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Die Erfindung betrifft einen Lichtbogenschutzschalter sowie ein Verfahren zu Veranlassung der Auslösung eines Mechanismus zum Trennen von Kontakten durch einen erfindungsgemäßen Lichtbogenschutzschalter.
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Brandschutzschalter basieren auf der Detektion eines Lichtbogens und werden deshalb auch Lichtbogenschutzschalter genannt. Gängig ist auch die Bezeichnung AFDD (aus dem Englischen: arc fault detection device).
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Bei diesem Schaltertyp erfolgt eine Erkennung von Lichtbögen, die durch einen Fehler verursacht wurden. Für diese Lichtbögen sind die Bezeichnungen Störlichtbogen und Fehlerlichtbogen gebräuchlich. Bzgl. Störlichtbögen wird zwischen parallelen und seriellen Störlichtbögen unterschieden. Parallele Störlichtbögen treten zwischen Außenleiter gegen Erde oder Schutzleiter, zwischen zwei Außenleitern oder zwischen Außen- und Neutralleiter auf. Diese Störlichtbögen können häufig auch von Fehlerstromschutzschaltern erkannt werden. Dagegen sind sog. serielle Störlichtbögen, die in einem Leiter auftreten, durch Fehlerstromschutzschalter nicht detektierbar.
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Hier setzt die Technik des Brandschutzschalters an. Sie gründet in der Regel auf der Überwachung und Auswertung von durch Messeinrichtungen erfassten Strom- bzw. Spannungsverläufen. Diese werden bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogen bewertet. Z.B. in der
US 5,729,145 A ist dies konkreter beschrieben. Dort werden mittels eines geeigneten Sensors an einer Phasenleitung sowohl Laststrom als auch Hochfrequenzstrom gemessen und als Input für eine Störlichtbogenerkennung verwendet. Alternativ oder ergänzend könnte auch die Spannung ermittelt und als Eingangsgröße für die Bewertung bzgl. des Vorhandenseins eines Störlichtbogen herangezogen werden.
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Die Bewertung der Eingangsgrößen auf das Vorliegen eines Störlichtbogen ist komplex. Als Beispiel sei die
DE 10 2014 204 253 A1 genannt. Dort umfasst die Prüfung auf Vorliegen eines Störlichtbogens verschiedene Komponenten:
- a) Es wird ermittelt, ob eine spontane Änderung eines aktuellen bestimmungsgemäßen Betriebszustands vorliegt, bei der sowohl die elektrische Spannung als auch der elektrische Strom reduziert sind.
- b) Ein Betrag der Spannungsänderungen und ein Betrag der zu den Spannungsänderungen zeitlich zugeordneten Stromänderungen werden mit jeweiligen Vergleichswerten verglichen.
- c) Lichtbogenindikatorwerte werden basierend auf den Spannungsänderungen bzw. den Stromänderungen bei Überschreiten von wenigstens einem der Vergleichswerte durch die jeweiligen Beträge ermittelt und auf Periodizitäten geprüft.
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Diese Druckschrift zeigt, wie durch die Verwendung komplexerer Überprüfungen die Zuverlässigkeit der Detektion von seriellen Lichtbögen verbessert werden kann. Das dort beschriebene Verfahren nutzt dem Grunde nach drei Kriterien, die sämtlich erfüllt sein müssen, damit das Vorliegen eines seriellen Lichtbogens erkannt werden kann.
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Es besteht der Bedarf an einer weiteren Verbesserung der Störlichtbogenerkennung durch dedizierte Schalter. Dies betrifft zum einen die Genauigkeit der Detektion des Vorliegens eines Störlichtbogens. Erschwert wird dies dadurch, dass auch im normalen Betrieb Lichtbögen vorkommen können, die keinen Fehler indizieren, z.B. Schaltlichtbögen oder Betriebslichtbögen. Darüber hinaus kommen Störungen und Schwankungen bei der Energieübertragung vor, gegenüber denen die Störlichtbogenerkennung robust sein sollte, so dass ungewolltes Auslösen (im Englischen der dafür auch der Ausdruck „nuisance tripping“ gebräuchlich) vermieden wird. Weiter kompliziert wird die Bewertung dadurch, dass nicht nur die Störlichtbögen je nach den konkreten Details des Störungsfalls sich bzgl. der gemessenen Strom- bzw. Spannungssignale unterscheiden können.
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Die Messignale werden z.B. auch von der Entfernung zwischen dem Ort des Auftretens des Störlichtbogens bzw. der Störung und dem Messpunkt beeinflusst (man spricht hierbei auch von der „Signatur“ des Störlichtbogens).
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Des Weiteren ist aber auch eine höhere Flexibilität bei der Störlichtbogenerkennung wünschenswert. Es werden beispielsweise Brandschutzschalter mit unterschiedlichen Auslösecharakteristiken angeboten, die jeweils für unterschiedliche Einsatzszenarien empfohlen werden, z.B. eine „trägere“ Auslösecharakteristik für Anlagen oder Geräte mit hohen Einschaltströmen. Die flexible Anpassung der Störlichtbogenerkennung an Gegebenheiten des Einsatzgebietes, z.B. Lastcharakteristiken, aber auch Unterschiede bzgl. der Elektronik und des regulatorischen Rahmens, z.B. in unterschiedlichen Ländern, ist wünschenswert.
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Schließlich sollte die Störlichtbogenerkennung weiter verfeinert werden, nicht bloß in Hinblick auf die Auslösung, sondern nach Möglichkeit auch bzgl. der Bewertung des zugrunde liegenden Fehlers, z.B. des Typs des Fehlers bzw. des Störlichtbogens und nach Möglichkeit eine Lokalisierung davon.
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Die Schwierigkeit bei den oben genannten Weiterentwicklungen von Störlichtbogenerkennung ist die zunehmende und damit schwerer beherrschbare Komplexität.
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Es ist die Aufgabe dieser Erfindung, weitere Verbesserungen des Lichtbogenschutzes zu ermöglichen.
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Die Aufgabe wird durch einen Lichtbogenschutzschalter nach Anspruch 1 und ein Verfahren zu Veranlassung der Auslösung eines Mechanismus zum Trennen von Kontakten durch einen erfindungsgemäßen Lichtbogenschutzschalter nach Anspruch 14 gelöst.
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Der erfindungsgemäße Lichtbogenschutzschalter ist mit einem Prozessor (z.B. Microcontroller) zur Bearbeitung von durch zumindest einen Sensor erfassten und an den Prozessor übermittelten Informationen versehen. Auf dem Prozessor läuft ein Programm zur Beurteilung von den Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens. Weiter ist eine Schaltungsanordnung zur Ausgabe eines Auslösesignals zur Trennung von Schaltkontakten als Reaktion auf ein durch das Programm erzeugtes Beurteilungsergebnis vorgesehen. Dabei umfasst das Programm ein für die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens trainiertes neuronales Netz.
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Durch die Verwendung eines neuronalen Netzes kann eine Verbesserung des Auslöseverhaltens erzielt werden, ohne dass dies mit einem immer komplexer werdenden Formelwerk zur Störlichtbogenbewertung verbunden wäre. Die Auslösecharakteristik lässt sich zudem durch geeignetes Trainieren des neuronalen Netzes flexibel anpassen.
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Das neuronale Netz kann dabei mittels einer auf überwachtes Lernen basierenden Lernstrategie trainiert sein, die die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens als Klassifikationsproblem behandelt (im Englischen ist dafür der Ausdruck „supervised classification learning“ gebräuchlich).
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Für das Training des neuronalen Netzes können formelbasierte Bewertungskriterien für das Auftreten eines Störlichtbogens herangezogen werden, welche in der Literatur beschrieben sind oder dem Fachmann aufgrund seines Könnens zur Verfügung stehen (im Englischen wird in diesem Kontext häufig von „domain expert knowledge“ gesprochen).
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Bei dem neuronalen Netz selbst kann es sich um ein Feedforward-Netz handeln. Eine typische derartige Netzarchitektur ist z.B. eine mehrlagige Perzeptron Architektur (Englisch: multi-layer perceptron architecture).
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Das neuronale Netz kann zudem mit Hilfe von mehrschichtigem Lernen (Englisch: „deep learning“) mit geteilten Gewichten (z.B. Convolutional Neural Networt (CNN) oder Long-Short-Term Memory (LSTM) Network) trainiert sein.
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Das neuronale Netz kann für die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens in einer definierten Einsatzumgebung trainiert sein, wodurch eine Anpassung an relevante Umgebungsbedingungen realisiert wird. Diese Anpassung kann regionale Gegebenheiten bzw. Vorgaben (z.B. Normungseigenheiten, Durchschnittstemperaturen, etc.) oder Einsatzbedingungen (z.B. Energieverteilungsnetz, industrieller Einsatz, Gebäudebereich, typische Last, etc.) betreffen. Für die Einsatzumgebung kann das trainierte neuronale Netz durch Transferlernen (Englisch: transfer learning) angepasst sein. Das Transferlernen kann dabei von einem neuronalen Netzwerk ausgehen, welches für keine spezielle Einsatzumgebung oder für eine andere Einsatzumgebung trainiert wurde.
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Gemäß einer Weiterbildung kann der Lichtbogenschutzschalter für die Übermittlung von das Auftreten eines Störlichtbogens betreffenden Daten an eine zentrale Stelle ausgestaltet sein. Derartige zurückgespielte Daten können für die Verbesserungen des Trainings von neuronalen Netzen zur Störlichtbogenerkennung verwendet werden.
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Gemäß einer Weiterbildung umfasst der Lichtbogenschutzschalter sowohl ein Programm für die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens mittels eines trainierten neuronalen Netzes als auch ein Programm für die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens mittels eines formelbasierten Ansatzes. Dabei kann der formelbasierte Ansatz zur Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens konservativ gewählt sein. Das Ansprechverhalten des neuronalen Netzes wäre dann zumindest im Mittel sensitiver. Die Beurteilung durch den formelbasierten Ansatz gilt dann primär der Absicherung, wenn das neuronale Netz fehlerhaft reagiert und einen Störlichtbogen nicht erkennt. Der Lichtbogenschutzschalter sollte dabei dafür eingerichtet sein, eine Auslösung zu veranlassen, wenn entweder durch die Beurteilung mittels des neuronalen Netzes oder durch die formelbasierte Beurteilung ein Störlichtbogen detektiert wird. Zudem kann der Lichtbogenschutzschalter dann dafür eingerichtet ist, einen Fehlerbericht zu versenden, wenn durch die Beurteilung mittels des neuronalen Netzes kein Störlichtbogen detektiert wird, aber durch die formelbasierte Beurteilung ein Störlichtbogen detektiert wird. Der Erfindungsgegenstand umfasst auch ein Verfahren zu Veranlassung der Auslösung eines Mechanismus zum Trennen von Kontakten durch einen Lichtbogenschutzschalter, welches entsprechend dieser Weiterbildung abläuft.
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Im Folgenden wird der Gegenstand der Erfindung im Rahmen eines Ausführungsbeispiels anhand von Figuren näher beschrieben. Es zeigen:
- 1: eine schematische Darstellung von einem Schutzschalter mit Störlichtbogenerkennung,
- 2: eine schematische Darstellung des Schutzschalters aus 1 mit weiteren Details,
- 3: ein Vorgehen zur Generierung von Trainingsdaten für das Training eines neuronalen Netzes zur Störlichtbogenerkennung,
- 4: eine prinzipielle Darstellung der Architektur der eines neuronalen Netzes, das zur Störlichtbogenerkennung mit Trainingsdaten, die wie in 3 gezeigt erhalten wurden, trainiert wird,
- 5: ein weiteres Vorgehen zur Generierung von Trainingsdaten für das Training eines neuronalen Netzes zur Störlichtbogenerkennung,
- 6: eine weitere prinzipielle Darstellung der Architektur eines neuronalen Netzes, das zur Störlichtbogenerkennung mit Trainingsdaten, die wie in 5 gezeigt erhalten wurden, trainiert wird, und
- 7: ein Verfahren für eine Störlichtbogenerkennung z.B. durch einen Schutzschalter gem. 1 und 2.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Schutzschalters. Dieser Schutzschalter umfasste die Funktionen eines typischen Leitungsschutzschalters bzw. MCBs (MCB: Miniature Circuit Breaker). Gezeigt sind Anschlüsse 1 und 3 eines Neutralleiters N und Anschlüsse 2 und 4 eines Phasenleiters L. Über diese Anschlüsse wird der Schutzschalter typischerweise zwischen eine Energiequelle bzw. Energiezuführung und eine Last geschaltet. Beide Leiter umfassen Schaltkontakte 5, die zu Schutzzwecken geöffnet werden. Für die Trennung der Schaltkontakte ist in bekannter Weise ein mechanischer Mechanismus 6 implementiert, durch den die Kontakte 5 geöffnet und (z.B. durch eine manuelle Betätigung eines am Gehäuse des Schalters dafür vorgesehenen Knopfs) wieder geschlossen werden können.
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Die für MCBs typischen Schutzfunktionen von Kurzschlussschutz und Überstromschutz sind realisiert. Im Falle eines Kurzschlusses wird eine Elektromagnet 7 bestromt, der dann den Mechanismus 6 triggert. Der Schutz vor Überstrom wird mittels eines Bimetalls 8 bewerkstelligt, welches durch einen flexiblen Leiter 9 mit dem Strompfad verbunden ist. Das System aus Bimetall 8 und flexiblen Leiter 9 ist so kalibriert bzw. eingerichtet, dass bei Überstrom das Bimetall sich verformt und durch die Verformung der Mechanismus 6 ausgelöst wird. Der Schalter verfügt noch über Lichtbogenleitelemente 11, durch welche ein ggf. bei der Kurzschlussauslösung entstehender Lichtbogen in eine Löschkammer 10 geleitet wird.
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Der in 1 gezeigte Schutzschalter ist zusätzlich mit einer Elektronik 12 versehen. Durch diese sind verschiedene weitere Funktionen realisiert, auf die anhand von in 2 näher eingegangen wird. Wichtig im Zuge dieser Anmeldung ist die Realisierung einer Störlichtbogenerkennung 13 (AFD: arc fault detection).
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Weitere Informationen zu einem Schalter, der Schutzfunktionen entsprechend des in
1 gezeigten Schalters bereitstellt, sind in der
EP 3 358 594 A1 enthalten. Dabei handelt es sich nur um ein Beispiel für den Erfindungsgegenstand dieser Anmeldung. Insbesondere ist die Realisierung von Schutzfunktionen über die Störlichtbogenerkennung hinaus fakultativ.
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Für die weiteren Ausführungen sind daher vor allem zwei Punkte relevant:
- a) Es steht die nötige Hardware bereit, um die für die Störlichtbogenerkennung erforderlichen Berechnungen durchzuführen. Die Software dafür kann als Firmware bei der Herstellung des Schalters aufgespielt werden.
- b) Es sind Mittel zur Auslösung der Öffnung eines mit dem Brandschalter überwachten Stromkreises vorhanden.
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Die Mittel zur Öffnung des überwachten Stromkreises (typischerweise Trennkontakte und eine auf diese wirkende Mechanik) müssen dabei nicht notwendigerweise im selben Schaltereinheit wie die Störlichtbogenerkennung vorgesehen sein. In der
DE 10 2012 204 964 A1 und in der
DE 10 2014 226 221 DE sind Brandschutzschalter offenbart, die keine eigenen Auslösemittel bzw. Trennkontakte umfassen, sondern jeweils mit einem anderen Schalter gekoppelt sind, der bei einer Störlichtbogendetektion durch den Brandschutzschalter ein Signal zur Auslösung übertragen bekommt. Dieser Schalter ist z.B. ein Leitungsschutzschalter, d.h. ein MCB. Ein anderer Schaltertyp, mit dem Brandschutzschalter kombiniert werden kann, ist der Fehlerstromschutzschalter, d.h. eine Schutzeinrichtung zur Gewährleistung eines Schutzes gegen einen Fehlerstrom bzw. Differenzstrom in einer elektrischen Anlage.
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Im Allgemeinen Sprachgebrauch werden anstelle des Begriffs „Fehlerstromschutzschalter“ auch die Begriffe FI-Schutzschalter (kurz: FI-Schalter), Differenzstromschutz-schalter (kurz: DI-Schalter) oder RCD (für „Residual Current Protective Device“) gleichwertig verwendet.
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Die Funktionen eines Brandschutzschalters, eines Leitungsschutzschalters und eines Fehlerstromschutzschalters können auch in einem Schalter kombiniert werden, vgl.
DE 10 2010 021 068 A1 (AFDD + MCB),
DE 10 2016 223 264 A1 (AFDD + RCD) und
DE 10 2016 218 960 A1 (AFDD + RCBO, wobei ein RCBO (Residual current operated Circuit-Breaker with Overcurrent protection) die Funktionen eines RCDs und eines MCBs vereint).
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Im Rahmen dieser Anmeldung ist der Begriff Lichtbogenschutzschalter bzw. Brandschutzschalter oder AFDD so zu verstehen, dass darunter sowohl ein Schalter mit als auch ohne eigene Trennkontakte, als auch Schalter mit zusätzlichen Funktionen (z.B. AFDD + MCB, AFDD + RCD, AFDD + RCDO) fällt.
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Im Zuge des Ausführungsbeispiels von 1 und 2 sind in einem Gerät die Funktionen eines MCBs und eines AFDDs realisiert (AFDD + MCB). Figure 2 zeigt Details der Elektronik 12. Im Folgenden werden diese beschreiben, wobei auf bereits anhand 1 beschriebene Elemente nur in dem für die Erläuterung der AFD Funktion erforderlichen Rahmen näher eingegangen wird. Die N Leitung des Schalters ist mit einer Sensoranordnung 16 versehen, über den ein Spannungssignal abgegriffen wird. Zudem wird ein Stromsignal durch einen Shunt-Widerstand 15 an dem L Leiter erfasst. Beide Signale werden über einen ASIC 20 durch die Elemente 21 und 22 weiterverarbeitet, wobei aus dem Spannungssignal ein Hochfrequenzsignal (z.B. Oberwellen > 500 Hz) extrahiert wird. Die durch den ASIC 20 verarbeiteten Signale bilden den Input für einen Block 30, durch den die eigentliche AFDD Funktion realisiert wird. Für die Auswertung der Inputsignale ist ein Microcontroller 31 vorgesehen, der einen digitalen Signalprozessor bzw. DSP 312, Software zur Störlichtbogenanalyse 313 (AFA: arc fault analysis), Software zur Überspannungsanalyse 314 (OVA: over voltage analysis) sowie einen Microcontroller Chip 311 umfasst. Mittels dieses Chips erfolgen die Berechnungen für die Analyse der Inputsignale auf das Vorliegen eines Störlichtbogens. Über GIPO (General Purpose Input/Output) 32 sind zudem ein Selbsttestbauteil 38, eine Eingabeelement 37, eine Nutzerinterface bzw. HMI 35, eine LED-Anzeige 26 und Auslöseelemente 33 und 34 angeschlossen. Im Falle eines Störlichtbogens wird eine Spule 33 bestromt, die ein Auslöseelement 34 triggert. Über das Auslöseelement 34 wird der Mechanismus 6 zum Trennen der Kontakte 5 veranlasst.
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Mit dem AFDD Block verbunden ist ein Block 40 zur Kommunikation, d.h. zwischen beiden Blöcken können Informationen ausgetauscht werden (Pfeil 45). Der Kommunikationsblock 40 ist mit einem Microchip 41 gebildet, mittels dem über eine Signalanpassung 43 und eine Antenne 42 Signale drahtlos gesendet und empfangen werden können. Ebenfalls vorgesehen sind ein Hochfrequenzkristall 47 und ein GPIO 44. Der Kommunikationsblock 40 tauscht Daten mit einem Block zur Verbrauchsmessung 50 aus, d.h. Verbrauchsdaten können erfasst und über den Kommunikationsblock 40 nach extern übertragen werden.
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Durch den Microkontroller 31 werden also die durch die Sensoren 15 und 16 erfassten Informationen zur Bearbeitung übermittelt. Die Bearbeitung erfolgt dabei erfindungsgemäß durch Verwertung dieser Informationen als Input für ein neuronales Netz, welches für die Beurteilung von Informationen bzgl. des Auftretens eines Störlichtbogens trainiert wurde.
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Das neuronale Netz und sein Training werden im Folgenden anhand der 3 bis 6 näher dargestellt.
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Wie in 3 gezeigt, ist der Ausgangspunkt 60 das Verwenden von Messdaten, wie Stromwerte, Spannungswerte und Werte von RSSI-Messungen (RSSI (Received Signal Strength Indication) Werte sind ein Maß für die relative Qualität eines auf einem Gerät empfangenen Signals). Die Messdaten bilden den Input für die Analyse bzgl. dem Vorliegen eines Störlichtbogens (Schritt 70). Es wird dabei mit einer Reihe von Kriterien (oder Features F) agiert. Die Gesamtheit dieser Kriterien bildet einen Vektor (im Block 80 hätte dieser Vektor die Einträge F1 bis F4). Für die einzelnen Vektoren (vier Vektoren bzw. Zeilen sind in Block 80 gezeigt) ist zudem eine Zuordnung zu einer Beurteilung, ob ein Störlichtbogen vorliegt oder nicht, vorhanden. D.h., zu jedem Vektor gehört noch ein binärer Eintrag, der eine Klassifikation in zwei Kategorien (Störlichtbogen, kein Störlichtbogen) beinhaltet. Die Vektoren werden zu einer Matrix zusammengefasst.
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Für die Bewertung von Messdaten bzgl. des Vorliegens von einem Störlichtbogen gibt es in der Literatur vielfache Kriterien bzw. Features F, welche auf die gemessenen Größen oder daraus abgeleiteten Größen (z.B. Änderung, Ableitung, Kombinationskriterien etc.) zurückgreifen. Ein Beispiel ist die in der Beschreibungseinleitung zitierte
US 5,729,145 A . Weitere Informationen zur Beurteilung des Vorliegens eines Störlichtbogens sind in den Schriften
DE 10 2013 224 867 A1 ,
US 6,459,273 B1 ,
DE 10 2016 209 443 A1 ,
10 2016 209 444 A1 und
DE 10 2016 209 445 A1 sowie der deutschen Anmeldung mit dem Anmeldeaktenzeichen 10 2020 201 887.1 und in den von diesen Schriften zitierten Dokumenten zu finden. Derartige Vorgehensweisen find im Schritt 70 Anwendung.
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In 4 ist dargestellt, wie mit dem entsprechend 3 kreierten Matrizen-Input 81 ein neuronales Netz trainiert wird. Das neuronale Netz ist schematisch durch drei Ebenen 82, 84 und 86 sowie zwischen den Ebenen gezeigten Merkmalseinbettungen (feature embeddings) dargestellt. Das Training ist auf die Vorhersage von Störlichtbögen 87 ausgerichtet. In der Figur kommt dabei ein nach vorwärts gerichtetes neuronales Netzwerk (feed-forward neural network) mit mehrlagiger Perzeptron Architektur (multi-layer perceptron architecture) zum Einsatz.
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Dabei kann im Zuge des mehrschichtigen Lernens (Deep Learning) eine Mitbenutzung von Gewichten (weight sharing) zum Einsatz kommen. Dadurch kann die Anzahl der Parameter des Modells reduziert werden, was vor allem bei dem Einsatz sequentieller Modelle von Vorteil ist. Die 5 und 6 zeigen die Vorbereitung der Inputdaten bzw. die Architektur des neuronalen Netzes für sequentielle Modelle, wie z.B. gefaltete neuronale Netzwerke (Convolutional neural networks, CNNs) oder langes Kurzzeitgedächtnis-Netzwerke (Long-Short-Term Memory Networks, NSTMs). In 5 werden wieder Rohdaten 160 (Strom, Spannung und spektraler Strom) verwendet und für eine Erstellung von Merkmalen bzw. Features (feature engineering) zur Bewertung im Hinblick auf das Auftreten eines Lichtbogens herangezogen (Schritt 170). Daraus wird dann eine Sequenz von Matrizen erstellt (Schritt 181). Diese Sequenz von Matrizen 181 wird dann - wie in 6 gezeigt - für ein CNN Netzwerk verwendet.
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Dabei wird mit einer 1D CNN Schicht und Merkmalseinbettung (Block 182) agiert, aus welchen eine 1D CNN Schicht oder 1D CNN Schichten gewonnen werden (Schritt 183). Mittels Max Pooling, d.h. einer Strategie zur Heruntertaktung (downsampling) in gefalteten neuronalen Netzten (CNNs) erhält man eine verdeckte Schicht bzw. verdeckte Schichten (hidden layers). Auf dieser Basis können dann Aussage bzgl. des Vorliegens eines Störlichtbogens gemacht werden (Schritt 186). Bei dem Lernen kann es sich auch um Transferlernen (Transfer Learning) handeln, wobei nur bestimmte Gewichte angepasst werden. Dies Vorgehen ist z.B. sinnvoll, wenn ein bereits für einen bestimmten Einsatzbereich trainiertes Netz für einen anderen Einsatzbereich angepasst werden soll (z.B., wenn unterschiedliche Normen erfüllt werden sollen).
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Das wie oben dargestellt trainierte neuronale Netz wird dann in den Microcontroller 311 des Schalters aus 2 geladen. Im Schalter wird dann auf Basis des durch die Sensorelemente 15 und 16 gemessenen Inputs durch das neuronale Netz bewertet, ob ein Störlichtbogen vorliegt. Im Falle eines Störlichtbogens wird dann über die Spule 33 und die Auslöseeinheit 34 der Mechanismus 6 zum Öffnen der Kontakte veranlasst.
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Gemäß einer Weiterbildung des Erfindungsgegenstandes werden zwei unabhängige Bewertungen des Vorliegens eines Störlichtbogens vorgenommen, wobei eine davon mittels des neuronalen Netzes und die andere konventionell erfolgt. Unter einer konventionellen Bewertung wird dabei eine Einschätzung auf Basis von physikalischen Parametern verstanden (z.B. mit Hilfe von Schwellenwerten), d.h. eine formelbasierte Bewertung, wie sie ähnlich auch bei der Erstellung von Merkmalen bzw. Features wie in den Figure 3 und 5 zum Einsatz kommen. Die Idee dahinter ist, einen zusätzlichen Sicherheitsmechanismus vorzusehen. Das Verhalten des neuronalen Netzes kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Es besteht - zumindest in einer Anfangsphase einer Umstellung der Lichtbogenerkennung - eine Restwahrscheinlichkeit, dass aufgrund eines noch nicht perfekten Trainings das neuronale Netz einen Störlichtbogen nicht erkennt. Es wird zudem auf diese Weise Fehlern Rechnung getragen, die beispielsweise durch das Aufspielen falsch trainierter Netze (z.B. Training für ein anderes Land, trainiert für ein unterschiedliches Modell) passieren können.
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Dabei kann die konventionelle Bewertung mit einer trägeren bzw. konservativeren Auslösecharakteristik im Vergleich zu der durch das neuronale Netz getriggerten Auslösung implementiert sein. Der Gedanke dabei ist, dass typischerweise das neuronale Netz die Auslösung bestimmt und die konventionelle Bewertung im Wesentlichen nur dann anspricht, wenn eine wahrscheinliche Fehlbewertung durch das neuronale Netz vorliegt.
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Gemäß einer Weiterbildung des Erfindungsgegenstandes wird durch die Auslösung des Brandschutzschalters eine Datenübermittlung von mit der Auslösung in Verbindung stehenden Daten an eine zentrale Stelle veranlasst. Auf diese Weise können Daten von verschiedenen Brandschutzschaltern gesammelt und analysiert werden. Diese Analyse kann sowohl für die Datengenerierung für die Verbesserung des Trainings von Brandschutzschaltern als auch für die Detektion von Fehlverhalten herangezogen werden. Für den letzten Fall ist es insbesondere auch relevant, dass bei einem System mit konventioneller Backup-Auslösung mit konservativen Auslöseverhalten Situationen gemeldet werden, bei denen das neuronale Netz nicht, aber die Backup-Auslösung angesprochen hat. In diesem Fall wird z.B. eine Information übertragen, die dieses potentielle Fehlverhalten meldet (z.B. gesetztes Flag), sowie physikalische Messdaten, die die Reproduktion dieser Situation im Versuchsfeld erlauben.
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Ein mögliches Verfahren ist in 7 dargestellt. Im Schritt 601 werden Messdaten sowohl für eine Bewertung durch ein neuronales Netz (Schritt 602) als auch für eine herkömmliche, formelbasierte Bewertung (Schritt 603) bereitgestellt. Dabei ist die formelbasierte Bewertung so parametrisiert, dass sie ein konservatives Ansprechverhalten aufweist. Das Ansprechverhalten ist dabei weniger sensibel als das Ansprechverhalten der Bewertung durch das neuronale Netz, d.h. im Normalfall würde kein Störlichtbogen detektiert, wenn nicht durch das neuronale Netz ebenfalls ein Störlichtbogen festgestellt würde. In den Schritten 604 und 605 wird durch das neuronale Netz und den formelbasierten Algorithmus überprüft, ob ein Störlichtbogen vorliegt. Falls das neuronale Netz einen Störlichtbogen erkennt (Schritt 606), löst der Schalter aus. Das Ergebnis der Bewertung durch das neuronale Netz wird für die weitere Vorgehensweise bzgl. der Verwendung des Ergebnisses der formelbasierten Bewertung verwendet (Schritt 607). Falls ein Störlichtbogen durch die formelbasierte Bewertung detektiert wurde, dieser durch die Bewertung des neuronalen Netzes nicht erkannt wurde bzw. durch das neuronale Netz keine Auslösung getriggert wurde, wird auf Basis der Störlichtbogenerkennung durch die formelbasierte Bewertung eine Auslösung des Schalters veranlasst (Schritt 609) und eine Fehlerbericht gesendet (Schritt 610). Der Fehlerbericht enthält vorzugsweise alle Informationen, um die Situation zu rekonstruieren, die zu einer Störlichtbogenerkennung nur durch die formelbasierte Bewertung geführt hat. Vorzugsweise wird der Fehlerbericht an eine zentrale Stelle gesendet, bei der Informationen auch über das Auslöseverhalten anderer Schalter im Feld gesammelt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 5729145 A [0004, 0038]
- DE 102014204253 A1 [0005]
- EP 3358594 A1 [0027]
- DE 102012204964 A1 [0029]
- DE 102014226221 [0029]
- DE 102010021068 A1 [0031]
- DE 102016223264 A1 [0031]
- DE 102016218960 A1 [0031]
- DE 102013224867 A1 [0038]
- US 6459273 B1 [0038]
- DE 102016209443 A1 [0038]
- DE 102016209444 A1 [0038]
- DE 102016209445 A1 [0038]