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Die Erfindung betrifft einen virtuellen Sensor und ein Verfahren zum Betrieb eines virtuellen Sensors.
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Aus der
DE 10 2017 213 510 A1 ist ein Verfahren zum automatischen Erzeugen eines maschinellen Lernsystems bekannt, welches abhängig von einer Zeitreihe einer Eingangsgröße eine Zeitreihe einer Ausgangsgröße ermittelt, die eine Zeitreihe einer tatsächlichen Ausgangsgröße approximiert. Das maschinelle Lernsystem ist abhängig von Werten der Eingangsgröße und von Werten der Ausgangsgröße zu Zeitpunkten, die in einem vorgebbaren Zeitintervall liegen, das vor einem vorgebbaren Zeitpunkt liegt, einen dem vorgebbaren Zeitpunkt zugeordneten Wert der Ausgangsgröße ermittelt. Dabei fließt nur eine Teilmenge der in dem vorgebbaren Zeitintervall verfügbaren Werte der Eingangsgröße und der Werte der Ausgangsgröße in die Ermittlung der dem vorgebbaren Zeitpunkt zugeordneten Ausgangsgröße ein, wobei die Teilmenge derart ausgewählt wird, dass sie genau diejenigen verfügbaren Werte der Eingangsgröße und der Werte der Ausgangsgröße umfasst, die Zeitpunkten in dem vorgebbaren Zeitintervall zugeordnet sind, die in einem vorgebbaren äquidistanten Auswahlraster innerhalb des vorgebbaren Zeitintervalls liegen. Weiterhin ist eine virtuelle Sensorvorrichtung offenbart, welches eingerichtet ist, ein mit dem beschriebenen Verfahren erzeugtes maschinelles Lernsystem auszuführen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, einen neuartigen virtuellen Sensor und ein neuartiges Verfahren zum Betrieb eines virtuellen Sensors anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch einen virtuellen Sensor, welcher die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist, und durch ein Verfahren, welches die im Anspruch 4 angegebenen Merkmale aufweist.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Der erfindungsgemäße virtuelle Sensor, implementiert in einer Recheneinheit, ist für ein System mit das System beeinflussenden Eingangsgrößen, einen Zustand des Systems beschreibenden Sensorgrößen und Ausgangsgrößen vorgesehen. Dabei weist die Recheneinheit ein in einem Trainingsbetrieb anhand von Eingangsgrößen, zugehörigen Sensorgrößen und mittels zumindest eines physischen Sensors erfassten Ausgangsgrößen trainiertes künstliches neuronales Netzwerk auf. Die Recheneinheit mit dem trainierten neuronalen Netzwerk ist ausgebildet, in einem Anwendungsbetrieb anhand von in diesem auftretenden Eingangsgrößen und Sensorgrößen Ausgangsgrößen zu ermitteln.
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Unter einem Anwendungsbetrieb wird dabei insbesondere ein Betrieb der Recheneinheit in einer eigentlichen Anwendung, beispielsweise bei einem Nutzer oder während eines Betriebs eines Systems, beispielsweise eines Fahrzeugs, verstanden.
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In komplexen physikalischen Systemen, beispielsweise einem elektro-hydraulisch betriebenen Automatikgetriebe eines Fahrzeugs, sind oftmals wichtige Größen nicht direkt oder nur mit sehr hohem Material- und Kostenaufwand messbar. Diese nicht beobachtbaren Größen sind jedoch häufig wichtig, um das weitere Systemverhalten zu beschreiben und daraus Reaktionen abzuleiten. Teilweise treten in komplexen physikalischen Systemen auch Streuungen auf, die nicht direkt modelliert werden können.
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Mittels des vorliegenden virtuellen Sensors können in besonders vorteilhafter Weise nicht beobachtbare Größen nachgebildet und ein invasives Messverfahren realisiert werden, so dass die genannten Größen ohne hierfür erforderlich physische Sensoren durch aktive Modulation der Eingangssignale bzw. Aktoren bestimmt werden können. Insbesondere können so Dynamikparameter des Systems bestimmt werden. Dadurch kann neues Wissen über das System erlangt werden und mit diesem Wissen kann eine Weiterentwicklung und Anpassung des virtuellen Sensors durchgeführt werden.
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Aufgrund eines somit möglichen Ersatzes von physischen Sensoren durch einen virtuellen Sensor können Kosten für physische Sensoren eingespart werden. Gegenüber Systemen, welche keine physischen Sensoren zur Ermittlung der Ausgangsgrößen aufweisen, kann in einfacher und kostengünstiger Weise eine Erhöhung einer Robustheit und Zuverlässigkeit des Systems erreicht werden. Auch kann eine Verringerung eines Entwicklungsaufwands durch die Möglichkeit einer Verwendung einer automatisierten Toolkette erreicht werden.
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In einer möglichen Ausgestaltung des virtuellen Sensors ist die Recheneinheit ausgebildet, in dem Anwendungsbetrieb die Eingangsgrößen aktiv zu modulieren und mittels des trainierten neuronalen Netzwerks aus der Modulation resultierende Ausgangsgrößen zu ermitteln. Das heißt, mittels des virtuellen Sensors ist es möglich, in der invasiven Messung einem physikalischen System etwas aufzumodulieren und eine daraus folgende Reaktion zu beobachten, ohne für die Beobachtung der Reaktion physische Sensoren vorhalten zu müssen.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des virtuellen Sensors ist das neuronale Netzwerk ein rekurrentes Netzwerk, beispielsweise ein so genannter Long short-term memory (kurz: LSTM; deutsch: langes Kurzzeitgedächtnis), was sich durch eine besonders gute Leistungs- und Lernfähigkeit auszeichnet.
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In dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb eines virtuellen Sensors für ein System mit das System beeinflussenden Eingangsgrößen, einen Zustand des Systems beschreibenden Sensorgrößen und Ausgangsgrößen wird in einem Trainingsbetrieb anhand von Eingangsgrößen, zugehörigen Sensorgrößen und mittels zumindest eines physischen Sensors erfassten Ausgangsgrößen ein künstliches neuronales Netzwerk trainiert, wobei in einem Anwendungsbetrieb mittels des trainierten neuronalen Netzwerks anhand von in dem Anwendungsbetrieb auftretenden Eingangsgrößen und Sensorgrößen Ausgangsgrößen ermittelt werden.
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Mittels des vorliegenden Verfahrens können analog zum zuvor beschriebenen virtuellen Sensor in besonders vorteilhafter Weise nicht beobachtbare Größen nachgebildet und ein invasives Messverfahren realisiert werden, so dass die genannten Größen ohne hierfür erforderlich physische Sensoren durch aktive Modulation der Eingangssignale bzw. Aktoren bestimmt werden können. Insbesondere können so Dynamikparameter des Systems bestimmt werden. Dadurch kann neues Wissen über das System erlangt werden und mit diesem Wissen kann eine Weiterentwicklung und Anpassung des virtuellen Sensors durchgeführt werden.
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Aufgrund eines somit möglichen Ersatzes von physischen Sensoren durch einen virtuellen Sensor können Kosten für physische Sensoren eingespart werden. Gegenüber Systemen, welche keine physischen Sensoren zur Ermittlung der Ausgangsgrößen aufweisen, kann in einfacher und kostengünstiger Weise eine Erhöhung einer Robustheit und Zuverlässigkeit des Systems erreicht werden. Auch kann eine Verringerung eines Entwicklungsaufwands durch die Möglichkeit einer Verwendung einer automatisierten Toolkette erreicht werden.
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In einer möglichen Ausgestaltung des Verfahrens werden in dem Anwendungsbetrieb die Eingangsgrößen aktiv moduliert und mittels des trainierten neuronalen Netzwerks aus der Modulation resultierende Ausgangsgrößen ermittelt. Das heißt, mittels dieser Ausgestaltung des Verfahrens ist es möglich, in der invasiven Messung einem physikalischen System etwas aufzumodulieren und eine daraus folgende Reaktion zu beobachten, ohne für die Beobachtung der Reaktion physische Sensoren vorhalten zu müssen.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des virtuellen Sensors werden anhand der Ausgangsgrößen Dynamikparameter des Systems bestimmt. Dadurch kann neues Wissen über das System erlangt werden und mit diesem Wissen kann eine Weiterentwicklung und Anpassung des virtuellen Sensors durchgeführt werden.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
- 1 schematisch zeitliche Verläufe von Eingangsgrößen, Sensorwerten und Ausgangsgrößen eines Systems,
- 2 schematisch eine Recheneinheit,
- 3 schematisch zeitliche Verläufe von Werten und eine Modulation dieser Werte und
- 4 schematisch zeitliche Verläufe von Eingangsgrößen, Sensorwerten und Ausgangsgrößen eines Systems bei Anwendung eines virtuellen Sensors.
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Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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In 1 sind Eingangsgrößen E1, Sensorgrößen S1, S2 und mittels zumindest eines physischen Sensors erfasste Ausgangsgrößen A eines Systems in Abhängigkeit von der Zeit t dargestellt.
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Die Eingangsgrößen E1, welche das System beeinflussen können, werden mittels Aktoren erzeugt. Die Aktoren können beispielsweise Ventile, Motoren, Pumpen und andere Aktoren sein.
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Die Sensorgrößen S1, S2 beschreiben einen internen Zustand des Systems und können beispielsweise mittels eines Strommessgeräts, Drehmomentmessgeräts, Druckmessgeräts, Drehzahlmessgeräts und anderen Sensoren oder Messgeräten erfasst werden.
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Die mittels physischer Sensoren physikalisch bestimmbaren Ausgangsgrößen A sind in einem realen System, beispielsweise in einem in einem Anwendungsbetrieb befindlichen Fahrzeug, nicht verfügbar oder nicht beobachtbar, können aber während einer Entwicklung oder eines Testbetriebs des entsprechenden Systems, beispielsweise eines Testfahrzeugs, mittels physischer Sensoren erfasst werden.
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Wie beispielsweise in https://de.wikipedia.org/wiki/Softsensor beschrieben kann mittels der Eingangsgrößen E, Sensorgrößen S1, S2 und Ausgangsgrößen A ein virtueller Sensor, auch als Softsensor bezeichnet, aufgebaut werden. Hierzu können beispielsweise in 2 näher dargestellte künstliche neuronale Netzwerke 1 eingesetzt werden. In einem so genannten Supervised Learning Setup werden die Eingangsgrößen E1 und Sensorgrößen S1, S2 als Eingangsdaten und die Ausgangsgrößen A als Ausgangsdaten verwendet, um das künstliche neuronale Netzwerk 1 zu trainieren. Beispielsweise wird hierbei ein rekurrentes neuronales Netzwerk 1, wie beispielsweise ein so genannter Long short-term memory verwendet.
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In einem Zielsystem, das dem in dem Anwendungsbetrieb befindlichen System ähnelt, sind keine physischen Sensoren zur Erfassung der Ausgangsgrößen A vorhanden, wobei mittels des trainierten künstlichen neuronalen Netzwerks 1 in jedem Zeitschritt anhand der in dem Anwendungsbetrieb auftretenden Eingangsgrößen E1 und Sensorgrößen S1, S2 ein Schätzwert für die entsprechende Ausgangsgröße A ermittelt wird. Dabei kann A sowohl ein Wert im aktuellen Zeitschritt wie auch ein Wert von einem zukünftigen Zeitschritt sein, also eine Art Prädiktion von A.
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Somit wird ein invasives Messverfahren realisiert, um wichtige Dynamikparameter des Systems, beispielsweise einen Gradient, eine Totzeit, Hysteresen etc., bestimmen zu können. Dazu wird durch aktive Modulation der Aktoren, beispielsweise durch eine Sprungantwort, einen Sinus, Zickzacksignale etc., ein in 3 näher dargestelltes Systemverhalten erzwungen. Die Idee dabei ist, dass die Modulation in Zeit und/oder Stärke so kurz gewählt wird, dass das eigentliche Systemverhalten nur minimal beeinflusst wird, jedoch ausreichend Aktivierung erzeugt wird, so dass eine Reaktion des Systems beobachtbar ist. Die Reaktion muss dabei in einer im Zielsystem messbaren Größe sichtbar sein.
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Hierzu ist das künstliche neuronale Netzwerk 1 gemäß 2 in einer Recheneinheit 2 integriert, wobei mittels der Recheneinheit 2 mit dem trainierten neuronalen Netzwerk 1 ausgebildet in dem Anwendungsbetrieb anhand von in diesem auftretenden Eingangsgrößen E1 und Sensorgrößen S1, S2 Ausgangsgrößen A ermittelt werden.
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3 zeigt zeitliche Verläufe von Werten W und eine Modulation dieser Werte W. Gemäß der Darstellung können beispielsweise Kennwerte wie ein Gradient G, eine Totzeit zwischen einem Zeitpunkt t0 und einem Zeitpunkt t1, eine Hysterese oder auch im Frequenzbereich eine Frequenz einer Schwingung bestimmt werden. Diese Kennwerte werden dann wieder als Eingangssignale in das künstliche neuronale Netzwerk 1 geführt und liefern somit weitere Informationen über das Systemverhalten. Das heißt, die so ermittelten Dynamikparameter können dem Modell dann als zusätzliche Information zugeführt werden.
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Bei einem Ansatz unter Verwendung tiefer neuronaler Netzwerke 1 werden dem neuronalen Netzwerk 1 keine neuen Eingangssignale zugeführt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass der Zusammenhang automatisch gelernt werden kann und Kenngrößen automatisch durch Informationen in den so genannten hidden layers abgebildet werden.
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In 4 sind zeitliche Verläufe von Eingangsgrößen E1, E2, Sensorwerten S1 und Ausgangsgrößen A eines Systems dargestellt. Das System ist beispielsweise ein elektrohydraulisches System, zum Beispiel ein Automatikgetriebe eines Fahrzeugs.
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In einer Füllphase des Systems muss ein hydraulischer Druck aufgebaut werden, der dazu führt, dass ein Kolben verschoben wird und dann Schaltelemente Kontakte bekommen und so Drehmomente übertragen können. Diese Kontakte müssen sehr genau stattfinden, das heißt es soll ein Zieldruck in der Hydraulik genau getroffen werden.
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Der das Ausgangssignal A bildende Druck wird durch eine Pumpe, welche drehzahl- oder momentengeregelt ist und einen Aktor mit der Eingangsgröße E1 bildet, und durch ein Einlassventil, welches einen Fluss von Hydraulikflüssigkeit zu dem Kolben steuert und einen weiteren Aktor mit der Eingangsgröße E2 bildet, erzeugt. Zudem wird mittels eines physischen Sensors ein Moment der Pumpe als Sensorgröße S1 bestimmt.
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Wie dargestellt, werden bei gleichem Verhalten von Ventil und Pumpe drei verschiedene Verläufe von Moment (Sensorgröße S1) und Druck (Ausganggröße A) erzeugt, da sich unterschiedlich viel Luft im System befinden kann. Eine Menge an Luft kann aber nicht gemessen werden.
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Mittels des beschriebenen virtuellen Sensors kann nun durch das invasive Messverfahren beispielsweise der Gradient G im Aufbau des Moments (Sensorgröße S1) bestimmt werden, der Rückschlüsse über die Menge an Luft im System zulässt. Hintergrund ist dieser, dass Luft im Gegensatz zu Öl kompressibel ist und somit erst die Luft komprimiert wird und dann zeitlich verzögert der Öldruck A aufgebaut wird.
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Anschließend wird der ermittelte Gradient G dann dem trainierten neuronalen Netzwerk 1 als zusätzliches Eingangssignal zugeführt. Nun hat das Netzwerk 1 das Wissen, um die drei Verläufe des Drucks (Ausgangsgröße A) abbilden zu können. Beispielsweise kann die invasive Messung immer bei einem Start des Systems, beispielsweise bei einem ersten Schaltvorgang des Automatikgetriebes, und/oder in vorgegebenen Abständen wiederholt werden.
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In einer möglichen Ausgestaltung wird eine Metrik für einen Schaltvorgang, das heißt eine Güte, bestimmt. Immer dann, wenn diese Metrik einen Schwellwert unterschreitet oder einen weiteren Schwellwert überschreitet, wird das invasive Verfahren gestartet und das neuronale Netzwerk 1 nachtrainiert, um ein Systemverhalten zu verbessern.
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In weiteren möglichen Ausführungsbeispielen können der virtuelle Sensor und das mittels diesem durchgeführte Verfahren in beliebigen Systemen eingesetzt werden, beispielsweise in einem Thermomanagement, wenn eine Temperatur oder ein Luftstrom nicht gemessen werden kann, oder bei einem elektrischen Fensterheber, wenn ein Moment oder Strom eines Fensterhebermotors nicht gemessen werde kann, etc.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Netzwerk
- 2
- Recheneinheit
- A
- Ausgangsgröße
- E1, E2
- Eingangsgröße
- G
- Gradient
- S1, S2
- Sensorgröße
- t
- Zeit
- t0, t1
- Zeitpunkt
- W
- Werte
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102017213510 A1 [0002]