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Verfahren zur Herstellung von Siliziumeisenblech mit (110)[001]-Orientierung
Die Erfindung bezweckt die Herstellung von Siliziumeisenblech mit guter Permeabilität
in der Walzrichtung. Diese Permeabilität ist das Ergebnis einer bevorzugten Kristallorientierung,
der sogenannten »Goßstruktur«, oder, ausgedrückt in Millerschen Indizes, einer Orientierung
vom (110)[001]-Typ.
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Es ist bekannt, z. B. aus dem Buch von E. H o u -d r e m o n t, »Sonderstahlkunde«,
Bd. II, S. 1192, daß der Siliziumgehalt einer Fe-Legierung für Phasenänderungen
sowie die anwendbaren Glühtemperaturen verantwortlich ist und daß Legierungen mit
Si-Gehalten von 2,5 bis 4% Si nicht mehr umwandeln und bei höheren Temperaturen
bis zu 950° C ohne störende Vergrößerung der Wattverluste geglüht werden können.
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Die vorliegende Erfindung geht nun von solchen Eisen-Silizium-Legierungen
zur Herstellung von Siliziumeisenblech mit Goßstruktur aus. Die Herstellung von
Blechen mit Goßstruktur ist an sich bekannt, z. B. aus dem Buch von F. P a w 1 e
k, »Magnetische Werkstoffe«, 1952, S. 160 bis 162, wonach eine Schmelze unter derartigen
Gieß- und Erstarrungsbedingungen vergossen und abgekühlt wird, daß in dem betreffenden
Block eine gerichtete Erstarrung vor sich geht, worauf das Gußstück mehreren, von
Zwischenglühungen unterbrochenen Verformungen mittels Walzen unterworfen und schließlich
abschließend geglüht wird. Dabei wird jedoch stets mindestens eine Walzung als kostspielige
Warmwalzung durchgeführt, und die maximal erzielbaren Blechstärken betragen 0,25
mm. Außerdem darf bei diesen bekannten Verfahren der Kohlenstoffgehalt 0,005 % nicht
übersteigen.
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Weitere bekannte Verfahren zur Erzielung einer magnetischen Vorzugslage
in Eisenblech sehen vor, die letzten Kaltwalzstiche senkrecht oder schräg zueinander
auszuführen. Diese Verfahren bieten jedoch noch nicht überwundene technische Schwierigkeiten.
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Die vorliegende Erfindung vermeidet die angegebenen Nachteile und
Beschränkungen und kennzeichnet sich dadurch, daß bei einem Verfahren der vorstehend
beschriebenen Art das Gußstück eine Dicke von 2,54 bis 12,7 mm mit wesentlich größerer
Breite und Länge erhält und daß das Walzen in kaltem Zustand erfolgt, wobei das
erste und zweite Kaltwalzen mit einer Dickeverminderung von je 40 bis 80 % vorgenommen
werden, sowie dadurch, daß ein drittes, abschließendes Kaltwalzen mit einer Dickeverminderung
von 40 bis 70 % vorgenommen wird, worauf das Schlußglühen bei einer Temperatur oberhalb
von 982° C durchgeführt wird. Es ist klar, daß der Fortfall von Warmwalzstufen und
der dadurch bedingten Beizungen zur Entfernung des Walzzunders sowie der dafür benötigten
kostspieligen technischen Einrichtungen, wie Kokillen, Tieföfen, Vorwalzwerke und
Band-Heißwalzwerke, das Verfahren abkürzt, technisch vereinfacht und seine Kosten
wesentlich herabsetzt, was zweifellos einen beachtlichen technischen Fortschritt
bedeutet.
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Die Erfindung wird zur Erläuterung nachstehend beispielsweise beschrieben.
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Es war bisher die Ansicht, daß, wenn Siliziumeisen zu dünnen Blöcken
vergossen wird, seine Struktur sich durch säulenförmige, von den Oberflächen des
Blocks nach innen wachsende Körner auszeichnet. Bei Gußstücken mit der vorstehenden
Struktur liegen die Flächen der kubischen Kristalle im wesentlichen parallel zu
den breiten, flachen Seiten des Gußstücks; die azimutale Orientierung war jedoch
völlig willkürlich. Durch sorgfältige Anwendung von Verminderungen und Glühungen
auf solche Gußstücke kann ein Blech erhalten werden, welches sich durch eine solche
willkürliche azimutale Orientierung oder »Wagenrad«-Orientierung auszeichnet; ein
solches im wesentlichen nicht orientiertes Material eignet sich für einige elektrische
Gebiete, einschließlich der Herstellung von Kernen
für rotierende
elektrische Maschinen. Das Beste dieser Materialien besaß eine Permeabilität in
Kornrichtung bei Hm = 10 Örsted von 1550 und eine Permeabilität quer zur Kornrichtung
von 1520 sowie eine gute Permeabilität in Winkeln zwischen diesen Richtungen. Es
wurde bisher nicht gefunden, daß dünne Gußstücke aus Siliziumeisen eine andere Verwendbarkeit
als für die Bildung eines solchen im wesentlichen nicht orientierten Materials hätten.
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Ein großer Vorteil der Erfindung liegt nun darin, daß sie die billige
Herstellung von Material mit Goßstruktur aus dünnen Gußstücken gestattet.
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Es existieren bereits zahlreiche Vorschläge zum direkten Gießen von
dünnem Eisenmaterial. Die Erfindung ist auf keine dieser Methoden beschränkt. Eine
Methode und eine dazu verwendbare Einrichtung sind in der USA.-Patentschrift 2 640
235 beschrieben. Natürlich besitzt ein dort beschriebener kontinuierlicher Gußvorgang
einen technischen Vorteil; für die erfindungsgemäßen Zwecke genügt es jedoch vollständig,
dünne Gußstücke mit Blechbreite und Blechlänge oder mehr in einer Form herzustellen,
welche einander gegenüberliegende, für die Temperatur von geschmolzenem Siliziumeisen
unempfindliche flache Teile aufweist. Solche Formen können aus hochschmelzenden
Materialien hergestellt, jedoch auch aus Metallen erhalten werden, welche von dem
geschmolzenen Siliziumeisen nicht angegriffen werden und gute Wärmeleitfähigkeit
besitzen; die letzteren Formen sind bevorzugt. Ein Ende einer solchen Form kann
in das geschmolzene Siliziumeisen eingetaucht werden, und das geschmolzene Metall
kann dann zwischen den Teilen der Form hindurchgepreßt werden entweder durch Anlegung
eines Vakuums innerhalb der Form oder durch Ausübung von Druck auf das Metall, welches
dadurch in das Innere der Form gepreßt wird.
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Unter »Siliziumeisen« wird im Hinblick auf die Erfindung ein Eisenmaterial
verstanden, welches eine zur Verhinderung einer Phasenänderung ausreichende Siliziummenge
enthält. Das erfordert für gewöhnlich einen Siliziumgehalt des Metalls von 2,5 Gewichtsprozent
Siliziumgehalte, über 3,5% sind in der Regel nicht erwünscht, da das Metall dann
schwieriger zu bearbeiten ist. Die obere Grenze des Siliziumgehalts bestimmt sich
indes durch die technische Verarbeitbarkeit des Metalls in der zur Verfügung stehenden
Einrichtung.
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Beispielsweise - ohne jedoch darauf beschränkt zu sein -enthält das
Siliziumeisen vorzugsweise 2,90 bis 3,30% Silizium, 0,01 bis 0,04% Kohlenstoff (vorzugsweise
0,02 bis 0,03%), 0,06 bis 0,12% Mangan und etwa 0,015 bis 0,0401/o Schwefel (vorzugsweise
0,02 bis 0,0311/o), der Rest besteht im wesentlichen aus Eisen mit lediglich den
in Siliziumeisen üblichen Verunreinigungen. Das Metall kann im Siemens-Martin-Ofen,
nach einem Sauerstoff-Blasverfahren oder auf andere Weise vergütet werden. So kann
es z. B. in einem elektrischen Ofen geschmolzen werden, obwohl sich die Kosten eines
solchen Verfahrensschritts in der Regel nicht lohnen.
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Bei Durchführung der Erfindung ist die Art des Gußstücks wichtig.
Das Produkt wird auf die endgültige Blechdicke im Verlauf von drei reduzierenden
Kaltwalzungen gebracht, wie dies nachstehend erläutert wird. Je nach der gewünschten
Enddicke bedingt dies eine Begrenzung der Dicke des Gußstücks. Die Gußstücke sollen
im frisch hergestellten Zustand 2,54 bis 12,7 mm dick sein, sind jedoch vorzugsweise
5,1 mm dick.
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Innerhalb der vorstehend angegebenen Grenzen kann die tatsächliche
Dicke des Gußstücks vom Arbeiter im Hinblick auf die gewünschte Enddicke bestimmt
werden. Die seitlichen und die Längsabmessungen des Gußstücks sind im Gegensatz
zu seiner Dicke erfindungsgemäß keiner Beschränkung unterworfen und können je nach
der zur Verfügung stehenden Form oder der für den Direktguß verwendeten Einrichtungen
variieren.
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Die vorstehend beschriebenen Gußstücke werden in einem Verhältnis
von etwa 3 : 1 einer reduzierenden Kaltwalzung unterworfen. Dann werden sie einer
zwischenzeitlichen GIühung bei -704- bis 982° C, bevorzugt 816° C, unterworfen.
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Dann folgt eine zweite Kaltwalzung unter erneuter Reduzierung des
Materials in einem Verhältnis von etwa 3:1. Es schließt sich eine zweite zwischenzeitliche
Glühung der vorstehend beschriebenen Art an.
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Nach einer dritten oder abschließenden Kaltwalzung wird das Material
in einem Verhältnis von etwa 2:1 reduziert. Es schließen sich eine Entkohlung und
eine abschließende Hochtemperaturglühung bei einer Temperatur oberhalb 982° C und
bis zu oder oberhalb 1204° C an.
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Bei den ersten beiden, vorstehend beschriebenen Kaltwalzungen kann
der Grad der Reduzierung zwischen 40 und 80 % variiert werden, und die abschließende
Kaltwalzung kann zwischen 40 und 700/ö variiert werden. Obwohl diese Variierungen
möglich sind, sind doch die bei der Kaltwalzung erzielten Dickeverminderungen anderweitig
wesentlich für die Erfindung. Die Atmosphäre für die beiden zwischenzeitlichen Glühungen
soll neutral oder reduzierend sein. Verschiedene Gase können verwendet werden, einschließlich
gekracktes Ammoniak, partiell verbrannte Gase u. dgl. Gegebenenfalls kann auch reiner
Wasserstoff verwendet werden. Die Atmosphäre bei der abschließenden Glühung oder
mindestens im letzten Teil dieser Glühung soll eine Wasserstoffatmosphäre sein.
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Während einer Wärmebehandlung in dem Verfahren erfolgt für gewöhnlich
die Entkohlung des Materials. Die Entkohlung kann gemäß der USA: Patentschrift 2
287 467 in Form einer Durchlaufglühung oder einer Strangglühung erfolgen. Eine Entkohlung
unmittelbar vor der abschließenden Glühung ist bevorzugt.
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Die hier in Betracht kommende sekundäre Rekristallisation ist eine
durch Korngrenzenergie verlaufende Rekristallisation. Eine solche sekundäre Rekristallisation
erfolgt bei Temperaturen oberhalb 982° C, insbesondere bei einem nach dem Schmelzen
hochreinen Material, z. B. einem im Vakuum erschmolzenen Gut, das bei einer Glühung
bei dieser Temperatur maximale magnetische Eigenschaften erlangt. Eine Glühung bei
höheren Temperaturen, d. h. bei Temperaturen bis zu und über 1204° C, bewirkt in
der Regel eine Reinigung des Metalls und wird deshalb für im Siemens-Martin-Ofen
und nach anderen üblichen Verfahren gereinigte Materialien empfohlen: Der Mechanismus
der Kristalländerung bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird wie folgt angenommen:
Die Art der in den Gußstücken erhaltenen Orientierung wurde bereits beschrieben.
Es wurde gefunden, daß, wenn ein Material mit dieser Orientierung
einer
ersten reduzierenden Kaltwalzung und einer zwischenzeitlichen Glühung in der beschriebenen
Form unterworfen wird, überraschenderweise seine Kornstruktur und Orientierung sowie
die Verteilung von Verunreinigungen gleich sind wie bei den besten bisher zur Herstellung
eines Materials mit Goßstruktur verwendeten warmgewalzten Materialien. Die zweite
Kaltwalzung und die zweite zwischenzeitliche Glühung, wie sie vorstehend beschrieben
sind, verleihen dem Material eine »Würfelecken«-Orientierung. Bei der abschließenden
Kaltwalzung und der sich anschließenden Rekristallisation wird diese Orientierung
unter guter azimutaler Ausrichtung in die Goßstruktur umgewandelt. Die sekundäre
Rekristallisation verursacht ein Wachsen nahezu perfekt orientierter Kristalle mit
Goßstruktur auf Kosten anderer Kristalle in dem Material.