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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur herstellungsprozessabbildenden Materialdatenanalyse von Kunststoffen, bei der die im Herstellprozess eingesetzten Kunststoff-Materialien diskontinuierlich auf ihr Materialverhalten im Herstellungsprozess analysiert werden. Das Verfahren und die Vorrichtung eignen sich gleichermaßen zur Prozessoptimierung, Material- und Prozesskennwertermittlung und zur Qualitätssicherung für Kunststoffe bzw. Kunststoff-Teile.
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Die Analyse von Kunststoffen und Kunststoff-Materialien zur Bestimmung von Materialdaten und Generierung von Kenntnissen über das Materialverhalten spielt in Entwicklungs- und Herstellungsprozessen eine große Rolle, um Prozesse effizient einzustellen und zu kontrollieren und um Materialien gezielt entwickeln zu können. Dabei kommen diverse Vorrichtungen und Verfahren zum Einsatz. Mit diesen werden zum einen die Eigenschaften des entstandenen Kunststoffs analysiert, beispielsweise die mechanischen Eigenschaften (z. B. Zug- und Biegeversuch an hergestellten Probekörpern), die physikalischen Eigenschaften (z. B. Glasübergangstemperatur, thermische Beständigkeit, Feuchtegehalt) und viele mehr. Zum anderen wird die Analyse von Kunststoffen genutzt, um die eigentliche Entstehung des Kunststoffs bzw. das Verhalten der eingesetzten Kunststoff-Materialien während des Reaktions- und/oder Urformprozesses zum Kunststoff-Produkt zu beschreiben. Hier kommen beispielsweise Rheometer zum Einsatz (z. B. zur Beschreibung des Fließverhaltens von Kunststoffschmelzen oder zur Beschreibung des Viskositätsverlaufs während einer chemischen Reaktion), Kalorimeter (z. B. zur Beschreibung von thermischen Effekten während der Abkühlung einer Schmelze oder der Reaktion der Kunststoff-Materialien), Dilatometer (z. B. zur Beschreibung der thermischen und chemischen Schwindung von Kunststoffen während der Analyse), Infrarotspektroskope (z. B. zur Analyse unterschiedlicher Molekülgruppierungen in dem Kunststoff während der Herstellung) und viele mehr.
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Neben der beschriebenen Generierung von diskreten Materialdaten unter definierten Bedingungen ist der Einsatz der Vorrichtungen im Sinne einer Prozess- und Waren-Qualitätssicherung möglich. Hierbei werden Eingangs-, Ausgangs-, Produktionssowie Chargenkontrollen in der Regel diskontinuierlich durchgeführt, bei geeigneter Adaption der Vorrichtungen ist auch eine kontinuierliche Kontrolle denkbar. Zudem wird in der Regel ein oder mehrere, für die Kombination aus genutztem Material und Prozess spezifische Materialmerkmale untersucht (bspw. die Viskosität bei Raumtemperatur). Es werden weitere sekundäre Randbedingungen definiert, wie der herrschende Druck, die Materialkonditionierung, dem Materialalter, der Prüfgeschwindigkeit, das Temperaturprofil während der Messung etc. Die sekundären Randbedingungen tragen maßgeblich zum Komplexitätsgrad der Vorrichtungen zur Qualitätssicherung bei. Aufgrund der Überprüfung produzierter Materialien auf die Einhaltung von vorgegebenen Zielgrößen und des konstant Haltens der sekundären Randbedingungen weisen die Vorrichtungen und Verfahren zur Qualitätssicherung im Vergleich zu den Vorrichtungen und Verfahren zur Generierung von Materialdaten in der Regel einen verringerten Komplexitätsgrad auf.
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Die aktuelle Forschung und Entwicklung von Kunststoffen, Kunststoff-Teilen und deren Fertigungsprozessen zeigt jedoch eine nur beschränkte Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Materialdatenanalysen mit den oben genannten Verfahren und Vorrichtungen auf die Auslegung oder Einstellung von Prozessen, da das Verhalten der Kunststoffe während der Formteilherstellung und damit auch die entstehenden Eigenschaften des Bauteils in hohem Maße von den gewählten Material- und Verfahrensparametern abhängen. Dazu gehören beispielsweise die Art der Konditionierung des Kunststoffes (z. B. Trocknung, Entgasung, Temperierung) vor der Bauteilherstellung, die Art der Aufbereitung (z. B. Temperaturprofil bei Schmelzen, Misch- und Dosiertechniken bei reaktiven Gemischen) als auch die herrschenden Parameter im Formwerkzeug (z. B. Werkzeugtemperatur, Druck, Feuchtigkeit, verwendete Hilfsstoffe).
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Die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren und Vorrichtungen zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen bilden den zu Grunde liegenden Fertigungsprozess nur sehr unvollständig ab, so dass eine Übertragung der generierten Materialdaten auf reale industrielle Prozesse nur eingeschränkt möglich ist. So erfolgt bei aktuellen Labormessvorrichtungen die Präparation der Probekörper (z. B. Befüllen und Wiegen von Messtiegeln, Mischen bei reaktiven auszuhärtenden Kunststoffen) zu großen Teilen manuell. Dies schränkt besonders bei auszuhärtenden Kunststoffgemischen die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ein, da neben auftretenden Mischfehlern die Reaktion teilweise bereits bei dem manuellen Mischvorgang initiiert werden kann und dabei wichtige Materialdaten verloren gehen. Durch die manuelle Präparation, die vor dem ebenfalls manuellen Einbringen in die Messzelle stattfindet, ist auch eine Konditionierung / Lagerung in herstellungsprozessähnlicher Umgebung (z. B. Tagesbehälter, Trocknungsöfen) nur eingeschränkt möglich.
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Die Automatisierung in dem Bereich der Probenpräparation beschränkt sich zumeist auf das eigentliche Einbringen in die Messzelle von bereits manuell präparierten Proben. So wird in
EP2821773A1 ein Verfahren und Magazin zum Vorhalten, Transport, Verarbeiten und Archivieren thermoanalytischer Proben beschrieben. Obwohl durch Verfahren und Magazin ein automatisierter Transfer in eine thermoanalytische Messzelle ermöglicht wird, wird nicht der Verarbeitungsprozess der Materialien abgebildet. Zudem werden Vorarbeiten an den Proben bzw. Probenhaltern vor Platzierung in das Magazin durchgeführt (z. B. Wiegen der einzelnen Proben). Diese sind weder in den Messvorgang der Thermoanalytik eingebunden, noch erfolgt eine Kontrolle oder Regelung des Transfers in die Messzelle bezogen auf das zu analysierende Material.
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Auch die Messzelle als solche bildet häufig nicht die Bedingungen ab, die der Kunststoff im eigentlichen Herstellungsprozess erfährt. Dazu gehören beispielsweise die Art und der Verlauf der Temperierung und die dafür eingesetzten Medien (z. B. flüssigtemperiert, elektrisch temperiert), die Art und der Verlauf von herrschendem Druck (in bekannten Messgeräten häufig über einen anliegenden Gasdruck gelöst, im Gegensatz zu in industriellen Prozessen eingesetzten Pressen), die in der Form verwendeten Hilfsstoffe (z. B. Trennmittel, Werkzeugbeschichtungen) oder die genaue Materialzusammensetzung der eingesetzten Formwerkzeuge auf der Oberfläche.
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Für diese Probleme bietet der Stand der Technik bisher nur in Teilaspekten Lösungen an. Beispielsweise beschreibt die JPH0420850A ein Verfahren zur druckabhängige Dilatometrie. Zwar wird der Druck hier mechanisch auf die Probe aufgebracht, alle anderen wichtigen Parameter der Herstellungsprozesse, wie oben genannt, werden allerdings vernachlässigt. Auch die ISO 17744:2004, in der die Generierung von Materialdaten im Bereich der Stempeldilatometrie genormt ist, schränkt durch die Vorgabe maximaler Heiz- und Kühlraten die Abbildung von Herstellungsprozessen (z.B. isotherm vorgeheizte Werkzeuge) stark ein.
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Es besteht daher ein hoher Bedarf für ein Verfahren und eine Messvorrichtung zur kontrollierten und automatisierten Materialdatenanalyse von Kunststoffen, die weitgehend die gesamtheitliche Abbildung eines Herstellungsprozesses ermöglicht.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren und eine Vorrichtung für die Materialdatenanalyse von Kunststoffen in einer herstellungsprozessähnlichen Umgebung bereitzustellen. Dies beinhaltet sowohl die Einzelkomponenten der Vorrichtung als auch insbesondere deren Zusammenwirken in einem automatisierten Verfahren. Dadurch ergibt sich eine signifikante Verbesserung zum Stand der Technik, da erstmals ganzheitlich die Auswirkungen von Prozessparametern direkt in der Materialdatenanalyse beschrieben werden können und so Prozesse effizienter eingestellt werden können. Gleichzeitig erhöht sich die Kenntnis über das Materialverhalten von Kunststoffen unter unterschiedlichen bisher nicht abbildbaren Parametern, sodass die Materialentwicklung effizienter und gezielter stattfinden kann.
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Erfindungsgemäß gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass
- a) ein oder mehrere Kunststoff-Materialien in fließ- oder rieselfähiger Form unter herstellungsprozessähnlichen Bedingungen gelagert werden,
- b) die Kunststoff-Materialien aus der Lagerung unter kontrollierter Dosierung und gegebenenfalls Mischung in eine Messzelle gefördert werden,
- c) die Kunststoff-Materialien in der Messzelle den vorgesehenen Prozessparametern ausgesetzt werden, dadurch ein Kunststoff-Probekörper hergestellt wird und dabei für die Verfahrensführung wesentliche Materialparameter gemessen werden,
- d) der Kunststoff-Probekörper nach der Messung entformt werden kann, wobei der Verfahrensablauf durch eine Steuereinheit so gesteuert wird, dass von der Lagerung bis zur Herstellung des Kunststoff-Probekörpers und Messung in der Messzelle kein manueller Eingriff erforderlich ist und die Steuereinheit ein Auswertemodul zur Aufzeichnung und Auswertung der gemessenen Verfahrensparameter umfasst.
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Die Aufgabe wird ferner durch eine Vorrichtung zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen (1) gelöst, bei der ein oder mehrere Lagerbehälter zur Lagerung und Konditionierung von Kunststoff-Materialien (2) über eine Leitung (3) mit integrierter Pumpen- oder Fördertechnik mit einer Förder- und Dosiereinrichtung (5) verbunden sind, die eine Kontrolleinheit (6) aufweist, die Förder- und Dosiereinrichtung (5) über eine weitere Leitung (7) oder direkt mit einer Messzelle (8) verbunden ist, die eine Einrichtung zur Füllstandsmessung (Kontrolle der Materialmenge in der Messzelle) und Druckbeaufschlagung (9) aufweist, und die Vorrichtung über eine Steuereinheit (11) verfügt, mit der die Lager- und Konditionierungsbedingungen, der Materialtransfer, die optionalen Mischparameter und die Füllmenge und die Druckbeaufschlagung in der Messzelle gesteuert werden können und die die in der Messzelle durch geeignete Sensoren ermittelten volumetrischen und thermischen Daten aufzeichnen und auswerten kann, wobei die Förder- und Dosiereinrichtung (5) zusätzlich mit einer Mischeinrichtung (4) verbunden sein kann. Dabei ist die vorstehend beschriebene Reihenfolge der Komponenten (3) bis (6) der erfindungsgemäßen Vorrichtung zwar bevorzugt, eine andere Reihenfolge ist aber erfindungsgemäß ebenfalls möglich.
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Weitere Vorteile, Besonderheiten und zweckmäßige Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden detaillierten Beschreibung der Erfindung mit Darstellung bevorzugter Ausführungsformen sowie anhand der Abbildungen.
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In der detaillierten Beschreibung der Erfindung werden die nachfolgend aufgeführten Begriffe mit der im Folgenden erläuterten Bedeutung verwendet:
- Der Begriff „Kunststoff“ bedeutet im Sinne der Erfindung ein zu einem wesentlichen Teil aus einem oder mehreren Polymeren bestehendes Material, dass im Wesentlichen in dem gleichen chemischen und physikalischen Zustand vorliegt wie das Bauteil, dessen Herstellprozess mit dem erfindungsgemäßen Verfahren und der erfindungsgemäßen Vorrichtung untersucht wird, jedoch in der Regel eine vom Bauteil abweichende Form und Größe aufweist.
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„Kunststoff-Bauteil“ in Sinne der Erfindung ist das aus dem Kunststoff mit dem Herstellungsprozess, dessen Parameter bei der erfindungsgemäßen Materialdatenanalyse zugrunde gelegt werden, hergestellte Bauteil. Dabei kann es sich sowohl um ein Endprodukt handeln als auch um ein Zwischenprodukt, aus dem mittels weiterer Bearbeitungsschritte ein Endprodukt hergestellt wird.
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„Kunststoff-Material“ bezeichnet im Sinne der Erfindung das Ausgangsmaterial, aus dem der Kunststoff bzw. der Kunststoff-Probekörper hergestellt werden. Das Kunststoff-Material enthält das oder die den Kunststoff bildenden Polymere sowie gegebenenfalls Additive und Hilfsstoffe wie beispielsweise Antioxidantien, Katalysatoren, Lichtschutzmittel, UV-Absorber, Farbstoffe, Farbpigmente, Stabilisierungsmittel, Prozesshilfsmittel, Flammschutzmittel, Füllstoffe, Fasern, z.B. Aramid-Fasern, Carbon-Fasern oder Glasfasern, und/oder oberflächenaktive Verbindungen.
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„Kunststoff-Probekörper“ im Sinne der Erfindung ist der körperliche Gegenstand aus dem Kunststoff, der als Ergebnis der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens entsteht.
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Von den Abbildungen zeigt:
- 1 Eine schematische Darstellung der erfindungsgemäßen Vorrichtung
- 2 Eine erfindungsgemäße zylindrische Messzelle mit einfachem Stempel
- 3 Eine erfindungsgemäße zylindrische Messzelle mit mehrteiligem Stempel
- 4 Eine erfindungsgemäße pyramidische Messzelle
- 5 Eine erfindungsgemäße Messzelle mit Normkörper-Geometrie
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Die hier gezeigten Ausführungsformen stellen nur Beispiele für die vorliegende Erfindung dar und dürfen daher nicht einschränkend verstanden werden. Alternative durch den Fachmann in Erwägung gezogene Ausführungsformen sind gleichermaßen vom Schutzbereich der vorliegenden Erfindung umfasst.
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Ausgangspunkt für das erfindungsgemäße Verfahren zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen ist die Lagerung des einzusetzenden Kunststoff-Materials unter möglichst herstellungsprozessähnlichen, vorzugsweise herstellungsidentischen Bedingungen. Dies betrifft insbesondere Temperatur, Druck und Durchmischung, kann aber zusätzlich auch Lagerzeit, Schutzgasatmosphäre, Behältergeometrie oder Behältermaterial betreffen.
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Das Kunststoff-Material oder je nach zu untersuchendem Kunststoff die Kunststoff-Materialien werden dann in der Regel automatisch und ohne manuellen Eingriff über eine Dosiereinrichtung, wie sie weiter unten bei der Beschreibung der erfindungsgemäßen Vorrichtung weiter erläutert wird, in eine Messzelle gefördert. Damit dies problemlos möglich ist müssen die Kunststoff-Materialien in fließfähiger Form, z.B. als Flüssigkeit, Gel, Paste oder Pulver vorliegen oder über die Zufuhr thermischer Energie vom festen in einen fließfähigen Zustand überführt werden, z. B. beim Schmelzen von Granulat. Auch die Dosierung soll dabei erfindungsgemäß unter herstellungsprozessähnlichen Bedingungen erfolgen. Daher sollte die verwendete Dosiereinrichtung so weit wie möglich der Dosiereinrichtung entsprechen, wie sie im zu untersuchenden Herstellprozess eingesetzt wird. Da die Genauigkeit des Dosierschritts die Qualität der Messergebnisse wesentlich beeinflusst, ist es für das erfindungsgemäße Verfahren außerdem wesentlich, dass die verwendete Dosiereinrichtung über eine Kontrolleinheit verfügt, die es erlaubt, die in die Messzelle dosierten Mengen sowie die Dosiergeschwindigkeit mit hoher Genauigkeit zu steuern und zu überwachen. Ist vom Herstellungsprozess eine manuelle Handhabung gefordert (z. B. manuelles Einlegen von Pressmatten in ein Werkzeug), kann der normalerweise automatisierte Messablauf auch unterbrochen und die manuelle Handhabung entsprechend durchgeführt werden.
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Soweit es der Herstellungsprozess für den Kunststoff erfordert kann der Dosierung ein Mischvorgang vor- oder nachgeschaltet oder je nach verwendeter Mischvorrichtung auch in den Dosiervorgang integriert sein. Ein Mischvorgang ist insbesondere bei Zwei- oder Mehrkomponentenkunststoffen erforderlich, bei denen zwei oder mehrere Kunststoff-Materialien erst in der Messzelle durch chemische Reaktion zum Kunststoff umgesetzt werden. Aber auch bei Einsatz von nur einem Kunststoff-Material kann ein Mischvorgang erforderlich sein, beispielsweise um die im Kunststoff-Material enthaltenen Additive und Hilfsstoffe optimal zu homogenisieren. Auch die Mischung soll dabei erfindungsgemäß unter herstellungsprozessähnlichen Bedingungen erfolgen. Daher muss auch die verwendete Mischeinrichtung so weit wie möglich der Mischeinrichtung entsprechen, wie sie im zu untersuchenden Herstellprozess eingesetzt wird. Ein der Dosierung nachgeschalteter Mischvorgang ist besonders bei dem Einsatz externer, industrieller Dosiertechnik notwendig, die über angepasste Schnittstellen in die Vorrichtung integriert werden kann, wie weiter unten bei der Beschreibung der erfindungsgemäßen Vorrichtung genauer ausgeführt wird.
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Einen wesentlicher Teilschritt des erfindungsgemäßen Verfahrens stellt die Herstellung des Kunststoff-Probekörpers in der Messzelle dar. Dabei werden das Kunststoff-Material oder die Kunststoff-Materialien den vorgesehenen Prozessparametern ausgesetzt und dabei für die Verfahrensführung wesentliche Materialparameter gemessen, insbesondere die Dichteänderung bei konstantem Druck und konstanter Temperatur in Abhängigkeit von der Zeit. Ein besonderer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es dabei, dass nicht nur die Dosierung, sondern auch der tatsächliche Füllstand der Messzelle während der Messung kontrolliert werden kann, Erfindungsgemäß ist es außerdem möglich, gleichzeitig weitere verfahrensrelevante Materialparameter zu messen, vorzugsweise Reaktionsgeschwindigkeit, Aushärtegeschwindigkeit, Aushärtegrad in Abhängigkeit von der Zeit und/oder Gelzeitpunkt. Je nach Kunststoff-Material kann für die Messung des Aushärtegrades eine vorherige Kalibrierung der Messzelle notwendig sein. Dabei wird in einem ersten Messablauf das Kunststoff-Material bis zum maximalen Aushärtegrad unter Temperatur in der Messzelle gehalten und die Dichte beim maximalen Aushärtegrad ermittelt.
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Die Messzelle ist spezifisch an den Herstellungsprozess für den zu untersuchenden Kunststoff angepasst, wie weiter unten bei der Beschreibung der erfindungsgemäßen Vorrichtung genauer erläutert wird. Dabei ist es möglich, in der Messzelle den Einfluss weiterer verfahrensrelevanter Parameter zu bestimmen, insbesondere den Einfluss von Trennmitteln, Werkzeugmaterialien und/oder Werkzeugoberflächen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt es außerdem, den in der Messzelle hergestellten Kunststoff-Probekörper zu entformen, so dass daran weitere Messungen von Materialeigenschaften oder chemische Analysen vorgenommen werden können.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen kann für eine Vielzahl von Kunststoffen und Herstellprozessen eingesetzt werden und eignet sich sowohl bei Herstellprozessen im Niederdruckbereich unter 50 bar, vorzugsweise bei 1 bis 20 bar als auch im Hochdruckbereich bei mindestens 50 bar, vorzugsweise bei 50 bis 200 bar. Diese Druckbereiche gelten sowohl für den Druckbereich in der Messzelle (Forminnendruck), als auch für den Mischdruck bei flüssigen Kunststoff-Materialien. Besonders vorteilhaft kann das erfindungsgemäße Verfahren bei Herstellprozessen eingesetzt werden, bei denen mindestens zwei unterschiedliche Kunststoff-Materialien eingesetzt werden und die Mischung und Dosierung im Hochdruckbereich bei mindestens 50 bar, vorzugsweise bei 50 - 200 bar Mischdruck erfolgt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen kann für Materialdatenanalysen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Herstellprozessen eingesetzt werden. Besonders geeignet ist es für diskontinuierliche Herstellprozesse wie beispielsweise Spritzgießen, Reaction Injection Moulding (RIM), Liquid Composite Moulding (LCM)-Verfahren wie Resin Transfer Moulding (RTM), Structural -RIM-Verfahren (S-RIM), Nasspressen, Vakuuminfusion (VI), Handlaminieren und Autoclav-Verfahren, Prepreg-Autoclav-Verfahren, Pressverfahren wie Prepreg-Pressverfahren, Sheet Moulding Compound-(SMC)- und Bulk Moulding Compound-(BMC)-Pressen, Polyurethan-Gießprozesse oder In-Mould-Coating (IMC)-Prozesse.
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Auch wenn es sich bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Materialanalyse von Kunststoffen um ein diskontinuierliches Verfahren handelt können auch kontinuierliche Prozesse untersucht werden. Dabei kann zumindest ein definierter Zustandspunkt der Prozesse (Druck / Temperatur, der die Materialien während der kontinuierlichen Herstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder an einem bestimmten Ort ausgesetzt sind) abgebildet werden. Derartige Prozesse sind beispielsweise die Extrusion und Pultrusion.
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Wie bereits oben ausgeführt umfasst die vorliegende Erfindung auch eine Vorrichtung zur Materialdatenanalyse von Kunststoffen (1) wie sie in 1 schematisch dargestellt ist. Diese Vorrichtung enthält als Hauptbestandteile ein oder mehrere Lagerbehälter zur Lagerung und Konditionierung von Kunststoff-Materialien (2), eine Förder- und Dosiereinrichtung (5), die eine Kontrolleinheit (6) aufweist und eine Messzelle (8), die eine Einrichtung zur Füllstandsmessung und Druckbeaufschlagung aufweist sowie eine Steuereinheit (11), mit der die Lager- und Konditionierungsbedingungen, der Materialtransfer, die Mischparameter und die Füllmenge und die Druckbeaufschlagung in der Messzelle gesteuert werden können und die die in der Messzelle durch geeignete Sensoren ermittelten Daten aufzeichnen und auswerten kann.
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Der oder die Lagerbehälter (2) sind über eine oder mehrere Leitungen (3) mit der Förder- und Dosiereinrichtung (5) verbunden, wobei die Leitungen (3) in der Regel in der Nähe der Lagerbehälter angeordnete, übliche Förderaggregate wie Pumpen oder Förderschnecken aufweisen (in 1 nicht dargestellt), die die Förderung der Kunststoff-Materialien aus dem oder den Lagerbehältern in die Förder- und Dosiereinrichtung (5) bewirken.
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Die Förder- und Dosiereinrichtung (5) ist über eine weitere Leitung (7) oder direkt mit der Messzelle (8) verbunden. Zusätzlich kann die erfindungsgemäße Vorrichtung eine Mischeinrichtung (4) aufweisen, die vorzugsweise der Förder- und Dosiereinrichtung (5) unmittelbar vorgeschaltet ist, aber der Förder- und Dosiereinrichtung (5) auch nachgeschaltet sein kann (besonders bei Verwendung externer Aggregate) und insbesondere bei der Verwendung der Vorrichtung für Hochdruckprozesse als gemeinsames Aggregat umfassend die Förder- und Dosiereinrichtung (5) und die Mischeinrichtung (4) ausgeführt sein kann.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung ist normalerweise als eine „stand alone“ Vorrichtung ausgebildet, die alle Bestandteile der Vorrichtung in einer gemeinsamem Baugruppe enthält oder wo lediglich die Steuereinheit (11) als eine separate Datenverarbeitungsanlage ausgebildet ist, die nur über eine oder mehrere Kabelverbindungen oder eine drahtlose Datenverbindung mit den übrigen Bestandteilen der erfindungsgemäßen Vorrichtung verbunden ist.
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Alternativ ist es aber auch möglich, die Messzelle (8) über geeignete Abzweig- oder Bypass-Leitungen mit Lagertanks, gegebenenfalls einschließlich Misch- und Dosierequipment, von externen Produktions- oder Laboranlagen zu verbinden, die über eine Schnittstelle an die Messzelle angekoppelt werden sollen. Allerdings muss in diesem Fall normalerweise selbst dann, wenn auch in der Produktions- oder Laboranlage eine Mischung und Dosierung erfolgt vor der Messzelle (8) (also nachgeschaltet der externen Mischung und Dosierung) eine Förder- und Dosiereinrichtung (5) vorgesehen werden, die eine exakte und kontrollierte Dosierung der gegebenenfalls schon vermischten Kunststoff-Materialen in die Messzelle ermöglicht, weil die Produktions- oder Laboranlagen in aller Regel zu große Volumenströme bereitstellen und/oder keine interne Kontrolleinheit für die Materialmenge aufweisen, die für genaue Messungen erforderlich ist.
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Als Lagerbehälter (2) werden übliche Lagerbehälter verwendet, die mit einer Vorrichtung zur Beaufschlagung mit Druck, Vakuum oder Schutzgas, mit einer Rühreinrichtung oder einer Temperiereinrichtung ausgestattet sein können. Dabei kann es sich beispielsweise um übliche Tagesbehälter für flüssige Kunststoff-materialien oder Trocknungstrichter für Granulate oder Pulver handeln.
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Die Förder- und Dosiereinrichtung (5) kann unterschiedlich ausgebildet sein. Abhängig davon, ob der zu untersuchende Prozess eine Hochdruck- oder Niederdruckdosierung fordert, werden beispielsweise einfach- oder doppeltwirkende Tauchkolbenpumpen, Zahnradpumpen, Kolbendosierer, Schnecken oder im Niederdruckbereich auch unterschiedlich angetriebene Kartuschensysteme (z. B. spritzenartig) verwendet. Wesentlich ist dabei, dass die Dimensionen bzw. die Förderleistung der Förder- und Dosiereinrichtung auf die Größe der Messzelle abgestimmt sind. Nur so werden eine hohe Dosiergenauigkeit und damit eine hohe Messgenauigkeit erzielt. Die Misch- und Dosiergenauigkeit der Mischeinrichtung (4) sowie der Förder- und Dosiereinrichtung (5) liegt vorzugsweise bei ± 1 ml und insbesondere bei ± 0,1 ml. Um eine hohe Dosiergenauigkeit zu erreichen weist die Förder- und Dosiereinrichtung (5) eine Kontrolleinheit (6) auf, die die Fördermenge misst und die Daten zur Steuerung der Fördermenge weiterleitet. Dabei erfolgt die Messung der Fördermenge vorzugsweise über eine Durchflussmessung bei flüssigen Kunststoff-Materialien und über eine gravimetrische Messung bei Pulvern oder Granulaten.
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Bei der je nach zu untersuchendem Prozess gegebenenfalls vorhandenen Mischeinrichtung (4) handelt es sich um übliche, dem Fachmann bekannte Mischer. Bei Niederdruckprozessen werden beispielsweise kunststoffbasierte Statikmischer druckluftbetriebene Dynamikmischer oder Gegenstrommischer eingesetzt. Ist eine Hochdruckvermischung erforderlich, werden an sich bekannte Hochdruck-Mischköpfe eingesetzt. In diesen Mischköpfen erfolgt Vermischung durch die kinetische Energie der Komponenten, die unter hohen Drücken aufeinander geschossen werden, sich dabei vermischen und anschließend in die Messzelle gedrückt werden. In diesem Fall liegt dann eine Kombination der Förder- und Dosiereinrichtung (5) und der Mischeinrichtung (4) vor.
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Die Messzelle (8) ist spezifisch an den Herstellprozess für den zu untersuchenden Kunststoff angepasst. Sie besteht aus einem Messzellenboden und einer damit direkt verbundenen Außenwand sowie einem Stempel, der gegebenenfalls eine Einrichtung zur Vakuumbeaufschlagung aufweisen kann (2) oder zwei- oder mehrteilig ausgestaltet sein kann (3). Die Geometrie der Messzelle (8) ist nicht identisch mit dem Bauteil, dass mit dem untersuchten Prozess hergestellt werden soll, sondern im Hinblick auf eine möglichst genaue Messung der Materialdaten optimiert. Bevorzugte Formen sind eine zylindrische Messzelle (2 und 3) oder eine pyramidische Messzelle (4). Je nach den gewünschten Messdaten und Weiterverwendung der Probekörper sind aber auch andere Geometrien möglich. So zeigt 5 eine Messzelle, in der als Kunststoff-Probekörper ein Zugstab nach DIN EN ISO 527-2 geformt wird, so dass sowohl eine Analyse des Kunststoffs unter Prozessbedingungen als auch eine direkte Prüfung des Probekörper in einer mechanischen Prüfung vorgenommen werden kann. Das Volumen der Messzelle (8) beträgt vorzugsweise 1 bis 200 ml und insbesondere 5 bis 40 ml. Dabei sollte für genaue thermische Analysen und Analysen von sehr schnellen Prozessen eine möglichst kleine Messzelle gewählt werden, damit innerhalb des entstehenden Kunststoff-Probekörpers nur ein sehr geringes Temperaturgefälle auftritt. Andererseits führt die Wahl einer zu kleinen Messzelle (8) zu Dosierungenauigkeiten, die die Messgenauigkeit beeinflussen können.
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Erfindungsgemäß weist die Messzelle (8) eine Einrichtung zur Füllstandsmessung und eine Einrichtung zur Druckbeaufschlagung (9) mit der der Stempel in Richtung des Pfeils (A) bewegt werden kann. Diese können je nach Messzellenausführung in einer Einrichtung kombiniert sein oder zwei alleinstehende Einrichtungen darstellen.
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Die Messzelle weist normalerweise Sensoren zur Ermittlung volumetrischer und thermischer Daten auf. Vorzugsweise ist die Messzelle mit einer Temperiereinrichtung ausgestattet und kann zusätzlich Sensoren zur Messung von kalorimetrischen und rheometrischen Daten, der Viskosität und/oder des Vernetzungsgrades aufweisen. Geeignete Sensoren sind beispielsweise Temperatur- und Drucksensoren, Wegsensoren, Sensoren zur dielektrischen Analyse (DEA-Sensoren), elektrische Widerstandssensoren, Wärmeflusssensoren, Sensoren für infrarotes oder sichtbares Licht und/oder Ultraschallsensoren.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Vorrichtung zur Materialdatenanalyse
- 2
- Lagerbehälter für Kunststoff-Materialien
- 3
- Leitung zwischen Lagerbehälter und Misch- oder Fördereinrichtung mit integrierter Pumptechnik
- 4
- Mischeinrichtung (optional)
- 5
- Förder- und Dosiereinrichtung
- 6
- Kontrolleinheit
- 7
- Leitung zwischen Förder- und Dosiereinrichtung und Messzelle
- 8
- Messzelle
- 9
- Einrichtung zur Füllstandsmessung und Druckbeaufschlagung
- 11
- Steuereinheit mit Messdatenleitung
- 14
- Kunststoff-Probekörper
- 20
- Zylindrische Messzelle mit einfachem Stempel
- 21
- Stempel mit optional integrierter Temperierung
- 22
- Messzellenboden und -außenwand
- 23
- optionale Leitung zur Entlüftung oder Vakuumbeaufschlagung
- 24
- Kunststoff-Probekörper
- 30
- Zylindrische Messzelle mit mehrteiligem Stempel
- 31
- Stempel mit optional integrierter Temperierung
- 32
- Messzellenboden und - außenwand
- 34
- Kunststoff-Probekörper
- 35
- Kraftmessdose zur Drucksteuerung
- 36
- Anschluss Kraftmessdose zur Datenübertragung
- 37
- Oberer Deckel zur Führung und Fixierung
- 38
- Thermische Isolierung
- 39
- Beweglicher Teller zur Druckaufbringung und Füllstandsmessung
- 40
- Pyramidische Messzelle
- 41
- Stempel mit optional integrierter Temperierung
- 42
- Messzellenboden und - außenwand
- 44
- Kunststoff-Probekörper
- 50
- Messzelle mit Normkörper-Geometrie
- 51
- Stempel mit optional integrierter Temperierung
- 52
- Messzellenboden und - außenwand
- 54
- Kunststoff-Probekörper
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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