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Die Erfindung betrifft Verfahren zur Untersuchung von Substanzgemischen durch kapillarelektrophoretische Trennung, insbesondere von Biopolymeren wie Proteinen, Proteoglykanen oder anderen Proteinkonjugaten oder ihrer Verdaupeptide.
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Die Erfindung besteht darin, Substanzen von analytischem Interesse aus komplexen Gemischen gezielt und gut getrennt zu analysieren, indem die Substanzgemische vor der elektrophoretischen Trennung einer gemeinsamen selektiven Derivatisierung mit ladungstragenden Gruppen unterworfen werden, so dass die interessierenden Substanzen in einem vorgegebenen Zeitfenster im Wesentlichen alleine nachgewiesen werden.
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Allgemeiner Stand der Technik
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In der Analytik biochemischer Polymere, insbesondere in der differentiellen Expressionsanalyse von isotopenmarkierten Proteinen aus zwei verschieden gestressten Proteomen, sucht man nach schnellen und hochauflösenden Separationsverfahren, um Alternativen zur langsamen, schlecht reproduzierbaren und bezüglich Hydrophobizität und Basizität eingeschränkten 2D-Gel-Elektrophorese zu erhalten. Dabei treten Verfahren in den Vordergrund, in dem Ausgangsgemische aus isotopenmarkierten Proteinen oder ihrer Konjugate vor der Anwendung von Trennverfahren verdaut werden, wobei man Verdaugemische mit Zehntausenden oder Hunderttausenden von Verdaupeptiden erhält, die man im Nachhinein voneinander separieren und beispielsweise einer massenspektrometrischen Analyse unterwerfen möchte. Dabei kommt es jedoch häufig nicht darauf an, alle Verdaupeptide eines Proteins zu analysieren, es reicht im Grenzfall ein Verdaupeptid pro Protein, um Proteine mit Über- oder Unterexpression zu finden. Es werden somit Verfahren gesucht, die neben einer hohen Trennleistung für Gemische auch noch eine gezielte Selektion der Substanzen des Gemisches erlauben, beispielsweise eine Selektion eines einzigen Verdaupeptids pro Protein.
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Solche Verfahren, die gleichzeit selektieren und separieren, werden auch in anderen Bereichen biochemischer Analytik gesucht, nicht nur in der differentiellen Expressionsanalyse.
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Peptide lassen sich kapillarelektrophoretisch trennen und entweder über eine direkte Kopplung mit einer Elektrosprüh-Ionisierung (ESI) oder durch eine Präparation auf Probenträgern durch eine Ionsierung mit matrix-unterstützter Laserdesorption (MALDI) massenspektrometrisch nachweisen. Wird bei der Analyse in einem Tandem-Massenspektrometer (MS-MS) ein interessierendes Molekülion von den anderen separiert („isoliert”) und weiter fragmentiert, kann über die Massenbestimmung der Tochterionen eine Teilstruktur der Aminosäuresequenz abgeleitet werden. Diese kann zur Identifizierung von unbekannten Peptiden und Proteinen an Hand von Proteinsequenzdatenbanken benutzt werden. Von vielen Peptiden und Proteinen ist die Sequenz bekannt.
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Nach einer einmaligen Identifizierung der Peptide genügt häufig eine präzise Massenbestimmung in Verbindung mit der Wanderungszeit in der elektrophoretischen Kapillarsäule, um das Peptid in einem bestimmten Gemischtyp eindeutig wiederzuerkennen.
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Diese Technik stößt aber an Grenzen, sobald ein hochkomplexes Gemisch von Proteinen (bis hin zu einem kompletten Zelllysat) vorliegt, da die Trennkapazität der Kapillarelektrophorese (CE) wie auch der Flüssigchromatographie (HPLC) nicht mehr ausreicht für eine weitgehende Trennung der verschiedenen Verdaupeptide dieses Gemisches. Dies gilt auch für die zunehmend angewandten zwei-dimensionalen Trenntechniken (z. B. CE-HPLC). Nicht vollständig getrennte Gemische bedeuten, dass wegen der konkurrierenden Ionisation im Elektrosprühen nicht mehr genügend Peptide zur Identifizierung aller Proteine im Gemisch bestimmt werden können. Wegen der konkurrierenden Ionisation ist bei unvollständiger Trennung auch keine Quantifizierung der Proteine möglich.
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Zur eindeutigen Identifizierung und zur Quantifizierung ist es also notwendig, die Anzahl der zu analysierenden Peptide zu reduzieren, ohne dabei Informationen über alle Proteine des Ausgangsgemisches zu verlieren.
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Hierzu sind mehrere Verfahren vorgeschlagen worden. Dazu zählt vor allem ein „ICAT” genanntes Verfahren (Isotope-Coded Affinity Tag), bei der eine selektive Derivatisierung der Cysteine mit einem Reaktanden vorgenommen wird, wobei der Reaktant eine chemische Gruppe zur spezifischen Anreicherung durch Affinitätsextraktion sowie eine Isotopenmarkierung besitzt. Über die Verwendung von unterschiedlichen Isotopen in verschiedenen Untersuchungsgruppen läßt sich so eine unterschiedliche Expression von Proteinen massenspektrometrisch bestimmen. Ein weiteres Verfahren zur Isotopenmarkierung ist in
WO 02/29414 und
WO 03/056343 beschrieben, wobei keine Affinitätsextraktion vorgenommen wird, sondern bekannte Trennverfahren, wie beispielsweise mehrdimensionale Chromatographie oder Gelelektrophorese, eingesetzt werden.
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Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich auf Peptide mit anderen seltenen Aminosäuren zu beschränken, welche repräsentativ für das entsprechende Protein aus dem Proteom eines Organismus sind; so wird für das humane Proteom der Anteil an Cystein auf 2,3%, Tryptophan auf 1.2%, Histidin 2.6%, Tyrosin 2.7% und Methionin mit 2,1% geschätzt. Man kann dabei beispielsweise ausnutzen, dass nur die methioninhaltigen Peptide nach der Oxidation einer LC-Fraktion in einem Wiederholungslauf ihre Retentionszeit ändern und so gezielt zur Charakterisierung der methioninhaltigen Proteine des jeweiligen gesamten Proteins verwendet werden können. Auch endständige Verdaupeptide lassen sich durch dieses Verfahren herausfiltern. Die so genannte „diagonale Chromatographie” verwendet eine Reihe von zyklisch gesammelten Fraktionen, aus denen durch zwischenzeitliche Derivatisierung die interessierenden Peptide durch eine zweite Chromatographie auf der gleichen Säule in die unbesetzten Zwischenräume auswandern und so getrennt nachgewiesen werden können (
WO 02/077 016 A2 , Vanderkerckhove und Gevaert). Durch Tang et al. (Biochem. J. (1967) 102, 593) ist ein Verfahren bekannt, in dem methioninhaltige Verdaupeptide nach einem ersten Elektrophoreseschritt derivatisiert werden und anschließend elektrophoretisch von den anderen Verdaupeptiden getrennt werden.
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Neben der Identifizierung und Quantifizierung von Proteinen spielt zunehmend die Bestimmung der Art und Anteil von posttranslationalen Modifikationen (PTM) eines Proteins eine Rolle. Diese sind für die Funktion der Proteine von entscheidender Bedeutung. Verschiedene selektive Anreicherungstechniken (Affinitätsanreicherung) sowie MS-MS-Messtechniken sind dafür vorgeschlagen worden, ahne jedoch uneingeschränkt anwendbar zu sein.
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Die Kapillarelektrophorese (CE) hat sich als ein Separationsverfahren mit unerreicht hoher Trennleistung erwiesen. Die Kapillarelektrophorese kann, wie oben angedeutet, mit der Massenspektrometrie (CE/MS) sowohl über Ionisierungen durch Elektrosprühen (ESI) wie auch durch matrixunterstützte Laserdesorption (MALDI) gekoppelt werden.
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Es gibt verschiedene Arten von Kapillarelektrophorese wie Kapillar-Zonen-Elektrophorese (CZE), Kapillar-Gel-Elektrophorese (CGE), Isoelektrische Fokussierung in Kapillaren (CIEF), Kapillar-Isotachophorese (ITP) und andere mehr, von denen hier insbesondere die Kapillar-Zonen-Elektrophorese interessiert. Einen guten Überblick aber die Anwendung der Kapillar-Zonen-Elektrophorese für Proteinanalysen gewinnt man aus dem Übersichtsartikel von V. Kasicka (Electrophoresis 2001, 22, 3084–3105). Von den verschiedenen Beladungsmethoden der Kapillaren werde hier nur erwähnt, dass es Methoden mit und ohne Substanzfokussierung, sowie on-line-Festphasenextraktion (SPE) gibt.
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Für die Kopplung mit der Massenspektrometrie sind fokussierende Methoden vorzuziehen, da die Kopplung mit der Massenspektrometrie eine relativ hohe Trennleistung zeigen kann. Die Kopplung mit der Massenspektrometrie zur Charakterisierung von Peptiden und Proteinen ist in dem Übersichtsartikel von Figeys und Aebersold (Electrophoresis 1998, 19, 885–892) beschrieben.
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Es ist das Grundprinzip der Elektrophorese, dass die gemeinsam in einem Flüssigkeitspfropf in die Kapillare eingebrachten Substanzen eines gelösten Gemisches aus elektrolytisch dissoziierbaren Molekülen unter der Einwirkung eines relativ starken elektrischen Feldes in der elektrolytischen Flüssigkeit, mit der die Kapillare gefüllt ist, durch die Kapillarsäule wandern. Dabei ist die Wanderungsgeschwindigkeit der einzelnen Gemischkomponenten verschieden. Ähnlich wie in der Chromatographie tritt eine Separation der Substanzen ein. Grund für diese Separation ist eine pH-Wert-abhängige Ladung der Moleküle und deren unterschiedliche Große.
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Kapillarelektrophorese, insbesondere die Kapillarzonenelektrophorese, hat gegenüber anderen Trennmethoden, beispielsweise der Flüssigkeitschromatographie, den großen Vorteil, in kurzer Trennzeit extrem gute Separationen zu erzielen. So lassen sich in weniger als 20 Minuten Separationen mit mehr als einer Million theoretischer Böden erreichen, in weniger als einer Minute Bödenzahlen größer als 100 000.
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In der elektrophoretischen Kapillare fließen drei elektrische Teilstöme: (1) der elektrolytische Strom durch die wandernden Substanzionen, deren zeitlich gemittelte Ladung vom pH-Wert der Lösung abhängt, (2) ein elektroosmotischer Strom durch die Einwirkung von ortsfesten Wandladungen auf die Lösung, wodurch ein elektroosmotischer Vortrieb der Flüssigkeit erzeugt wird, und (3) ein meist überwiegend großer elektrolytischer Strom durch pH-Wert-bestimmende Säuren, Basen oder Salze der Lösung (Trennpuffer). Alle Arten von Kapillarelektrophorese haben dabei den Vorteil, daß die Wärme, die durch diese Ströme entsteht, sehr gut von den Kapillarwänden abgeleitet wird, und daher relativ große Stromdichten möglich werden.
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Der elektroosmotische Effekt besteht darin, daß durch ortsfeste Wandladungen, die durch den Elektrolyten entstehen, in der Flüssigkeit bewegliche Ladungen induziert werden, die unter der Potentialdifferenz zu einem elektrischen Strom, aber auch zu einem elektroosmotischen Flüssigkeitsstrom (EOF = electro osmotic flow) führen. Durch den elektroosmotischen Flüssigkeitsstrom wird Flüssigkeit in geringen Mengen durch die Kapillare gepumpt. Richtung und Größe des Flüssigkeitsstromes hängen dabei von der Art der Wandladungen, vom Kapillardurchmesser, von der Feldstärke und der Polarität des elektrischen Feldes ab.
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Die Wandladungen lassen sich durch Belegungen der Kapillarwand mit Polymeren beeinflussen. Beispielsweise werden in einer unbelegten Quarzkapillare negative Wandladungen erzeugt. Durch Bindung bestimmter organischen Verbindungen an die Wand, beispielsweise durch Aminopropylsilylierung, können dagegen positive Wandladungen erzeugt werden.
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Der elektroosmotische Fluss hat ganz andere Eigenschaften als ein Fluss, der unter der Wirkung eines äußeren Drucks in einer Kapillare zustande kommt. Unter äußerem Druck stellt sich ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil ein, mit einem Maximum der Geschwindigkeit in der Kapillarachse und der Geschwindigkeit Null an der Kapillarwand. Anders im Falle des elektroosmotischen Flusses: Hier schiebt sich die Flüssigkeitssäule als Ganzes unverzerrt durch die Kapillare und die Fließgeschwindigkeiten sind in jedem Punkt des Querschnitts gleich. Grund dafür ist ein Antrieb in der Art eines Linearmotors an der Kapillarwandoberfläche, der auf die induzierten Ladungen in der Flüssigkeitssäule wirkt. Die Moleküle in einer Front der Flüssigkeitssäule bleiben daher in dieser Front und können sich aus dieser Front nur durch eine sehr langsame achsiale Diffusion herausbewegen.
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In dieser Flüssigkeitssäule herrscht mm durch die äußerlich angelegte Spannung ein homogenes elektrisches Feld, und in diesem Feld migrieren die Substanzmoleküle. Die Geschwindigkkeit dieser Migration in der Flüssigkeit ist nur durch ihre Ladung (Kraft) und ihre Reibung (Gegenkraft) vorgegeben, wobei die Ladung durch den Dissoziierungsgrad beim herrschenden pH-Wert bestimmt wird, und die Reibung durch ihre Form und Größe. Der Vorgang ist analog zur Ionenmobilitätsspektrometrie, in der Ionen von einem elektrischen Feld durch ein Gas gezogen werden. Die Reibung ist in etwa dem durch das Molekulargewicht gegebenen Querschnitt proportional, hängt aber auch von weiteren Formfaktoren und der Anlagerung von anderen Molekülen, wie etwa der des Lösungsmittels, ab. Die Geschwindigkeit steigt linear proportional mit der Stärke des elektrischen Feldes an. Durch die sehr starke Verdünnung der Analytmoleküle im Elektrolyten wirkt die Wanderung der Analytmoleküle nur schwach auf den elektroosmotischen Fluss ein. Das Separationsvermögen einer Kapillare oder eines Kanals gegebenen Querschnitts ist in erster Näherung nur von der Länge abhängig (man spricht von der ”Zahl der theoretischen Böden pro Längeneinheit”). Das Separationsvermögen ist in erster Näherung unabhängig von der angelegten Spannung; die Spannung bestimmt aber bei gegebener Länge die Geschwindigkeit der Trennung und damit die Zeit für einen elektrophoretischen Trennungslauf. Für die meisten Anwendungszwecke ist es gerade die hohe Trenngeschwindigkeit, die den Reiz der Kapillarelektrophorese ausmacht.
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Bei genauerer Betrachtung darf die Trenngeschwindigkeit nicht zu weit abgesenkt werden, da dann die achsiale Diffusion der Substanzen, die sich der Migration überlagert, die Trennleistung verringert; dieser Einfluss ist allerdings sehr schwach: über weite Bereiche der angelegten Spannung hinweg ist die Trennleistung praktisch gleich. Das steht in scharfem Gegensatz zur Chromatographie, in der das Zusammenspiel von achsialer und radialer Diffusion erst eine optimale Trennleistung ergibt. Nur bei einer optimalen Flussgeschwindigkeit wird eine optimale Trennleistung erreicht; dieses Optimum wird nach seinem Ergründer van-Deemter-Optimum genannt.
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Die elektroosmotische Strömung ist unter stark sauren Bedingungen in Quarzkapillaren recht klein, die Strömungsgeschwindigkeit reicht dabei kaum an die Wanderungsgeschwindigkeit der langsamsten positiv geladenen Substanzmoleküle heran.
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Die Elektrophorese wird zunehmend in der Proteomik eingesetzt, und zwar zur Trennung der Verdaupeptide von Proteinen. Die Dissoziierung der Verdaupeptide liefert nun geladene Peptidionen, die in einem sauren Medium im Dissoziierungsgleichgewicht etwa eine bis drei positive Ladungen besitzen. Beispielsweise erreichen in einer Elektrophoresekapillare aus Quarzglas mit etwa 50 Mikrometer innerem Durchmesser und 50 Zentimeter Länge die ersten Peptide in einem sauren Trennpuffer bei einer Spannung von 30 Kilovolt nach etwa sechs Minuten das Ende der Kapillare und können von einem Detektor nachgewiesen werden. Die langsamsten Peptide brauchen dazu etwa zehn Minuten. In weiteren fünf Minuten erreichen die Neutralsubstanzen, die allein durch den elektroosmotischen Fluss transportiert werden, das Detektorende. Diese Neutralsubstanzen gehören unter diesen Bedingungen nicht zu den Peptiden und sind für die Analyse nicht von Interesse. Sehr schwach negativ geladene Ionen, deren elektrophoretische Wanderungsgeschwindigkeit, absolut gesehen, kleiner ist als die Geschwindigkeit des elektroosmotischen Flusses, kommen dann später als dieser am Detektor an; stärker negativ geladene Ionen können dagegen den Detektor nie erreichen, weil sie zur Eingabeseite hin wandern.
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zeigt ein typisches Elektrophorogramm eines Proteinverdaupeptid-Gemisches, wobei verunreinigende Neutralsubstanzen mit dem elektroosmotischen Fluss erscheinen.
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Die Ionisierung durch Elektrosprühen, die sich direkt mit elektrophoretischer Kapillartrennung koppeln lässt, erzeugt einen kontinuierlichen Ionenstrahl. Es kommen dann sowohl die klassischen Sektorfeld-Spektrometer, wie auch Quadrupolspektrometer für eine Analyse in Frage, beide Arten auch in Tandem-Anordnung, um MS/MS-Untersuchungen vornehmen zu können. Flugzeit-Massenspektrometer brauchen eine Auspulsung des quer eingeschossenen Ionenstrahls, können dann aber auch vorteilhaft genutzt werden. Die Ausbeute der zur Messung gelangenden Ionen ist hier höher als bei den als Filter fit jeweils eine einzige gemessene Masse wirkenden Sektorfeld- oder Quadrupol-Spektrometern.
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Besonders günstig sind hier speichernde Massenspektrometer, wie Quadrupol-Ionenfallen oder Ionen-Cyclotron-Resonanz-Geräte. Diese Geräte sind insbesondere auch für die Aufnahme von Tochter- oder Enkelionenspektren geeignet, da in ihnen auf mehrere bekannte Weisen einzelne Ionensorten selektiert und fragmentiert werden können.
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Für die durch matrixunterstützte Laserdesorption erzeugten Ionen (MALDI) eigen sich insbesondere Flugzeitmassenspektrometer (TOF), da die Ionen bereits in zeitlich kurzzeitigen Pulsen erzeugt werden, wie sie in diesen Geräten benötigt werden. Neuere Geräte dieser Art, die unter der generischen Bezeichnung TOF/TOF bekannt geworden sind, können auch höchstempfindlich für die Aufnahme von Tochterionenspektren metastabiler oder stoßinduzierter Ionen verwendet werden. Aber MALDI-Ionen lassen sich ebenfalls durch speichernde Massenspektrometer wie Quadrupol-Ionenfallenspektrometer oder Ionen-Cyclotron-Resonanz-Massenspektrometer untersuchen.
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Aufgabe der Erfindung
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Es ist Aufgabe der Erfindung, unter Verwendung der Kapillarelektrophorese Verfahren bereitzustellen, die neben der hohen Trennleistung der Kapillarelektrophorese auch eine Auswahl erwünschter Substanzen aus einer Vielzahl eingesetzter Substanzen bewirken, wobei in einem vorgegebenen Zeitfenster möglichst nur die erwünschten Substanzen an den Detektor gelangen sollen.
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Kurze Beschreibung der Erfindung
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Die Erfindung stellt ein Verfahren der Elektrophorese in Kapillaren oder mikrostrukturierten Kanälen zur Trennung eines Substanzgemisches bereit, in dem die Substanzen des Substanzgemisches vor der elektrophoretischen Trennung einer Derivatisierung mit ladungstragenden chemischen Gruppen unterworfen werden, und zwar so, dass sich Substanzen von analytischem Interesse durch ihre Wanderungsgeschwindigkeit von anderen Substanzen absetzen.
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Es ist also der Grundgedanke der Erfindung, durch ladungserzeugende Derivativisierungen (also durch ein chemisches Ladungsmanagement) die interessierenden und/oder die nicht interessierenden Substanzen so mit dissoziierungserzeugten Ladungen zu versehen, dass sich die Ladung der interessierenden Substanzen und somit ihre Wanderungsgeschwindigkeit bei einem eingestellten pH-Wert von der Ladung bzw. Wanderungsgeschwindigkeit der nicht interessierenden Substanzen stark unterscheidet. Durch eine Einstellung der elektrophoretischen Trennbedingungen, insbesondere des pH-Werts des Elektrolyten, der Polarität der elektrophoretischen Spannung und der Wandbelegung der Kapillare, kann dann erreicht werden, dass die interessierenden Substanzen in einem vorgegebenen Zeitfenster am Detektor ankommen.
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Organische Biopolymere, insbesondere Verdaupeptide, sind in verdünnter wässriger Lösung ganz überwiegend elektrolytisch dissoziiert. Beispielsweise tragen tryptische Verdaupeptide in saurem Elektrolyten im Dissoziierungsgleichgewicht etwa ein bis drei positive Ladungen. Sie kommen daher bei negativer Ziehspannung an einer geeigneten elektrophoretischen Kapillarsäule eher am Detektor an als neutrale Substanzen, die ohne elektrophoretisch erzeugte Zusatzgeschwingigkeit mit dem elektroosmotischen Fluss (EOF) ankommen.
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Versieht man nun beispielsweise unerwünschte Substanzen mit chemischen Gruppen, die mindestens drei negative Ladungen tragen, so werden diese in dem bevorzugten Analysenintervall vor Ankunft des elektroosmotischen Flusses nicht detektiert.
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Umgekehrt kann man auch erwünschte Substanzen mit negativen Ladungen versehen, und eine Säule benutzen, deren elektroosmotischer Fluss bei positiver Ziehspannung zum Detektor hin weist.
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Die interessierenden Substanzen des Zeitfensters können direkt einem Massenspektrometer zugeführt werden, es können aber auch einzelne Fraktionen in einer zweiten Trenndimension erst noch einer weiteren Trennung, beispielsweise einer chromatographischen, unterzogen werden.
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Beschreibung der Abbildung
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zeigt ein typisches Elektrophorogramm einer Verdaupeptidmischung. Die Verdaupeptide erscheinen nach sechs Minuten und enden nach zehn Minuten. Nach 15 Minuten erscheinen einige neutrale Substanzen, die mit dem elektroosmotischen Fluss (EOF) ausgespült werden. Diese Substanzen gehören nicht zu den Verdaupeptiden.
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Besonders günstige Ausführungsformen
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Gegenstand dieser Erfindung ist eine Methode zur qualitativen und quantitativen Charakterisierung von Biosubstanzen in komplexen Gemischen, welche sowohl Substanzen von analytischem Interesse wie auch eine Vielzahl von anderen Substanzen enthalten. Die Erfindung stellt ein Verfahren bereit, das es erlaubt, die Substanzen von besonderem analytischem Interesse von den anderen Substanzen zu trennen, und zwar unter Verwendung eines hervorragenden Separationsverfahrens, der Kapillarelektrophorese. Eine besonders günstige Ausführungsform bezieht sich auf die Proteomik, mit einer frühen Aufspaltung der Proteine eines komplexen Gemisches durch enzymatischen Verdau und anschließende Trennung der Verdaupeptide. Das Verfahren kann in vielfältiger Weise für die vereinfachte Identifizierung eines Proteoms, für die Bestimmung relativer Proteinexpressionen in verschieden gestressten Proteomen, wie auch zur besonderen Charakterisierung des Proteoms durch etwa posttranslationale Modifikationen (PTMs) seiner Proteine verwenden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren beruht auf einer gezielten Derivatisierung aller Biosubstanzen des Gemisches mit einer gemeinsamen Eigenschaft, beispielsweise also alle Verdaupeptide aus einem Proteom mit einer unmaskierten endständigen Aminogruppe, mit einer posttranslationalen Modifikation (PTM), mit einer seltenen Aminosäure oder dergleichen, und zwar in einer Weise, dass die modifizierte Substanz eine andere Mobilität in der anschließenden elektrophoretischen Trennung erhält als die der nichtmodifizierten Substanzen. Die Erfindung macht also davon Gebrauch, dass die analytisch interessierende Substanzen aus einem komplexen Gemisch in der Regel eine oder mehrere gemeinsame Eigenschaften haben.
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Die Derivatisierung mit Ladungsgruppen kann dabei in einem Schritt erfolgen, oder auch in mehreren Schritten, wobei der erste Schritt bekannte Derivatisierungsreaktanden für die ausgewählten funktionellen Gruppen enthält, und erst ein späterer Schritt die Gruppen mit den dissozierungsfähigen Ladungen anfügt.
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Es seien hier einige Beispiele für an sich bekannte Derivatisierungen von bestimmten funktionellen Gruppen gegeben, die erforderlichenfalls durch die Synthese von Derivaten mit weiteren negativen Ladungen (z. B. Sulfonatgruppen) oder positiven Ladungen (z. B. Pyridinium) versehen werden können:
- – Acylierung endständiger Aminogruppen
- – Nitrierung von Tyrosin mit Tetranitromethan zur Erhöhung der Acidität der Hydroxylgruppe
- – Umsetzung der Histidinreste mit modifizierten Pyrocarbonaten
- – Oxidation des Cysteins zur Cysteinsäure mit Perameisen- oder Peressigsäure.
- – Alkylierung des Cysteins mit Iodessigsäure oder entsprechenden Sulfoderivaten
- – Modifizierung des Cysteins mit 2,2'-Dinitro-5,5'-dithiobenzoesäure (Ellman's Reagenz). Dies führt zu einer fixierten negativen Ladung in Form einer Carbonsäure.
- – Modifizierung des Cysteins mit 1-Benzyl-2-chloropyridiniumbromid. Über den Pyridiniumring wird eine positive Ladung eingeführt.
- – Methylierung von Aspartat und Glutamat mit methanolischer Salzsäure. Dies führt zur Entfernung einer negativen Ladung pro eingeführter Modifizierung.
- – Modifizierung von Aspartat und Glutamat mit 2-Aminoethylpiperidin oder 2-Aminoethylpyrolidin in Gegenwart von wasserlöslichem Carbodiimid. Dies führt zum Ersatz einer fixierten negativen Ladung durch eine fixierte positive Ladung.
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Dem in diesem Feld der Proteomik tätigen Biochemiker sind diese und viele andere Derivatisierungsmöglichkeiten bekannt.
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Als Beispiele für stark ladungserzeugende Reagenzien seien hier angeführt:
- – Sulfonierte aromatische und aliphatische Systeme für negative Ladungen, insbesondere Trisulfonsäuren für drei negative Ladungen,
- – Quaternäre Ammoniumverbindungen für positive Ladungen,
- – Phosphorsäureester für negative Ladungen, insbesondere Phosphorsäuremonoester für zwei negative Ladungen.
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Auch hier kann der Biochemiker leicht weitere dissoziierende Gruppen angeben.
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Optimalerweise enthält die durch Derivatisierung eingeführte Gruppe nach Dissoziierung in dem für den elektrophoretischen Puffer verwendeten pH-Bereich eine oder vorzugsweise mehrere Ladungen von anderem Vorzeichen als der überwiegende Rest der Substanzen. Durch Einstellung der Parameter für die Kapillarelektrophorese kann man es erreichen, dass praktisch nur die ausgewählten Peptide die Kapillarsäule im ausgewählten Zeitfenster durchlaufen; die Analyse wird somit auf die gewünschten Substanzen reduziert. Eine einzige Analyse reicht dann aus, um alle Peptide eines Typs, wie beispielsweise N-terminale Verdaupeptide, Verdaupeptide mit seltenen Aminosäuren oder Verdaupeptide mit posttranslationalen Modifikationen in einem komplexen Gemisch zu erfassen.
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Waren die Proteine aus zwei Proteomen in verschiedener Weise durch Isotopen markiert, so lässt dieses Verfahren eine vergleichende Quantisierung eines Proteins anhand nur eines einzigen Verdaupeptids dieses Proteins zu, also eine Feststellung von Unter- und Überexpressionen des zugrundeliegenden Proteins.
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Es seien hier einige besonders günstige Ausführungsformen dargestellt:
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I. Identifizierung und relative Quantifizierung von Proteinen aus zwei verschieden gestressten Proteomen über das N-terminale Verdaupeptid
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Für diese Art von Analysen ist es Ziel, diejenigen Proteine zu finden, die bei einem gestressten Proteom (ein Proteom ist der Verband aller Proteine eines Gewebes oder einer Körperflüssigkeit) stärker oder schwächer auftreten als in einem ungestressten Proteom. Der Stress kann ein physikalischer Stress wie Druck oder Temperatur sein, ein chemischer Stress, beispielsweise durch eine Medikamentengabe, oder auch ein biologischer Stress durch Alterung oder Krankheit.
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Die Proteine eines Proteoms werden dabei durch Derivatisierung mit einer isotopenmarkierten Gruppe gekennzeichnet, die des anderen Proteoms mit derselben chemischen Gruppe, aber nicht isotopenmarkiert. Die Isotopenmarkierung kann durch Deuterium (2H), 13C, 15N, 18O oder andere sonst seltenen Isotope erfolgen, wobei durch die Verwendung von mehreren Atomen des Isotops im markierten Molekül ein genügend großer Massenabstand zum Normalmolekül von (in der Regel) mindestens etwa sechs atomaren Masseneinheiten hergestellt wird.
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Das Verfahren wird hier am Beispiel einer Auswahl der ehemals endständigen Verdaupeptide der Proteine aufgezeigt:
- 1. Die freien primären Aminogruppen der intakten Proteine (insbesondere dabei die Aminogruppen des jeweiligen N-Terminus) in den beiden noch getrennten Proteomen werden durch eine isotopenmarkierte Gruppe markiert, beispielsweise mit 13C-Atomen für das „isotopenmarkierte” Proteom und mit 12C-Atomen für das andere, unmarkierte, aber sonst identisch derivatisierte Proteom. Diese Markierung ist zugleich auch eine Maskierung, die vor weiteren Derivatisierungen der Aminogruppen schützt.
- 2. Die beiden Proteome werden gemischt und gemeinsam mit Trypsin verdaut.
- 3. Es werden nun alle durch den enzymatischen Verdau freigewordenen primären Aminogruppen mit einer funktionellen Gruppe mit jeweils drei negativen Ladungen, beispielsweise mit einer Trisulfonsäure, derivatisiert. Die Derivatisierung betrifft alle Verdaupeptide, die nicht ehemals N-terminal endständig waren, also alle Verdaupeptide, deren Aminogruppen nicht maskiert sind. Durch die negativen Ladungen werden sie von der Analyse ausgeschlossen, da sie nicht vor dem elektroosmotischen Fluss am Kapillar- oder Kanalende ankommen.
- 4. Die Lösung mit den Tausenden von Verdaupeptiden wird jetzt durch elektrodynamische oder hydrostatische Injektion und unter Verwendung eines sauren Puffersystems in die Kapillare oder den Kanal zur nachfolgenden Elektrophorese eingebracht.
- 5. Die Peptide werden durch Anlegen eines elektrischen Feldes getrennt, wobei das negative Potential auf der Detektorseite angeschlossen wird: nur die ehemals N-terminalen Verdaupeptide eines jeden Proteins erreichen den Detektor.
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Als Detektor wird ein Massenspektrometer verwendet; aus den relativen Intensitäten der jeweils beiden Isotopengruppen eines Verdaupeptids wird eine relative Quantifizierung hergeleitet, die über die relative Expression des zugehörigen Proteins im gestressten Proteom Auskunft gibt. Eine Identifizierung kann entweder über eine Bestimmung der Aminosäure-Teilsequenzen mit Tandemmassenspektrometrie mit anschließender Suche in Proteinsequenzdatenbanken oder über eine Messung der Wanderungsgeschwindigkeit in Kombination mit einer Bestimmung der präzisen Masse erfolgen.
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In einem nichtdifferentiellen Ansatz kann bei analoger Vorgehensweise eine einfache und schnelle Identifizierung zahlreicher Proteine in einem Proteom erfolgen.
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Analog lässt sich das Verfahren auch auf die Derivatisierung des C-terminalen Peptids anwenden.
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II. Identifizierung und Quantifizierung von Proteinen über seltene Aminosäuren
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Es werden hier nicht die N-terminalen Verdaupeptide zur Analyse herangezogen, sondern Verdaupeptide mit relativ seltenen Aminosäuren. Dabei werden alle Aminosäuren mit bestimmten funktionalen Gruppen mit negativen Ladungen derivatisiert. Eine Analyse des Gemisches im nicht zu sauren Elektrolyten durch elektrophoretische Trennung mit dem positiven Potential auf der Detektorseite führt dazu, dass nur die modifizierten (auch im sauren pH-Bereich negativ geladenen) Verdaupeptide im entsprechenden Zeitfenster den Detektor erreichen.
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III. Bestimmung von Posttranslationalen Modifikationen
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Hier bestehen, jeweils abhängig von der Anwendung, grundsätzlich zwei Wege:
- A) An der Modifikation (beispielsweise die Phosphorgruppen phosphorylierter Aminosäuren, oder die Zuckerreste glycosylierter Stellen) wird das Peptid so modifiziert, dass es bei einem gegebenem pH-Wert des Puffers eine zu den anderen Peptiden umgekehrte Ladung erhält.
- B) Alle Aminosäuren, die für die Modifikation in Frage kommen, jedoch keine modifizierende Gruppe tragen, werden an dieser Stelle so derivatisiert, dass sie nicht detektiert werden.
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Hier einige Beispiele:
Zur Bestimmung von Phosporylierungen lassen sich Phosphorreste unter Verwendung von Carbodiimiden (z. B. EDC, 1-ethyl-3-(3-dimethylaminopropyl)carbodiimid hydrochlorid) mit Aminen alkylieren. So lassen sich negative Ladungsträger einführen.
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Durch eine Eliminierung der Phosphatgruppe lassen sich durch Addition an die entstehende Doppelbindung ebenfalls negative Ladungen einführen.
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Zur Bestimmung von Glykolisierungen lassen sich die Hydroxy-Gruppen des Zuckers mit Natriumperiodat zum Aldehyd oxidieren, an welchen dann verschiedene Derivatisierungen durchgeführt werden können, etwa durch Bildung eines Hydrazin-Derivats.
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Weitere Modifikationen lassen sich durch entsprechende Reagenzienauswahl mit dem gleichen Verfahren selektiv analysieren. Auch hier sind dem Biochemiker entsprechende Derivatisierungsmöglichkeiten bekannt.
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Alle geschilderten Vorgehensweisen sind analog auch durch Einführung von positiven Derivatisierungen und elektrophoretischer Trennung unter basischen Bedingungen und umgepolten Feld möglich.
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Auch bei diesen Untersuchungen zur posttranslationalen Modifikation lassen sich Quantifizierung durchführen, die sich auf die Prozentsätze der Modifikationen beziehen. Hier kann wieder die Isotopenmarkierung erfolgreich eingesetzt werden.
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Kapillarelektrophorese läßt sich sowohl in wässriger als auch in organischen Lösungsmitteln (non aqueous capillary electrophoresis – NACE) durchführen. Da in organischen Lösungsmitteln eine geringerer Ionisierungsgrad von Peptiden zu erwarten ist, ist hier das Einbringen von permanenten Ladungen besonders erfolgversprechend.
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Das erfindungsgemäße Verfahren lässt sich prinzipiell auch für andere Moleküle in komplexen Gemischen nutzen.
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Im Vergleich zu LC-Methoden lässt sich die Kapillarelektrophorese einfacher miniaturisieren. Es lässt sich damit ein Zeitgewinn erzielen; außerdem kann eine Parallelisierung durch zeitgleich ablaufende Verfahren erreicht werden. Die Erfindung ist daher besonders auch für mikrostrukturierte Analysensysteme erfolgversprechend.
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Das erfindunggemäße Verfahren lässt sich auch mit weiteren Trennverfahren zu mehrdimensionalen Separationsverfahren vereinigen, beispeilsweise zu einem CE-HPLC-Verfahren.