-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum automatisierten Bremsen eines Fahrzeuges, ein System zur Steuerung einer automatisierten Bremsung eines Fahrzeuges sowie ein Fahrzeug mit einem derartigen System zur Steuerung eines automatisierten Bremsvorganges.
-
Technologischer Hintergrund
-
Gattungsgemäße Fahrzeuge, wie z. B. Personenkraftfahrzeuge (PKW), Lastkraftwägen (LKW) oder Motorräder, werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von Sensorsystemen die Umgebung erfassen, Verkehrssituation erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen oder akustischen Warnung. Als Sensorsysteme zur Umfeld- bzw. Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden.
-
Unter den Begriff Fahrfunktion wird insbesondere das (teil-)automatisierte, fahrererlebbare Fahrzeugverhalten bei Fahrerassistenzsystemen subsummiert. Dabei werden die verarbeiteten Sensorinformationen zur Umfelderkennung verwendet, um darauf basierend Anweisungen zur Fahrerwarnung/-Information oder zum geregelten Lenken, Bremsen und Beschleunigen zu geben. Dadurch können gattungsgemäße Fahrfunktionen helfen, Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern zu vermeiden oder komplizierte Fahrmanöver zu erleichtern, indem sie die Fahraufgabe bzw. die Fahrzeugführung unterstützen oder sogar komplett übernehmen. Beispielsweise kann das Fahrzeug z. B. durch einen Notbremsassistenten (EBA, Emergency Brake Assist) eine autonome Notbremsung (AEB, Automatic Emergency Brake) oder durch einen aktiven Spurhalteassistenten mit Lenkunterstützung in der Spur gehalten werden (LKA, Lane Keeping Assist). Neben der Notbremsung in Gefahrensituationen ist insbesondere beim (voll-) automatisierten Führen eines Fahrzeuges der automatisierte Bremseneingriff von großer Bedeutung. Eine automatisierte Bremsung wird dabei in einer kritischen Umfeldsituation bzw. Szene insbesondere bei einer drohenden Kollision eingeleitet.
-
Gattungsgemäße Notbremssysteme reagieren beispielsweise auf kreuzende oder im Frontbereich befindliche, bremsende Fahrzeuge oder andere Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger oder Radfahrer. Aufgrund des jeweiligen Verkehrsszenarios bzw. der jeweiligen Szene muss insbesondere bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten schnell and stark gebremst werden.
-
Bei Fahrzeugen mit Bremssystemen mit niedriger Performance muss demzufolge früher gebremst werden, um die gleiche Bremswirkung bzw. Geschwindigkeitsverringerung bis zur Kollision zu erzielen. Dies bedingt eine höhere Erkennungsleistung (Sensorgrenzen) und eine längere Prädiktionsdauer, was das Risiko situativer Falschinterpretation verursacht, z. B. wenn ein Fußgänger am Straßenrand anhält, allerdings zum notwendigen Bremszeitpunkt davon noch einen Meter entfernt ist. Weiterhin sind z. B. bei verdeckten Fußgängern (durch Bepflanzung, Verkehrsschilder oder andere Verkehrsteilnehmer) Grenzen der Erkennungsleistung der jeweiligen Sensoren zu Umgebungserfassung entscheidend.
-
Druckschriftlicher Stand der Technik
-
Aus der
DE 10 2013 225 932 A1 ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum automatisierten Bremsen eines Fahrzeuges bekannt. Dabei ist zumindest ein Sensorsystem zur Erfassung des Fahrzeugumfelds vorgesehen, wobei in Abhängigkeit von einer Konfidenz eines Signals des Sensorsystems bzw. der Objektdaten ein Verzögerungsmaß bestimmt wird. Das Verzögerungsmaß ist dabei ein Maß für die automatisch vom Fahrzeug einzuleitende Verzögerung des Bremsvorganges. In vorteilhafter Weise kann durch dieses Verfahren zwar die Anzahl der Fehlbremsungen reduziert werden, jedoch kann es auch dazu führen, dass automatisierte Bremsvorgänge insbesondere bei Fahrzeugen mit weniger performanten Bremssystemen zu spät eingeleitet werden.
-
Aufgabe der vorliegenden Erfindung
-
Ausgehend vom Stand der Technik besteht die Aufgabe der vorliegenden Erfindung nunmehr darin, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem das automatisierte Bremsen des Fahrzeuges verbessert wird, indem die Nachteile aus dem Stand der Technik überwunden und die Bremssicherheit verbessert werden, insbesondere bei der Verwendung von weniger performanten Bremssystemen.
-
Lösung der Aufgabe
-
Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie der nebengeordneten Ansprüche gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
-
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum autonomen bzw. automatisierten Bremsen eines Fahrzeuges, ist zumindest eine Einrichtung zur Erfassung des Umfeldes des Fahrzeuges vorgesehen, wobei anhand des erfassten Umfeldes bzw. der erfassten Umgebung Objekte und/oder Szenen erkannt werden, die ein automatisiertes Bremsen bzw. Notbremsen erfordern (z. B. Gefahrensituationen wie bevorstehende Auffahrunfälle oder Fußgängerkollisionen). Hierbei wird zunächst die Konfidenz der erfassten Objekte und/oder der erfassten Szenen bestimmt, indem z. B. sämtliche erfasste Objekte und Detektionen klassifiziert werden und anhand eines Abgleichs mit hinterlegten Szenen- oder Objektmustern eine Szeneninterpretation erfolgt. Ferner kann auch ein sogenanntes Umfeldmodell erstellt werden, welches zur Szeneninterpretation oder Verhaltensprädiktion von Verkehrsteilnehmern dient. Anhand der Konfidenz der jeweiligen Szene und/oder des jeweiligen Objekts bzw. der Detektionspunkte oder Objektdaten wird dann entschieden, ob ein automatisiertes Bremsen erfolgen soll oder nicht, d. h. in der Regel erfolgt ein Bremsvorgang erst bei hinreichender Konfidenz. Konfidenz im Sinne der Erfindung ist dabei insbesondere ein Maß für die Sicherheit oder Verlässlichkeit mit der z. B. das jeweilige Objekt, das Fahrzeugumfeld oder die daraus resultierende Szene richtig erkannt oder klassifiziert wurde. Demzufolge beschreibt die Konfidenz, dass sich die Umgebung bzw. das Umfeld bezogen auf die jeweiligen Objekte in der Realität so darstellt, wie von der Einrichtung zur Erfassung des Umfeldes bzw. vom Sensorsystem zur Umfelderfassung detektiert und gemeldet. Die Konfidenz kann sich dabei nicht nur auf das Objekt als solches beziehen, sondern auch auf dessen Attribute, wie z. B. die Klassifikation, die Schätzung der Position oder kinematische Größen, wie z. B. Bewegungsrichtung, Beschleunigung oder Geschwindigkeit. Eine fehlerhafte Erkennung oder eine fehlerhafte Szenenbestimmung kann sich dabei auf die Konfidenz auswirken und kann beispielsweise durch Fehlfunktionen der Umfelderfassung (z. B. durch eine Verschmutzung oder extreme Umgebungsbedingungen (Erschütterungen, Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankungen), Systemausfälle oder Berechnungsfehler, etwa in der Algorithmik zur Szeneninterpretation oder Objektklassifikation, hervorgerufen werden. Ferner kann eine fehlende Wiederholung der Beobachtung, eine zu geringe Beobachtungszeit (z. B. bei einem aus einer Verdeckung kommenden Objekt oder einem neu in den Sichtbereich des Sensors kommenden Objekt) oder eine Erhöhung der nötigen Beobachtungszeit durch externe (ggf. erkennbare) Einflüsse wie Helligkeit, Blendeeffekte oder „schlechtes Wetter“ bzw. schlechte Sensorsicht ursächlich für eine fehlende Konfidenz sein.
-
Erfindungsgemäß wird der automatisierte Bremsvorgang jedoch auch bei noch nicht hinreichender Konfidenz gestartet, d. h. der Bremsvorgang kann schon eingeleitet werden, wenn noch nicht sicher geklärt ist, ob eine Gefahrensituation vorliegt oder nicht. Daraus resultiert der Vorteil, dass eine Erhöhung der Kollisionsvermeidung und -minderung insbesondere bei Fahrzeugen mit niedrig performanten Bremssystemen erzielt werden kann. Beispielsweise konnte dadurch auch ein signifikanter Zugewinn an Kollisionsvermeidung bzw. Minderung im höheren Geschwindigkeitsbereich (< 40 km/h) also auch niedrigeren Geschwindigkeitsbereich erreicht werden. Die Bremssicherheit konnte dabei in besonderem Maße verbessert werden.
-
Zweckmäßigerweise ist als Einrichtung zur Erfassung des Fahrzeugumfeldes eine Sensorvorrichtung bzw. ein Sensor vorgesehen, wie z. B. mindestens ein Radar-, Lidar-, Ultraschall-, Kamerasensor oder dergleichen, oder eine Kombination aus mehreren Sensoren.
-
In vorteilhafter Weise wird die Konfidenz des erfassten Objekts und/oder der erfassten Szene fortlaufend und auch noch nach gestartetem automatisiertem Bremsvorgang bestimmt, d. h. diese wird mit zunehmender Anzahl an Objektdaten bzw. Detektionspunkten des Objektes bzw. der Szene aktualisiert, sodass eine Änderung der Szeneninterpretation und/oder Objektklassifikation registriert und zur Aktualisierung der Konfidenz herangezogen wird.
-
Vorzugsweise wird der automatisierte Bremsvorgang abgebrochen, sobald mit hinreichender Konfidenz bestimmt wurde, dass das erfasste Objekt und/oder die erfasste Szene keinen automatisierten Bremsvorgang erfordert, d. h. keine Gefahrensituation vorliegt. Dadurch können Fehlbremsungen vermieden oder zumindest verringert werden. Überraschenderweise hat sich dabei gezeigt, dass ein gestarteter Bremsvorgang einen deutlichen Gewinn an Geschwindigkeitsreduzierung beim automatisierten Bremsen bringt und dennoch bei Abbruch für den Fahrzeugführer wenig störend bzw. nur vernachlässigbar zu spüren ist.
-
Zweckmäßigerweise kann der automatisierte Bremsvorgang dabei abrupt (sofort und ohne Geschwindigkeitsrampen) abgebrochen werden, d. h. die Fahrt des Fahrzeuges wird möglichst schnell wieder „normalisiert“, sobald mit hinreichender Konfidenz eine Gefahrensituation ausgeschlossen werden kann.
-
Gemäß einer besonderen Ausgestaltung der Erfindung kann nach Abbruch des Bremsvorganges eine Regelung der Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder Fahrzeugbeschleunigung erfolgen. Beispielsweise kann die Fahrzeugbeschleunigung nach dem Abbruch erhöht werden, um das Fahrzeug möglichst schnell wieder auf die Geschwindigkeit bzw. Startgeschwindigkeit zu Beginn des automatisierten Bremsvorganges zu beschleunigen. Hierzu kann z. B. die Startgeschwindigkeit als Ausgangswert zu Beginn des automatisierten Bremsvorganges aufgezeichnet bzw. in einem Speicher hinterlegt werden, so dass die Startgeschwindigkeit beim Abbruch des Bremsvorganges herangezogen werden kann, um diese schnellst möglich wieder zu erreichen bzw. selbsttätig einzustellen. Daraus resultiert der Vorteil, dass der abgebrochene Bremsvorgang vom Fahrzeugführer als noch weniger störend empfunden wird. Ferner kann auch ein prozentualer Ausgangswert in Bezug auf einen Referenzwert (z. B. Geschwindigkeitsverlust während des Bremsvorganges) vorgesehen sein bzw. festgelegt werden.
-
Ferner kann eine Objektklassifikation des erfassten Objektes anhand der Objektdaten, einer Objektliste und/oder eines Objektklassifikators vorgesehen sein, wobei eine Änderung der Objektklassifikation des jeweiligen Objektes zur Aktualisierung der Konfidenz herangezogen wird. In praktischer Weise kann der Objektklassifikator als Hard- oder Softwaremodul ausgestaltet sein.
-
Zweckmäßigerweise kann auch eine Verhaltensprädiktion des erfassten Objektes vorgesehen sein, wobei eine Änderung der Verhaltensprädiktion des jeweiligen Objektes zur Aktualisierung der Konfidenz herangezogen wird.
-
Ferner umfasst die vorliegende Erfindung auch ein System zur Steuerung einer automatisierten Bremsung eines Fahrzeugs, welches zumindest eine Einrichtung zur Umfelderfassung aufweist. Darüber hinaus umfasst das System eine Speichereinheit, auf der der Verfahrensablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens hinterlegt ist, und eine Prozessoreinheit zur Durchführung des hinterlegten Verfahrens. Das erfindungsgemäße Verfahren kann dabei auch als computerimplementiertes Verfahren ausgestaltet sein, wenn es auf der Prozessoreinheit ausgeführt wird. Die Speichereinheit kann dementsprechend als computerlesbares Speichermedium ausgestaltet sein.
-
Darüber hinaus umfasst die vorliegende Erfindung auch ein Fahrzeug mit einem erfindungsgemäßen System zur Steuerung einer automatisierten Bremsung.
-
Ausdrücklich umfasst sind von der Erfindung auch nicht explizit genannte oder rückbezogene Merkmalskombinationen der Merkmale bzw. Ansprüche, sogenannte Unterkombinationen.
-
Figurenliste
-
Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte schematische Darstellung einer Verkehrsszene, bei der ein Ego-Fahrzeug einen die Straße kreuzenden Fußgänger mittels Umfeldsensorik erfasst und einen automatisierten Bremsvorgang anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens einleitet;
- 2 eine vereinfachte Darstellung einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Bremsvorganges anhand der zeitlichen Abhängigkeiten von Konfidenz, TTC und Bremsanforderung;
- 3 eine vereinfachte Darstellung einer Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Bremsvorganges im Vergleich zu einem herkömmlichen Bremsvorgang anhand der Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit und der DTC bei einer Startgeschwindigkeit von 60 km/h, sowie
- 4 eine vereinfachte Darstellung einer Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Bremsvorganges im Vergleich zu einem herkömmlichen Bremsvorgang anhand der Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit und der DTC bei einer Startgeschwindigkeit von 51 km/h.
-
In 1 ist eine Verkehrssituation bzw. eine Verkehrsszene dargestellt, in der ein Ego-Fahrzeug 1 entlang einer Straße mit mehreren am Seitenrand parkenden Fahrzeugen fährt. Das Ego-Fahrzeug 1 umfasst hierbei ein System zur Steuerung einer automatisierten Bremsung eines Fahrzeugs (z. B. Notbremsassistent oder dergleichen) mit einer Einrichtung zur Umfelderfassung, z. B. mindestens einen Sensor zur Umfeld- und/oder Objekterfassung, wie z. B. Radar-, Lidar-, Kamera-, Ultraschallsensor oder dergleichen (der Übersichtlichkeit halber in 1 nicht dargestellt). Ferner umfasst das System zur Steuerung einer automatisierten Bremsung eine Speichereinheit, auf welcher der Verfahrensablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens hinterlegt ist, und eine Prozessoreinheit (Mikrocontroller, Prozessor, Rechner, Computer oder dergleichen) zur Durchführung des hinterlegten Verfahrens (ebenfalls in 1 nicht dargestellt).
-
Zwischen den am Straßenrand parkenden Fahrzeugen bewegt sich ein Fußgänger 2 auf die Straße zu. Der Fußgänger 2 wird hierbei von der Einrichtung zur Umfelderfassung erkannt, indem dieser z. B. über Radarwellen eines Radarsensors oder einem Image bzw. Bild einer Kamera detektiert wird. Diese Detektionen können dann als Objektdaten (Radardaten, Bilddaten, Kameradaten und dergleichen) gespeichert werden. Anhand derartiger Detektionen bzw. Objektdaten wird der Fußgänger 2 nunmehr erfasst und insbesondere mit zunehmenden Detektionspunkten anhand einer Objektklassifikation als Fußgänger identifiziert bzw. klassifiziert (z. B. über einen Klassifikationsalgorithmus). Die detektierten Objekte können dabei in einer Objektliste hinterlegt werden. Der Fußgänger 2 wird anschließend im Rahmen des Objekttrackings verfolgt bzw. „getrackt“, um die festgelegte Klassifikation des Objekts (Fußgänger) zu verifizieren bzw. abzusichern und um dessen Bewegung hinsichtlich Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit zu bestimmen. Mit steigender Anzahl an Detektionspunkten bzw. Objektdaten wird die Objektklassifikation dabei sicherer, d. h. die Konfidenz dieser Eingruppierung bzw. Klassifikation steigt. Wie in 1 dargestellt, ist der Fußgänger 2 jedoch von parkenden Fahrzeugen verdeckt, sodass die Erkennung durch die Umfelderfassung des Fahrzeuges 1 erschwert wird. Verkehrsteilnehmer bzw. Fußgänger, die aufgrund von Verdeckung durch andere Objekte, wie z. B. parkende Fahrzeuge, Bepflanzung, Straßenrandbebauung, Verkehrszeichen oder dergleichen, können aufgrund der Verdeckung zunächst bei Erstdetektion oftmals nicht hinreichend sicher erkannt werden, da die Detektionen hierbei nur schwer zuzuordnen sind, d. h. die Objekt- oder Szenenbestimmung weist hier keine hinreichende Konfidenz auf. Durch das Tracking dieser Objekte und das sammeln zusätzlicher Detektionspunkte kann die Zuordnung und damit die Konfidenz der Objektbestimmung mit zunehmender Zeit gesteigert werden.
-
Ferner kann eine Verhaltensprädiktion des Fußgängers 2 durchgeführt werden. Beispielsweise kann durch das Objekttracking bestimmt werden, ob und wie schnell sich der Fußgänger 2 auf die Straße zubewegt. Dadurch kann bestimmt werden, ob der Fußgänger 2 die Straße überqueren will (z. B. bei steigender Geschwindigkeit des Fußgängers 2) oder ob dieser vermutlich an der Straße anhalten wird, um den Verkehr durchfahren zu lassen (z. B. bei verringernder Geschwindigkeit des Fußgängers 2). Dadurch kann auf eine potentielle Gefährdungssituation bzw. Verkehrsszene geschlossen werden, bei der es zu einer Kollision zwischen Ego-Fahrzeug 1 und Fußgänger 2 kommen würde, wenn das Ego-Fahrzeug 1 seine Geschwindigkeit nicht verringert bzw. einen Bremsvorgang einleitet.
-
Die Konfidenz dieser Verkehrsszene ist dabei zu Beginn (Erstdetektion des Fußgängers 2) weitaus geringer als mit zunehmenden Detektionspunkten. Insbesondere bestehen jedoch bei Fahrzeugen mit langsam oder schwach auslösenden Bremssystemen große Anforderungen an einer frühen Objekt- und Szenenerkennung, die teilweise nicht bzw. nur schwer erfüllbar sind. Aufgrund einer langsamen Bremsanlage bzw. geringen Bremsperformance des Egofahrzeuges 1 ist es allerdings möglich, schon eine Bremsanforderungen bei nicht ausreichender Objekt- und Szenen-Konfidenz zu starten und diese sofort bei mangelnder Konfidenz zurückzusetzen. Im Beispiel gemäß 1 kann der automatisierte Bremsvorgang auch bei noch nicht hinreichender Konfidenz gestartet werden, d. h. das Ego-Fahrzeug 1 beginnt bereits bei Erstdetektion des Fußgängers 2 mit dem Bremsvorgang oder versetzt das Ego-Fahrzeug 1 zumindest in Bremsbereitschaft. Wobei unter den Begriff Bremsbereitschaft im Sinne der vorliegenden Erfindung explizit nicht nur ein bloßes Vorbereiten der Bremsanlage, z. B. lediglich durch ein „Prefill“ der Bremsanlage, zu verstehen ist. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine „vorrausschauende Bremse“, welche in Abgrenzung zur „normalen Bremse“ die Hardware auf einen schnellen Abbruch vorkonditionieren kann, indem ein sogenannter „Prefill/Pre-pump“-Vorgang durchgeführt wird, bei dem die Bremse auf eine bevorstehende Bremsung vorkonditioniert wird. Ferner könnte auch z. B. bei einem Fahrzeug mit Elektro-Antrieb der Kurzzeit-Energie-Speicher genutzt werden, um die abgebaute Geschwindigkeit schnell wieder zurückzugewinnen oder zu verwerfen, wenn der Bremsvorgang fortgeführt bzw. durchgebremst wird.
-
Danach wird der Fußgänger 2 weiterverfolgt und anhand der Aufzeichnung weiterer Objektdaten verifiziert. Insbesondere in Kombination mit einer Verhaltensprädiktion kann nun während des Bremsvorganges die Konfidenz der Szene bzw. der Objektbestimmung weiter gesichert und infolgedessen entschieden werden, ob der Bremsvorgang abgebrochen oder fortgeführt wird. Erfindungsgemäß kann man dabei selbst bei kleinen Zeitperioden (z. B. 200 ms) einen signifikanten Zugewinn an Geschwindigkeitsabbau (z. B. 25 km/h) neben einem vertretbaren Störeffekt für den Fahrzeugführer durch den gestarteten Bremsvorgang bei Abbruch bzw. Rücknahme der Bremsung erreicht werden.
-
In 2 ist eine beispielhafte Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Bremsvorganges dargestellt, bei dem selbst bei einer kleinen Zeitperiode von 200 ms ein signifikanter Zugewinn an Geschwindigkeitsabbau (z. B. 25 km/h) neben einem vertretbaren Störeffekt für den Fahrzeugführer von max. Verzögerung 1.7 m/s2 bei einem Geschwindigkeitsabbau von 0.3 km/h erreicht werden. Das Erreichen der erforderlichen Sicherheit liegt hier z. B. bei 1,16 s (TTC = Time to Collision bzw. Zeit bis zur Kollision). Im Falle einer erforderlichen Bestätigung, d. h. die erforderliche Zunahme der Konfidenz, um den Bremsvorgang fortzuführen, wird nach 200 ms die Bremsanforderung gehalten bzw. fortgeführt (dicke durchgehende Linie: „bestätigt“). Erfolgt diese Bestätigung nicht (d. h. es kann nicht verifiziert werden, dass eine automatisierte Bremsung erforderlich ist), erfolgt ein sofortiger und abrupter Abbruch des Bremsvorganges (ohne Verzögerungen oder Rampen bzw. Ramp-out; dicke gestrichelte Linie: „nicht bestätigt“). Demzufolge wird eine verbesserte Bremssicherheit gewährleistet, indem eine kurze unerwünschte Verzögerungsanforderung akzeptiert wird, die nur geringfügige Auswirkungen auf die Fahrzeugebene bzw. den Fahrzeugführer hat.
-
Im Folgenden ist ein Vergleich zwischen einem herkömmlichen Bremsvorgang bei ausreichender Konfidenz und dem erfindungsgemäßen vorausschauenden Bremsvorgang mit noch nicht hinreichender Konfidenz dargestellt. Das Ego-Fahrzeug besitzt hierbei eine Startgeschwindigkeit (V
EGO) von 60 km/h wobei für das Bremsmodell folgende Parameter gegeben sind: Ruck = 17 m/s
3, D
max = 0,8 m/s
2, T
Latenz = 100 ms. Die Zeit bis zur Kollision, d. h. bis zum Kollisionsbereich
CA (Collision Area), liegt beim „normalen“ (sicheren) Bremsen bei TTC = 0,96 s und beim vorausschauenden Bremsen des erfindungsgemäßen Verfahrens bei TTC = 1,16 s (200 ms im Voraus zum herkömmlichen bzw. „normalen“ Bremsvorgang). Durch den Vergleich beider Bremsstrategien, wie in
3 gezeigt, ergibt sich bei 200 ms mit der vorausschauenden Bremsung (
VB) im Vergleich zur „normalen“ Bremsung (
NB) ein zusätzlicher Geschwindigkeitsreduzierungsgewinn Δv
EGO der jeweiligen Kollisionsgeschwindigkeiten v
norm und v
vor (Fahrzeuggeschwindigkeit bei der Kollision) von:
-
Dieser Effekt ist dabei höher als z. B. Δv = Δa / Δt (6 km/h), welcher durch die zusätzliche Erhöhung der Bremszeit erzielt würde.
-
In 4 ist eine Gegenüberstellung des vorausschauenden und des normalen Bremsvorganges für eine Startgeschwindigkeit von 51 km/h gezeigt, wobei der Geschwindigkeitsreduzierungsgewinn bei 25 km/h liegt. Demzufolge kann durch das erfindungsgemäße Verfahren ein enormer Zugewinn an Geschwindigkeitsreduzierung beim automatisierten Bremsen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich erzielt werden, wie z. B. im städtischen Raum oder im Bereich von Infrastrukturen (Industrieanlagen, Parkplätze, Parkhäuser und dergleichen). Insofern kann dabei der automatisierte Bremsvorgang insbesondere im städtischen Bereich in besonderem Maße verbessert werden, sodass auch eine Unfallvermeidung entsprechend gesteigert werden kann.
-
Ferner kann das Ego-Fahrzeug 1 eine akustische, optische oder haptische Warnung an den Fahrzeugführer, den Fußgänger 2, andere Verkehrsteilnehmer oder eine übergeordnete Einheit ausgeben, sobald der automatisierte Bremsvorgang eingeleitet und/oder beendet wird. Die Warnung kann dabei in einfacher Weise über akustische (Lautsprecher, Hupe oder dergleichen), optische (Fahrzeugbeleuchtung oder dergleichen) oder haptische Vorrichtungen (Vibrationssitze oder Vibrationslenkrad) und/oder mittels Signalübertragung (Car-to-X, Car-to-Car, Mobilfunk oder dergleichen) erfolgen.
-
Zusammenfassend kann durch die vorliegende Erfindung eine zusätzliche Reduzierung der Aufprallgeschwindigkeit insbesondere für Fahrzeuge mit einer niedrigen Bremsperformance erzielt werden, z. B. um 13 km/h, die bei einer Kollision mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h droht. Dabei kann gerade im städtischen Bereich die Sicherheit in besonderem Maße verbessert werden, da die Aufprallgeschwindigkeit für Fahrzeuggeschwindigkeiten z. B. über 35 km/h gesenkt werden kann. Überraschenderweise hat sich dabei gezeigt, dass die mit dem frühzeitig eingeleiteten Bremsvorgang einhergehende kurze Verzögerungsrampe für den Fahrzeugführer kaum wahrnehmbar ist oder zumindest nicht störend wirkt, so dass die Umsetzung der vorliegenden Erfindung in einfacher Weise realisierbar und nachrüstbar ist. Dementsprechend stellt die vorliegende Erfindung einen ganz besonderen Beitrag auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens und der Fahrerassistenzsysteme dar.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Ego-Fahrzeug
- 2
- Fußgänger
- TTC
- Time to Collision (Zeit zur Kollision)
- DTC
- Distance to Collision (Distanz zur Kollision)
- v
- Geschwindigkeit
- a
- Beschleunigung
- t
- Zeit
- VB
- vorausschauenden Bremsung
- NB
- „normale“ Bremsung
- CA
- Collision Area (Kollisionsbereich)
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 102013225932 A1 [0006]