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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Fahrzeugstabilität bei kurz bevorstehendem und/oder bereits auftretendem Aquaplaning gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, sowie ein entsprechendes System gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 4.
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Aquaplaning tritt bekanntlich ab einer Geschwindigkeit auf, die je nach Fahrzeug- und Reifeneigenschaften unterschiedlich hoch sein kann. Dabei bildet sich insbesondere unter den Vorderreifen ein Wasserfilm, der bewirkt, dass das Fahrzeug aufschwimmt und den Kontakt zur Fahrbahn verliert. Die Folge hiervon ist ein völliger Verlust der Fahrzeugkontrolle.
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Zur Erkennung von Aquaplaning sind z. B. optische Sensoren bekannt, mit denen die Wasserhöhe vor dem Fahrzeug abgeschätzt werden und der Fahrer bei Gefahr von Aquaplaning frühzeitig gewarnt werden kann. Ferner ist es bekannt, in Sicherheitssystemen wie z. B. ESP oder ASR, Aquaplaning an den Raddrehzahlen zu erkennen.
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So ist beispielsweise aus der Druckschrift
DE 195 43 928 A1 ein Verfahren zur frühzeitigen Erkennung des Aufschwimmens eines Fahrzeugreifens auf nasser Fahrbahn bekannt, worin ein Aquaplaningfaktor ermittelt und dem Fahrer zur Anzeige gebracht, sowie für eine Steuerung des Fahrzeugverhaltens herangezogen werden kann.
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Maßnahmen, die das Auftreten von Aguaplaning vollständig verhindern oder zumindest hinauszögern sind dagegen nicht bekannt.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren sowie ein System zu schaffen, mit dem die Fahrzeugkontrolle bei Aquaplaning wiederhergestellt werden oder das Auftreten von Aquaplaning zumindest hinausgezögert werden kann.
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Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 sowie 4 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand von Unteransprüchen.
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Der wesentliche Gedanke der Erfindung besteht darin, am Fahrzeug eine Aquaplaning-Sensorik vorzusehen, mit der Aquaplaning und/oder die Gefahr von Aquaplaning erkannt werden kann, und bei Aquaplaning oder Gefahr von Aquaplaning durch Betätigen eines aktiven Fahrwerks die Radaufstandskraft an einem betroffenen Rad zu erhöhen. Durch den zusätzlichen Druck auf die Fahrbahn kann der unter dem Rad befindliche Wasserfilm besser verdrängt werden, so dass der Reifen mit der Fahrbahn wieder in Kontakt kommt bzw. in Kontakt bleibt. Die Fahrzeugstabilität und insbesondere die Fahrzeugsicherheit werden dadurch wesentlich erhöht.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung umfaßt die Aquaplaning-Sensorik mehrere Reifenlatschsensoren, d. h. Sensoren, die im Mantel, insbesondere im Profil eines Reifens angeordnet sind. Derartige Sensoren liefern unmittelbar Information über den aktuellen Aquaplaning-Zustand.
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Wahlweise kann die Aquaplaning-Sensorik auch HF-Sensoren (Radar) oder optische Sensoren umfassen, die beispielsweise vorne am Fahrzeug angebracht sind und die Höhe des Wasserfilms vor dem Fahrzeug messen. Um in diesem Fall feststellen zu können ob Aquaplaning auftritt bzw. die Gefahr- von Aquaplaning besteht, muß zusätzlich noch die Geschwindigkeit des Fahrzeugs berücksichtigt werden. Bei Überschreiten vorgegebener Schwellenwerte für die Höhe des Wasserfilms und die Fahrzeuggeschwindigkeit kann schließlich Aquaplaning bzw. die Gefahr von Aquaplaning erkannt werden.
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Die genannten Reifenlatschsensoren sind vorzugsweise an den Vorderrädern des Fahrzeugs angebracht. Aquaplaning tritt in der Regel zunächst an den Vorderrädern eines Fahrzeugs auf, da die Hinterräder meist in der Spur der Vorderräder laufen.
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Wird Aquaplaning bzw. die Gefahr von Aquaplaning an einem der Räder festgestellt, so wird die Radaufstandskraft an diesem Rad erhöht. Wird dagegen Aquaplaning bzw. die Gefahr von Aquaplaning an mehreren Rädern, insbesondere den beiden Vorderrädern, festgestellt, so wird im Falle einer Geradeausfahrt die Radaufstandskraft an einem der beiden Vorderräder, insbesondere demjenigen mit der größeren Aquaplaningneigung, erhöht. Bei Kurvenfahrt wird die Radaufstandskraft vorzugsweise am kurvenäußeren Vorderrad erhöht. Das kurvenäußere Vorderrad muß im Vergleich zum kurveninneren Rad die wesentlich höheren Querkräfte aufnehmen und darf möglichst nicht die Führung verlieren.
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Die Radaufstandskraft wird vorzugsweise durch ein aktives Fahrwerk beeinflußt, das von einer Steuereinheit entsprechend angesteuert wird. Das Fahrwerk umfaßt beispielsweise aktive Federbeine, die nach Bedarf ein- und ausgefahren werden können. Hierdurch ist es möglich, die Gesamtlast des Fahrzeugs auf vorgegebene Räder nach Wunsch zu verteilen.
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Die Steuereinheit kann neben der Beeinflussung des Fahrwerks auch aktiv in den Fahrbetrieb des Fahrzeugs eingreifen und bei Aquaplaning bzw. bei einer Gefahr von Aquaplaning beispielsweise die Motorleistung drosseln oder einen Bremsvorgang durchführen.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
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1 eine schematische Aufsicht auf ein Fahrzeug mit den wesentlichen Komponenten eines Systems zur Erhöhung der Fahrzeugstabilität bei Aquaplaning;
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2 eine vergrößerte Ansicht eines Rades des Fahrzeugs von 1;
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3 eine vergrößerte Ansicht des Profils des Rades von 2;
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4 einen Profilstollen des Rades von 2 mit Reifenlatschsensoren;
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5 den Verlauf des Sensorabstands der Reifenlatschsensoren von 4;
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6 den Verlauf der Bremskraft über der Radaufstandskraft bei verschiedenen Straßenverhältnissen;
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7 den Verlauf der Bremskraft über der Radaufstandskraft bei Aquaplaning;
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8 ein Flussdiagramm zur Erläuterung des Grundprinzips des erfindungsgemäßen Verfahrens; und
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9 ein Flussdiagramm zur Erläuterung einer speziellen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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1 zeigt eine Aufsicht auf ein Fahrzeug 4 mit den wesentlichen Komponenten 3, 5, 6, 7 eines Systems zur Verbesserung der Fahrzeugstabilität bei Aquaplaning, wobei das Bezugszeichen 3 Reifenlatschsensoren, 5 verstellbare Federbeine, 6 eine Motorsteuerung und 7 Radbremsen bezeichnet.
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Zur Erkennung von Aquaplaning bzw. der Gefahr von Aquaplaning sind an den beiden Vorderrädern 1a, 1b Reifenlatschsensoren 3 vorgesehen. Wahlweise können auch alle vier Räder 1a–1d entsprechende Sensoren 3 aufweisen.
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Die Messsignale der Sensoren 3 werden über Signalleitungen 14 an eine Steuereinheit 2 übertragen, welche die Signale auswertet und feststellt, ob an einem der Vorderräder 1a, 1b Aquaplaning auftritt oder die Gefahr von Aquaplaning besteht. Dies erfolgt in üblicher Weise durch Vergleich der Messsignale mit vorgegebenen Schwellenwerten.
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Um Aquaplaning bereits im Vorfeld zu vermeiden bzw. die Fahrzeugstabilität bei Aquaplaning wieder herzustellen, wird das Fahrwerk des Fahrzeugs 4 von der Steuereinheit 2 so verspannt, dass sich die Summe der übertragbaren Bremskräfte erhöht. Hierzu umfasst das aktive Fahrwerk verstellbare Federbeine 5, die von der Steuereinheit 2 nach Bedarf aus- und eingefahren werden können.
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Die Funktionsweise des Systems läßt sich anhand der 6 und 7 besser erläutern: 6 zeigt den Verlauf der von einem Rad 1 auf die Fahrbahn übertragbaren Bremskraft Fr bei unterschiedlichen Fahrbedingungen A, B, C. Dabei bezeichnet A eine trockene Fahrbahn, B eine feuchte Fahrbahn und C den Aquaplaning-Zustand bei nasser Fahrbahn.
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Wie zu erkennen ist, verhält sich die Bremskraft FBr bei trockener und feuchter Fahrbahn A, B im wesentlichen linear zur Radaufstandskraft FN. Bei Aquaplaning (C) ist die Kennlinie dagegen nicht-linear.
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Bis zu einer Radaufstandskraft a schwimmt der Reifen bei geringen Radaufstandskräften FN auf dem Wasserfilm auf. Zwischen den Radaufstandskräften a und c wird der unter der Radaufstandsfläche befindliche Wasserfilm zunehmend verdrängt. Bei höheren Radaufstandskräften FN in einer Größenordnung von c und darüber verhält sich die Bremskraft FBr näherungsweise wie bei einer feuchten Fahrbahn B.
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Die Kurve (C) ist in 7 nochmals vergrößert dargestellt. Befinden sich die Radaufstandskräfte FN eines Rades im Bereich zwischen d und d – Δ so hat eine Erhöhung der Radaufstandskräfte FN auf einen Wert zwischen d und d + Δ eine weit überproportionale Erhöhung der übertragbaren Bremskräfte FBr zur Folge. Eine relativ geringe Erhöhung der Reifenaufstandskraft FN bewirkt somit eine wesentlich stärkere Erhöhung der übertragbaren Bremskraft FBr.
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Wie erwähnt, wird die Änderung der Reifenaufstandskraft durch das Aus- und Einfahren der Federbeine 5 bewirkt. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: im Normalfall liegen auf den Vorderachsrädern 1a, 1b z. B. jeweils 5.000 N und auf den Hinterrädern 1c, 1d jeweils 3.000 N. Wird beispielsweise am linken Vorderrad 1a Aquaplaning festgestellt, so kann die Normalkraft FN durch geeignetes Betätigen der Federbeine 5 am linken Vorderrad 1a beispielsweise auf 10.000 N und am rechten Hinterrad 1c z. B. auf 6.000 N eingestellt werden. Im extremsten Fall fährt dann das Fahrzeug 4 nur noch auf einem Vorder- 1a, 1b und einem Hinterrad 1c, 1d, die sich diagonal gegenüberliegen. Diese zwei Räder (z. B. 1a, 1c) haben dann vollständigen Bodenkontakt, während die beiden anderen Räder (z. B. 1b, 1d) nahezu vollends aufschwimmen. In Summe (über sämtliche Räder 1 des Fahrzeugs betrachtet) kann dadurch aber die gesamte übertragbare Bremskraft FBr gesteigert werden.
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Die Anbringung und Funktion der Reifenlatschsensoren 3 ist nochmals in den 2 bis 5 dargestellt.
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2 zeigt zunächst eine vergrößerte Ansicht eines Rades 1, das auf einer Fahrbahn 8 auf einer Radaufstandskraft FN aufsteht. Die Aufstandsfläche (Rahmen III) ist nochmals in 3 vergrößert dargestellt.
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3 zeigt eine vergrößerte Ansicht der Radaufstandsfläche des Rades 1 mit mehreren Profilstollen 9. Einer der in Rollrichtung vorne liegenden Profilstollen 9 (im Bereich IV) ist in 4 nochmals vergrößert dargestellt.
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4 zeigt einen Profilstollen 9 mit zwei Reifenlatschsensoren 3. Beim Abrollen des Reifens 1 auf der Fahrbahn 8 wird der am freien Ende des Profilstollens 9 sitzende Reifenlatschsensor 3 gegenüber dem anderen Sensor 3 zunächst nach vorne und bei weiterem Abrollen des Reifens 1 nach hinten um eine Distanz Δx ausgelenkt. Dabei erzeugen die Sensoren 3 ein sinusförmiges Signal 10, das in 5 dargestellt ist.
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Befindet sich der Reifen 1 dagegen in Aquaplaning bzw. an der Grenze zum Aquaplaning, so bildet sich in Rollrichtung vorne am Reifen eine Welle, die bewirkt, dass der Stollen 9 besonders stark nach oben gebogen wird. Dies ist in 5 im Abschnitt 12 der Kurve 11 zu erkennen. Nach dem Eintauchen in die Welle federt der Stollen 9 zurück und wird dann erst wieder durch die Berührung mit der Fahrbahn 8 nach oben ausgelenkt (siehe den wellenförmigen Verlauf in der Kurve 11).
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Entspricht der Verlauf des Sensorsignals 11 einem vorgegebenen Kriterium, wie z. B. einer vorgegebenen Ausprägung des wellenförmigen Verlaufs, so wird auf Aquaplaning bzw. eine Gefahr von Aquaplaning erkannt. Die Steuereinheit 2 kann somit rechtzeitig reagieren, bevor das Fahrzeug außer Kontrolle gerät. Die von der Steuereinheit 2 durchgeführten Gegenmaßnahmen werden nochmals kurz anhand der 8 und 9 erläutert:
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8 zeigt die wesentlichen Verfahrensschritte des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form eines Flußdiagramms. Dabei werden in Schritt 20 zunächst die Reifenlatschsensoren 3 der Vorderräder 1a, 1b ausgewertet und festgestellt, ob Aquaplaning oder eine Gefahr von Aquaplaning besteht. Ist dies nicht der Fall, wird zum Start des Verfahrens zurückverzweigt. Ergibt die Auswertung dagegen, dass Aquaplaning vorliegt oder zumindest die Gefahr von Aquaplaning besteht, wird die Radaufstandskraft FN des betroffenen Rades 1a bzw. 1b erhöht. Hierzu werden die Federbeine 5 von der Steuereinheit 2 über die Steuerleitungen 15 entsprechend angesteuert (Schritt 21). Zusätzlich kann die Steuereinheit 2 auch aktiv in den Fahrbetrieb des Fahrzeugs eingreifen, wobei z. B. eine Motorsteuerung 6 zum Drosseln der Motorleistung aufgefordert oder die Bremsen 7 betätigt werden.
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Wird an beiden Rädern 1a, 1b Aquaplaning festgestellt, so wird im Falle einer Geradeausfahrt die Radaufstandskraft FN eines der beiden Vorderräder 1a, 1b erhöht. Bei Kurvenfahrt wird dagegen die Radaufstandskraft FN des kurvenäußeren Rades erhöht. Dies ist nochmals in 9 anhand eines Flußdiagramms dargestellt.
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In 9 werden ebenfalls in Schritt 20 die Reifenlatschsensoren 3 ausgewertet und festgestellt, ob an einem der Räder 1a–1d Aquaplaning auftritt oder die Gefahr von Aquaplaning besteht. Ist dies der Fall, wird in Schritt 22 ermittelt, ob eine Geradeaus- oder Kurvenfahrt vorliegt. Hierzu wird der Kurvenradius r mit einem vorgegebenen Schwellenwert sw verglichen (Abfrage r < sw).
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Ist der Kurvenradius r größer als der Schwellenwert sw, liegt Geradeausfahrt vor, und in Schritt 23 wird die Radaufstandskraft FN eines der Vorderräder 1a bzw. 1b erhöht. Ist dagegen der Kurvenradius r kleiner als der vorgegebene Schwellenwert sw, so liegt eine Kurvenfahrt vor und in Schritt 24 wird die Radaufstandskraft FN des kurvenäußeren Rades erhöht. Die veränderte Einstellung der Radaufstandskräfte bleibt solange erhalten, bis kein Aquaplaning bzw. keine Gefahr von Aquaplaning mehr besteht. Dann wird das aktive Fahrwerk wieder in die Grundeinstellung zurückgesetzt.
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Bezugszeichenliste
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- 1a–1d
- Räder
- 2
- Steuereinheit
- 3
- Latschsensoren
- 4
- Fahrzeug
- 5
- Federbeine
- 6
- Motorsteuerung
- 7
- Bremsen
- 8
- Fahrbahn
- 9
- Profilstollen
- 10
- Meßkurve bei hohem Reibwert
- 11
- Meßkurve bei Aquaplaning
- 12
- Überhöhung der Meßkurve von 11
- 14
- Signalleitungen
- 15
- Steuerleitungen
- 20–24
- Verfahrensschritte
- FN
- Radaufstandskraft
- Δx
- Auslenkung
- r
- Kurvenradius
- FBr
- Bremskraft