mit Holz als Rohstoff durchge
führt. Der Schwerpunkt lag in der Mehrzahl der Fälle auf der Optimierung des Integrals
aus dem Produkt von Dampftemperatur und Einwirkzeit ("Severity-Faktor"). Die Her
stellung von Chemiezellstoff ist beispielsweise in den EP-B-0 434 851, CA 1 267 407 und
CA 1 141 376 beschrieben.
Bei den bekannten Dampfexplosions-Verfahren sind zur Überschreitung der Erwei
chungstemperatur des Lignins und der Polyosen Drücke ab 20 bar üblich. Die mit diesen
hohen Drucken verbundenen hohen Dampftemperaturen von über 200°C bedingen einer
seits einen starken Kettenabbau der Cellulose, andererseits führen sie zu einer Konden
sation des Lignins, welche ihrerseits zu einer schlechten Extrahierbarkeit führt. Ein Ein
dringen des Dampfes in kristalline Bereiche der lignocellulosischen Struktur ist unwahr
scheinlich; insofern sind dort Modifizierungen nicht möglich.
Ein weiterer Nachteil bei Komprimierungs-/Expansionsverfahren unter Verwendung von
Wasserdampf ist, daß Zusatzstoffe nicht oder nur mit hohem technischen Aufwand im
Wasserdampf zugeführt werden können. Vielmehr muß die Biomasse vor der Steam-Ex
plosion mit den einzusetzenden Stoffen gründlich imprägniert werden, was im allgemeinen
mit einer schlechten Verteilung bzw. mit einer höheren Dosierung verknüpft ist.
Die Wirkung von Ammoniak auf Holz wurde bereits in den 50er und 60er Jahren unter
sucht. Ziel war hierbei, die plastifizierende Wirkung des NH3 zu studieren. Die Erwei
chung des Lignins erfolgt bei Einwirkung von Ammoniak bei sehr viel niedrigeren Tem
peraturen als mit Dampf. NH3 hat bereits bei Raumtemperatur eine hohe thermo
dynamische Aktivität gegenüber Lignin und weist eine extrem hohe Diffusionsrate auf.
Gebundenes Wasser wird von NH3 verdrängt, weil die NH3-Sorption stärker ist. Nach C.
Schuerch in For. Prod. J. 14(1964) 377 ist NH3 ein sehr gutes Quellmittel für Lignin und
Polysaccharide. Holz kann wesentlich mehr NH3 aufnehmen als Wasser.
Die US-PS 3 707 436 beschreibt ein Verfahren, bei dem lignocellulosisches Material unter
Verwendung von Ammoniak bei höherer Temperatur plastifiziert und durch eine explo
sionsartige Entspannung zerfasert wird. Der erforderliche Druck in der Kompressionsstufe
liegt bei mindestens 69 bar, die Temperatur ist höher als 93°C. Zusätzlich wird Stickstoff
gas unter Druck verwendet, um den Ammoniak in das Lignocellulosematerial zu pressen.
Aus dem so erhaltenen Material lassen sich die Hemicellulose und das Lignin nicht abtren
nen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren zur Behandlung von
lignocellulosehaltiger Biomasse, beispielsweise von Holz, bereitzustellen, um Lignin von
Cellulose und Hemicellulose abtrennbar zu machen.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren gelöst, bei dem die ligno
cellulosehaltige Biomasse in Gegenwart von Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin und/
oder reaktiven Verbindungen, die unter Einbau sperriger Gruppen mit den Bestandteilen
des lignocellulosehaltigen Materials reagieren können, bei gegenüber Atmosphärendruck
erhöhtem Druck und einer Temperatur von mindestens etwa 25°C mit flüssigem Am
moniak in Kontakt gebracht wird, und anschließend entspannt wird, wodurch das der zu
behandelnden Masse zur Verfügung stehende Volumen unter Senken des Drucks um
mindestens 5 bar explosionsartig vergrößert wird. Die Cellulose, die Polyose und das
Lignin können anschließend voneinander getrennt werden.
Als lignocellulosehaltige Biomasse sind Pflanzenwachstumsmaterialien unterschiedlichster
Art, wie Holz, Haferhülsen, Mais- und Kornstengel, Bagasse, Weizenstroh, Reisstroh,
Haferstroh geeignet. Bei Holz ist es üblich, Rundhölzer oder Schwachholz, vorzugsweise
in zerkleinerter Form, z. B. in Form von Holzhackschnitzeln, zu verwenden. Pappelholz ist
bevorzugt. Bei faserigen Rohstoffen, wie Einjahrespflanzen, sind durch Schneiden
zerkleinerte Fasern geeignet.
Der Wassergehalt der lignocellulosehaltigen Biomasse kann zwischen dem für frisch ge
erntete Lignocellulosen typischen Gehalt von etwa 50 Masse-% und nahe bei 0% nach
intensiver Trocknung liegen. Ein Wassergehalt von weniger als 15 Masse-%, insbesondere
weniger als 9 Masse-%, ist bevorzugt.
Ein wesentliches Merkmal der Erfindung besteht darin, daß die lignocellulosehaltigen
Biomasse in Gegenwart von Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin und/oder reaktiven
Verbindungen, die unter Einbau sperriger Gruppen mit den Bestandteilen des lignocellu
losehaltigen Materials reagieren können (nachfolgend kurz als "reaktive Verbindungen mit
sperrigen Gruppen" bezeichnet) mit flüssigem Ammoniak in Kontakt gebracht wird. Zu
sätzlich zur plastifizierenden Wirkung des Ammoniaks auf Lignin macht man sich hiermit
die Fähigkeit des flüssigen Ammoniaks, viele Stoffe leicht zu lösen, zunutze. Flüssiger
Ammoniak ist in der Lage, in alle Bereiche des Holzes einzudringen und wirkt so als
Vehikel zum Transport in die ligninreichen Bereiche.
Vorzugsweise werden etwa 0,5 bis 20, insbesondere etwa 1 bis 15 Masse-% an Quell- und/
oder Lösemitteln für Lignin und/oder reaktiven Verbindungen, mit sperrigen Gruppen,
bezogen auf die Biomasse verwendet.
Unter "Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin" fallen Verbindungen, die eine (an)lösende
oder weichmachende Wirkung auf Lignin haben, insbesondere solche, die einen Hilde
brandschen Löseparameter d von etwa 9 bis 13, insbesondere von etwa 10 bis 12, aufwei
sen. Sie verhindern nach dem Entfernen des Ammoniaks eine Schrumpfung. Als Quell-
und/oder Lösemitteln für Lignin kommen Wasserstoffbrückenbindungsdonoren, wie
Amine, Alkohole, Phenole, Mercaptane, und Wasserstoffbrückenbindungsakzeptoren, wie
Ether, Dimethylsulfoxid (DMSO), Tetrahyofuran (THF), in Frage. Ethylencarbonat,
Ethylenglycolmonomethylether, Carbowax®, Dioxan, Aceton und Methylcellosolve® sind
bevorzugt. Ferner lassen sich Propylencarbonat, Formamid, Dimethylformamid, Pyridin
anführen. Als Quellmittel können Glycerin und/oder Ethylenglycol oder Polyethylen
glycole verwendet werden.
Die reaktiven Verbindungen mit sperrigen Gruppen führen dazu, daß die sperrigen
Gruppen infolge der "Spreizung" der Molekülketten den Wiederaufbau eines Wasser
stoffbrückensystems nach der Explosion behindern und bewahren eine gute Abtrennbarkeit
der Bestandteile. Als reaktive Verbindungen mit sperrigen Gruppen sind Acrylnitril,
Harnstoff, Naphthol und/oder Anthrachinon bevorzugt. Ferner lassen sich Ethylenoxid,
Propylenoxid, Phenyloxiran anführen.
Wenn beim erfindungsgemäßen Verfahren von "explosionsartig" gesprochen wird, dann ist
dieser Begriff eng zu sehen. Vorzugsweise erfolgt die explosionsartige Volumenvergröße
rung innerhalb einer Zeit von weniger als einer Sekunde, insbesondere weniger als 0,5
Sekunden. Bei kontinuierlicher Verfahrensführung wird bei der Betrachtung auf eine
inkrementelle Menge an zu behandelnder Masse abgestellt.
Die lignocellulosehaltige Biomasse wird in geeigneter zerkleinerter Form in ein druck
festes Gefäß eingebracht und in Gegenwart von Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin
und/oder reaktiven Verbindungen mit sperrigen Gruppen mit dem flüssigem Ammoniak in
Kontakt gebracht und vorzugsweise durch Überführen in einen Explosionsraum mit
gegenüber dem druckfesten Gefäß größerem Volumen entspannt. Das druckfeste Gefäß
kann ein Autoklav sein; es kann auch ein Apparat sein, der eine Zerkleinerung der
Holzfasern gestattet (Refiner); es kann ein kontinuierlich arbeitender Apparat sein. Alle
Apparate können mit einer externen Heizung ausgestattet sein.
Vorzugsweise liegt der Ausgangsdruck zwischen etwa 5 und 46 bar und insbesondere
zwischen etwa 25 und 30 bar. Der Mindestdruckabfall von 5 bar ist kritisch. Wird er
unterschritten, dann wird das Erfindungsziel nicht erreicht, d. h. die Abtrennbarkeit der
Bestandteile des Lignocellulosematerials ist nach der Behandlung unzureichend. Eine
Überschreitung des oberen Grenzwerts von etwa 46 bar führt nicht zu weitergehenden
Vorteilen. Mit dem angegebenen Druckrahmen korreliert die Temperatur von etwa 25 bis
85°C bzw. 55 bis 65°C. Vorzugsweise wird der Ausgangsdruck explosionsartig um
mindestens etwa 10 bar und insbesondere um mindestens etwa 30 bar gesenkt.
In das druckfeste Gefäß muß eine ausreichende Menge Ammoniak eingepreßt werden, so
daß unter den erfindungsgemäß anzuwendenden Druck- und Temperaturbedingungen
flüssiges Ammoniak vorliegt, dessen Menge zumindest zur Benetzung der Oberfläche des
Ausgangsmaterials ausreicht. Vorzugsweise entfallen auf 1 Masse-Teil lignocellulose
haltige Biomasse mindestens etwa ein Masse-Teil, insbesondere etwa 5 bis 10 Masse-
Teile, flüssiges Ammoniak.
Das erfindungsgemäße Verfahren soll nun näher erläutert werden. Die Biomasse, die
Quell- und/oder Lösemittel für Lignin und/oder reaktiven Verbindungen mit sperrigen
Gruppen und eine Mengen Ammoniak befinden sich zu Beginn des Verfahrens bei einem
Druck p1 und einer Temperatur T1 (etwa 25°C) in einem Volumen V1. Der Bruchteil α.n
liegt unter diesen Bedingungen in flüssiger Form vor. Durch zusätzlichen Inertgasdruck
kann α auf Werte nahe bei 1 gebracht und p1 angehoben werden. Dieses System wird einer
Zustandsänderung unter Vergrößerung des Volumens auf V2 unterworfen, wobei sich die
neue Temperatur T2 und der neue Druck p2 einstellen und (p1-p2) 5 bar ist. Diese Änderung
ist im wesentlichen adiabatisch, doch könnte dem System auch gleichzeitig Energie
zugeführt werden, indem beispielsweise der Explosionsraum beheizt wird. Unter den
neuen Bedingungen V2, p2, T2 liegen vorzugsweise mehr als 50%, insbesondere mehr als
80%, der ursprünglich flüssig vorliegenden Ammoniakmenge α.n gasförmig vor. Am
meisten bevorzugt ist eine nahezu vollständige, schlagartige Verdampfung des flüssigen
Ammoniaks. Da mit der adiabatischen Zustandsänderung eine Temperaturerniedrigung
einhergeht, muß T1 ausreichend hoch und/oder p2 ausreichend niedrig gewählt werden, um
diese Bedingung zu erfüllen. Um bei einer gegebenen Volumendifferenz (V2-V1) einen
möglichst großen Druckabfall zu erzielen, wird bei diskontinuierlicher Verfahrensführung
der Explosionsraum vor Einbringung der zu behandelnden Masse unter Vakuum gehalten.
Bei kontinuierlicher Verfahrensführung wird aus dem Explosionsraum vorzugsweise
kontinuierlich gasförmiges Ammoniak abgezogen, um einen hinreichend niedrigen Druck
aufrecht zu erhalten.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann diskontinuierlich oder kontinuierlich durchgeführt
werden. Bei diskontinuierlicher Verfahrensführung weist die Apparatur im wesentlichen
einen Druckbehälter, der mit dem zu behandelnden Gut befüllt werden kann, und einen
über ein Ventil daran angeschlossenen Auffang- bzw. Expansionsbehälter auf. Es gilt dabei
zu beachten, daß das Ventil im geöffneten Zustand eine große lichte Öffnung aufweist,
damit sich beim Explosionsvorgang das Material nicht staut. Der Expansionsbehälter weist
gegenüber dem Druckbehälter ein vielfaches Volumen auf, beispielsweise beträgt das
Volumen des Druckbehälters 1 l und das Volumen des Expansionsbehälters 30 l. Der
Druckbehälter ist mit einer Zufuhrleitung für Ammoniak, gegebenenfalls unter
Zwischenschaltung einer druckerhöhenden Vorrichtung, verbunden. Zur weiteren Druck
erhöhung kann außerdem eine Zufuhrleitung für Inertgase, z. B. Stickstoff, vorgesehen
sein.
In kontinuierlicher Weise könnte das Verfahren unter Heranziehen eines rohr- oder zylin
derförmigen, druckfesten Reaktors durchgeführt werden, bei dem das Inkontaktbringen
von lignocellulosehaltiger Biomasse, Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin und/oder
reaktiven Verbindungen mit sperrigen Gruppen und flüssigem Ammoniak im Zylinder des
Reaktors stattfindet und das imprägnierte Material mit Hilfe einer Förderschnecke als
Pfropfen durch den Reaktor transportiert wird und intermittierend durch ein Ventil oder ein
geeignetes System von Druckschleusen in einen Auffangraum ausgetragen wird. Geeignete
Komponenten, die der Fachmann ohne weiteres zur Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens adaptieren kann, sind in der EP-A-329 173 bzw. der US-4 211 163
beschrieben.
Die Kontaktzeit zwischen der lignocellulosehaltigen Biomasse, den Quell- und/oder Löse
mitteln für Lignin und/oder reaktiven Verbindungen mit sperrigen Gruppen und dem
flüssigen Ammoniak innerhalb des Druckgefäßes ist nicht kritisch. Sie kann sehr kurz sein,
beispielsweise wenige Sekunden. Als sinnvoller zeitlicher Rahmen kann etwa 1 s bis 60
min angegeben werden, bei schwer quellbarer Biomasse aber auch deutlich länger. Das
Unterschreiten einer Kontaktzeit von 1 s ist aus praktischen Gründen kaum verwirklichbar.
Eine Behandlung von länger als etwa 60 min bringt meist keinen weitergehenden
technischen Vorteil. Kontaktzeiten im Bereich von 10 s bis 1 min sind im allgemeinen
bevorzugt.
Nach der Entspannung wird das durch die explosionsartige Volumenvergrößerung ver
dampfte Ammoniak vorzugsweise erneut zu flüssigem Ammoniak kondensiert und
recyclisiert.
Das Verfahrenserzeugnis kann zur Entfernung anhaftenden Ammoniaks unter Vakuum
gesetzt und/oder ausgeheizt werden.
In einer Ausführungsform wird das Verfahrenserzeugnis einer an sich bekannten Wasser
dampfexplosion unterzogen. Diese Variante erlaubt das vollständige Entfernen des Am
moniaks. Die Auffaserung des Holzes wird durch eine zweite Explosion in jedem Falle
verstärkt. Die explodierte Masse würde durch eine Dampfexplosion auf eine für die
nachfolgende Extraktion geeignete höhere Temperatur gebracht.
Nach der NH3-Explosion liegt das lignocellulosische Material in faseriger Form vor, weist
also eine stark zerteilte und damit erhöhte spezifische Oberfläche auf. Das enthaltene
Lignin ist aus der Mittellamelle in Form von Tröpfchen zusammengeflossen, weil während
der Einwirkung des flüssigen NH3 die Erweichungstemperatur überschritten wurde.
Durch den Einsatz der Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin und/oder reaktiven Verbin
dungen mit sperrigen Gruppen wird die Kondensation des Lignins zurückgedrängt bzw.
das Lignin liegt bereits in solubilisierter Form vor. Die Extraktion des Lignins und der
Polyosen ist daher stark erleichtert.
Die Extraktion des Lignins und der Polyosen aus der Cellulose kann durch Wasserdampf
bzw. heißes Wasser, durch organische Lösemittel oder durch deren Gemische und durch
Kombination der Wirkungen von Wasserdampf und organischen Lösemitteln durchgeführt
werden. Die Extraktion hat zur Aufgabe, soviel wie möglich an Lignin und an Polyosen zu
entfernen.
Für diesen Verfahrensschritt können alle in der Technik bekannten Apparate zur Abtren
nung von in Flüssigkeiten löslichen Feststoffen vom einem in diesen Flüssigkeiten un
löslichem Feststoff zur Anwendung kommen. Dabei kann auch in den Apparaten mit
erhöhtem Druck gearbeitet werden. Ebenso kann es angezeigt sein, das zu extrahierende
Gut und das Extraktionsmittel im Gegenstrom zu führen.
Vorzugsweise werden im Verfahrensschritt der Extraktion auch das Lignin und die
Hemicellulosen voneinander getrennt. Daher muß bei der Auswahl der Extraktions
flüssigkeiten darauf geachtet werden, daß sich Polyosen gut in heißem Wasser lösen,
Lignin dagegen besser in den zuvor aufgeführten Lösemitteln mit einem d-Wert nach der
Hildebrandschen Löseparameter-Skala von 10 < d < 12.
Eine vorteilhafte Ausführungsform wäre beispielsweise die Extraktion des NH3-explo
dierten Zellstoffes mit Wasser/Ethanol ≈ 1/1. Dies gestattet die vorteilhafte Verwendung
von Wasserdampf zum Aufheizen der Masse nach der NH3-Explosion unter Zugabe von
Ethanol. Nach dem Abfiltrieren vom Zellstoff kann das Lignin ausgefällt werden, indem
der Alkohol abdestilliert wird, wobei die Polyosen im zurückbleibenden Wasser gelöst
bleiben.
Die Abtrennung des Lignins von den Polyosen gestattet dessen weitere Verwendung als
wertvoller Rohstoff etwa für die Erzeugung von Harzen oder PU-Schäumen. Auch die
Polyosen lassen sich chemisch nutzbringend weiterverarbeiten, wobei besonders die Her
stellung von Xylit zu erwähnen ist.
Alternativ können in das Verfahrenserzeugnis nach der Ammoniakexplosion Zusatzstoffe
eingebracht werden, die das Lignin in ein leichter als Lignin abtrennbares Lignin-Derivat,
insbesondere einen Ether oder Ester, überführen.
Der noch schwach ligninhaltige (κ-Zahl sollte kleiner 10 sein) und polyosenhaltige Roh
zellstoff stellt ein wertvolles Ausgangsmaterial dar. Er kann überall dort zu Cellulose
derivaten weiterverarbeitet werden, wo es nicht auf sehr hohen Weißgrad der Produkte
ankommt bzw. wo die Produkte ohnehin gefärbt werden. Man kann daraus etwa thermo
plastische Cellulosederivate herstellen, die sich aus der Schmelze, d. h. ohne Verwendung
eines Lösemittels oder Weichmachers, zu Folien, Vliesen, Spritzgußteilen oder Fasern
verarbeiten lassen.
Der nunmehr schwach lignin- und hemicellulosenhaltige Rohzellstoff kann noch gebleicht
werden, um höheren Anforderungen zu genügen. Die Bleiche kann mehrstufig durch
geführt werden, wobei beispielsweise Ozon und Alkali/Peroxid zum Einsatz kommen
können.
Alle Derivatisierungen, die in wäßriger Suspension verlaufen, können direkt im Anschluß
an die NH3-Explosion bzw. an die Bleiche durchgeführt werden.
Die Erfindung wird durch das folgende Beispiel näher veranschaulicht.
Zerkleinertes Pappelholz (120 g) mit einer Feuchte von 20 Masse-% wird in einen Auto
klaven gebracht. Hierzu gibt man 15 g Dioxan. Nach dem Verschließen werden 300 g
flüssiges Ammoniak bei einem Druck von 20 bar über eine Druckpumpe zugegeben.
Während einer Verweilzeit von 4 Minuten läßt man das Ammoniak sich in den Holzspänen
verteilen. Infolge der anschließenden explosionsartigen Entladung des Autoklaven werden
die Späne fein zu einer faserigen Masse zerteilt, die unmittelbar nach der Explosion noch
30 Masse-% des eingesetzten Ammoniaks enthält.
Dieser Faserstoff wird in einen Kolben überführt, in dem eine 1/1-Mischung aus Wasser
und Ethanol vorgelegt ist. Unter Rückfluß werden sowohl der restliche Ammoniak ver
trieben als auch das Lignin und die Polyosen extrahiert. Nach einer halben Stunde Kochen
unter Rückfluß wird die Alkohol-Wasser Mischung von der faserigen Masse abfiltriert.
Das Alkohol-Wasser Gemisch enthält 85% des im Pappelholz enthaltenen Lignins und
90% der Hemicellulosen. Die Abtrennung des Lignins von Hemicellulosen erfolgt in
einem weiteren Schritt durch Abdestillieren des Alkohols. Dabei fällt das Lignin als Fest
stoff aus und läßt sich von der verbleibenden wäßrigen Lösung der Hemicellulosen ab
filtrieren. Der vom Lignin und von den Hemicellulosen weitgehend befreite faserige Roh
zellstoff kann durch eine nachfolgende Bleiche auf einen Weißgrad < 90% nach ISO
gebracht werden.
Claims (21)
1. Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehaltiger Biomasse, bei dem die lignocel
lulosehaltige Biomasse in Gegenwart von Quell- und/oder Lösemitteln für Lignin und/oder
reaktiven Verbindungen, die unter Einbau sperriger Gruppen mit den Bestandteilen des
lignocellulosehaltigen Materials reagieren können, mit flüssigem Ammoniak bei einem
gegenüber Atmosphärendruck erhöhten Ausgangsdruck und bei einer Temperatur von
mindestens etwa 25°C in Kontakt gebracht, anschließend das der zu behandelnden Masse
zur Verfügung stehende Volumen durch Entspannen unter Senken des Drucks um
mindestens 5 bar explosionsartig vergrößert wird und Cellulose, die Polyosen und Lignin
voneinander getrennt werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als lignocellulosehaltige
Biomasse Holz eingesetzt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die explosionsartige
Volumenvergrößerung innerhalb einer Zeit von weniger als 1 Sekunde durchgeführt wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die ligno
cellulosehaltige Biomasse, das flüssige Ammoniak und das Quell- und/oder Lösemittel des
Lignins in einer Druckeinrichtung in Kontakt gebracht werden und das zu behandelnde
Gemisch durch Überführen in einen Explosionsraum mit gegenüber der Druckeinrichtung
größerem Volumen entspannt wird.
5. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß
der Ausgangsdruck zwischen etwa 5 und 46 bar, insbesondere zwischen etwa 25 und 30
bar, eingestellt wird.
6. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß die Temperatur in der Druckeinrichtung vor dem explosionsartigen Senken
des Ausgangsdrucks zwischen etwa 25 und 85°C, insbesondere zwischen etwa 55 und
65°C, eingestellt wird.
7. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß der Ausgangsdruck explosionsartig um mindestens etwa 10 bar, insbesondere
etwa 30 bar, gesenkt wird.
8. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß auf ein Masse-Teil lignocellulosehaltige Biomasse mindestens ein Masse-
Teil, insbesondere etwa 5 bis 10 Masse-Teile, flüssiges Ammoniak eingesetzt werden.
9. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß durch die explosionsartige Volumenvergrößerung verdampftes Ammoniak
erneut zu flüssigem Ammoniak kondensiert und recyclisiert wird.
10. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 4 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß
der Explosionsraum vor Einbringung der zu behandelnden Mischung unter Vakuum
gehalten wird.
11. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß als lignocellulosehaltige Biomasse zerkleinertes Holz, insbesondere Pappel
holz, eingesetzt wird.
12. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß eine lignocellulosehaltige Biomasse mit einem Wassergehalt von weniger als
15 Masse-%, insbesondere weniger als etwa 9 Masse-% eingesetzt wird.
13. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß das Verfahrenserzeugnis zur Entfernung anhaftenden Ammoniaks unter
Vakuum gesetzt und/oder ausgeheizt wird.
14. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß Quell- und/oder Lösemittel für Lignin eingesetzt werden, die einen Hilde
brandschen Löseparameter d von etwa 9 bis 13, insbesondere von etwa 10 bis 12 auf
weisen.
15. Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß als Lösemittel für Lignin
Ethylencarbonat, Ethylenglycolmonomethylether, Carbowax®, Dioxan, Aceton, Aminen,
Formamid, Dimethylsulfoxid (DMSO), Phenol oder Methylcellosolve® verwendet werden.
16. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß als Quellmittel für Lignin Glycerin und/oder Ethylenglycol eingesetzt
werden.
17. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß als reaktive Verbindung, die unter Einbau sperriger Gruppen mit den
Bestandteilen des lignocellulosehaltigen Materials reagieren kann, Acrylnitril, Harnstoff,
Naphthol und/oder Anthrachinon eingesetzt werden.
18. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß zum vollständigen Entfernen des Ammoniaks das Verfahrenserzeugnis einer
an sich bekannten Dampfexplosion unterzogen und auf eine für nachfolgende Extraktionen
höhere Temperatur gebracht wird.
19. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß nach der Ammoniakexplosion Zusatzstoffe in das Verfahrenserzeugnis ein
gebracht werden, die das Lignin in ein leichter als Lignin abtrennbares Lignin-Derivat,
insbesondere einen Ether oder Ester, überführen.
20. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß Lignin und/oder vorliegende Polyosen durch Wasserdampf, durch organische
Lösemittel oder durch deren Gemische oder durch Kombination der Wirkungen von
Wasserdampf und organischen Lösemitteln aus dem Verfahrenserzeugnis extrahiert
werden.
21. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekenn
zeichnet, daß das Verfahrenserzeugnis mit Wasser/Ethanol (Gewichtsverhältnis 1 : 1)
extrahiert wird, die Cellulose oder der Zellstoff abfiltriert wird, der Alkohol abdestilliert
wird, wobei man Lignin ausfällt und die im wäßrigen Medium gelösten Polyosen
isoliert.
Priority Applications (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE19730486A DE19730486C2 (de) | 1997-07-16 | 1997-07-16 | Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehaltiger Biomasse |
Applications Claiming Priority (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE19730486A DE19730486C2 (de) | 1997-07-16 | 1997-07-16 | Verfahren zur Behandlung von lignocellulosehaltiger Biomasse |
Publications (2)
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