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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines eine Betriebsbremse und eine verschleißfreie Bremse aufweisenden Bremssystems eines zu einem automatisierten Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges, wobei situationsabhängig die Betriebsbremse und/oder die verschleißfreie Bremse angesteuert werden oder wird.
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Aus der
WO 2020/229153 A1 ist ein Verfahren zum Betrieb eines zu einem automatisierten, insbesondere hochautomatisierten oder autonomen Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges bekannt. Bei dem Verfahren wird eine Steuerung des Fahrbetriebes an ein Witterungsverhältnis einer Fahrzeugumgebung angepasst. Die Steuerung des Fahrbetriebes wird dann mittels Referenzsteuerungsparametern angepasst, wenn das Witterungsverhältnis von einem vorgegebenen Kriterium abweicht. Zur Erzeugung der Referenzsteuerungsparameter wird ein Fahrverhalten einer Vielzahl von zum Fahrzeug benachbarten Fahrzeugen in der Fahrzeugumgebung ermittelt. Aus den ermittelten Fahrverhalten werden ein Geschwindigkeitsmittelwert, ein Abstandsmittelwert, ein Beschleunigungsmittelwert und ein Verzögerungsmittelwert ermittelt und bei der Erzeugung der Referenzsteuerungsparameter berücksichtigt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Betrieb eines eine Betriebsbremse und eine verschleißfreie Bremse aufweisenden Bremssystems eines zu einem automatisierten Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren gelöst, welches die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Ein Verfahren zum Betrieb eines eine Betriebsbremse und eine verschleißfreie Bremse aufweisenden Bremssystems eines zu einem automatisierten Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges sieht vor, dass situationsabhängig die Betriebsbremse und/oder die verschleißfreie Bremse angesteuert werden oder wird. Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass
- - während eines Fahrbetriebes des Fahrzeuges fortlaufend Situations- und Umgebungseigenschaften ermittelt werden,
- - mittels eines Einsatzevaluierungsmoduls des Fahrzeuges die erfassten Situations- und Umgebungseigenschaften des Fahrzeuges mit Sollwerten, zu welchen Einsatzbedingungen der verschleißfreien Bremse hinterlegt sind, verglichen werden und
- - in Abhängigkeit eines Ergebnisses des Vergleiches und der zugehörigen Einsatzbedingungen der verschleißfreien Bremse mittels des Einsatzevaluierungsmoduls festgelegt wird, ob zur Verringerung einer momentanen Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges die verschleißfreie Bremse oder die Betriebsbremse des Fahrzeuges eingesetzt wird.
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Durch Anwendung des Verfahrens kann die Sicherheit für das Fahrzeug, bei welchem es sich insbesondere um einen autonom fahrenden Lastkraftwagen handelt, bei einem Bergabfahren bei einem vergleichsweise geringen Reibungskoeffizienten zwischen Fahrzeugrädern und Fahrbahn erhöht werden. In einem solchen Fall wird die Betriebsbremse und nicht das verschleißfreie Bremssystem des Fahrzeuges eingesetzt, so dass die Fahrzeugräder aller Fahrzeugachsen gebremst werden.
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Ein solches Einsatzevaluierungsmodul kann ein Zulassungskriterium, insbesondere als zulassungsrelevante Fähigkeit des Fahrzeuges, das heißt des Lastkraftwagens, also eines Fahrzeuggespannes, darstellen.
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Das Fahrzeug gehört beispielsweise einer Fahrzeugflotte an, wobei es durch Anwendung des Verfahrens möglich ist, ein Flotteneinsatzgebiet auf vergleichsweise wetterseitig unvorteilhafte Gebiete zu erweitern.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
- 1 schematisch eine Vorrichtung eines Fahrzeuges zur Einsatzevaluierung eines verschleißfreien Bremssystems eines zu einem automatisierten Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges und
- 2 schematisch eine Bewertungslogik zur Einsatzevaluierung des verschleißfreien Bremssystems.
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Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt eine Vorrichtung eines zum automatisierten, insbesondere autonomen, Fahrbetrieb ausgebildeten Fahrzeuges 1, insbesondere eines Lastkraftwagens, also eines Nutzfahrzeuges in Form eines Fahrzeuggespannes mit einem Zugfahrzeug und einem Anhänger oder Auflieger. Die Vorrichtung ist zur Durchführung eines Verfahrens zur Einsatzevaluierung eines nicht näher gezeigten verschleißfreien Bremssystems des autonom und auch fahrerlos fahrenden Fahrzeuges 1 ausgebildet. Das Fahrzeug 1 ist einer Fahrzeugflotte, beispielsweise eines Fahrzeugherstellers, zugehörig.
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In 2 ist eine Bewertungslogik B zur Einsatzevaluierung des verschleißfreien Bremssystems dargestellt.
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Autonom und hochautomatisiert fahrende Fahrzeuge 1 lokalisieren sich anhand erfasster Signale diverser am Fahrzeug 1 vorhandener Sensoren S1 bis Sn einer fahrzeugseitigen Umgebungssensorik U und Kartendaten K. Dabei kann der jeweilige Sensor S1 bis Sn als lidarbasierter Sensor S1, als Kamera, als radarbasierter Sensor S2 etc. ausgebildet sein. Insbesondere lokalisieren sich die Fahrzeuge 1 in einer vorhandenen Infrastruktur. Ihr jeweiliges Fahrverhalten wird anhand eines durch die erfassten Signale der Umgebungssensorik U vermessenen Umgebungsmodells sowie weiterer Umgebungsparameter abgestimmt.
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Zur Aufgabe eines Fahrers, welcher gegebenenfalls durch ein Automatisierungssystem des Fahrzeuges 1 ersetzt wird, gehört neben einer Querregelung, einem Lenken, einer Längsregelung, einem Beschleunigen, einem Abbremsen und einem Anpassen einer Fahrgeschwindigkeit u. a. auch eine Benutzung eines geeigneten Fahrzeugsystems in Abhängigkeit von einer Umgebungs- und Fahrsituation des Fahrzeuges 1.
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Vergleichsweise moderne Nutzfahrzeuge sind zwar mit einer Vielzahl von Sensoren S1 bis Sn, Aktoren und Assistenzsystemen, wie beispielsweise ein System zur elektronischen Stabilitätskontrolle, ein Antiblockiersystem, ein System zur geschwindigkeitsabhängigen Abstandsregelung, ausgestattet. Mittels derartiger Assistenzsysteme kann ein Fahrer eines Fahrzeuges 1 entlastet und auch in vergleichsweise heiklen Situationen unterstützt werden. Doch auch solche Assistenzsysteme haben ihre Grenzen. Gleiches gilt für Systeme wie ein verschleißfreies Bremssystem, beispielsweise eine sogenannte Motorbremse oder ein Retarder, um einen Verschleiß einer Betriebsbremse des Fahrzeuges 1 zu verringern und/oder bei längeren Bergabfahrten ein Heißlaufen und einen Ausfall der Betriebsbremse weitestgehend zu vermeiden.
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Es gibt jedoch Situationen, in welchen eine Benutzung des verschleißfreien Bremssystems des Fahrzeuges 1 ungeeignet und sogar gefährlich sein kann. Ein ordnungsgemäßer Einsatz des verschleißfreien Bremssystems wird im Rahmen einer entsprechenden Fahraus- und Weiterbildung geschult. Beim Einsatz des verschleißfreien Bremssystems wird nur eine Antriebsachse des Fahrzeuges 1 gebremst. Weist eine Fahrbahnoberfläche beispielsweise aufgrund von Schnee, Eis, Nässe und/oder Schmutz einen vergleichsweise geringen Reibungskoeffizienten zwischen Fahrzeugrädern und Fahrbahn auf, so kann die Nutzung des verschleißfreien Bremssystems zu einer verhältnismäßig geringen Bremskraftübertragung bis hin zum Blockieren der Antriebsachse führen. Aus diesem Grund wird ein Fahrer dazu ausgebildet, in einer solchen Fahrsituation die Betriebsbremse zu nutzen, so dass eine Bremskraft auf alle Achsen des Fahrzeuges 1 und Fahrzeugräder übertragen wird.
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Ein Fahrer des Fahrzeuges 1 wird in solchen Situationen zwar durch beispielsweise ein System zur elektronischen Stabilitätskontrolle und ein Antiblockiersystem unterstützt, um zum Beispiel ein Blockieren der Achsen weitestgehend zu vermeiden, wobei es auch zu Grenzsituationen einer Leistungsfähigkeit dieser Systeme kommen kann. Beispielsweise kann es dennoch zum Blockieren der Antriebsachse und in Kurvenfahrten zum Übersteuern des Zugfahrzeuges des Fahrzeuggespannes kommen. Dadurch kann ein sogenanntes Einknicken des Fahrzeuggespannes auftreten, wobei ein ungebremster oder nicht ausreichend bremsbarer Anhänger oder Auflieger das Zugfahrzeug schiebt. Wird in einer solchen Situation das verschleißfreie Bremssystem zum Abbremsen des Fahrzeuges 1 genutzt, kann dies dazu führen, dass eine Drehzahl einer Antriebseinheit des Fahrzeuges 1 so stark verringert wird, dass die Antriebseinheit ausgeht. Somit kann ein Ausfall einer hydraulischen Lenkkraftunterstützung bedingt sein.
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Um weitestgehend sicherstellen zu können, dass im autonomen und fahrerlosen Fahrbetrieb des Fahrzeuges 1 umgebungs- und situationsabhängig das verschleißfreie Bremssystem oder die Betriebsbremse genutzt wird, ist in das Fahrzeug 1 ein Einsatzevaluierungsmodul E implementiert.
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Dieses Einsatzevaluierungsmodul E ist signaltechnisch mit den Sensoren S1 bis Sn der Umgebungssensorik U verbunden. Insbesondere werden dem Einsatzevaluierungsmodul E erfasste Signale einer Kamera, eines Temperatursensors und eines Feuchtigkeitssensors der Umgebungssensorik U zugeführt. Weiterhin werden dem Einsatzevaluierungsmodul E Kartendaten K, insbesondere einer Umgebung einer mittels einer satellitengestützten Positionsbestimmungseinheit P des Fahrzeuges 1 ermittelten momentanen Fahrzeugposition zugeführt.
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Eine Bewertungslogik B zur Einsatzentscheidung, ob das verschleißfreie Bremssystem genutzt wird, ist in das Einsatzevaluierungsmodul E als Algorithmus implementiert.
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Der Bewertungslogik B werden über eine Fahrzeugsteuerungsschnittstelle FS, insbesondere des autonom fahrenden Fahrzeuges 1, Fahrzeuginformationen, wie beispielsweise ein erfasster Radschlupf und eine erfasste Temperatur der Betriebsbremse als Daten D zugeführt. Weiterhin wird ein erfasster Knickwinkel KW zwischen Zugfahrzeug und Anhänger oder Auflieger dem Einsatzevaluierungsmodul E zugeführt.
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Die erfassten Signale der Umgebungssensorik U werden einer Verarbeitungseinheit V zur Verarbeitung und Umfelderfassung zugeführt.
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Des Weiteren weist die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens ein Kommunikationsmodul KM auf, über welches das Fahrzeug 1 Wetterdaten W und Umgebungsinformationen I von nicht näher gezeigten weiteren Fahrzeugen empfängt. Insbesondere werden die Wetterdaten W und Umgebungsinformationen I dem Fahrzeug 1 über eine Fahrzeug-zu-Infrastrukturkommunikation zugeführt.
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Zudem umfasst die Vorrichtung einen virtuellen Fahrer F, welcher eine Verzögerungsanforderung VA an ein Fahrzeugbremssystem stellt.
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Das Einsatzevaluierungsmodul E überwacht fortlaufend gleiche oder ähnliche Situations- und Umgebungseigenschaften des Fahrzeuges 1. Basierend darauf wird über die Fahrzeugsteuerungsschnittstelle FS ein Bremsensteuerungssystem des Fahrzeuges 1 informiert, ob das verschleißfreie Bremssystem in einer momentanen Fahrsituation oder die Betriebsbremse zur Verringerung der momentanen Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges 1 eingesetzt wird. Insbesondere wird hierzu ein Steuersignal SS von der Bewertungslogik B über die Fahrzeugsteuerungsschnittstelle FS an das Bremssteuerungssystem übermittelt.
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In Bezug auf die in 2 beispielhaft gezeigte Bewertungslogik B wird beispielsweise in einem ersten Verfahrensschritt VS1 anhand erfasster Signale des Temperatursensors und des Feuchtigkeitssensors ermittelt, ob die Umgebung des Fahrzeuges 1 nass und kalt ist. Beispielsweise ist hierzu ein Sollwert in Bezug auf eine Temperatur und ein Sollwert in Bezug auf die Feuchtigkeit der Umgebung vorgegeben. Alternativ oder zusätzlich können die dem Fahrzeug 1 über das Kommunikationsmodul KM zugeführten Wetterdaten W bei der Ermittlung der Witterungsverhältnisse berücksichtigt werden. Auch hierzu kann beziehungsweise können ein Sollwert oder mehrere Sollwerte als Vergleichswerte vorgegeben sein.
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Bei zu treffenden Entscheidungen in Bezug auf die Bewertungslogik B wird ein Ja mit einem j und ein Nein mit einem n dargestellt.
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Wird bei einem Vergleich mit dem jeweiligen Sollwert ermittelt, dass es weder nass noch kalt ist, ist eine Bedingung zum Einsatz des verschleißfreien Bremssystems des Fahrzeuges 1 erfüllt.
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Anhand der digitalen Kartendaten K wird in einem zweiten Verfahrensschritt VS2 ermittelt, ob eine Fahrbahn des Fahrzeuges 1 ein Gefälle aufweist und die Fahrbahn somit bergab führt.
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Wird anhand eines Vergleiches mit einem entsprechenden Sollwert ermittelt, dass die Fahrbahn kein Gefälle aufweist, ist eine weitere Bedingung zum Einsatz des verschleißfreien Bremssystems erfüllt.
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Wird in den ersten beiden Verfahrensschritten VS1, VS2 ermittelt, dass die Umgebung des Fahrzeuges 1 nass und kalt ist und die Fahrbahn ein Gefälle aufweist, dann springt die Bewertungslogik B zu einem dritten Verfahrensschritt VS3. In dem dritten Verfahrensschritt VS3 wird ermittelt, ob der Knickwinkel KW zwischen Zugfahrzeug und Anhänger oder Auflieger in einem für den Einsatz des verschleißfreien Bremssystems akzeptablen Bereich liegt. Wenn nicht, ist der Einsatz der Betriebsbremse des Fahrzeuges 1 vorgesehen, so dass alle Fahrzeugräder abgebremst werden und nicht nur die der Antriebsachse.
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Es können noch weitere Abfragen zur Einsatzevaluierung des verschleißfreien Bremssystems durchgeführt werden.
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In einem Verfahrensschritt VSn-1 wird anhand der Daten D zu einem Radschlupf und einer Temperatur der Betriebsbremse ermittelt, ob die Antriebsachse blockiert. Blockiert die Antriebsachse, ist die Nutzung des verschleißfreien Bremssystems nicht geeignet.
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In einem Verfahrensschritt VSn wird ermittelt, ob das verschleißfreie Bremssystem einsatzbereit ist, so dass in Abhängigkeit erfüllter und nicht erfüllter Bedingungen ermittelt wird, ob das verschleißfreie Bremssystem zur Verringerung der momentanen Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges 1 eingesetzt wird oder die Betriebsbremse des Fahrzeuges 1.
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Wird ermittelt, dass das verschleißfreie Bremssystem eingesetzt werden kann, wird basierend auf der Bewertungslogik B ein Steuersignal SS erzeugt und über die Fahrzeugsteuerungsschnittstelle FS an das Bremsensteuerungssystem zur Aktivierung des verschleißfreien Bremssystems übermittelt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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