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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Erkennen eines Fahrbahnzustands basierend auf Messdaten einer Inertialsensorik eines Fahrzeugs. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Steuergerät und ein Computerprogramm zum Ausführen eines solchen Verfahrens und ein computerlesbares Medium, auf dem ein solches Computerprogramm gespeichert ist.
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Stand der Technik
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Zum Erkennen eines Fahrbahnzustands können beispielsweise Ultraschalldaten, die von einer in einem Fahrzeug verbauten Ultraschallsensorik bereitgestellt werden, ausgewertet werden. Anhand der Ultraschalldaten kann beispielsweise erkannt werden, ob eine Fahrbahn, auf der sich das Fahrzeug gerade fortbewegt, nass oder trocken ist. Allerdings können sich Umgebungsgeräusche wie etwa die Geräusche anderer Fahrzeuge störend auf eine derartige akustische Erkennung auswirken.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund werden nachstehend ein Verfahren zum Erkennen eines Fahrbahnzustands basierend auf Messdaten einer Inertialsensorik eines Fahrzeugs, ein entsprechendes Steuergerät, ein entsprechendes Computerprogramm und ein entsprechendes computerlesbares Medium gemäß den unabhängigen Ansprüchen vorgestellt. Vorteilhafte Weiterbildungen und Verbesserungen des hier vorgestellten Ansatzes ergeben sich aus der Beschreibung und sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Vorteile der Erfindung
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Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung ermöglichen die Erkennung eines Fahrbahnzustands basierend auf Beschleunigungs- und/oder Drehratenwerten, wie sie beispielsweise von einer standardmäßig im Fahrzeug verbauten Inertialsensorik gemessen werden. Somit kann auf die Nachrüstung eines zusätzlichen Sensors für die Erkennung des Fahrbahnzustands, etwa eines Ultraschallsensors, verzichtet werden.
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Ein Inertialsensor, auch inertiale Messeinheit oder kurz IMU genannt, ist im Vergleich zu einem akustischen Sensor prinzipbedingt deutlich robuster gegenüber Umgebungsgeräuschen oder Reflexionen von Geräuschen, beispielsweise an Leitplanken oder Tunnelwänden, da damit in erster Linie Körperschall gemessen wird, der von den Reifen des Fahrzeugs auf dessen tragende Struktur übertragen wird. Auch können Störeinflüsse durch Fahrzeugbewegungen, die beispielsweise beim Bremsen, Beschleunigen oder Lenken auftreten, in der Regel gut abgeschätzt werden und daher entsprechend kompensiert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Inertialsensoren in vielen Fahrzeugen standardmäßig vorhanden sind, beispielsweise als Komponente eines im Fahrzeug verbauten Steuergeräts, insbesondere eines Steuergeräts, das konfiguriert ist, um die Fahrdynamik zu stabilisieren.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein computerimplementiertes Verfahren zum Erkennen eines Fahrbahnzustands basierend auf Messdaten einer Inertialsensorik eines Fahrzeugs. Das Verfahren umfasst zumindest die folgenden Schritte: Empfangen der Messdaten, wobei die Messdaten eine von der Inertialsensorik gemessene Beschleunigung und/oder Drehrate des Fahrzeugs anzeigen; Bestimmen von Rauschwerten, die eine Intensität eines Rauschens in den Messdaten anzeigen; und Erkennen des Fahrbahnzustands in Abhängigkeit von den Rauschwerten.
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Das Verfahren kann beispielsweise automatisch durch einen Prozessor eines Steuergeräts des Fahrzeugs ausgeführt werden. Das Steuergerät kann zusätzlich konfiguriert sein, um eine oder mehrere Fahrerassistenzfunktionen wie etwa ABS oder ESP basierend auf den Messdaten auszuführen, mit denen das Fahrzeug in Abhängigkeit vom erkannten Fahrbahnzustand gelenkt, beschleunigt und/oder abgebremst werden kann, etwa um das Fahrzeug zu stabilisieren. Hierzu kann das Fahrzeug eine entsprechende Aktorik umfassen, beispielsweise in Form eines Lenkaktors, eines Bremsaktors, eines Motorsteuergeräts, eines elektrischen Antriebsmotors oder einer Kombination aus mindestens zwei dieser Beispiele. Beispielsweise ist es möglich, dass die Messdaten vom Steuergerät zur Erkennung des Fahrbahnzustands anhand der Rauschwerte und zusätzlich zur Stabilisierung des Fahrzeugs anhand der gemessenen Beschleunigung(en) und/oder Drehrate(n) des Fahrzeugs genutzt werden.
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Die Inertialsensorik kann im Fahrzeug verbaut sein, wobei die Messdaten während eines Betriebs des Fahrzeugs von der Inertialsensorik erzeugt und ausgegeben und im Steuergerät empfangen werden können. Beispielsweise kann die Inertialsensorik in das Steuergerät integriert sein.
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Das Fahrzeug kann ein Kraftfahrzeug, etwa in Form eines Pkw, Lkw, Busses oder eines Motorrads, sein. Im weiteren Sinn kann unter einem Fahrzeug auch ein autonomer, mobiler Roboter verstanden werden.
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Unter „Fahrbahnzustand“ kann ein Zustand einer Fahrbahn, auf der sich das Fahrzeug gerade fortbewegt, verstanden werden. Beispielsweise kann der Fahrbahnzustand dadurch erkannt werden, dass den Rauschwerten eine aus mehreren vorgegebenen Klassen wie etwa „nass“, „trocken“, „glatt“ oder „griffig“, ein Wert, der eine Nässe und/oder Trockenheit der Fahrbahn quantifiziert, ein Wert, der eine Aquaplaninggefahr für das Fahrzeug quantifiziert, oder eine Kombination aus mindestens zwei dieser Beispiele zugeordnet wird. Diese Zuordnung kann beispielsweise mithilfe einer oder mehrerer Kennlinien oder eines oder mehrerer Kennfelder erfolgen, die in vorangegangenen Fahrversuchen ermittelt wurden. Die Kennlinien bzw. die Kennfelder können im Steuergerät hinterlegt sein, beispielsweise in Form einer oder mehrerer mathematischer Funktionen oder einer oder mehrerer Lookup-Tabellen.
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Dem vor- und nachstehend beschriebenen Verfahren liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Reifengeräusche als Körperschall von den Reifen bis hin zur Inertialsensorik ausbreiten und von dieser mit erfasst werden können. Überraschenderweise konnte in Versuchen beobachtet werden, dass sich das Rauschen in den von der Inertialsensorik erzeugten Messdaten in Abhängigkeit vom Fahrbahnzustand deutlich verändert. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass das Rauschen deutlich stärker wird, wenn das Fahrzeug von einer trockenen Fahrbahn auf eine nasse Fahrbahn wechselt, und im umgekehrten Fall deutlich schwächer wird. Eine derartige Änderung in der Intensität des Rauschens ermöglicht somit einen Rückschluss auf einen aktuellen Fahrbahnzustand oder eine Änderung zwischen zwei Fahrbahnzuständen, beispielsweise zwischen „trocken“, „nass“ oder „feucht“. Der Effekt kann beispielsweise genutzt werden, um einen Reibwert, der eine geschätzte Reibung zwischen den Rädern und der Fahrbahn anzeigt, zu berechnen oder zu korrigieren oder eine Wahrscheinlichkeit für Aquaplaning zu schätzen.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein Steuergerät, das einen Prozessor umfasst, der konfiguriert ist, um das vor- und nachstehend beschriebene Verfahren auszuführen. Das Steuergerät kann Hardware- und/oder Softwaremodule umfassen. Zusätzlich zum Prozessor kann das Steuergerät einen Speicher und Datenkommunikationsschnittstellen zur Datenkommunikation mit Peripheriegeräten umfassen. Merkmale des Verfahrens können auch als Merkmale des Steuergeräts aufgefasst werden und umgekehrt.
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Weitere Aspekte der Erfindung betreffen ein Computerprogramm und ein computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogramm gespeichert ist.
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Das Computerprogramm umfasst Befehle, die einen Prozessor bei Ausführung des Computerprogramms durch den Prozessor veranlassen, das vor- und nachstehend beschriebene Verfahren auszuführen.
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Das computerlesbare Medium kann ein flüchtiger oder nicht flüchtiger Datenspeicher sein. Beispielsweise kann das computerlesbare Medium eine Festplatte, ein USB-Speichergerät, ein RAM, ROM, EPROM oder Flash-Speicher sein. Das computerlesbare Medium kann auch ein einen Download eines Programmcodes ermöglichendes Datenkommunikationsnetzwerk wie etwa das Internet oder eine Datenwolke (Cloud) sein.
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Merkmale des vor- und nachstehend beschriebenen Verfahrens können auch als Merkmale des Computerprogramms und/oder des computerlesbaren Mediums aufgefasst werden und umgekehrt.
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Mögliche Merkmale und Vorteile von Ausführungsformen der Erfindung können unter anderem, und ohne die Erfindung einzuschränken, als auf den nachstehend beschriebenen Ideen und Erkenntnissen beruhend angesehen werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Messdaten Messwerte für mindestens zwei verschiedene Messdimensionen umfassen. Dabei können aus den Messwerten einer jeden Messdimension Rauschwerte bestimmt werden, die eine Intensität eines der Messdimension zugeordneten Rauschens anzeigen. Der Fahrbahnzustand kann dann in Abhängigkeit von den Rauschwerten verschiedener Messdimensionen erkannt werden. Unter „Messdimension“ kann beispielsweise eine Längs-, Quer- oder Vertikalbeschleunigung oder eine Roll-, Nick- oder Gierrate des Fahrzeugs verstanden werden. In Versuchen konnte beobachtet werden, dass das Rauschen in den Messdaten je nach Messdimension verschieden stark durch Änderungen der Geschwindigkeit des Fahrzeugs beeinflusst wird. Anders ausgedrückt konnte festgestellt werden, dass es Messdimensionen gibt, die weniger stark von Änderungen der Geschwindigkeit des Fahrzeugs beeinflusst werden als andere Messdimensionen und die sich daher besonders zur Erkennung des Fahrbahnzustands anhand des Rauschens eignen. Besonders geeignete Messdimensionen sind beispielsweise die Vertikalbeschleunigung, die Rollrate und die Nickrate. Prinzipiell sind aber auch andere gängige Messdimensionen für das Verfahren geeignet.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Rauschwerte in verschiedenen vorgegebenen Frequenzbereichen, insbesondere in drei bis acht verschiedenen vorgegebenen Frequenzbereichen, bestimmt werden. Vorzugsweise können die Rauschwerte in drei bis vier verschiedenen vorgegebenen Frequenzbereichen bestimmt werden. Die Frequenzbereiche können sich in ihrer Bandbreite und/oder ihren Grenzen voneinander unterscheiden. Dadurch kann die Erkennungsgenauigkeit des Verfahrens verbessert werden. Beispielhaft kann ein erster, niedriger Frequenzbereich zwischen 100 Hz und 200 Hz, ein zweiter, mittlerer Frequenzbereich zwischen 200 Hz und 500 Hz und/oder ein dritter, hoher Frequenzbereich zwischen 500 Hz und einer Maximalfrequenz der Inertialsensorik liegen, wobei die Maximalfrequenz beispielsweise 1 kHz betragen kann. Das Nasszischen wirkt häufig auf eher hohe Frequenzbereiche, während Störgeräusche häufig auf eher niedrige Frequenzbereiche wirken. Ist das Rauschen in hohen Frequenzbereichen hoch gegenüber dem Rauschen in niedrigen Frequenzbereichen, dann kann das Rauschen dem Nasszischen der Räder zugeordnet werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Messdaten und/oder auf den Messdaten basierende Daten als Eingabedaten in einen Glättungsfilter eingegeben werden, um Ausgabedaten zu erhalten, die gegenüber den Eingabedaten geglättet sind, d. h. kein Rauschen oder ein deutlich schwächeres Rauschen als die Messdaten enthalten. Dabei kann eine Differenz aus den Eingabedaten und den Ausgabedaten gebildet werden. Die Rauschwerte können dann aus der Differenz bestimmt werden. Unter einem Glättungsfilter kann ein Tiefpassfilter verstanden werden, beispielsweise ein Rechteck- oder Gauß-Filter. Dadurch kann das Rauschen mit geringem Rechenaufwand aus den Messdaten herausgefiltert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann die Differenz quadriert werden, um die Rauschwerte zu erhalten. Dadurch können Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der Rauschwerte reduziert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Messdaten in mehreren aufeinanderfolgenden Zeitschritten empfangen werden. Dabei können die Rauschwerte in einem aktuellen Zeitschritt aus den Messdaten verschiedener Zeitschritte bestimmt werden. Beispielsweise können die Rauschwerte unter Verwendung von einem, zwei oder mehr als zwei früheren Zeitschritten, die dem aktuellen Zeitschritt jeweils vorangehen, bestimmt werden. Beispielsweise können die Rauschwerte aus den Messdaten mehrerer aufeinanderfolgender Zeitschritte bestimmt werden. Denkbar ist beispielsweise, dass aus den Messdaten verschiedener Zeitschritte durchschnittliche Rauschwerte bestimmt werden. Auf diese Weise können Messungenauigkeiten kompensiert werden. Die Zeitschritte können beispielsweise jeweils 0,1 Millisekunde, 1 Millisekunde oder 5 Millisekunden betragen.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Messdaten verschiedener Zeitschritte in einen Kantenfilter eingegeben werden, um Filterdaten zu erhalten, in denen das Rauschen gegenüber den Messdaten verstärkt ist. Dabei können die Rauschwerte aus den Filterdaten bestimmt werden. Unter „Kantenfilter“ kann allgemein ein Hochpassfilter oder Kantenoperator verstanden werden, der konfiguriert ist, um Änderungen in der Intensität des Rauschens zu verstärken. Beispielsweise kann der Kantenfilter ein Laplace-Filter, ein Sobel-Operator oder ein Prewitt-Operator sein. Denkbar ist aber auch die Verwendung eines nichtlinearen Filters. Auf diese Weise kann die Erkennung des Fahrbahnzustands weiter verbessert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Rauschwerte durch Quadrieren der Filterdaten bestimmt werden. Dadurch kann der Rechenaufwand beim Ausführen des Verfahrens reduziert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können die Filterdaten als die Eingabedaten in den Glättungsfilter eingegeben werden (siehe weiter oben). Anders ausgedrückt können die Rauschwerte durch Bilden der Differenz aus den Filterdaten und den Ausgabedaten, die durch Unterdrückung oder Abschwächung des Rauschens in den Filterdaten mittels des Glättungsfilters resultieren, bestimmt werden. Dadurch kann das Rauschen, das mittels des Kantenfilters verstärkt wurde, mit geringem Rechenaufwand aus den Filterdaten herausgefiltert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann der Fahrbahnzustand zusätzlich in Abhängigkeit von einer aktuellen Geschwindigkeit des Fahrzeugs erkannt werden. In Versuchen konnte beobachtet werden, dass das Rauschen nicht nur in Abhängigkeit davon, wie nass die Fahrbahn ist, sondern auch in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs variiert. Die Auswertung der Rauschwerte in Kombination mit der aktuellen Geschwindigkeit des Fahrzeugs erhöht somit die Zuverlässigkeit des Verfahrens.
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Gemäß einer Ausführungsform kann zum Erkennen des Fahrbahnzustands mindestens ein Erkennungswert, der einen Nässegrad einer Fahrbahn des Fahrzeugs und/oder eine Aquaplaninggefahr für das Fahrzeug anzeigt, bestimmt werden. Unter „Erkennungswert“ kann beispielsweise ein boolescher Wert oder ein Wert aus einem kontinuierlichen Wertebereich, beispielsweise ein Prozentwert, verstanden werden. Der Erkennungswert kann beispielsweise aus einer Lookup-Tabelle, die verschiedenen Rauschwerten verschiedene Erkennungswerte zuordnet, ausgelesen werden. Den Erkennungswerten können in der Lookup-Tabelle optional weitere Werte zugeordnet sein, beispielsweise mögliche Werte für eine aktuelle Geschwindigkeit des Fahrzeugs oder Statistikwerte (siehe weiter unten).
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Gemäß einer Ausführungsform können zusätzlich Statistikwerte bestimmt werden, die eine Varianz bezüglich der Messdaten und/oder der Rauschwerte anzeigen. Dabei kann der Fahrbahnzustand zusätzlich in Abhängigkeit von den Statistikwerten erkannt werden. Die Statistikwerte können beispielsweise in Versuchen bestimmt worden sein und in Form einer oder mehrere Kennlinien oder eines oder mehrerer Kennfelder im Steuergerät hinterlegt sein. Auf diese Weise kann die Robustheit des Verfahrens gegenüber zufallsbedingten Störeinflüssen erhöht werden.
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Figurenliste
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Nachfolgend werden Ausführungsformen der Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen beschrieben, wobei weder die Zeichnungen noch die Beschreibung als die Erfindung einschränkend auszulegen sind.
- 1 zeigt ein Fahrzeug mit einem Steuergerät gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.
- 2 zeigt das Steuergerät aus 1 im Detail.
- 3 zeigt ein Diagramm, das einen zeitlichen Verlauf einer Geschwindigkeit des Fahrzeugs aus 1 einem zeitlichen Verlauf eines von einer Inertialsensorik des Fahrzeugs aus 1 gemessenen Rauschens gegenüberstellt.
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Die Figuren sind lediglich schematisch und nicht maßstabsgetreu. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen in den Figuren gleiche oder gleichwirkende Merkmale.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 zeigt ein Fahrzeug 1, das auf einer Fahrbahn 3 fährt. In diesem Beispiel ist das Fahrzeug 1 mit einer Inertialsensorik 5 in Form eines 6D-Sensors ausgestattet, der konfiguriert ist, um Beschleunigungen und Drehraten des Fahrzeugs 1 jeweils bezüglich einer x-, y- und z-Richtung zu messen.
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Ferner weist das Fahrzeug 1 ein Steuergerät 7 auf, das konfiguriert ist, um von der Inertialsensorik 5 erzeugte Messdaten 9 zu empfangen und auszuwerten.
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Die Inertialsensorik 5 ist hier beispielhaft außerhalb des Steuergeräts 7 im Fahrzeug 1 angeordnet. Es ist jedoch auch möglich, dass die Inertialsensorik 5 in das Steuergerät 7 integriert ist.
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Das Steuergerät 7 kann beispielsweise eine Fahrerassistenzfunktion ausführen, die konfiguriert ist, um das Fahrzeug 1 basierend auf den Messdaten 9 zu lenken, zu beschleunigen und/oder abzubremsen. Details des Steuergeräts 7 sind in 2 gezeigt.
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Die Fahrerassistenzfunktion kann beispielsweise die Erkennung eines Fahrbahnzustands der Fahrbahn 3 im nachstehend beschriebenen Verfahren umfassen.
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Wie in 2 zu sehen, werden die Messdaten 9 in einem ersten Schritt des Verfahrens im Steuergerät 7 empfangen. Die Messdaten 9 können in mehreren aufeinanderfolgenden Zeitschritten empfangen werden. Beispielsweise können in jedem Zeitschritt drei Messwerte für die Beschleunigungen ax, ay, az und drei Messwerte für die Drehraten ωx, ωy, ωz empfangen werden.
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In einem zweiten Schritt bestimmt ein Rauschwertbestimmungsmodul 10 aus den Messdaten 9 Rauschwerte 13, die eine Intensität eines Rauschens in den Messdaten 9 anzeigen. Beispielsweise können die Rauschwerte 13 für jede der sechs vorgenannten Messdimensionen bestimmt werden.
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Zusätzlich oder alternativ können die Rauschwerte 13 aus den Intensitäten des Rauschens in verschiedenen vorgegebenen Frequenzbereichen bestimmt werden.
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In einem dritten Schritt werden die Rauschwerte 13 in einem Erkennungsmodul 14 ausgewertet, um den Fahrbahnzustand zu erkennen. Das Erkennungsmodul 14 kann anhand der Rauschwerte 13 beispielsweise einen Erkennungswert 15 bestimmen, der anzeigt, ob die Fahrbahn 3 nass oder trocken ist. In dem in 1 gezeigten Beispiel fährt das Fahrzeug 1 gerade in einen nassen Abschnitt 17 der Fahrbahn 3 hinein. Dies ist mit einem plötzlichen Anstieg der Intensität des Rauschens in den Messdaten 9 verbunden, der vom Erkennungsmodul 14 als ein Wechsel des Fahrbahnzustands von „trocken“ zu „nass“ erkannt wird (siehe auch 3). Dementsprechend zeigt der Erkennungswert 15 hier den Fahrbahnzustand „nass“ an.
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Der Erkennungswert 15 kann also ein Nässewert sein, der wie hier verschiedene diskrete Fahrbahnzustände oder aber verschiedene Nässegrade der Fahrbahn 3 anzeigen kann. Zusätzlich oder alternativ kann das Erkennungsmodul 14 einen Aquaplaninggefahrwert, der eine Aquaplaninggefahr für das Fahrzeug 1 anzeigt, als den Erkennungswert 15 ausgeben.
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3 zeigt beispielhaft einen zeitlichen Verlauf einer Längsgeschwindigkeit vx des Fahrzeugs 1. Darunter sind die entsprechenden (gefilterten) Rauschwerte 13 aus den Messungen der Beschleunigungen ax, ay, az und den Messungen der Drehraten ωx, ωy, ωz aufgetragen. Das Fahrzeug 1 bremst von 19 m/s auf 15 m/s ab. Kurz vor Sekunde 34 erreicht das Fahrzeug 1 den nassen Abschnitt 17, bei dem es sich hier um bewässerte Kacheln handelt, und bleibt dabei weitgehend stabil. Kurz vor Sekunde 38 beschleunigt das Fahrzeug 1, wodurch es instabil wird. Die Längsgeschwindigkeitsänderung und die Instabilität haben großen Einfluss auf die Längsbeschleunigung ax, die Querbeschleunigung ay und die Gierrate ωz und damit auch auf deren Rauschwerte 13. Wie in 3 gut zu erkennen, sind die Rauschwerte 13 der übrigen Dimensionen deutlich robuster gegenüber den Fahrzeugbewegungen.
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Wie in 2 zu sehen, kann das Steuergerät 7 optional einen Glättungsfilter 18 umfassen, in den die Messdaten 9 in jedem Zeitschritt als Eingabedaten 19 eingegeben werden und der die Eingabedaten 19 in Ausgabedaten 21 umwandelt, in denen das Rauschen unterdrückt oder zumindest stark abgeschwächt ist. Die Rauschwerte 13 können dann aus den Ausgabedaten 21 bestimmt werden.
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Die Rauschwerte 13, w können beispielsweise dadurch bestimmt werden, dass in einem Berechnungsmodul 22 die quadratischen Abweichungen zwischen den (rohen) Messdaten 9, z
raw als den Eingabedaten 19 und den gefilterten Messwerten z
filt als den Ausgabedaten 21 berechnet werden:
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Dem Glättungsfilter 18 kann optional ein Kantenfilter 23 vorgeschaltet sein, in den die Messdaten 9 in jedem Zeitschritt eingegeben werden und der aus den Messdaten 9 mehrerer aufeinanderfolgender Zeitschritte, beispielsweise von zwei, drei oder mehr als drei aufeinanderfolgenden Zeitschritten, Filterdaten 25 erzeugt, in denen das Rauschen durch Differenzierung gegenüber den Messdaten 9 deutlich verstärkt ist. Die Filterdaten 25 können dann als die Eingabedaten 19 in den Glättungsfilter 18 eingegeben werden, um die Ausgabedaten 21 zu erhalten.
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Zum Beispiel können die Messdaten 9, z
raw mithilfe eines Laplace-Filters in der Weise verarbeitet werden, dass eine zweite Ableitung z
Δ,k der Messdaten 9 unter Verwendung der Messdaten 9, z
raw,k eines aktuellen Zeitschritts k, der Messdaten 9, z
raw,x-1 eines dem aktuellen Zeitschritt k unmittelbar vorangehenden ersten Zeitschritts und der Messdaten 9, z
raw,k-2 eines dem ersten Zeitschritt unmittelbar vorangehenden zweiten Zeitschritts approximiert wird:
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Die resultierenden Filterdaten 25, zΔ können anschließend mit dem Glättungsfilter 18 gefiltert werden, um die Ausgabedaten 21, zΔ,filt zu erhalten.
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Schließlich können die Rauschwerte 13, w im Berechnungsmodul 22 berechnet werden mit:
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Je öfter die Ableitung vorgenommen und damit das Rauschen verstärkt wird und je größer die Filterzeitkonstante gewählt wird, umso geringer ist die Abweichung von z
Δ,filt von null bezogen auf z
Δ. Um Rechenzeit zu sparen, können die Rauschwerte 13, w daher auch direkt durch Quadrieren der Ableitung z
Δ im Berechnungsmodul 22 berechnet werden:
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Der Erkennungswert 15 kann beispielsweise genutzt werden, um einen Reibwert, der eine Reibung zwischen den Rädern des Fahrzeugs 1 und der Fahrbahn 3 anzeigt, besser zu prognostizieren. Ist beispielsweise die Umgebungstemperatur größer als 4 °C und wird die Fahrbahn 3 als trocken erkannt, so kann von einem Reibwert von mindestens 0,6 ausgegangen werden. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise eine ABS-Funktion schneller und mehr Bremsdruck aufbaut, als wenn die Fahrbahn 3 als nass erkannt wird oder die Umgebungstemperatur unter 4 °C liegt.
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Bei sehr hohen Geschwindigkeiten kann der Reibwert bei sehr nasser Fahrbahn 3 deutlich unter 0,6 liegen und insbesondere durch Aquaplaning so klein werden, dass das Fahrzeug 1 nur noch schwer zu kontrollieren ist. Die Aquaplaninggefahr ist im Wesentlichen proportional zur Intensität des Rauschens, wohingegen der Reibwert im Wesentlichen antiproportional zur Intensität des Rauschens ist. Die Bremskräfte können demnach an das gemessene Rauschen angepasst werden.
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Es ist möglich, dass in jedem Messschritt mehrere Erkennungswerte 15 aus mehreren Rauschwerten 13 berechnet werden. Zum Beispiel können die Erkennungswerte 15 durch die Auswertung von Rauschpegeln in unterschiedlichen Messdimensionen und/oder Frequenzbereichen, insbesondere in zwei bis acht, vorzugsweise in drei bis vier unterschiedlichen Frequenzbereichen, bestimmt werden.
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Alle Erkennungswerte 15 eines Messschritts können beispielsweise wie folgt miteinander fusioniert werden.
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Bei der Fusion kann eine individuelle Varianz
jeder einzelnen Messung berücksichtigt werden. Der für jeden Rauschwert 13 individuelle Erkennungswert 15, µ
i und die korrespondierende Varianz
können beispielsweise anhand von Versuchen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Fahrzeuggeschwindigkeiten v oder Nässegraden µ bestimmt und in Kennfeldern oder Kennlinien im Steuergerät 7 hinterlegt worden sein und so während des Fahrzeugbetriebs aus dem jeweiligen Kennfeld oder der jeweiligen Kennlinie berechnet werden:
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Für die spätere Berechnung des gewichteten Mittelwerts µ
s eines Sensors, d. h. einer Messdimension, kann zunächst die Varianz
des Sensors aus der reziproken Summe dessen reziproker Varianzen
berechnet werden:
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Je geringer die individuelle Standardabweichung σ
i ist, desto stärker wird der Erkennungswert 15, µ
i bei der Berechnung des sensorindividuellen Erkennungswerts 15, µ
s gewichtet:
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Störungen wirken sich auf die Messungen eines Messschritts eines Sensors häufig unterschiedlich stark aus und führen so zu besonders großen Unterschieden in den Erkennungswerten 15, µ
i eines Sensors. Alle Erkennungswerte 15, µ
i von Sensoren, die von Störungen beeinflusst sind, sollten daher ein geringeres Gewicht bei der Berechnung eines fusionierten Erkennungswerts über mehrere Sensoren hinweg haben. Störungen, die sich auf die Messungen eines Messschritts unterschiedlich stark auswirken, sollten zu einem entsprechend größeren Wert für die Varianz des fusionierten Erkennungswerts führen. Messungen, bei denen aufgrund von Messrauschen erfahrungsgemäß eine hohe Varianz zu erwarten ist, sollten bei der Berechnung der Varianz des fusionierten Erkennungswerts schwächer gewichtet werden. Aus diesem Grund kann in einem weiteren Schritt aus den Abweichungen der Erkennungswerte 15, µ
i vom gewichteten Mittelwert µ
s und der Varianz
eine gewichtete sensorindividuelle Varianz
berechnet werden:
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Diese gewichtete Varianz
ist umso größer, je stärker die Erkennungswerte 15, µ
i vom gewichteten Mittelwert µ
s abweichen, solange diese Unterschiede nicht auf eine hohe Varianz
zurückzuführen sind, die aufgrund des bekannten Messrauschens zu erwarten ist.
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Anschließend wird eine Gesamtvarianz
aus den beiden zuvor berechneten Varianzen berechnet:
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Die Gesamtvarianz
ist groß, wenn alle individuellen Varianzen
aufgrund des erwarteten Messrauschens groß sind. Sie ist aber auch dann groß, wenn die individuellen Varianzen
aufgrund des erwarteten Messrauschens klein sind, während sich die Erkennungswerte 15, µ
i stark unterscheiden. Allerdings kann die Gesamtvarianz
klein sein, wenn einer der Messwerte stark abweicht, während für diesen Messwert eine hohe Varianz aufgrund des erwarteten Messrauschens bestimmt wurde.
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Störungen durch Fahrzeugbewegungen wie z. B. Beschleunigen, Bremsen oder Lenken wirken sich auf die Rauschwerte 13 der Messdimensionen Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung und Gierrate, nachfolgend erste Messdimensionen genannt, stärker aus als auf diejenigen der Messdimensionen Vertikalbeschleunigung, Roll- und Nickrate, nachfolgend zweite Messdimensionen genannt. Um möglichst robust gegenüber Störungen zu sein, können zunächst in einer ersten Fusion die ersten Messdimensionen miteinander und in einer zweiten Fusion die zweiten Messdimensionen miteinander fusioniert werden. Anschließend können die Ergebnisse beider Fusionen miteinander fusioniert werden.
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Alternativ können die Messdaten 9 und/oder die Rauschwerte 13 in einen Machine-Learning-Algorithmus eingegeben werden, der mit historischen Messdaten und/oder historischen Rauschwerten trainiert wurde, um aus den Messdaten 9 und/oder den Rauschwerten 13 die Erkennungswerte 15 und/oder fusionierte Erkennungswerte zu berechnen.
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Abschließend wird darauf hingewiesen, dass Begriffe wie „aufweisend“, „umfassend“ usw. keine anderen Elemente oder Schritte ausschließen und unbestimmte Artikel wie „ein“ oder „eine“ keine Vielzahl ausschließen. Bezugszeichen in den Ansprüchen sind nicht als Einschränkung anzusehen.