-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems eines Kraftfahrzeugs mittels eines modellbasierten Regelungsansatzes. Die Erfindung betrifft ferner ein Steuergerät für ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem eines Kraftfahrzeugs, ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem, sowie ein Computerprogramm.
-
-
Elektromechanisch unterstützte Lenksysteme weisen typischerweise einen Elektromotor auf, der basierend auf einer oder mehreren im Lenksystem gemessenen Größen ein Unterstützungsmoment bereitstellt. Das Unterstützungsmoment unterstützt dabei den Fahrer beim Lenken des Kraftfahrzeugs.
-
Typischerweise weist das elektromechanisch unterstützte Lenksystem einen Lenkgefühlregler auf, der basierend auf der oder den gemessenen Größen das Unterstützungsmoment ermittelt. Eine besondere Herausforderung ist es dabei das Unterstützungsmoment so zu ermitteln, dass das vom Fahrer am Lenkrad wahrgenommene Drehmoment in allen Fahrsituationen als angenehm empfunden wird. Beispielsweise sollte das am Lenkrad wahrgenommene Drehmoment weder zu gering noch zu groß sein.
-
Jedoch ist in typischen Lenkungsregelkreisen die Abstimmung des Lenkgefühlreglers und damit die Beeinflussung des am Lenkrad wahrnehmbaren Drehmoments aufgrund von mechanischen Eigenschaften der Regelstrecke nur begrenzt möglich, insbesondere aufgrund von Massenträgheiten, Steifigkeiten sowie Reibung innerhalb der Regelstrecke.
-
Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems bereitzustellen, das eine verbesserte Abstimmung des Lenkgefühls ermöglicht.
-
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems mit den Merkmalen des Anspruchs 1, durch ein Steuergerät für ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem mit den Merkmalen des Anspruchs 10, durch ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem mit den Merkmalen des Anspruchs 11 sowie durch ein Computerprogramm mit Programmcodemittel mit den Merkmalen des Anspruchs 12. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den Unteransprüchen.
-
Das Lenksystem weist eine elektromechanische Lenkunterstützung mit einem Elektromotor, einem Lenkgefühlregler und zumindest einem Modifikationsregler auf, wobei ein vom Elektromotor aufzubringendes Drehmoment die Stellgröße ist. Eine Regelstrecke und der Modifikationsregler bilden gemeinsam eine modifizierte Regelstrecke für den Lenkgefühlregler. Das Verfahren umfasst die folgenden Schritte:
- - Bereitstellen der modifizierten Regelstrecke, wobei die modifizierte Regelstrecke gewünschte mechanische Eigenschaften der Regelstrecke imitiert;
- - Erfassen von wenigstens einer Messgröße der Regelstrecke mittels eines Sensors;
- - Ermitteln eines Trägheitskompensationsmoments und/oder eines Dämpfungsmoments und/oder eines Reibungskompensationsmoments mittels des Modifikationsreglers basierend auf der wenigstens einen Messgröße;
- - Generieren einer Drehmomentanforderung des Lenkgefühlreglers für den Elektromotor mittels des wenigstens einen Lenkgefühlreglers basierend auf der wenigstens einen Messgröße; und
- - Überlagern der Drehmomentanforderung des Lenkgefühlreglers mit dem Trägheitskompensationsmoments und/oder dem Dämpfungsmoment und/oder dem Reibungskompensationsmoment, wodurch eine modifizierte Drehmomentanforderung für den Elektromotor erhalten wird.
-
Durch die Kombination der Regelstrecke und des Modifikationsreglers wird eine modifizierte Regelstrecke mit modifizierten mechanischen Eigenschaften, insbesondere mit modifizierten Massenträgheiten, modifizierten Steifigkeiten und/oder modifizierter Reibung erhalten. Das Verhalten der modifizierten Regelstrecke entspricht dabei dem Verhalten der Regelstrecke, jedoch mit den modifizierten mechanischen Eigenschaften.
-
Insbesondere bewirkt das Trägheitskompensationsmoment, dass die modifizierte Regelstrecke gegenüber der Regelstrecke ein reduziertes Massenträgheitsmoment aufweist. Das Dämpfungsmoment bewirkt, dass die modifizierte Regelstrecke gegenüber der Regelstrecke eine verbesserte Dämpfungscharakteristik sowie eine verringerte Neigung zu unerwünschten Oszillationen aufweist. Das Reibungskompensationsmoment bewirkt, dass die modifizierte Regelstrecke gegenüber der Regelstrecke eine reduzierte Reibung aufweist.
-
Das ermittelte Trägheitskompensationsmoment und/oder das ermittelte Dämpfungsmoment und/oder das ermittelte Reibungskompensationsmoment berücksichtigen bereits die mechanischen Eigenschaften der Regelstrecke.
-
Diese mechanischen Eigenschaften müssen folglich beim Abstimmen des am Lenkrad wahrnehmbaren Drehmoments (im Folgenden als Lenkradmoment bezeichnet) nur noch in einem reduzierten Ausmaß berücksichtigt werden. Insbesondere kann die Abstimmung des Lenkgefühls ohne Berücksichtigung dieser mechanischen Eigenschaften erfolgen. Dadurch werden eine verbesserte und vereinfachte Abstimmung des Lenkgefühls mittels des Lenkgefühlreglers ermöglicht.
-
Anders ausgedrückt stellt das erfindungsgemäße Verfahren mehr Freiheiten bei der Einstellung des Lenkgefühls, also mehr Freiheiten bei der Parametrisierung des Lenkgefühlreglers bereit.
-
Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung umfassen die gewünschten mechanischen Eigenschaften Massenträgheiten, Steifigkeiten und/oder Reibung der Regelstrecke. Folglich werden über das Trägheitskompensationsmoment und/oder das Dämpfungsmoments und/oder Reibungskompensationsmoment die Trägheitseigenschaften, die Dämpfungseigenschaften und/oder die Reibungseigenschaften der Regelstrecke berücksichtigt. Bei der Parametrisierung des Lenkgefühlreglers müssen diese mechanischen Eigenschaften folglich nur noch in einem reduzierten Ausmaß berücksichtigt werden. Insbesondere kann die Abstimmung des Lenkgefühls ohne Berücksichtigung dieser mechanischen Eigenschaften erfolgen.
-
Gemäß einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung umfasst die wenigstens eine Messgröße Phasenströme des Elektromotors, ein Lenksäulendrehmoment und/oder einen Motorwinkel. Aus den gemessenen Phasenströmen kann das Luftspaltdrehmoment des Elektromotors ermittelt werden. Das Luftspaltdrehmoment ist wiederum ein direktes Maß für das vom Elektromotor bereitgestellte Drehmoment. Das Lenksäulendrehmoment kann beispielsweise über einen Drehmomentsensor gemessen werden. Aus dem gemessenen Motorwinkel kann eine Position der Zahnstange ermittelt werden.
-
Ein weiterer Aspekt der Erfindung sieht vor, dass der Modifikationsregler einen Kalman-Filter umfasst, wobei mittels des Kalman-Filters basierend auf der wenigstens einen Messgröße wenigstens eine unbekannte Größe der Regelstrecke ermittelt wird, und wobei das Trägheitskompensationsmoment und/oder das Dämpfungsmoment und/oder das Reibungskompensationsmoment basierend auf der wenigstens einen unbekannten Größe ermittelt werden bzw. wird. Manche Größen können im Lenksystem nicht oder nur mit einem erheblichen Mehraufwand durch zusätzliche Sensoren gemessen werden. Der Kalman-Filter errechnet die unbekannten Größen basierend auf der wenigstens einen Messgröße, die mit ohnehin im Lenksystem verbauten Sensoren gemessen werden kann. Auf diese Weise werden Kosten für die ansonsten notwendige zusätzliche Messsensorik eingespart.
-
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung umfasst die unbekannte Größe eine Beschleunigung (v̇DN) der Zahnstange und/oder eine Geschwindigkeitsdifferenz (ΔΩ) zwischen einem oberen Teil und dem unteren Teil des Lenksystems und/oder eine Reibkraft am unteren Teil des Lenksystems. Basierend auf der Beschleunigung der Zahnstange kann das Trägheitskompensationsmoment ermittelt werden. Basierend auf der Geschwindigkeitsdifferenz kann das Dämpfungsmoment ermittelt werden. Basierend auf der Reibkraft kann das Reibungskompensationsmoment ermittelt werden.
-
Vorzugsweise wird der Kalman-Filter basierend auf einem mathematischen Modell der Regelstrecke entworfen. Insbesondere wird sowohl ein das Lenkrad und eine Lenksäule mit Torsionsstab umfassender oberer Teil des Lenksystems als auch ein unterer Teil des Lenkungssystems des Kraftfahrzeugs mittels des mathematischen Modells modelliert.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung basiert das mathematische Modell auf einem physikalischen Ersatzmodell der Regelstrecke, insbesondere auf einem vereinfachten physikalischen Ersatzmodell. In dem physikalischen Ersatzmodell können einzelne Abschnitte der Regelstrecke jeweils als Masse mit einer Feder und/oder wenigstens einer Dämpfung modelliert sein, wobei die Masse jeweils ein vordefiniertes Trägheitsmoment aufweist. In dem vereinfachten physikalischen Ersatzmodell können mehrere Abschnitte der Regelstrecke zu einem einzigen Abschnitt mit einer zusammengefassten Masse, einer zusammengefassten Federkonstante und/oder einer zusammengefassten Dämpfung zusammengefasst werden.
-
Gemäß einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung werden bzw. wird ein Trägheitskompensationsmodul, ein Dämpfungsmodul und/oder ein Reibungskompensationsmodul basierend auf dem mathematischen Modell der Regelstrecke entworfen. Mittels des Trägheitskompensationsmoduls, des Dämpfungsmoduls und des Reibungskompensationsmoduls können das Trägheitskompensationsmoment, das Dämpfungsmoment bzw. das Reibungskompensationsmoment ermittelt werden. Insbesondere werden bzw. wird das Trägheitskompensationsmodul, das Dämpfungsmodul und/oder das Reibungskompensationsmodul basierend auf dem physikalischen Ersatzmodell der Regelstrecke entworfen.
-
Ein weiterer Aspekt der Erfindung sieht vor, dass das Trägheitskompensationsmoment als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion und einer Beschleunigung (v̇DN) der Zahnstange ermittelt wird und/oder dass das Dämpfungsmoment als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion und einer Geschwindigkeitsdifferenz (ΔΩ) zwischen einem oberen Teil und dem unteren Teil des Lenksystems ermittelt wird und/oder dass das Reibungskompensationsmoment als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion und einer Reibkraft am unteren Teil des Lenksystems ermittelt wird. Die linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktionen können dabei so gewählt werden, dass die modifizierte Regelstrecke gewünschte mechanische Eigenschaften aufweist, insbesondere gewünschte Trägheitseigenschaften und/oder gewünschte Dämpfungseigenschaften und/oder gewünschte Reibungseigenschaften.
-
Das oben beschriebene Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems kann auf jede Art von Lenksysteme angewendet werden. Insbesondere ist das erfindungsgemäße Verfahren geeignet für ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem mit Lenksäulenunterstützung sowie für Lenksysteme, bei denen ein aufzubringendes Drehmoment über ein Ritzel, Doppelritzel oder einen Riementrieb auf die Zahnstange übertragen wird. Ferner ist das erfindungsgemäße Verfahren auch für Steer-by-wire Lenksysteme geeignet, bei denen keine mechanische Wirkverbindung zwischen dem Lenkrad und den Rädern besteht.
-
Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Steuergerät für ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem eines Kraftfahrzeugs. Das elektromechanisch unterstützte Lenksystem weist eine elektromechanische Lenkunterstützung mit einem Elektromotor, einem Lenkgefühlregler und zumindest einem Modifikationsregler auf, wobei ein vom Elektromotor aufzubringendes Drehmoment die Stellgröße ist. Eine Regelstrecke und der Modifikationsregler bilden gemeinsam eine modifizierte Regelstrecke für den Lenkgefühlregler. Das Steuergerät ist dazu ausgebildet, ein oben beschriebenes Verfahren durchzuführen.
-
Hinsichtlich der weiteren Vorteile und Eigenschaften des Steuergeräts wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, welche ebenso für das Steuergerät gelten und umgekehrt.
-
Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein elektromechanisch unterstütztes Lenksystem, mit einem oben beschriebenen Steuergerät und einer elektromechanischen Lenkunterstützung. Die elektromechanische Lenkunterstützung weist einen Elektromotor, einen Lenkgefühlregler und zumindest einen Modifikationsregler auf, wobei ein vom Elektromotor aufzubringendes Drehmoment die Stellgröße ist. Eine Regelstrecke und der Modifikationsregler bilden gemeinsam eine modifizierte Regelstrecke für den Lenkgefühlregler.
-
Hinsichtlich der weiteren Vorteile und Eigenschaften des Lenksystems wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, welche ebenso für das Lenksystem gelten und umgekehrt.
-
Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Computerprogramm mit Programmcodemittel, die dazu ausgebildet sind, das oben beschriebene Lenksystem dazu zu veranlassen, ein oben beschriebenes Verfahren durchzuführen, wenn das Computerprogramm auf einer Recheneinheit des Steuergeräts des Lenksystems ausgeführt wird.
-
Hinsichtlich der weiteren Vorteile und Eigenschaften des Computerprogramms wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, welche ebenso für das Computerprogramm gelten und umgekehrt.
-
Unter „Programmcodemitteln“ sind dabei und im Folgenden computerausführbare Instruktionen in Form von Programmcode und/oder Programmcodemodulen in kompilierter und/oder in unkompilierter Form zu verstehen, die in einer beliebigen Programmiersprache und/oder in Maschinensprache vorliegen können.
-
Weitere Vorteile und Eigenschaften der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung sowie den beigefügten Zeichnungen, auf die Bezug genommen wird. In diesen zeigen:
- - 1 (a) bis 1 (f) in einer schematischen Schrägansicht verschiedene Varianten eines erfindungsgemäßen elektromechanisch unterstützen Lenksystems;
- - 2 in einer schematischen Schrägansicht eine Steer-by-wire Variante des erfindungsgemäßen elektromechanisch unterstützten Lenksystems;
- - 3 ein Blockdiagramm vom gesamten Regelkreis des elektromechanisch unterstützten Lenksystems von 1 oder 2 mit einem Modifikationsregler und einem Lenkgefühlregler;
- - 4 ein Modell des Lenksystems von 1 (f);
- - 5 ein vereinfachtes Modell des Lenksystems von 1 (f); und
- - 6 ein Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems.
-
In 1 (a) ist schematisch ein Lenksystem 10 für ein Kraftfahrzeug gezeigt, wobei das Lenksystem 10 ein Getriebe 12 aufweist und als elektromechanisch unterstütztes Lenksystem mit Lenksäulenunterstützung (englisch: „column drive EPS“) ausgeführt ist.
-
Das Lenksystem 10 weist ein Lenkrad 14 auf, das über einen oberen Teil einer Lenksäule 15 und über eine Lenkzwischenwelle 16 mit einem ersten Ritzel 18 verbunden ist. Das erste Ritzel 18 kämmt mit einer Zahnstange 20, sodass diese durch ein Drehmoment beaufschlagt wird.
-
An der Lenksäule 15 ist ein Drehmoment- und/oder Lenkwinkelsensor 22 angeordnet, der dazu ausgebildet ist, Lenkmomente und/oder einen Lenkwinkel zu messen. Insbesondere handelt es ich also um einen Lenkmoment- und Lenkwinkelsensor, welcher im Englischen auch als „torque and angle sensor (TAS)“ bezeichnet wird, und zusätzlich zum Lenkmoment einen Lenkwinkel bereitstellen kann.
-
Ferner ist ein Elektromotor 24 vorgesehen, der mit dem Getriebe 12 drehmomentübertragend verbunden ist.
-
Wie in 1(a) angedeutet ist, kann das Getriebe 12 in unterschiedlicher Art und Weise ausgebildet sein, beispielsweise als Schneckengetriebe, als Stirnradgetriebe oder als Kegelradgetriebe.
-
Über das Getriebe 12 wird in jedem Fall zumindest ein Drehmoment, das vom Elektromotor 24 bereitgestellt wird, zur Ausführung einer Lenkbewegung auf die Lenkzwischenwelle 16 übertragen.
-
Der Elektromotor 24 ist mit einem Steuergerät 26 des Lenksystems 10 signalübertragend verbunden, das in den 1(a) bis 1 (f) jeweils nur schematisch angedeutet ist.
-
Das Steuergerät 26 ist dazu ausgebildet, basierend auf Messdaten aus dem Lenksystem 10 zumindest ein aufzubringendes Drehmoment zu ermitteln und entsprechende Steuerbefehle an den Elektromotor 24 zu übermitteln, sodass der Elektromotor 24 zumindest das aufzubringende Drehmoment bereitstellt.
-
Das Steuergerät 26 ist ferner dazu ausgebildet, das Kraftfahrzeug wenigstens teilweise automatisch, insbesondere vollautomatisch, zu steuern, insbesondere zu lenken. In diesem Fall wird also vom Elektromotor 24 nicht lediglich ein Unterstützungsmoment, sondern vielmehr das komplette zur Steuerung bzw. Lenkung des Kraftfahrzeugs notwendige Drehmoment bereitgestellt.
-
Das in 1(b) gezeigte Lenksystem 10 unterscheidet sich von dem in 1(a) gezeigten dahingehend, dass der Elektromotor 24 über das Getriebe 12 nicht mit der Lenkzwischenwelle 16, sondern mit dem ersten Ritzel 18 drehmomentübertragend verbunden ist. Das Lenksystem 10 weist also einen einfachen Ritzelantrieb auf, was im Englischen auch als „single pinion EPS“ bezeichnet wird.
-
Das in 1(c) gezeigte Lenksystem 10 weist ein zweites Ritzel 18' auf, das mit der Zahnstange 20 in kämmendem Eingriff steht. Der Elektromotor 24 ist über das Getriebe 12 mit dem zweiten Ritzel 18' drehmomentübertragend verbunden. Bei dem Lenksystem 10 handelt es sich in diesem Fall also um ein Lenksystem mit Doppelritzel, was im Englischen auch als „dual pinion EPS“ bezeichnet wird.
-
In den 1(d) bis 1(f) sind weitere mögliche Ausgestaltungen des elektromechanisch unterstützten Lenksystems 10 gezeigt.
-
Genauer gesagt zeigt 1(d) ein Lenksystem 10 mit konzentrischem Zahnstangenantrieb über eine Kugelumlaufmutter 27. Der Elektromotor 24 ist hier direkt an der Zahnstange 20 angeordnet und beaufschlagt die Zahnstange 20 über die Kugelumlaufmutter 27 mit dem Unterstützungsmoment.
-
1(e) zeigt einen Antrieb, bei dem das Getriebe 12 als Kegelradgetriebe ausgebildet ist, und bei dem an der Zahnstange 20 eine Kugelumlaufmutter 27 angebracht ist. Der Elektromotor 24 beaufschlagt die Zahnstange 20 über das Getriebe 12 und die Kugelumlaufmutter 27 mit dem Unterstützungsmoment.
-
1(f) zeigt einen Riementrieb 12' mit einer an der Zahnstange 20 angebrachten Kugelumlaufmutter 27. Ein vom Elektromotor 24 aufgebrachtes Unterstützungsmoment wird über einen Riemen des Riementriebs 12' auf die Kugelumlaufmutter 27 und über diese auf die Zahnstange 20 übertragen.
-
2 zeigt eine weitere Ausführungsform des Lenksystems 10. Das Lenksystem ist hier als Steer-by-wire Lenksystem ausgebildet, d.h. es besteht keine mechanische Wirkverbindung zwischen dem Lenkrad 14 und der Zahnstange 20. Vielmehr ermittelt der Lenkwinkelsensor 22 einen Lenkwinkel und übermittelt dieses an das Steuergerät 26. Das Steuergerät 26 steuert den Elektromotor 24, der im in 2 gezeigten Ausführungsbeispiel über einen Riementrieb mit der Zahnstange 20 verbunden ist, zur Erzeugung eines zur Steuerung bzw. Lenkung des Kraftfahrzeugs notwendigen Drehmoments an. Außerdem weist das Lenksystem 10 hier einen Lenkradaktuator 24' auf, welcher das Lenkrad 14 mit einem Drehmoment beaufschlagen kann, beispielsweise, um eine Fahrbahnrückmeldung zu erzeugen.
-
Der Elektromotor 24 muss jedoch nicht über einen Riementrieb mit der Zahnstange 20 verbunden sein. Vielmehr kann der Elektromotor 24 über ein beliebiges, geeignetes Getriebe mit der Zahnstange verbunden sein, beispielsweise über einen Schneckentrieb.
-
Das elektromechanisch unterstützte Lenksystem 10 ist dazu ausgebildet, ein im Folgenden anhand der 3 bis 6 beschriebenes Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems durchzuführen.
-
Genauer gesagt umfasst das Steuergerät 26 ein Computerprogramm mit Programmcodemitteln, die dazu ausgebildet sind, das Lenksystem 10 dazu zu veranlassen, das im Folgenden beschriebene Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems durchzuführen, wenn das Computerprogramm auf einer Recheneinheit bzw. einem Prozessor des Steuergeräts 26 des Lenksystems 10 ausgeführt wird.
-
Unter „Programmcodemitteln“ sind dabei und im Folgenden computer-ausführbare Instruktionen in Form von Programmcode und/oder Programmcode-modulen in kompilierter und/oder in unkompilierter Form zu verstehen, die in einer beliebigen Programmiersprache und/oder in Maschinensprache vorliegen können.
-
Es sei darauf hingewiesen, dass das Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems im Folgenden beispielhaft anhand des Lenksystems 10 gemäß der 1 (f) beschrieben wird. Jedoch kann das Verfahren mit entsprechenden Anpassungen ebenso in Lenksystemen 10 gemäß 1 (a) bis 1 (e) sowie gemäß der 2 durchgeführt werden.
-
3 zeigt ein Blockdiagramm eines Gesamtregelkreises 28, der einen Lenkgefühlregler 30, eine Regelstrecke 32 und einen Modifikationsregler 34 aufweist, wobei der Modifikationsregler 34 für das Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems verwendet wird.
-
Die Regelstrecke 32 und der Modifikationsregler 34 bilden zusammen eine modifizierte Regelstrecke 36 für den Lenkgefühlregler 30.
-
Der Modifikationsregler 34 weist einen Kalman-Filter 40, ein Trägheitskompensationsmodul 42, ein Dämpfungsmodul 44 und ein Reibungskompensationsmodul 46 auf.
-
Für den Entwurf des Modifikationsreglers 34 wird ein physikalisches Ersatzmodell der Regelstrecke 32 des Lenksystems 10 erstellt.
-
4 zeigt eine erste Variante eines solchen physikalischen Ersatzmodells, welches das Lenksystems 10 detailliert nachbildet. Für das Verfahren zur Modifikation des mechanischen Verhaltens eines elektromechanisch unterstützten Lenksystems ist eine solcher Detailgrad nicht notwendig bzw. führt zu einem erhöhten Bedarf an Rechenleistung.
-
Daher wird basierend auf dem physikalischen Ersatzmodell von 4 ein vereinfachtes physikalisches Ersatzmodell ermittelt, das eine reduzierte Komplexität aufweist.
-
Für einen oberen Teil des Lenksystems 10, der die Lenksäule 15 umfasst, wird angenommen, dass lediglich die Steifigkeiten der Lenksäule (Index „CO“ in 4) und des Drehmoment- und/oder Lenkwinkelsensors 22 (Index „TS“ in 4) relevant sind.
-
Das Trägheitsmoment J
UP, die viskose Reibung b
UP, die Steifigkeit c
TB und die Dämpfung b
TB des oberen Teils des Lenksystems 10 werden wie folgt zusammengefasst:
-
Ferner werden mechanische Größen des unteren Teils des Lenksystems 10 entsprechend der folgenden Gleichungen vereinfacht:
-
Die oben beschriebenen Vereinfachungen resultieren in einem vereinfachten physikalischen Ersatzmodell, das in 5 gezeigt ist.
-
Die relevanten Parameter dieses vereinfachten physikalischen Ersatzmodells sind für den unteren Teil des Lenksystems 10 die zusammengefasste Masse mDN des unteren Teils des Lenksystems 10, die zusammengefasste Dämpfung bDN des unteren Teils des Lenksystems 10, das vom Elektromotor 24 aufgebrachte Drehmoment TED, die Übersetzung iGR zwischen Elektromotor 24 und Zahnstange 20, sowie die Übersetzung iPN des ersten Ritzels 18.
-
Die relevanten Parameter des vereinfachten physikalischen Ersatzmodells sind für den oberen Teil des Lenksystems 10 die zusammengefasste Steifigkeit cTB, die zusammengefasste Dämpfung bTB, das zusammengefasste Trägheitsmoment JUP, die zusammengefasste viskose Reibung bUP und das Lenkradmoment TDR.
-
Das vereinfachte physikalische Ersatzmodell weist zwei Freiheitsgrade auf, nämlich die Position sDN der Zahnstange 20, und die Position (Drehwinkel) φUP des oberen Teils des Lenksystems 10.
-
Der Position sDN der Zahnstange 20 ist eine Geschwindigkeit vDN der Zahnstange 20 zugeordnet.
-
Der Position (dem Drehwinkel) φUP des oberen Teils des Lenksystems 10 ist eine (Winkel-) Geschwindigkeit ΩUP zugeordnet.
-
Basierend auf dem oben beschriebenen vereinfachten physikalischen Ersatzmodell wird ein mathematisches Modell der Regelstrecke 32 erstellt, welches den Zusammenhang zwischen den Freiheitsgraden und den Parametern des vereinfachten physikalischen Ersatzmodells beschreibt.
-
Das mathematische Modell wird für den Entwurf des Modifikationsreglers 34 verwendet.
-
6 zeigt ein Ablaufdiagramm des Verfahrens zur Drehmomentregelung.
-
Wenigstens eine Messgröße wird mittels entsprechender Sensoren der Regelstrecke 32 erfasst (Schritt S1).
-
Genauer gesagt wird ein Luftspaltdrehmoment TAG des Elektromotors 24, ein Lenksäulendrehmoment TTS und die Zahnstangenposition sDN ermittelt.
-
Mittels im Elektromotor 24 verbauter Sensoren können Phasenströme des Elektromotors 24 gemessen werden. Aus diesen Phasenströmen kann das Luftspaltdrehmoment TAG ermittelt werden. Das Luftspaltdrehmoment TAG ist ein direktes Maß für das vom Elektromotor 24 bereitgestellte Drehmoment.
-
Das Lenksäulendrehmoment TTS kann mittels des Drehmoment- und/oder Lenkwinkelsensor 22 gemessen werden.
-
Mittels eines entsprechenden Sensors kann ferner der Motorwinkel des Elektromotors 24 gemessen werden. Die Zahnstangenposition sDN kann aus dem gemessenen Motorwinkel ermittelt werden.
-
Mittels des Lenkgefühlreglers 30 wird eine Drehmomentanforderung TSTC des Lenkgefühlreglers 30 generiert (Schritt S2).
-
Bei der Drehmomentanforderung TSTC des Lenkgefühlreglers 30 handelt es sich um ein vom Elektromotor 24 bereitzustellendes Drehmoment.
-
Die gemessenen Größen werden dem Modifikationsregler 34 zugeführt, genauer gesagt dem Kalman-Filter 40.
-
Mittels des Kalman-Filters 40 wird basierend auf dem mathematischen Modell der Regelstrecke 32 und basierend auf der wenigstens eine Messgröße wenigstens eine unbekannte Größe der Regelstrecke 32 ermittelt (Schritt S3).
-
Die wenigstens eine unbekannte Größe umfasst eine Beschleunigung v̇DN der Zahnstange 20 und/oder eine Geschwindigkeitsdifferenz ΔΩ = ΩUP - ΩDN zwischen dem oberen Teil und dem unteren Teil des Lenksystems 10 und/oder eine Reibkraft FFR am unteren Teil des Lenksystem.
-
Die Beschleunigung v̇DN wird an das Trägheitskompensationsmodul 42 weitergeleitet. Die Geschwindigkeitsdifferenz ΔΩ wird an das Dämpfungsmodul 44 weitergeleitet. Die Reibkraft FFR wird an das Reibungskompensationsmodul 46 weitergeleitet.
-
Mittels des Trägheitskompensationsmoduls 42 wird basierend auf der Beschleunigung v̇DN ein Trägheitskompensationsmoment TIC ermittelt (Schritt S4).
-
Allgemein ausgedrückt ist das Ziel des Trägheitskompensationsmoduls 42, dass sich die modifizierte Regelstrecke 36 wie die Regelstrecke 32 verhält, jedoch mit modifizierten (optimierten) Massenträgheiten.
-
Für den Entwurf des Trägheitskompensationsmoduls 42 wird daher eine gewünschte Masse mDN,Des = δRedmDN, gewählt wobei δRed ein frei wählbarer Faktor zwischen 0 und 1 ist.
-
Die Parameter des Trägheitskompensationsmoduls 42 werden so angepasst, dass sich die resultierende modifizierte Regelstrecke 36 so verhält, als ob sie die gewünschte Masse mDN,Des hätte.
-
Das Trägheitskompensationsmoment TIC wird als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion GIC(s) und der Beschleunigung v̇DN der Zahnstange 20 ermittelt, also gemäß der Gleichung TIC = GIC(s) v̇DN.
-
Mittels des Dämpfungsmoduls 44 wird basierend auf der Geschwindigkeitsdifferenz ΔΩ ein Dämpfungsmoment TAD ermittelt (Schritt S5).
-
Allgemein ausgedrückt ist das Ziel des Dämpfungsmoduls 44 eine verbesserte Dämpfungscharakteristik sowie eine verringerte Neigung zu unerwünschten Oszillationen in der modifizierte Regelstrecke 36. Dabei werden die Dämpfungseigenschaften aus dem Resonanzverhalten der Regelstrecke 32 abgeleitet.
-
Anders ausgedrückt stellt das Dämpfungsmodul 44 über das Dämpfungsmoment TAD eine zusätzliche aktive Dämpfung bereit.
-
Das Dämpfungsmoment TAD wird als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion GAD(s) und der Geschwindigkeitsdifferenz ΔΩ ermittelt, also gemäß der Gleichung TAD = GAD(s) ΔΩ.
-
Mittels des Reibungskompensationsmoduls 46 wird basierend auf der Reibkraft FFR am unteren Teil des Lenksystems ein Reibungskompensationsmoment TFC ermittelt (Schritt S6).
-
Allgemein ausgedrückt ist das Ziel des Reibungskompensationsmoduls 46 ein lineareres Lenkverhalten und/oder eine verbesserte Fahrbahnrückmeldung.
-
Das Reibungskompensationsmoment TFC wird dann als Produkt einer linearen oder nichtlinearen Übertragungsfunktion und der Reibkraft TFC am unteren Teil des Lenksystems ermittelt, also gemäß der Gleichung TFc = GFC(s) FFR.
-
Das Trägheitskompensationsmoment TIC, das Dämpfungsmoment TAD und das Reibungskompensationsmoment TFC werden überlagert, wodurch eine Drehmomentanforderung TPBI des Modifikationsreglers 34 erhalten wird (Schritt S7).
-
Die Drehmomentanforderung T
PBI des Modifikationsreglers 34, also das Trägheitskompensationsmoment T
IC, das Dämpfungsmoment T
AD und das Reibungskompensationsmoment T
FC, wird mit der Drehmomentanforderung T
STC des Lenkgefühlreglers 30 überlagert, wodurch eine modifizierte Drehmomentanforderung
erhalten wird (Schritt S8).
-
Die modifizierte Drehmomentanforderung
kann die Stellgröße sein.
-
Die modifizierte Regelstrecke 36 weist gegenüber der Regelstrecke 32 modifizierte mechanische Eigenschaften auf, nämlich eine reduzierte Masse, ein verbessertes Dämpfungsverhalten und somit eine geringere Neigung zu unerwünschten Oszillationen sowie verbesserte Reibungseigenschaften.
-
Das ermittelte Trägheitskompensationsmoment TIC, das ermittelte Dämpfungsmoment TAD und/oder das ermittelte Reibungskompensationsmoment TFC berücksichtigen bereits die mechanischen Eigenschaften der Regelstrecke 32.
-
Diese mechanischen Eigenschaften müssen folglich bei der Abstimmung des Lenkgefühlreglers 30 nur noch in einem reduzierten Ausmaß berücksichtigt werden. Insbesondere kann die Abstimmung des Lenkgefühlreglers 30 ohne Berücksichtigung dieser mechanischen Eigenschaften erfolgen.
-
Anders ausgedrückt stellt das oben beschriebene Verfahren mehr Freiheiten bei der Einstellung des Lenkradmoments TDR, also mehr Freiheiten bei einer Parametrisierung des Lenkgefühlreglers 30 bereit.
-
Bezugszeichenliste
-
- 10
- Lenksystem
- 12
- Getriebe
- 12'
- Riementrieb
- 14
- Lenkrad
- 15
- Lenksäule
- 16
- Lenkzwischenwelle
- 18
- erstes Ritzel
- 18'
- zweites Ritzel
- 20
- Zahnstange
- 22
- Drehmoment- und/oder Lenkwinkelsensor
- 24
- Elektromotor
- 24'
- Lenkradaktuator
- 26
- Steuergerät
- 27
- Kugelumlaufmutter
- 28
- Gesamtregelkreis
- 30
- Lenkgefühlregler
- 32
- Regelstrecke
- 34
- Modifikationsregler
- 36
- modifizierte Regelstrecke
- 40
- Kalman-Filter
- 42
- Trägheitskompensationsmodul
- 44
- Dämpfungsmodul
- 46
- Reibungskompensationsmodul