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Moderne Schienenfahrzeuge und ihre Infrastruktur werden häufig aerodynamisch an ihren Einsatzzweck angepasst. So werden insbesondere Hochgeschwindigkeitszüge mit einer verhältnismäßig spitz zulaufenden Zugnase versehen, um einen Luftwiderstand, Energieaufwand oder Fahrlärm zu reduzieren. Entsprechend werden Tunnel, insbesondere auf Hochgeschwindigkeitstrassen, mit größerem Durchmesser gebaut, um stärkere Druckwellen bei der Einfahrt von Hochgeschwindigkeitszügen zu vermeiden.
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Derartige Anpassungen erfordern jedoch häufig technische Kompromisse, da häufig eine Vielzahl von Rand- und Einsatzbedingungen zu berücksichtigen sind. Eine Vergrößerung von Tunneldurchmessern ist zudem in der Regel mit einem erhöhten baulichen Aufwand verbunden.
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Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Schienenfahrzeug sowie ein Verfahren zu dessen Betrieb zu schaffen, durch die sich Druckwellen beim Einfahren in einen Tunnel effizienter verringern lassen.
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Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Schienenfahrzeug mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 5.
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Vorteilhafte Ausführungsformen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Erfindungsgemäß ist ein Schienenfahrzeug, insbesondere ein Personenzug, ein Güterzug oder eine Magnetschwebebahn mit einer formvariablen Zugnase sowie mit einem Aktor zum Verändern einer Form der Zugnase vorgesehen. Darüber hinaus verfügt das Schienenfahrzeug über eine Steuerung zum Erfassen von eine relative Position des Schienenfahrzeugs zu einem Tunnel spezifizierenden Positionsdaten sowie zum Ansteuern des Aktors abhängig von den Positionsdaten.
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Die Positionsdaten können dabei insbesondere mittels eines Satellitennavigationssystems, z.B. GPS, Galileo oder GLONASS erfasst werden. Hierbei kann insbesondere eine mittels eines Satellitennavigationssystems festgestellte absolute Position des Schienenfahrzeugs mit einer aus einer Datenbank abgerufenen absoluten Position eines Tunnels in Beziehung gesetzt werden.
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Ein Vorteil der Erfindung ist insbesondere darin zu sehen, dass dem Schienenfahrzeug mittels der formvariablen Zugnase ein an eine jeweils aktuelle Fahrsituation spezifisch angepasstes Profil gegeben werden kann. Das Profil kann vorzugsweise während der Fahrt insbesondere an Strömungsverhältnisse bei einer Tunneleinfahrt oder Tunneldurchfahrt angepasst werden. Dies erlaubt in vielen Fällen eine höhere Durchfahrtgeschwindigkeit und/oder verringert eine Notwendigkeit von baulichen Anpassungen bestehender Tunnel.
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Dagegen haben bisherige Schienenfahrzeuge, insbesondere deren Zugnase in der Regel eine fixe Geometrie. Diese ist häufig auf ein spezifisches Einsatzszenario hin optimiert. Jenseits dieses spezifischen Einsatzszenarios ist eine solche fixe Geometrie jedoch in vielen Fällen nicht optimal oder sogar nachteilig. In vielen Fällen wird die fixe Geometrie auch für unterschiedliche Einsatzszenarien ausgelegt, ist dann aber häufig nicht für alle optimal.
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Nach einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann die Steuerung zum Erfassen weiterer Daten sowie zum Ansteuern des Aktors abhängig von den erfassten weiteren Daten eingerichtet sein. Die weiteren Daten können dabei eine Bewegung des Schienenfahrzeugs spezifizierende Bewegungsdaten, eine Tunnelgeometrie spezifizierende Geometriedaten, eine Aerodynamik des Schienenfahrzeugs spezifizierende Aerodynamikdaten, aktuelle Winddaten und/oder aktuelle Wetterdaten umfassen. Als Bewegungsdaten können insbesondere Daten über eine aktuelle Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs und/oder über Schwingungen des Schienenfahrzeugs erfasst werden. Als Geometriedaten können insbesondere Daten über einen Tunneldurchmesser oder eine Tunnellänge erfasst werden. Die Geometriedaten können beispielsweise aus einer Datenbank oder online abgerufen oder durch eine Sensorik erfasst werden. Durch eine Erfassung und Berücksichtigung der weiteren Daten kann die Form der Zugnase spezifisch an eine Zuggeschwindigkeit, eine Tunnelgeometrie, eine Aerodynamik des Schienenfahrzeugs und/oder an aktuelle Wind- oder Wetterverhältnisse angepasst werden.
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Nach einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann eine Datenbank vorgesehen sein, in der für eine Vielzahl von Positionsdatenwerten und/oder weiteren Datenwerten aerodynamisch optimierte Formen der Zugnase und/oder zugehörige Ansteuerdaten für den Aktor gespeichert sind. Die Steuerung kann entsprechend dazu eingerichtet sein, abhängig von den erfassten Positionsdaten und/oder weiteren erfassten Daten eine aerodynamisch optimierte Form der Zugnase und/oder zugehörige Ansteuerdaten für den Aktor aus der Datenbank abzurufen. Die aerodynamisch optimierten Formen der Zugnase können vorzugsweise vorab durch strömungsdynamische Simulationen berechnet und in der Datenbank gespeichert werden. Ein Abruf von gespeicherten, parametrisierten Optimalformen erfordert nur geringen Aufwand und kann in der Regel in Echtzeit erfolgen.
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Nach einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann ein an einer Außenseite des Schienenfahrzeugs angeordnetes Formelement vorgesehen sein, das abhängig von den Positionsdaten und/oder weiteren Daten formveränderbar oder bewegbar ist. Das Formelement kann am Heck, am Boden, am Dach oder an den Seiten des Schienenfahrzeugs angeordnet und als Luftleitelement, als Anbauteil und/oder als Spoiler ausgebildet sein. Eine Formveränderung oder Bewegung des Formelements kann nach den gleichen Grundsätzen erfolgen, wie eine Formveränderung der Zugnase.
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Zur Formveränderung der Zugnase kann anhand der erfassten Positionsdaten mittels einer strömungsdynamischen Simulation eine aerodynamisch optimierte Form der Zugnase ermittelt werden. Die Zugnase kann dann mittels des Aktors in die optimierte Form gebracht werden. Bei der Simulation kann insbesondere ein jeweiliges Strömungsverhalten eines in einen Tunnel einfahrenden Schienenfahrzeugs für unterschiedliche Zugnasenformen simuliert werden. Anhand der Simulationsergebnisse kann dann eine Zugnasenform selektiert werden, die ein vorgegebenes Optimierungskriterium optimiert. Als Optimierungskriterium kann insbesondere eine Minimierung von Druckwellen, Druckunterschieden und/oder Druckkräften; eine Minimierung eines Luftwiderstandes und/oder eine Minimierung von Formveränderungen der Zugnase verwendet werden.
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Nach einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann mittels der strömungsdynamischen Simulation ein optimierter zeitlicher Verlauf der Form der Zugnase für ein vorgegebenes Zeitfenster im Voraus ermittelt werden. Dabei können die vorstehenden Optimierungskriterien verwendet werden. Durch eine Minimierung von Formveränderungen der Zugnase, insbesondere durch eine Minimierung einer Anzahl, Amplitude und/oder Geschwindigkeit aufeinanderfolgender Formveränderungen der Zugnase können Oszillationen am Schienenfahrzeug in der Regel effektiv vermieden oder verringert werden. Bei der Simulation über ein vorgegebenes Zeitfenster können zusätzlich auch für dieses Zeitfenster geplante Geschwindigkeitsveränderungen und/oder Windverhältnisse berücksichtigt werden.
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Nach einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann für eine Vielzahl von Positionsdatenwerten und/oder weiteren Datenwerten jeweils eine strömungsdynamische Vorab-Simulation eines in einen Tunnel einfahrenden Schienenfahrzeugs ausgeführt werden. Die Vorab-Simulationen können insbesondere auch für eine Vielzahl unterschiedlicher Geometriedatenwerte, Aerodynamikdatenwerte, Winddatenwerte und/oder Wetterdatenwerte ausgeführt werden. Anhand von daraus resultierenden Simulationsergebnissen kann ein modellreduzierter Simulator erzeugt und/oder ein Maschinenlernsystem, z.B. ein neuronales Netz, trainiert werden. Die strömungsdynamische Simulation kann dann mittels des modellreduzierten Simulators und/oder mittels des Maschinenlernsystems während der Fahrt ausgeführt werden. Insofern ein modellreduzierter Simulator oder ein trainiertes Maschinenlernsystem bei der Anwendung in der Regel erheblich weniger Rechenressourcen benötigt als eine detaillierte Simulation, kann die strömungsdynamische Simulation in vielen Fällen in Echtzeit ausgeführt werden.
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Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnung näher erläutert. Dabei zeigen jeweils schematischer Darstellung:
- 1 ein erfindungsgemäßes Schienenfahrzeug mit einer für eine Fahrt auf freier Strecke geformten Zugnase, und
- 2 das erfindungsgemäße Schienenfahrzeug mit der für eine Tunneleinfahrt oder Tunneldurchfahrt geformten Zugnase.
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Insofern in den Figuren die gleichen oder korrespondierende Bezugszeichen verwendet werden, werden hierdurch die gleichen oder korrespondierende Entitäten bezeichnet.
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Die 1 und 2 zeigen jeweils in schematischer Darstellung ein erfindungsgemäßes Schienenfahrzeug Z, beispielsweise einen Personenzug, Güterzug oder ein anderes schienengeführtes Fahrzeug, wie beispielsweise eine von einer Magnetschiene geführte Magnetschwebebahn. Ein Frontteil des Schienenfahrzeuggehäuses ist erfindungsgemäß als formvariable Zugnase ZN ausgebildet. Erfindungsgemäß verändert die Zugnase ZN ihre Form insbesondere abhängig davon, ob das Schienenfahrzeug Z auf freier Strecke unterwegs ist, oder in einen Tunnel einfährt oder diesen durchfährt.
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1 veranschaulicht das Schienenfahrzeug Z mit der für eine Fahrt auf freier Strecke geformten Zugnase ZN, während 2 das Schienenfahrzeug Z mit der für eine Tunneleinfahrt oder Tunneldurchfahrt geformten Zugnase ZN veranschaulicht.
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Zur Formveränderung der Zugnase ZN verfügt das Schienenfahrzeug Z über einen oder mehrere Aktoren A. Aus Übersichtlichkeitsgründen ist in den Figuren nur ein Aktor A explizit dargestellt. Der Aktor A wirkt mechanisch auf die Zugnase ZN oder Teile davon ein, um diese insbesondere während der Fahrt zu verformen. Eine solche Formveränderung kann durch den Aktor A insbesondere durch Bewegung von an und/oder als Teil der Zugnase ZN angeordneten Leitblechen, Windleitplatten oder anderen Formelementen bewirkt werden. Alternativ oder zusätzlich kann durch den Aktor A auch eine Geometrie der Zugnase ZN elastisch verändert werden. Zu den genannten Zwecken kann die Zugnase ZN vorzugsweise einzeln ansteuerbare, bewegliche oder verformbare Flächenabschnitte oder andere Formelemente aufweisen, die gegebenenfalls von einem flexiblen Material überspannt sind. Derartige Flächenabschnitte oder andere Formelemente können über Gelenke, z. B. Drehgelenke oder Schubgelenke verbunden sein. Alternativ oder zusätzlich kann eine zumindest stellenweise elastische, plastische oder biegsame Außenhaut als verformbares Formelement vorgesehen sein. Darüber hinaus können elektrisch oder thermisch formveränderbare Materialen, z.B. Formgedächtnislegierungen verwendet werden.
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Der Aktor A verformt die Zugnase ZN indem er Druck oder Zug auf diese Formelemente ausübt. Zu diesem Zweck kann der Aktor A über hydraulische, pneumatische, mechanische und/oder elektromechanische Komponenten verfügen.
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Zum Steuern des Aktors A und damit der Form der Zugnase ZN verfügt das Schienenfahrzeug Z über eine mit dem Aktor A gekoppelte Steuerung CTL. Die Steuerung CTL ist mit einer Sensorik S des Schienenfahrzeugs Z gekoppelt. Die Sensorik S dient zum Messen oder Erfassen von eine relative Position des Schienenfahrzeugs Z zu einem Tunnel spezifizierenden Positionsdaten PD, von eine Bewegung des Schienenfahrzeugs Z spezifizierenden Bewegungsdaten BD sowie von weiteren Daten DAT. Die Positionsdaten PD, Bewegungsdaten BD und weiteren Daten DAT werden durch die Sensorik S zur Steuerung CTL übermittelt.
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Die Positionsdaten PD können hierbei einen Abstand des Schienenfahrzeugs Z zu dem auf der Fahrstrecke vorausliegenden Tunnel, eine Position des Schienenfahrzeugs Z im Tunnel sowie eine absolute, z. B. mittels eines Satellitennavigationssystems ermittelte Position des Schienenfahrzeugs Z quantifizieren. Aus einer absoluten Position des Schienenfahrzeugs Z kann anhand einer bekannten Position des Tunnels eine relative Position des Schienenfahrzeugs Z zum Tunnel bestimmt werden. Die Position relativ zum Tunnel kann dabei insbesondere relativ zu einer Tunneleinfahrt und/oder zu einer Tunnelausfahrt spezifiziert werden. Eine jeweilige Position eines Tunnels kann hierbei z. B. einer Datenbank DB des Schienenfahrzeugs Z entnommen oder online abgefragt werden. Darüber hinaus können die Positionsdaten PD noch eine Angabe darüber umfassen, ob das Schienenfahrzeug Z sich aktuell in einem Tunnel oder auf freier Strecke befindet. Diese Angabe kann beispielsweise durch die Sensorik S detektiert werden.
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Die Bewegungsdaten BD umfassen insbesondere eine Angabe über eine aktuelle Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs Z.
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Die von der Sensorik S erfassten weiteren Daten DAT können insbesondere aktuelle Winddaten, Wetterdaten und/oder Temperaturdaten umfassen. Darüber hinaus können für die Ansteuerung des Aktors A relevante, weitere Daten DAT von der Datenbank DB oder online abgerufen werden. Derartige steuerungsrelevante weitere Daten DAT können z. B. Geometriedaten über eine Tunnelgeometrie, insbesondere über einen Tunneldurchmesser oder eine Tunnellänge sowie Aerodynamikdaten über eine Aerodynamik des Schienenfahrzeugs Z oder des Tunnels sein.
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Erfindungsgemäß soll die Steuerung CTL den Aktor A abhängig von den aktuell erfassten Positionsdaten PD, Bewegungsdaten BD sowie weiteren Daten DAT derart ansteuern, dass die Zugnase ZN in eine in der aktuellen Fahrsituation aerodynamisch günstige oder optimierte Form gebracht wird. Die Steuerung CTL ermittelt zu diesem Zweck geeignete Ansteuerdaten CD für den Aktor A und übermittelt diese zum Aktor A.
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Die aerodynamisch optimierten Formen werden vorteilhafterweise durch strömungsdynamische Simulationen ermittelt. In vielen Fällen erweist sich dabei, dass eine langgezogene, niedrige Form der Zugnase ZN einen Tunnelknall bei Einfahrt in einen Tunnel effektiv verringern kann, während auf freier Strecke eine mehr keilförmige Form der Zugnase ZN vorteilhafter ist. Diese beiden grundsätzlichen Formvarianten der Zugnase ZN werden auch in den 1 und 2 veranschaulicht.
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Vorzugsweise wird eine Vielzahl von strömungsdynamischen Simulationen für eine Vielzahl von möglichen Fahrsituationen vorab ausgeführt, um jeweils eine fahrsituationsspezifische, aerodynamisch optimierte Form der Zugnase ZN zu ermitteln. Zur Parameterisierung der möglichen Fahrsituationen wird vorzugsweise ein Parameterraum mit folgenden Parametern gewählt:
- - einer Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs Z,
- - einer Angabe ob sich das Schienenfahrzeug Z auf freier Strecke oder in einem Tunnel befindet,
- - einem Tunneldurchmesser und
- - einer Position des Schienenfahrzeugs Z vor oder im Tunnel.
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Für eine Vielzahl repräsentativer diskreter Punkte in diesem Parameterraum wird dann jeweils eine für den jeweiligen Parameterpunkt aerodynamisch optimierte Form der Zugnase ZN durch eine strömungsdynamische Vorab-Simulation offline berechnet.
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Als Optimierungskriterium kann eine Minimierung von Druckwellen, Druckunterschieden, Druckkräften und/oder Schwingungen, und/oder eine Minimierung eines Luftwiderstands verwendet werden. Zum Zwecke einer derartigen Optimierung steht eine Vielzahl von effizienten Standardsimulationsverfahren und Standardoptimierungsverfahren zur Verfügung.
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Zu einer jeweiligen aerodynamisch optimierten Form der Zugnase ZN können vorzugsweise auch diejenigen Ansteuerdaten CD für den Aktor A ermittelt werden, durch die die Zugnase ZN in diese optimierte Form gebracht wird.
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Die Simulationsergebnisse der Vorab-Simulationen können auf unterschiedliche Weise genutzt werden.
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So können gemäß einer ersten Ausführungsvariante die aerodynamisch optimierten Formen der Zugnase ZN und/oder die jeweils zugehörigen Ansteuerdaten CD in der Datenbank DB jeweils in Zuordnung zum jeweiligen Parameterpunkt gespeichert werden. Das heißt in Zuordnung zur Angabe, ob sich das Schienenfahrzeug Z auf freier Strecke oder in einem Tunnel befindet, zur Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs Z, zum Tunneldurchmesser sowie zur Position des Schienenfahrzeugs Z vor oder im Tunnel. Während der Fahrt kann die Steuereinrichtung CTL dann mittels der aktuell erfassten Positionsdaten PD, Bewegungsdaten BD und gegebenenfalls weiterer, die aktuelle Fahrsituation spezifizierender Daten DAT eine diesen Parametern zugeordnete, für die aktuelle Fahrsituation aerodynamisch optimierte Form der Zugnase ZN bzw. die zugehörigen Ansteuerdaten CD aus der Datenbank DB abrufen. Vorzugsweise können eine oder mehrere Zugnasenformen bzw. Ansteuerdaten aus der Datenbank DB abgerufen werden, deren zugeordnete Parameterpunkte dem aus den aktuellen Positionsdaten PD, Bewegungsdaten BD und weiteren Daten DAT gebildeten Parameterpunkt am nächsten liegen. Die aktuell einzunehmende Form der Zugnase ZN bzw. die aktuell anzuwendenden Ansteuerdaten CD können dann aus den abgerufenen Zugnasenformen bzw. Ansteuerdaten durch Interpolation ermittelt werden.
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Gemäß einer zweiten Ausführungsvariante der Erfindung kann mittels der für die Vielzahl von Parameterpunkten durchgeführten Vorab-Simulationen ein Modell des Strömungsverhaltens des Schienenfahrzeugs Z ermittelt werden, das dann modellreduziert wird. Für derartige Modellreduktionen können effiziente numerische Standardverfahren, wie z. B. sog. POD-Verfahren (POD: Proper orthogonal decomposition) oder andere Verfahren zur Hauptkomponentenanalyse genutzt werden. Auf diese Weise wird ein modellreduzierter Simulator SIM erzeugt, der vorzugsweise in der Steuerung CTL implementiert wird.
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Alternativ oder zusätzlich kann ein Maschinenlernsystem darauf trainiert werden, Ergebnisse der Vorab-Simulationen und/oder aerodynamisch optimierte Formen der Zugnase ZN bzw. entsprechend optimierte Ansteuerdaten CD anhand vorgegebener Parameterpunkte möglichst genau zu reproduzieren. Zu diesem Zweck sind eine Vielzahl von Standardverfahren des maschinellen Lernens verfügbar.
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Der modellreduzierte Simulator SIM führt anhand der aktuellen Positionsdaten PD, Bewegungsdaten BD sowie der weiteren Daten DAT eine Simulation des Strömungsverhaltens insbesondere bei Einfahrt des Schienenfahrzeugs Z in einen Tunnel aus. Vorzugsweise wird hierbei auch eine Kurzzeitvorhersage dieser Daten und/oder ein geplantes Fahrspiel des Schienenfahrzeugs Z berücksichtigt. Mittels der durch den modellreduzierten Simulator SIM ausgeführten strömungsdynamischen Simulation und/oder mittels des trainierten Maschinenlernsystems können die aerodynamisch optimierte Form der Zugnase ZN bzw. die zugehörigen Ansteuerdaten CD während der Fahrt in Echtzeit ermittelt werden. Hierbei können insbesondere die oben erwähnten Optimierungskriterien verwendet werden.
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Bei beiden Ausführungsvarianten werden die optimierten Ansteuerdaten CD von der Steuerung CTL zum Aktor A übermittelt, um die Zugnase ZN in die für die aktuelle Fahrsituation optimierte Form zu bringen.
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Vorzugsweise kann mittels des modellreduzierten Simulators SIM und/oder mittels des trainierten Maschinenlernsystems ein optimierter zeitlicher Verlauf der Form der Zugnase ZN für ein vorgegebenes Zeitfenster im Voraus ermittelt werden. Dabei können neben den oben erwähnten Optimierungskriterien insbesondere auch eine Anzahl, eine Amplitude und/oder eine Geschwindigkeit von Formänderungen der Zugnase ZN minimiert werden. Durch das letztgenannte Optimierungskriterium können Oszillationen am Schienenfahrzeug Z in der Regel effektiv vermieden oder verringert werden. Bei der vorausschauenden Ermittlung des Verlaufs der optimierten Zugnasenform können vorteilhafterweise auch im vorgegebenen Zeitfenster geplante Geschwindigkeiten des Schienenfahrzeugs Z sowie aktuelle Windverhältnisse berücksichtigt werden.
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Neben einer Anpassung an Tunneldurchfahrten kann die Zugnase ZN auch situationsbezogen, insbesondere geschwindigkeitsabhängig, umgebungsabhängig, windabhängig oder wetterabhängig verformt werden, um so Druckwellen, Druckunterschiede, Druckkräfte, einen Luftwiderstand, Oszillationen, einen Fahrlärm und/oder einen Energieverbrauch zu senken. Die vorstehenden Effekte können durch ein oder mehrere an einer Außenseite des Schienenfahrzeugs Z zusätzlich angebrachte Formelemente, die analog zur Zugnase ZN bewegt oder verformt werden, oft noch weiter optimiert werden.