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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines Notbremsassistenten für ein Kraftfahrzeug. Ein Notbremsassistent dient dazu, eine Kollisionsgefahr eines Fahrzeugs mit einem Objekt zu erkennen und das Fahrzeug entsprechend abzubremsen.
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Stand der Technik
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Notbremsassistenten sind Assistenzsysteme in Kraftfahrzeugen, die Sensoren verwenden, um eine potenzielle Kollisionsgefahr mit einem Objekt im Bereich vor dem Fahrzeug einzuschätzen, und auf Grundlage dieser Kollisionsgefahr ein Bremssystem ansteuern, sodass die Kollision verhindert oder zumindest abgeschwächt wird. Hierfür werden Sensoren, wie z. B. Kameras, Radarsensoren, Ultraschallsensoren und dergleichen, sowie Sensorsysteme, verwendet, die in Fahrtrichtung nach vorne und gegebenenfalls zur Seite hin ausgerichtet sind.
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Bei heutzutage üblichen Notbremsassistenten werden zwei verschiedene Verkehrssituationen unterschieden: eine Fahrt bei hoher Geschwindigkeit und eine Fahrt bei niedriger Geschwindigkeit. Diese können durch einen Geschwindigkeits-Schwellenwert unterschieden werden, der zum Beispiel bei 60 km/h liegen kann.
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Im Falle niedriger Geschwindigkeit wird bei einer Gefahr der Kollision das Fahrzeug abgebremst und zum Stillstand gebracht. Bei einer hohen Kollisionsgefahr kann auch eine Vollbremsung vorgesehen sein, bei der das Fahrzeug mit maximaler negativer Beschleunigung (maximaler Verzögerung) abbremst. Dies geschieht unabhängig vom nachfolgenden Verkehr und dem Vorhandensein eines Folgefahrzeugs, welches sich hinter dem Fahrzeug auf dieses zubewegt. In solchen Situationen kann dies zu einer Kollision mit dem Folgefahrzeug führen (Heckkollision), die unter Umständen schlimmer ausfallen kann als die Kollision mit dem Objekt vor dem Fahrzeug (Frontkollision).
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Im Falle hoher Geschwindigkeit wird das Eingreifen des Notbremsassistenten typischerweise limitiert. Dabei wird die minimale Geschwindigkeit, auf die das Fahrzeug durch den Notbremsassistenten abgebremst werden kann, beschränkt - beispielsweise auf 60 km/h -, sodass das Fahrzeug mit reduzierter Geschwindigkeit weiterfährt. Es obliegt dem Fahrer, das Fahrzeug in den Stillstand abzubremsen, um die Kollision mit dem Objekt vor dem Fahrzeug zu vermeiden. Der Notbremsassistent verhindert in dieser Verkehrssituation folglich nicht die Frontkollision. Allerdings wird die Gefahr einer Heckkollision mit dem Folgefahrzeug aufgrund einer falsch positiven Intervention des Notbremsassistenten reduziert. Alternativ oder zusätzlich wird die Ansteuerung des Bremssystems durch den Notbremsassistenten auf eine maximale negative Beschleunigung (maximale Verzögerung) beschränkt. Dadurch kann es ebenfalls zu einer Frontkollision kommen, allerdings wird gleichermaßen der Schweregrad der Heckkollision reduziert. Durch diese Limitierungen werden Sicherheitsbestimmungen, wie sie insbesondere in der ISO 26262 und der ISO 21448 beschrieben sind, erfüllt. In aktuellen Notbremsassistenten wird ein Maß für das Risiko einer Kollision mit dem Folgefahrzeug unter anderem aus statistischen Auswertungen für die Häufigkeit solcher Heckkollisionen aus realen Verkehrsdaten bestimmt.
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Offenbarung der Erfindung
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Es wird ein Verfahren zur Steuerung eines Notbremsassistenten eines Kraftfahrzeugs - auch als Ego-Fahrzeug bezeichnet - vorgeschlagen. Das Fahrzeug weist zumindest einen ersten Sensor auf, der insbesondere als Frontsensor ausgebildet ist, mit dem ein Bereich in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug und/oder seitlich des Fahrzeugs abgedeckt wird. Zudem weist das Fahrzeug zumindest einen Hecksensor auf, mit dem der Bereich entgegen der Fahrtrichtung hinter dem Fahrzeug abgedeckt wird. Die Sensoren können z. B. Kameras, Radarsensoren, Ultraschallsensoren und dergleichen sein. Auch können die Sensoren als Sensorsysteme verstanden werden, die durch Sensorfusion kombiniert sind.
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Der erste Sensor erfasst Umgebungsdaten vor und/oder seitlich des Fahrzeugs. Aus diesen Umgebungsdaten schätzt der Notbremsassistent in an sich bekannter Weise eine Kollisionsgefahr mit einem Objekt vor dem Fahrzeug. Ist die Kollisionsgefahr zu hoch, wird eine Notbremssituation erkannt.
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Darüber hinaus erfasst der Hecksensor zusätzlich Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug. Aus diesen Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug wird ermittelt, ob sich ein Folgefahrzeug hinter dem Ego-Fahrzeug befindet. Ein Folgefahrzeug ist ein weiteres Fahrzeug, insbesondere ein Personenkraftwagen (PKW), ein Lastkraftwagen (LKW), ein Motorrad, eine Straßenbahn, ein Fahrrad oder Ähnliches, welches sich hinter dem Ego-Fahrzeug befindet und sich in Richtung des Ego-Fahrzeugs, also auf das Ego-Fahrzeug zubewegt. Hierfür können an sich bekannte Verfahren zur Erfassung von Objekten und gegebenenfalls deren Bewegung sowie insbesondere deren Abstand und Geschwindigkeit verwendet werden. Dabei ist es ausreichend, eine Unterscheidung zwischen einem Fahrzeug und einem unbewegten Objekt oder anderen Verkehrsteilnehmern, wie z. B. Fußgängern, zu erreichen. Den Fahrzeugtyp zu erkennen ist nicht notwendig, kann aber dennoch vorteilhaft sein, um die Bewegung, die Geschwindigkeit und eine mögliche Beschleunigung des Folgefahrzeugs abzuschätzen. Die Nutzbarkeit der Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug und die Ermittlung des Vorhandenseins eines Folgefahrzeugs aus diesen Umgebungsdaten ist abhängig von der Datenqualität (Robustheit gegenüber elektrischen oder elektronischen Fehlern und ausreichende Leistung) des Hecksensors.
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Schließlich wird der Notbremsassistent abhängig davon, ob sich ein Folgefahrzeug hinter dem Fahrzeug befindet, gesteuert, um auf die Notbremssituation zu reagieren. Der Notbremsassistent gibt angepasst auf die Notbremssituation und das Folgefahrzeug und/oder dessen Parameter, wie beispielsweise dessen Entfernung, dessen Geschwindigkeit, dessen geschätzter Trajektorie und dergleichen, Steuersignale an das Bremssystem des Fahrzeugs aus.
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Als Resultat wird die Gefahr der Heckkollision auf Grundlage der realen Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug, die vom Hecksensor erfasst wurden, ermittelt und nicht wie bisher üblich durch eine statistische Auswertung erhalten. Das Verfahren kann für jede Anfangsgeschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs angewendet werden. Dadurch wird eine Unterscheidung zwischen Verkehrssituationen bei hoher Geschwindigkeit und niedriger Geschwindigkeit obsolet. Sicherheitsbestimmungen, wie sie insbesondere in der ISO 26262 und der ISO 21448 beschrieben werden, sind durch diesen Ansatz erfüllt.
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Um eine Kollision mit dem Folgefahrzeug zu vermeiden, ist vor allem die eigene negative Beschleunigung (Verzögerung) des Ego-Fahrzeugs entscheidend. Ein abruptes Abbremsen, also eine starke Verzögerung, gibt dem Folgefahrzeug bzw. dessen Fahrer nicht genug Zeit, selbst schnell genug abzubremsen. Daher wird vorzugsweise die maximale negative Beschleunigung, die der Notbremsassistent an das Bremssystem zu dessen Steuerung ausgeben kann, abhängig vom Vorhandensein eines Folgefahrzeugs hinter dem Fahrzeug und/oder von Parametern des Folgefahrzeugs, wie beispielsweise dessen Entfernung, dessen Geschwindigkeit, dessen geschätzte Trajektorie und dergleichen, festgelegt.
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Daneben ist auch die minimale Geschwindigkeit, auf die das Ego-Fahrzeug abgebremst wird, relevant. Eine niedrigere Geschwindigkeit des Fahrzeugs nach dem Abbremsen führt zu einer geringen Gefahr und zu einem geringen Schweregrad der Frontkollision. Oftmals ist ein Stillstand des Fahrzeugs erforderlich, um die Frontkollision zu vermeiden. Gleichermaßen muss das Folgefahrzeug allerdings ebenfalls auf diese Geschwindigkeit abbremsen, um keine Heckkollision mit dem Ego-Fahrzeug zu verursachen. Daher wird vorzugsweise die minimale Geschwindigkeit, die der Notbremsassistent an das Bremssystem zu dessen Steuerung ausgeben kann, abhängig vom Vorhandensein eines Folgefahrzeugs hinter dem Fahrzeug und/oder von Parametern des Folgefahrzeugs, wie beispielsweise dessen Entfernung, dessen Geschwindigkeit, dessen geschätzte Trajektorie und dergleichen, festgelegt.
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Für den Fall, dass kein Folgefahrzeug hinter dem Ego-Fahrzeug vom Hecksensor erfasst wird, wird dem Notbremsassistenten vorzugsweise keine Beschränkung für die maximale Verzögerung und/oder für die minimale Geschwindigkeit auferlegt. In diesem Fall ist es folglich möglich, zur Verhinderung einer Frontkollision das Ego-Fahrzeug mit der benötigten Verzögerung auf die gewünschte Geschwindigkeit abzubremsen, ohne eine Heckkollision zu riskieren, da durch die Informationen des Hecksensors ausgeschlossen wurde, dass sich ein Folgefahrzeug hinter dem Ego-Fahrzeug befindet. Es ist daher auch möglich, das Ego-Fahrzeug durch eine Vollbremsung zum Stillstand zu bringen. Dies kann für jede Anfangsgeschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs angewendet werden. Eine heutzutage übliche Unterscheidung in Fälle hoher Anfangsgeschwindigkeit und niedriger Anfangsgeschwindigkeit wird demzufolge obsolet. Stattdessen kann in diesem Fall der Notbremsassistent das Fahrzeug auch bei hoher Geschwindigkeit mit maximaler Verzögerung vollständig bis zum Stillstand abbremsen.
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Für den anderen Fall, dass ein Folgefahrzeug hinter dem Fahrzeug durch den Hecksensor erfasst wird, können aus den Parametern des Folgefahrzeugs, wie beispielsweise dessen Entfernung, dessen Geschwindigkeit, dessen geschätzte Trajektorie und dergleichen, sowie den Parametern der Notbremssituation, also beispielsweise einer Entfernung zu einem Objekt vor dem Ego-Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit, dessen Trajektorie und dergleichen, kombinierte Kollisionsszenarien entwickelt werden. Hierfür werden die genannten Parameter einem Entscheidungsträger (decision maker) zugeführt. Der Entscheidungsträger kann softwarebasiert sein und insbesondere Teil des Notbremsassistenten oder eines elektronischen Steuergeräts sein oder als separates Modul ausgebildet sein. In den kombinierten Kollisionsszenarien werden die Frontkollision und die Heckkollision kombiniert geschätzt. Für diese kombinierten Kollisionsszenarien werden dann Steuerungsparameter berechnet, mit denen ein Kollisionsszenario mit geringster Kollisionswahrscheinlichkeit und/oder geringstem Schweregrad der beiden kombinierten Kollisionen erhalten wird, und diese Steuerungsparameter dann an den Notbremsassistenten und/oder direkt an das Bremssystem ausgegeben.
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Aus den Umgebungsdaten des Hecksensors kann eine Kollisionsgefahr mit dem Folgefahrzeug geschätzt werden. Hierfür können Verfahren ähnlich einem Frontsensor verwendet werden und auf das Folgefahrzeug angepasst werden. Der Notbremsassistent kann dann statt lediglich aufgrund des Vorhandenseins eines Folgefahrzeugs direkt abhängig von der Kollisionsgefahr des Folgefahrzeugs mit dem Ego-Fahrzeugs gesteuert werden. Dadurch wird eine verbesserte Einschätzung der Verkehrssituation erreicht und der Notbremsassistent zielführend gesteuert. Dies ist beispielsweise von Vorteil, wenn ein Folgefahrzeug sich zwar hinter dem Ego-Fahrzeug befindet, aber auf einer anderen Straßenspur fährt. Selbst bei einer Vollbremsung des Ego-Fahrzeugs ist die Kollisionsgefahr mit dem Folgefahrzeug gering.
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Aus den Daten des Hecksensors kann mit an sich bekannten Verfahren eine Geschwindigkeit des Folgefahrzeugs ermittelt werden. Der Notbremsassistent kann abhängig von der Geschwindigkeit des Folgefahrzeugs gesteuert werden. Bei einer geringen Geschwindigkeit des Folgefahrzeugs kann das Fahrzeug selbst stärker verzögern und danach eine geringere minimale Geschwindigkeit einnehmen, ohne eine Heckkollision zu provozieren. Die Geschwindigkeit des Folgefahrzeugs ist ebenfalls ein wichtiger Faktor bei der Schätzung einer Kollisionsgefahr mit dem Folgefahrzeug.
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Das Computerprogramm ist eingerichtet, jeden Schritt des Verfahrens durchzuführen, insbesondere, wenn es auf einem Rechengerät oder Steuergerät durchgeführt wird. Es ermöglicht die Implementierung des Verfahrens in einem herkömmlichen elektronischen Steuergerät, ohne hieran bauliche Veränderungen vornehmen zu müssen. Hierzu ist es auf dem maschinenlesbaren Speichermedium gespeichert.
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Durch Aufspielen des Computerprogramms auf ein herkömmliches elektronisches Steuergerät, wird das elektronische Steuergerät erhalten, welches eingerichtet ist, den Notbremsassistenten zu steuern.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert.
- 1a, 1b zeigen eine schematische Ansicht auf eine Verkehrssituation mit einem Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug.
- 2a, 2b zeigen eine schematische Ansicht auf eine weitere Verkehrssituation mit einem Fahrzeug, einem vorausfahrenden Fahrzeug und einem nachfolgenden Fahrzeug.
- 3 zeigt ein Ablaufdiagramm einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung
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1 zeigt eine Verkehrssituation mit zwei Fahrzeugen 1, 2, in der sich das zweite Fahrzeug 2 in Fahrtrichtung vor dem ersten Fahrzeug 1 auf derselben Straßenspur befindet. Das erste Fahrzeug 1, welches auch als Ego-Fahrzeug bezeichnet werden kann, weist einen Notbremsassistenten 10 (siehe 3) auf, der mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gesteuert wird. Des Weiteren weist das erste Fahrzeug 1 einen Frontsensor 3, der einen Bereich in Fahrtrichtung vor dem ersten Fahrzeug 1 erfasst, und einen Hecksensor 4, der einen Bereich entgegen der Fahrtrichtung hinter dem ersten Fahrzeug 1 erfasst, auf. Der Frontsensor 3 und der Hecksensor 4 können Radarsensoren, optische Kameras, Ultraschallsensoren oder Sensorsysteme sein, die ein Fahrzeug im Bereich erfassen können und bevorzugt zusätzlich Parameter dieses Fahrzeugs wie dessen Geschwindigkeit ermittelt können. In dieser Verkehrssituation befindet sich kein Folgefahrzeug hinter dem ersten Fahrzeug 1. Daher erfasst der Hecksensor 4 kein Folgefahrzeug im Bereich hinter dem Fahrzeug 1. In 1a fährt das erste Fahrzeug 1 mit einer hohen Anfangsgeschwindigkeit v1 von beispielsweise 100km/h auf das zweite Fahrzeug 2 zu, das zuvor abgebremst hat und nun stillsteht. Der Frontsensor 3 erfasst das stehende zweite Fahrzeug 2 im Bereich vor dem ersten Fahrzeug 1. Es handelt sich hierbei um eine Notbremssituation, in der eine hohe Gefahr einer Frontkollision des ersten Fahrzeugs 1 mit dem zweiten Fahrzeug 2 besteht. Der Hecksensor 4 erfasst wie oben beschrieben kein Folgefahrzeug hinter dem ersten Fahrzeug 1. Erfindungsgemäß steuert der Notbremsassistent 10 auf Grundlage der Umgebungsdaten vor dem Fahrzeug 1 und den Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug 1 das Bremssystem des Fahrzeugs 1 so an, dass dieses eine Vollbremsung durchführt und mit maximaler Verzögerung bis zum Stillstand abbremst. Das Verfahren ist unabhängig von der Anfangsgeschwindigkeit v1 und kann auch bei deutlich niedrigerer Geschwindigkeit durchgeführt werden. In 1b wurde das erste Fahrzeug 1 abgebremst und befindet sich jetzt im Stillstand und ist einen Sicherheitsabstand d von dem zweiten Fahrzeug 2 entfernt. Eine Kollision zwischen dem ersten Fahrzeug 1 und dem zweiten Fahrzeug 2 wurde verhindert.
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2 zeigt eine weitere Verkehrssituation mit drei Fahrzeugen 1, 2, 5, in der sich das zweite Fahrzeug 2 in Fahrtrichtung vor dem ersten Fahrzeug 1 und das dritte Fahrzeug 5 entgegen der Fahrtrichtung hinter dem ersten Fahrzeug 1 auf derselben Straßenspur befinden. Das erste Fahrzeug 1, welches auch als Ego-Fahrzeug bezeichnet werden kann, weist einen Notbremsassistenten 10 (siehe 3) auf, der mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gesteuert wird. Des Weiteren weist das erste Fahrzeug 1 einen Frontsensor 3, der einen Bereich in Fahrtrichtung vor dem ersten Fahrzeug 1 erfasst, und einen Hecksensor 4, der einen Bereich entgegen der Fahrtrichtung hinter dem ersten Fahrzeug 1 erfasst, auf. Der Frontsensor 3 und der Hecksensor 4 können Radarsensoren, optische Kameras, Ultraschallsensoren oder Sensorsysteme sein, die ein Fahrzeug im Bereich erfassen können und bevorzugt zusätzlich Parameter dieses Fahrzeugs wie dessen Geschwindigkeit ermitteln können. In dieser Verkehrssituation befindet sich das dritte Fahrzeug 5 als Folgefahrzeug hinter dem ersten Fahrzeug 1, demgemäß erfasst der Hecksensor 4 das dritte Fahrzeug 5 im Bereich hinter dem Fahrzeug 1. In 2a fährt das erste Fahrzeug 1 mit einer hohen Anfangsgeschwindigkeit v1 von beispielsweise 100 km/h auf das zweite Fahrzeug 2 zu, das zuvor abgebremst hat und nun stillsteht. Der Frontsensor 3 erfasst das stehende zweite Fahrzeug 2 im Bereich vor dem ersten Fahrzeug 1. Es handelt sich hierbei um eine Notbremssituation, in der eine hohe Gefahr einer Frontkollision des ersten Fahrzeugs 1 mit dem zweiten Fahrzeug 2 besteht. Das dritte Fahrzeug 5 fährt mit einer ähnlich hohen Geschwindigkeit v5, die hier beispielsweise ebenfalls 100 km/h beträgt, hinter dem ersten Fahrzeug 1 her. Der Hecksensor 4 des ersten Fahrzeugs 1 erfasst wie oben beschrieben das dritte Fahrzeug 5 hinter dem ersten Fahrzeug 1 und dessen Geschwindigkeit. Wenn das erste Fahrzeug 1 abbremst, besteht die Gefahr einer Heckkollision des dritten Fahrzeugs 5 mit dem ersten Fahrzeug 1. Erfindungsgemäß steuert der Notbremsassistent 10 das Bremssystem des ersten Fahrzeugs 1 so an, dass ein Schweregrad der kombinierten Kollisionssituation der Frontkollision und der Heckkollision insgesamt möglichst gering ist. Das Verfahren ist unabhängig von der Anfangsgeschwindigkeit v1 und kann auch bei deutlich niedrigerer Geschwindigkeit durchgeführt werden. In 2b wurde das erste Fahrzeug 1 mit angepasster Verzögerung (negative Beschleunigung) auf eine geringe Endgeschwindigkeit von beispielsweise 20 km/h abgebremst. Diese geringe Geschwindigkeit führte zu einer Frontkollision mit dem zweiten Fahrzeug 2. Allerdings führte diese geringe Geschwindigkeit in Kombination mit der angepassten Verzögerung im Vergleich zu einer Vollbremsung mit maximaler Verzögerung in den Stillstand zu einer höheren Reaktionszeit und Bremszeit für das dritte Fahrzeug 5 sowie zu einer geringeren Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem dritten Fahrzeug 5 und dem ersten Fahrzeug 1. Dadurch wurde der Schweregrad der Heckkollision im Vergleich zu einer Vollbremsung deutlich reduziert. Im Ergebnis wird dadurch insgesamt der Schweregrad der kombinierten beiden Kollisionen minimiert.
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3 zeigt ein Ablaufdiagramm einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens. Zu Beginn erfolgt eine Erfassung 11 von Umgebungsdaten vor dem ersten Fahrzeug 1 durch den Frontsensor 3. Zudem können hierbei auch die Umgebungsdaten seitlich des ersten Fahrzeugs 1 entweder durch den Frontsensor 3 oder durch einen weiteren, hier nicht gezeigten, insbesondere seitlich am Fahrzeug 1 angeordneten Sensor aufgenommen werden. Die Umgebungsdaten werden dem Notbremsassistenten 10 zugeführt, der dann durch ein an sich bekanntes Verfahren aus den Umgebungsdaten eine Notbremssituation erkennt 12. Gleichzeitig erfolgt eine Erfassung 13 von Umgebungsdaten hinter dem ersten Fahrzeug 1 durch den Hecksensor 4. Die Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug 1 werden ebenfalls dem Notbremsassistenten 10 zugeführt und dann aus den Umgebungsdaten hinter dem Fahrzeug 1 das Vorhandensein eines Folgefahrzeugs, also des dritten Fahrzeugs 5, erkannt. Zudem können die Geschwindigkeit v5 des dritten Fahrzeugs 5 und die Kollisionsgefahr des dritten Fahrzeugs 5 mit dem ersten Fahrzeug 1 ermittelt werden. Die Umgebungsdaten vor dem Ego-Fahrzeug 1 und die Umgebungsdaten hinter dem Ego-Fahrzeug werden fusioniert 15 und einem Entscheidungsträger 16 zugeführt. Der Entscheidungsträger 16 ermittelt aus den Umgebungsdaten vor und hinter dem Ego-Fahrzeug 1 sowie aus den Parametern der Notbremssituation und des gegebenenfalls erfassten dritten Fahrzeugs 5 kombinierte Kollisionsszenarien und gibt Steuersignale an den Notbremsassistenten 10 aus.
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Der Notbremsassistent 10 gibt abhängig davon, ob sich ein Folgefahrzeug, also das dritte Fahrzeug 5, hinter dem Ego-Fahrzeug 1 befindet, entsprechende Steuersignale 17 an ein Bremssystem des Ego-Fahrzeugs 1 aus. Befindet sich kein Folgefahrzeug hinter dem Ego-Fahrzeug 1, wie in 1 dargestellt und in diesem Zusammenhang beschrieben, so werden vom Notbremsassistent 10 Steuersignale 17 an das Bremssystem ausgegeben, mit denen eine Frontkollision möglichst verhindert wird. Dabei ist weder die maximale Verzögerung noch die minimale Geschwindigkeit beschränkt. Befindet sich ein Folgefahrzeug, also das dritte Fahrzeug 5 hinter dem Ego-Fahrzeug 1, wie in 2 dargestellt und in diesem Zusammenhang beschrieben, so werden vom Notbremsassistent 10 Steuersignale 17 an das Bremssystem ausgegeben, mit denen ein Kollisionsszenario mit geringster Kollisionswahrscheinlichkeit und/oder geringstem Schweregrad der Kollisionen erhalten wird. Dabei werden die Geschwindigkeit v5 des dritten Fahrzeugs 5 und eine Kollisionswahrscheinlichkeit für eine Heckkollision mit dem dritten Fahrzeug 5 berücksichtigt.