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Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ein System gemäß Oberbegriff von Anspruch 8.
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Die für das Erreichen und Beibehalten von gewünschter Fahrgeschwindigkeit und Fahrtrichtung erforderlichen Längs- und Querkräfte werden über die Reifenaufstandsflächen eines Kraftfahrzeugs auf die Fahrbahn übertragen. Bei einer Fahrt auf regennasser Fahrbahn kann sich ein Wasserkeil zwischen Reifen und Fahrbahnoberfläche ausbilden, der mit zunehmender Geschwindigkeit immer größere Bereiche der Aufstandsflächen umfasst. Insbesondere auf der Autobahn kann es daher zu Aquaplaning – einem vollständigen Aufschwimmen der Reifen auf dem Wasserfilm – kommen, wobei wegen einer Ablösung der Reifen von der Fahrbahn wenig bis gar keine Längs- und Querkräfte mehr übertragen werden können und das Fahrzeug somit durch den Fahrer nur noch schwer oder gar nicht mehr gelenkt werden kann.
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In der
WO 2005/087561 A1 sind ein Verfahren und ein System zum Erkennen von fehlerhaften Fahrzuständen eines Fahrzeugs bei spezifischen Fahrsituationen mit einem aktiven und einem passiven Sicherheitssystem offenbart. Ein Aquaplaning-Zustand des Fahrzeugs wird ermittelt und in Korrelation zu einem fehlerhaften Fahrzustand des Fahrzeugs bewertet, wobei der im Hinblick auf den Aquaplaning-Zustand fehlerhafte Fahrzustand anhand von Größen ermittelt wird, die in dem aktiven Sicherheitssystem vorhanden sind. Hierbei ist vorgesehen, dass der Aquaplaning-Zustand des Fahrzeugs anhand von Raddrehzahlsensoren ermittelt wird.
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Die
WO 2011/100943 A1 beschreibt ein Verfahren zur automatischen Prävention von Aquaplaning während des Fahrbetriebs eines Kraftfahrzeugs auf einer Fahrstrecke, wobei streckenbezogene Informationen hinsichtlich der Gefahr von Aquaplaning im Kraftfahrzeug bereitgestellt werden, wobei wenigstens eine Sensoreinrichtung zur Bestimmung einer nassen Fahrbahn vorgesehen ist, und wobei bei Vorliegen eines Streckenabschnitts der Fahrstrecke mit Aquaplaning-Gefahr und der Detektion einer nassen Fahrbahn eine Assistenzfunktion zur Prävention von Aquaplaning durchgeführt wird. Bei einem Kraftfahrzeug mit Geschwindigkeitsregelsystem wird dieses derart angepasst, dass die Geschwindigkeit verringert wird. Wird beispielsweise eine Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h vorgegeben, tritt gemäß dieser Schrift kein Aquaplaning auf.
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Aus der
DE 10 2008 034 908 A1 ist ein Verfahren zur Stabilisierung eines Fahrzeugs bei Aquaplaning bekannt. Nachdem ein bevorstehendes oder bestehendes Aquaplaning erkannt wurde, wird ein Sollverhalten bzw. eine Sollgierrate des Fahrzeugs in Abhängigkeit von einem Lenkwinkel und einer Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs bestimmt, und durch Abbremsen eines Hinterrades des Fahrzeugs ein Giermoment erzeugt, um das Istverhalten des Fahrzeugs dem Sollverhalten anzunähern. Während des Abbremsens des Hinterrades wird mittels eines aktiven Fahrwerks eine Radaufstandskraft dieses Hinterrades erhöht.
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Die beschriebenen Verfahren benötigen spezielle Einrichtungen, wie ein Geschwindigkeitsregelsystem oder ein aktives Fahrwerk. Sie können vom Fahrer teilweise auch als entmündigend empfunden werden, wenn z.B. das Fahrzeug plötzlich abbremst, obwohl die Fahrsituation aus Sicht des Fahrers ungefährlich ist.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, den Fahrer bei der Vermeidung von aus Aquaplaning resultierenden Gefahrensituationen zu unterstützen.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. ein System gemäß Anspruch 8 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren zur Sicherung der Fahrstabilität eines Fahrzeugs bei Aquaplaning bereitgestellt, wobei eine Erkennung des Auftretens von Aquaplaning anhand mindestens eines Sensors erfolgt, wobei ein Soll-Verhalten des Fahrzeugs bestimmt und mit einem Ist-Verhalten des Fahrzeugs verglichen wird, und wobei mit mindestens einem Aktuator des Fahrzeugs ein Eingriff erfolgt, wenn Soll-Verhalten des Fahrzeugs und Ist-Verhalten des Fahrzeugs voneinander abweichen. Erfindungsgemäß umfasst ein mit dem Lenkbetätigungselement verbundener Lenkstrang des Fahrzeugs einen Aktuator, insbesondere einen Motor einer elektrischen Servolenkung, und bei erkanntem Auftreten von Aquaplaning wird ein zusätzliches Drehmoment auf den Lenkstrang des Fahrzeugs aufgeprägt. Der Lenkstrang kann hierbei eine direkte mechanische Verbindung zu den Fahrzeugrädern umfassen oder in einer Steer-by-Wire-Anordnung zweigeteilt sein; in diesem Fall ist der mit dem Lenkbetätigungselement verbundene Teil des Lenkstrangs gemeint. Das Lenkbetätigungselement wird vom Fahrer bedient und ist vorzugsweise als Lenkrad ausgeführt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren hat den Vorteil, dass nicht angebrachte Fahrerreaktionen, die zu einer Gefährdung der Fahrsicherheit führen können, vermieden oder erschwert werden. Dadurch, dass auf den Lenkstrang und somit auch auf das Lenkrad ein zusätzliches Drehmoment als eine haptische Rückmeldung aufgeprägt wird, wird der Fahrer dazu animiert, den für die konkrete Fahrsituation optimalen Lenkwinkel einzustellen. Der Fahrer kann aber nach wie vor in die von ihm gewünschte Richtung einlenken, indem er gegebenenfalls das zusätzliche Drehmoment überwindet.
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Prinzipiell kann das erfindungsgemäße Verfahren auf alle Fahrsituationen angewendet werden, in denen sich der Reibwert zwischen einem oder mehreren Reifen und Fahrbahn plötzlich ändert. Diese Situationen, welche unter anderem durch eine Eisplatte oder einen Ölfilm auf der Fahrbahn hervorgerufen werden können, können beispielsweise auch anhand der Raddrehzahlsensoren erkannt werden. Somit kann unter Auftreten von Aquaplaning im Sinne dieser Erfindung auch das aufeinander folgende Vorkommen zweier Reibwertsprünge, nämlich zunächst von hohem auf niedrigen Reibwert und anschließend von niedrigem auf hohen Reibwert, verstanden werden.
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Zweckmäßigerweise umfasst das Soll-Verhalten des Fahrzeugs einen Sollwert für eine Fahrzustandsgröße, welcher anhand eines ersten Sensors bestimmt wird, wobei das Ist-Verhalten des Fahrzeugs einen Istwert für eine Fahrzustandsgröße umfasst, welcher anhand eines zweiten Sensors ermittelt wird, und wobei die Richtung des zusätzlichen Drehmoments nach Maßgabe eines Vergleichs zwischen dem Sollwert einer Fahrzustandsgröße und dem Istwert einer Fahrzustandsgröße gewählt wird. Durch das aufgeprägte Drehmoment bzw. die haptische Rückmeldung erhält der Fahrer eine Anregung, in die zur Sicherung der Fahrstabilität insbesondere beim Reibwertsprung von Niedrig- auf Hochreibwert optimale Richtung zu lenken. Wenn beispielsweise auf einem geraden Streckenabschnitt Aquaplaning auftritt, ist es in vielen Fällen sinnvoll, den Schräglaufwinkel der gelenkten Räder auf null Grad einzustellen, da dies einen seitlichen Kraftstoß beim Verlassen der Wasserfläche (und dem daraus resultierenden Reibwertsprung) vermeidet oder zumindest vermindert. Bei Aquaplaning treten aufgrund unterschiedlich starken bzw. schnellem Haftungsverlust der einzelnen Reifen häufig kleine Schwimmwinkel mit kleinem Schwimmwinkelgradienten auf, welche durch die beschriebene Regelstrategie für den Fahrer besser beherrschbar gemacht werden. Unter Schräglaufwinkel wird hierbei der Winkel zwischen der durch Radmittenebene und Fahrbahnebene definierten Schnittlinie eines gelenkten Rades und dem Geschwindigkeitsvektor bzw. Bewegungsrichtung im Radaufstandspunkt verstanden. Mit Schwimmwinkel ist der Winkel zwischen Fahrzeuglängsachse und Bewegungsrichtung des Fahrzeugschwerpunkts gemeint.
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Bei Ermittlung von Ist- bzw. Bestimmung von Sollgrößen werden zweckmäßigerweise eine oder mehrere der Größen Schräglaufwinkel, Schwimmwinkel, Gierrate und/oder Lenkwinkel betrachtet. Diese Größen lassen sich prinzipiell durch entsprechende Sensorik messen, können jedoch auch indirekt aus anderen Größen abgeleitet oder geschätzt werden. In Fahrzeugen mit einer Fahrdynamikregelung sind vielfach bereits Raddrehzahlsensoren, Gierratensensor, Querbeschleunigungssensor und Lenkwinkelsensor vorhanden, womit insbesondere Fahrzeuggeschwindigkeit, Fahrzeugbeschleunigung und Gierrate als mit diesen Sensoren ermittelbare Größen bei der Ermittlung des Ist-Verhaltens des Fahrzeugs betrachtet werden.
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Gemäß einer ersten besonders zweckmäßigen Ausführungsform der Erfindung weist das Fahrzeug mindestens einen Umfeldsensor, der die Fahrtrichtung des Fahrzeugs im Blickfeld hat, und mindestens einen Inertialsensor auf, wobei das Soll-Verhalten eine Soll-Gierrate umfasst, welche anhand des mittels des Umfeldsensors ermittelten bevorstehenden Straßenverlaufs bestimmt wird, wobei das Ist-Verhalten eine Ist-Gierrate umfasst, welche anhand des Inertialsensors ermittelt wird, und wobei die Richtung des zusätzlichen Drehmoments anhand der Differenz zwischen Soll-Gierrate und Ist-Gierrate bestimmt wird, insbesondere hin zu der Soll-Gierrate gewählt wird. Dies ermöglicht es beispielsweise, in Fahrtrichtung bzw. Bewegungsbahn des Fahrzeugs befindliche Hindernisse bei der Bestimmung des Zusatzlenkmoments bzw. des optimalen Lenkwinkels zu berücksichtigen.
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Gemäß einer zweiten besonders zweckmäßigen Ausführungsform der Erfindung weist das Fahrzeug mindestens einen Lenkwinkelsensor und mindestens einen Inertialsensor auf, insbesondere einen Gierratensenor und einen Querbeschleunigungssensor, wobei das Soll-Verhalten einen Soll-Lenkwinkel und/oder eine Soll-Gierrate umfasst, welche/r anhand des mit Hilfe des Lenkwinkelsensors ermittelten vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkels bestimmt wird/werden, wobei das Ist-Verhalten einen Ist-Schwimmwinkel und/oder eine Ist-Gierrate umfasst, welche/r anhand des mindestens einen Inertialsensors ermittelt wird/werden, wobei das zusätzliche Drehmoment vorzugsweise nur dann aufgeprägt wird, wenn die Ist-Gierrate um mehr als einen vorgegebenen Gierratenschwellenwert von der Soll-Gierrate abweicht und/oder der Betrag des Ist-Schwimmwinkels einen Schwimmwinkelschwellenwert überschreitet, und wobei die Richtung des aufgeprägten Drehmoments anhand der Differenz zwischen Soll-Gierrate und Ist-Gierrate und/oder anhand eines Vergleichs zwischen Soll-Lenkwinkel und Ist-Schwimmwinkel bestimmt wird, insbesondere hin zu der Ist-Gierrate und/oder hin zu dem Ist-Schwimmwinkel gewählt wird. Indem beispielsweise der Fahrer angeregt wird, den Soll-Lenkwinkel hin zu dem Ist-Schwimmwinkel zu verändern, reduziert sich der Schräglaufwinkel der gelenkten Räder. Somit wird beispielsweise bei der Wiedererlangung des Kraftübertragungspotentials nach dem Auftreten von Aquaplaning ein plötzlicher Lenkruck bzw. ein Querkraftsprung vermieden, der die Beherrschbarkeit des Fahrzeugs negativ beeinflussen und im Extremfall auch zum Umkippen des Fahrzeugs führen kann. Die Verwendung von Inertialsensor und Lenkradwinkelsensor ermöglicht bei einem mit einer Fahrdynamikregelung ausgestatteten Fahrzeug die Realisierung eines erfindungsgemäßen Verfahrens mit besonders geringem Aufwand.
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Vorzugsweise ist der Betrag des zusätzlichen Drehmoments begrenzt, insbesondere auf einen Wert zwischen 3 Nm und 7 Nm festgelegt. Es hat sich herausgestellt, dass ein Drehmoment dieses Betrags den Fahrer zu einem sinnvollen Lenkwinkel anleitet, ohne ihn am Einstellen eines anderen Lenkwinkels zu hindern und somit zu bevormunden.
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Es ist vorteilhaft, wenn bei erkanntem Auftreten von Aquaplaning weiterhin ein fahrerunabhängiger Aufbau von Bremskraft an mindestens einer Radbremse und/oder eine Verringerung einer Aktivierungsschwelle eines Fahrdynamikregelsystems erfolgen und/oder die Lenkverstärkung einer Servolenkung solange verringert wird, bis die Fahrzeuggeschwindigkeit einen vorbestimmten Geschwindigkeitsschwellenwert unterschreitet. Indem beispielsweise durch einen fahrerunabhängigen Druckaufbau in einer hydraulischen Bremsanlage das Lüftspiel überwunden wird, kann die Eingriffsverzögerung einer Fahrdynamikregelung verringert werden.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein System zur Sicherung der Fahrstabilität bei Aquaplaning, umfassend
- – eine Aquaplaning-Erkennungseinheit, welche das Auftreten von Aquaplaning anhand der Signale mindestens eines Aquaplaning-Sensors erkennt, insbesondere eines Raddrehzahlsensors und/oder eines Umfeldsensors
- – eine Soll-Verhalten-Bestimmungseinheit, die einen Sollwert einer Fahrzustandsgröße anhand der Signale mindestens eines ersten Sensors bestimmt, insbesondere eine Soll-Gierrate und/oder einen Soll-Lenkwinkel bestimmt
- – eine Ist-Verhalten-Ermittlungseinheit, die einen Istwert einer Fahrzustandsgröße anhand der Signale mindestens eines zweiten Sensors ermittelt, insbesondere eine Ist-Gierrate und/oder einen Ist-Schwimmwinkel ermittelt
- – eine Vergleichseinheit, welche den Sollwert einer Fahrzustandsgröße mit dem Istwert einer Fahrzustandsgröße vergleicht,
- – eine Ansteuerungseinheit, die mindestens einen Fahrwerksaktuator des Fahrzeugs nach Maßgabe des Vergleichsergebnisses ansteuert
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Diese Einheiten können ganz oder teilweise als Programm-Module in bereits vorhandenen elektronischen Steuergeräten realisiert sein.
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Es ist zweckmäßig, wenn das System ein elektronisches Steuergerät mit einer Recheneinheit umfasst, die zumindest einzelne Schritte eines erfindungsgemäßen Verfahrens durchführt.
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Bevorzugt umfasst das System eine elektrische Servolenkung als Fahrwerksaktuator, die insbesondere über eine Drehmomentenschnittstelle angesteuert werden kann. Somit kann ein erfindungsgemäßes System mit geringen Kosten aufgebaut werden.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels an Hand von Figuren.
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Es zeigen
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1 ein zur Durchführung des Verfahrens geeignetes Kraftfahrzeug, und
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2 eine schematische Darstellung eines Fahrvorgangs mit Auftreten von Aquaplaning während einer Kurvenfahrt.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Kraftfahrzeugs 1, welches zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignet ist. Es weist einen Antriebsmotor 2, der die Räder einer oder mehrerer Achsen des Fahrzeugs antreibt, ein Lenkrad 3, ein Bremspedal 4, welches mit einem Tandemhauptzylinder (THZ) 13 verbunden ist, und vier individuell ansteuerbare Radbremsen 10a–10d auf. Neben oder alternativ zu hydraulischen Reibbremsen können auch an einem, mehreren oder allen Rädern elektromechanisch betätigte Reibbremsen als Radbremsen eingesetzt werden. Wenn das Fahrzeug mindestens einen elektrischen Antrieb aufweist, kann das Bremsmoment an dem oder den mit einem elektrischen Antrieb verbundenen Rädern zumindest teilweise von der oder den als Generator betriebenen elektrischen Antriebsmaschine/n erzeugt werden.
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Das Lenkrad 3 ist über einen nicht gezeigten Lenkstrang mit den Rädern der Vorderachse verbunden, so dass der Einschlagwinkel der Vorderräder je nach Drehung des Lenkrads gewählt werden kann. Der Lenkstrang weist eine elektrische Servolenkung auf, wobei also ein mechanisch verbundener Elektromotor ergänzend zu dem Handlenkmoment des Fahrers ein zusätzliches Drehmoment auf den Lenkstrang aufbringen kann, um den Fahrer beim Lenken zu entlasten und/oder eine Lenkempfehlung in eine vom Steuergerät der Servolenkung vorgegebene Richtung abzugeben bzw. ein Einlenken in eine ungünstige Lenkrichtung zu erschweren. Das Steuergerät der Servolenkung ist über einen Fahrzeugdatenbus mit einem oder mehreren weiteren elektronischen Steuergeräten verbunden, wobei insbesondere das elektronische Steuergerät (ECU) 7 eines Bremssystems über eine Schnittstelle ein zusätzliches Drehmoment anfordern kann.
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Für die Erfassung von fahrdynamischen Zuständen sind ein Lenkradwinkelsensor 12 zur Messung des Lenkwinkels δ, vier Raddrehzahlsensoren 9a–9d zur Messung der Drehgeschwindigkeiten Vi der einzelnen Räder, ein Querbeschleunigungssensor 5 zur Messung der Querbeschleunigung aLat, ein Gierratensensor 6 zur Messung der auch als Gierrate bezeichneten Gierwinkelgeschwindigkeit Ψ . und mindestens ein Drucksensor 14 für die Messung des von Bremspedal und THZ erzeugten Bremsdrucks p vorhanden. Dabei kann der Drucksensor 14 auch durch einen Pedalweg- oder Pedalkraftsensor ersetzt sein, falls die Hilfsdruckquelle derart angeordnet ist, dass ein vom Fahrer aufgebauter Bremsdruck von dem der Hilfsdruckquelle nicht unterscheidbar ist oder ein elektromechanischer Bremsaktuator mit bekanntem Zusammenhang zwischen Pedalstellung und Bremsmoment verwendet wird. Die Signale der Radsensoren werden dem elektronischen Steuergerät (ECU) 7 des Bremssystems zugeführt, das anhand vorgegebener Kriterien aus den Raddrehgeschwindigkeiten Vi die Fahrzeuggeschwindigkeit vRef ermittelt.
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Die ECU 7 empfängt die Daten der oben beschriebenen wie auch eventuell vorhandener weiterer Sensoren und steuert die Hydraulikeinheit (HCU) 8, um fahrerunabhängig einen Aufbau oder eine Modulation des Bremsdrucks in den einzelnen Radbremsen zu ermöglichen. Zusätzlich werden das aktuell von Antriebsmotor 2 erzeugte Antriebsmoment und das vom Fahrer gewünschte Moment bestimmt. Dabei kann es sich auch um indirekt ermittelte Größen handeln, die beispielsweise aus einem Motorkennfeld abgeleitet werden und der ECU 7 über eine Schnittstelle 11 eines Fahrzeugdatenbusses, wie einen CAN- oder FlexRay-Bus, vom nicht gezeigten Motorsteuergerät übertragen werden.
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Das Fahrverhalten des Kraftfahrzeugs 1 wird wesentlich durch die Fahrwerksauslegung beeinflusst, wobei unter anderem Radlastverteilung, Elastizität der Radaufhängungen und Reifeneigenschaften das Eigenlenkverhalten bestimmen. In bestimmten Fahrsituationen, welche durch einen vorgegebenen, gewünschten Kurvenradius und den Reibwerten zwischen Reifen und Fahrbahn gekennzeichnet sind, kann es zu einem Verlust der Fahrstabilität kommen, wobei das vom Fahrer gewünschte Lenkverhalten nicht erreicht werden kann. Mit den vorhandenen Sensoren kann der Fahrerwunsch erkannt und die Realisierung durch das Fahrzeug überprüft werden. Vorzugsweise wird bereits die Tendenz zu einem Verlust der Stabilität detektiert.
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Die ECU 7 führt häufig mehrere Verfahren zur Regelung der Fahrstabilität aus, wobei eine Arbitrierung gegebenenfalls simultan eintreffender Bremsanforderungen stattfindet. So erfolgt vielfach eine Gierratenregelung, welche die gemessene Gierrate mit einer Modellgierrate vergleicht. Liegt diese Differenz über der Regeleintrittsschwelle beginnt der Bremseneingriff. Die Modellgierrate entspricht der Soll-Gierrate und wird durch ein einfaches Fahrzeugmodell über den Lenkwinkel und die Fahrzeuggeschwindigkeit gebildet. Daneben findet häufig eine Regelung der Schwimmwinkelgeschwindigkeit statt. Diese Größe wird auch über das Fahrzeugmodell gebildet und entspricht in Übersteuersituationen der Geschwindigkeit mit der das Fahrzeug eindreht bzw. das Fahrzeugheck ausschert. Sobald eine gewisse Schwelle für die Schwimmwinkelgeschwindigkeit überschritten ist, beginnt der Bremseneingriff. Am weitesten verbreitet ist eine Bremsschlupfregelung, welche ein Blockieren der Räder während eines Bremsvorgangs verhindert.
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Weiterhin weist das Fahrzeug 1 eine Umfeldsensorik mit zumindest einem Umfeldsensor 15 auf, mit dem Objekte im Umfeld des Fahrzeugs erfasst werden können, bei denen es sich insbesondere um weitere Kraftfahrzeuge handelt, die sich in derselben oder einer benachbarten Fahrspur seitlich und/oder vor dem Fahrzeug 1 bewegen. Als Objekte kommen aber auch statische oder nahezu statische Objekte wie beispielsweise Bäume, Fußgänger oder Fahrbahnbegrenzungen in Frage. Beispielhaft wird ein Umfeldsensor 15 mit einem Erfassungsbereich 17 gezeigt, der einen Raumwinkel vor dem Fahrzeug 1 umfasst, in dem ein Objekt 18 dargestellt ist. Die Signale des Umfeldsensors 15 werden von einem Kontrollrechner 16 ausgewertet und entsprechende Informationen der ECU 7 zur Verfügung gestellt. Prinzipiell kann Kontrollrechner 16 aber auch in dem Umfeldsensor 15 integriert sein, und/oder die ECU 7 kann die Sensorsignale direkt verarbeiten.
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Bei dem Umfeldsensor 15 handelt sich beispielsweise um einen an sich bekannten LIDAR-Sensor (Light Detection and Ranging) der die Abstände d zu den erfassten Punkten eines Objekts sowie die Winkel φ zwischen den Verbindungsgeraden zu diesen Punkten und der Mittellängsachse des Fahrzeugs misst, wie dies in 1 beispielhaft für einen Punkt des Objekts 18 veranschaulicht ist. Die dem Fahrzeug 1 zugewandten Fronten der erfassten Objekte setzen sich aus mehreren erfassten Punkten zusammen, zu der die Sensorsignale übermittelt werden, die Korrelationen zwischen Punkten und der Form eines Objekts herstellt und einen Bezugspunkt für das Objekt 18 bestimmt. Als Bezugspunkt kann dabei beispielsweise der Mittelpunkt des Objekts 18 bzw. der Mittelpunkt der erfassten Punkte des Objekts gewählt werden. Bei dem Umfeldsensor kann es sich auch um einen oder mehrere Radarsensoren bzw. eine oder mehrere Kameras handeln.
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In 2 ist ein Fahrvorgang mit Auftreten von Aquaplaning schematisch dargestellt. Fahrzeug 1 bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit auf einer durch linke Begrenzung 21 und rechte Begrenzung 22 definierten Fahrbahn. In einem Bereich 23 ist die Fahrbahn von einer durchgehenden Wasserschicht bedeckt. Sobald das Fahrzeug diese erreicht, kommt es zu einem Aufschwimmen der Reifen, bei dem ein zunehmender Wasserkeil die Übertragung von Längs- und Querkräften zwischen Reifen und Fahrbahn vermindert.
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Dieses Auftreten von Aquaplaning kann mittels an sich bekannter Verfahren erkannt werden: So ist z.B. aus der
DE 195 43 928 A1 ein Verfahren zur frühzeitigen Erkennung des Aufschwimmens eines Fahrzeugreifens auf nasser Fahrbahn bekannt, bei dem die Drehzahl des den Reifen tragenden Rades mittels eines Drehzahlsensors erfasst und das Frequenzspektrum der Raddrehzahl ausgewertet wird. Mit zunehmendem Aufschwimmen bzw. zunehmender Entkopplung von Reifen und Fahrbahn treten eine Resonanzüberhöhung der rotatorischen Reifen-Grundeigenschwingungen und eine zunehmende Verschiebung von deren Eigenfrequenzen auf. Dies hat den Vorteil, dass ECU
7 anhand der Signale der Raddrehzahlsensoren
9 das Auftreten von Aquaplaning erkennen kann. Prinzipiell können auch auf die Fahrbahn gerichtete Strahlungssensoren wie optische Sensoren oder Radarsensoren zur Messung der Höhe des Wasserfilms und somit zur Erkennung von Aquaplaning eingesetzt werden. Hierbei könnte es auch vorgesehen sein, dass das Gesichtsfeld einer Kamera einen Ausschnitt der Fahrbahn umfasst. Weiterhin ist es möglich, Aquaplaning anhand von im Mantel eines Reifens angeordneten Sensoren zu erkennen, wie in der
DE 102 42 121 A1 beschrieben.
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Daran, dass das Signal des Lenkradwinkelsensors 12 und das Signal des Gierratensensors 6 in einem Toleranzband um die Nullage liegen, wird eine Geradeausfahrt des Fahrzeugs erkannt. Wenn der Fahrer während des Aquaplaning das Lenkrad 3 verstellt, erfolgt wegen des Aufschwimmens der Reifen keine Lenkreaktion des Fahrzeuges. Somit erhält der Fahrer keine Rückmeldung über den momentanen Lenkwinkel bzw. Schräglaufwinkel. Beim Verlassen des Wasserfilms und somit einer sprunghaften Zunahme des Reibwerts kann ein zu hoher Lenkwinkel zu einem Kraftstoß in Querrichtung und somit zu einem ungewollten Verlassen der gewünschten Fahrspur bzw. im Extremfall zum Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug oder zum Umkippen des Fahrzeugs führen. Bei Fahrzeugen ohne Umfeldsensorik ist es zweckmäßigerweise vorgesehen, ein zusätzliches Drehmoment auf den Lenkstrang aufzubringen, welches den Fahrer zu einem bezogen auf das zu erwartende Fahrverhalten bei plötzlichem Reibwertsprung auf Hochreibwert unkritischen bzw. optimalen Lenkwinkel anleitet und einem zu starken Einlenken entgegen wirkt.
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Da sowohl Lenkradwinkelsensor 12 als auch Querbeschleunigungssensor 5 und Gierratensensor 6 mit ECU 7 verbunden sind, kann diese zweckmäßigerweise sowohl das Soll-Verhalten des Fahrzeugs (beispielsweise eine Soll-Gierrate bzw. einen Soll-Lenkwinkel) bestimmen als auch das Ist-Verhalten des Fahrzeugs (eine gemessene Ist-Gierrate und/oder einen ermittelten Ist-Schwimmwinkel) ermitteln. Wenn Soll-Gierrate und Ist-Gierrate um mehr als einen vorgegebenen Schwellenwert voneinander abweichen und/oder der Betrag des Ist-Schwimmwinkels einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet, berechnet ECU 7 ein zusätzliches Drehmoment, welches in Richtung des zur Bewältigung der Situation optimalen Lenkwinkels zeigt.
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Wenn während des Aquaplanings die Reifen kurzzeitig verschieden starke Kräfte übertragen, kann es zu einem Eindrehen des Fahrzeugs kommen. In diesem Fall bietet es sich an, einen der seit der Erkennung von Aquaplaning auftretenden Gierratenänderung oder einem aufgebauten Schwimmwinkel entgegen wirkenden Lenkwinkel einzustellen. Sobald der Fahrer jedoch im Hinblick auf die Fahrzeugstabilität oder die Bewegungsrichtung zu hohe Lenkwinkel wählt, wird ein dem Einlenken entgegen wirkendes Drehmoment auf den Lenkstrang aufgebracht.
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Bei Fahrzeugen mit Umfeldsensorik ist es zweckmäßig, diese bei der Ermittlung des optimalen Lenkwinkels bzw. des aufzubringenden Lenkmoments zu berücksichtigen. Sobald Umfeldsensor 15 eine Kurve erkennt, wie diese in 2 im Bereich 24 auftritt, ist es bevorzugt vorgesehen, dass keine Mittelstellung des Lenkrads, sondern eine moderate Einlenkbewegung in Kurvenrichtung angestrebt wird, die durch Pfeil 25 angedeutet ist. Neben dem Fahrbahnverlauf wird zweckmäßigerweise auch eine eventuelle Umkippneigung des Fahrzeugs berücksichtigt, d.h. der angestrebte Lenkwinkel wird begrenzt. In diesem Fall wird daher das zusätzliche Drehmoment entsprechend angepasst. Über einen Fahrzeugdatenbus wird die Anforderung des zusätzlichen Drehmoments an das Steuergerät einer elektrischen Servolenkung übertragen, welches den Aktuator (den Motor der Servolenkung) entsprechend ansteuert.
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Somit wird dem Fahrer haptisch eine bevorzugte Lenkrichtung empfohlen, welche eine Bewältigung der Aquaplaning-Situation ohne einen Verlust der Fahrstabilität ermöglicht, indem das Fahrverhalten beim plötzlichen Wiederauftreten eines hohen Reibwerts für den Fahrer möglichst gut beherrschbar wird. Gleichzeitig ist immer noch eine bewusste Lenkentscheidung in eine andere Richtung möglich, indem der Fahrer das zusätzliche, am Lenkrad spürbare, Drehmoment überwindet.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- WO 2005/087561 A1 [0003]
- WO 2011/100943 A1 [0004]
- DE 102008034908 A1 [0005]
- DE 19543928 A1 [0035]
- DE 10242121 A1 [0035]