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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Gussbauteils sowie ein Gussbauteil.
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Aus dem Stand der Technik ist es bekannt, Gussformen zu schlichten. Als Schlichten werden Überzugsstoffe zum Glätten von Gussformen und Kernen bezeichnet. Derartige Schlichten können unter anderem einer verbesserten Oberflächengüte der Gussstücke, einer Vermeidung von Gussfehlern, der Verhinderung unerwünschter chemischer oder thermischer Reaktionen zwischen der Schmelze und der Form sowie der Steuerung metallurgischer Effekte dienen. Über mehrere Gießvorgänge hinweg, nützt sich ein derartiger Schlichteauftrag ab, wird also stellenweise beispielsweise dünner. Dies geschieht abhängig von der Geometrie der Gussform und den gießtechnischen Randbedingungen örtlich unterschiedlich. Entsprechend wird die Gussform von Zeit zu Zeit gereinigt und/oder (nach-)geschlichtet. Aus der
US 2005/0126478 A1 ist in diesem Zusammenhang eine Vorrichtung bekannt, welche zum Auftrag von Schlichte auf eine Gussform verwendet wird. Diese ist insbesondere derart ausgelegt, auch schwer zugängliche Stellen der Gussform zu erreichen. Aus der
DE 10 2013 223 311 A1 ist eine Wartungsstation für Gießwerkzeuge und ein Verfahren zum Warten eines Gießwerkzeugs bekannt, wobei mit einer Handlingseinrichtung gearbeitet wird, an der eine Sprüheinrichtung angeordnet ist, wobei mit der Sprüheinrichtung ein Reinigungsmedium auf eine Oberfläche mindestens eines Gießwerkzeugs aufsprühbar ist, und wobei das Reinigungsmedium ein Gemisch aus Druckluft und abrasiven Partikeln ist. Insbesondere handelt es sich bei der Handlingseinrichtung beispielsweise um einen Roboter. Die aus dem Stand der Technik bekannten Ansätze betreffen die gesamte Gussform, bieten dabei aber keine Möglichkeit, den Schlichteauftrag bzw. dessen Qualität in irgendeiner Art und Weise zu überwachen bzw. zu Informationen zu gelangen, wo und wann ggf. ein neuer Schlichteauftrag möglich oder nötig ist.
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Es ist daher eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zum Herstellen eines Gussbauteils sowie ein Gussbauteil anzugeben, bei welchem die Gussteilqualität verbessert und insbesondere möglichst konstant gehalten werden kann.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 sowie durch ein Gussbauteil gemäß Anspruch 9 gelöst. Weitere Vorteile und Merkmale ergeben sich aus den Unteransprüchen sowie der Beschreibung und der beigefügten Figur.
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Erfindungsgemäß umfasst ein Verfahren zum Herstellen eines Gussbauteils die Schritte:
- - Messen eines Temperaturverlaufs an einer Messstelle einer Gussform beim Abgießen eines Bauteils;
- - Generieren von Merkmalen aus dem Temperaturverlauf mit einem Algorithmus zur Dimensionsreduktion;
- - Verwenden der Merkmale als Eingangsgrößen in einem entsprechend trainierten Regressionsmodell zum Ermitteln einer Schlichtequalität, insbesondere einer Schlichtedicke, an der Messstelle.
Wie eingangs erwähnt, werden Gussformen, wie beispielsweise Kokillen, geschlichtet. Dabei beeinflusst die Schlichte unter anderem den Wärmetransport, die Fließeigenschaften der Schmelze, die Oberflächeneigenschaften des Bauteils sowie die Wandstärken etc. Insbesondere die Tatsache, dass die Schlichte den Wärmetransport, insbesondere den Wärmetransport von der Schmelze in die Gussform hinein, beeinflusst, kann nun vorteilhafterweise dazu genutzt werden, um über das Verfahren, insbesondere auch während der Produktion, die Schlichtequalität, bzw. insbesondere eine Schlichtedicke, zu überwachen. Der physikalische Hintergrund besteht dabei darin, dass eine dickere Schlichteschicht für einen anderen Wärmetransport und damit für einen anderen Temperaturverlauf an einer Messstelle einer Gussform sorgt als eine dünnere. Zweckmäßigerweise wird für jede Messstelle ein zweistufiges Modell aufgebaut, wobei ein erstes Modell aus dem Bereich „unüberwachtes Lernen“ sowie ein zweites Modell aus dem Bereich „überwachtes Lernen“ verwendet wird. Grundsätzlich gilt, dass das von einem Temperatursensor aufgezeichnetes Verhalten von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängig ist. Dies sind beispielsweise die Anordnung von Heizpatronen oder Kühlkreisen, Schwankungen in der Schmelzetemperatur etc. Der vorgeschlagene Ansatz bzw. das erfindungsgemäße Verfahren bieten einen pragmatischen Ansatz, diese Einflüsse voneinander zu trennen. In der Folge können so Gussteile höchster Qualität erzeugt werden bzw. kann auf etwaige Qualitätsschwankungen gezielt und schnell reagiert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Trainieren des Regressionsmodells anhand gemessener Werte für die Schlichtedicke und den Merkmalen, generiert aus einer Vielzahl zugehöriger Temperaturverläufe.
Beispielsweise werden im laufenden Gießprozess, nach mehreren Abgüssen, Schlichtedicke-Messungen an den Positionen durchgeführt, an welchen Thermoelemente verbaut sind. Dafür können z. B. magnetinduktive Messsonden verwendet werden. Die Messungen werden anschließend den Temperaturaufzeichnungen bzw. den Temperaturverläufen des jeweiligen Gussvorganges zugeordnet. Bevorzugte Algorithmen aus dem Bereich überwachtes Lernen sind die lineare Regression, lineare Regression mit Linearisierungen bzw. alle Algorithmen aus dem Bereich „überwachtes Lernen“, die zur Regression verwendet werden können.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Verwenden eines Algorithmus aus dem Bereich unüberwachtes Lernen, insbesondere aus dem Bereich Komprimierung von Daten zur Dimensionsreduktion.
Mit Vorteil wird ein Machine Learning Algorithmus zum Aufbereiten der Messreihen bzw. der Messdaten verwendet bzw. es wird ein Algorithmus aus dem Bereich „unüberwachtes Lernen“ trainiert. Mit Vorteil kann jeder Algorithmus, der zur Dimensionsreduktion geeignet ist, verwendet werden. Ziel eines solchen Algorithmus ist es, die Messdaten, die ein Sensor an N Zeitpunkten über eine gewisse Zeitspanne aufzeichnet mit einer Anzahl K Zahlenwerte bzw. Merkmale zu beschreiben, wobei K deutlich kleiner als N ist. Die hierbei gefundenen Merkmale, auch „features“ genannt, werden nun mit Vorteil als Eingangsgrößen in einem Regressionsmodell bzw. in einer Vielzahl von Regressionsmodellen verwendet. Bevorzugte Algorithmen sind unter anderem die Hauptkomponentenanalyse, Autoencoder oder die nichtnegative Matrixfaktorisierung.
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Bevorzugt umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Trainieren des Algorithmus mit einer Vielzahl von Temperaturverläufen.
Bevorzugt werden Temperaturverläufe kontinuierlich ermittelt und gemessen und zum Training verwendet, wodurch die Modellqualität stetig verbessert werden kann. Dies gilt auch für das Regressionsmodell. So kann dessen Qualität weiter optimiert werden, wenn beispielsweise möglichst viele Schlichtedicken-Messungen durchgeführt werden.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Bestimmen der Schlichtequalität an einer Vielzahl von Messstellen.
Zweckmäßigerweise ist an der zu überwachenden Gussform eine Vielzahl von Messstellen vorgesehen, wodurch es möglich ist, ortsaufgelöst die Gussform bzw. das Bauteil zu überwachen.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Verwenden einer nicht-negativen Matrixfaktorisierung als Mittel zur Dimensionsreduktion.
Es hat sich herausgestellt, dass sich dieser Ansatz sehr gut zum Aufbereiten von Temperaturverläufen eignet.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren die Schritte:
- - Anordnen einer Anzahl von Temperaturverläufen in Form einer Matrix, wobei jede Zeile der Matrix einem Temperaturverlauf über der Zeit entspricht und wobei die Temperaturverläufe einer Messstelle einer Gussform zugeordnet sind;
- - Durchführen einer Matrixfaktorisierung durch Zerlegen der Matrix in eine nichtnegative Koeffizientenmatrix und eine nicht-negative Komponentenmatrix mit einer Anzahl von Zeilen, wobei jede Zeile einer Komponente entspricht;
- - Verwenden der Koeffizientenmatrix bzw. einer entsprechenden Zeile der Koeffizientenmatrix als Eingang für das (entsprechende) Regressionsmodell.
Insbesondere handelt es sich bei den Temperaturverläufen um gemessene Temperaturverläufe. Alternativ oder zusätzlich kann das Verfahren aber auch zumindest teilweise in der Simulation angewandt werden, wobei es sich dann zweckmäßigerweise um simulierte Temperaturverläufe handelt. Gegebenenfalls kann dies verwendet werden, um das Modell zu trainieren bzw. um bestimmte Parametervariationen durchzuführen. Zweckmäßigerweise wird für jeden (gemessenen) Temperaturverlauf ein Satz von Koeffizienten/Merkmalen gefunden, beispielsweise drei. Diese werden dann als Eingang für das Regressionsmodell verwendet. Die Koeffizienten entsprechen den vorgenannten Merkmalen.
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Zweckmäßigerweise werden das erste und das zweite Modell kontinuierlich weiter trainiert.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Visualisieren bzw. Darstellen der Schlichtequalität, insbesondere ortsaufgelöst, beispielsweise mittels eines Displays.
Zweckmäßigerweise kann so von einem Arbeiter die Schlichtequalität live während des Produktionsprozesses überwacht werden. Ebenso ist es möglich, ortsaufgelöst und damit zielgenau nachzuschlichten oder zu reinigen. Dies bedingt einen deutlichen geringeren Ressourceneinsatz und verringert die Rüstzeiten, da vermieden wird, die Gussform beispielsweise unnötig oft zu reinigen bzw. zu schlichten.
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Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Verfahren den Schritt:
- - Zielgenaues Reinigen der Gussform und/oder Auftragen von Schlichte, insbesondere auf Basis der Visualisierung.
Zweckmäßigerweise erfolgt das Reinigen der Gussform und/oder das Auftragen von Schlichte automatisiert, beispielsweise mittels einer entsprechenden Handhabungseinrichtung wie eines Roboters, welcher ausgelegt ist, die durch das Modell bereitgestellten Informationen entsprechend weiter zu verarbeiten.
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Gemäß einer Ausführungsform ist eine Anzeigeeinheit vorgesehen, beispielsweise ein Display, welches ausgelegt ist, eine Schlichtequalität, insbesondere eine Schlichtedicke, der Gussform, insbesondere ortsaufgelöst, zu visualisieren. Dies ermöglicht das zielgenaue Bearbeiten der Gussform, beispielsweise durch einen Arbeiter, insbesondere zum Nachschlichten oder Reinigen der Gussform.
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Gemäß einer Ausführungsform ist eine Robotereinheit bzw. einen Roboter vorgesehen, welcher ausgelegt ist, auf Basis der ermittelten Schlichtequalität die Gussform zu bearbeiten, insbesondere zu reinigen und/oder zu schlichten. Zweckmäßigerweise kann so ein automatisiertes bzw. sogar vollautomatisiertes System bzw. eine Vorrichtung zum Bearbeiten der Gussform angegeben werden.
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Die Erfindung richtet sich auch auf ein Gussbauteil, insbesondere aus einem Leichtmetall, wie Aluminium und/oder Magnesium bzw. deren entsprechende Legierungen, hergestellt nach dem erfindungsgemäßen Verfahren.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist das Gussbauteil insbesondere eine Motor-, Fahrwerks- oder Karosseriekomponente eines Kraftfahrzeugs, wie beispielsweise ein Gehäuse einer elektrischen Maschine, ein Zylinderkopf oder ein Kurbelgehäuses eines Verbrennungsmotors oder ein Lenker eines Fahrwerks oder ein Trag- oder Strukturelement einer Karosserie oder eines Rahmens eines Kraftfahrzeugs.
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Bei der Gussform kann es sich, wie erwähnt, gemäß einer Ausführungsform um eine Kokille handeln. Das Bauteil ist entsprechend im Schwerkraft- oder Niederdruckguss erzeugt. Alternativ kann es sich aber auch um ein Druckgussbauteil handeln. Auch auf den Sandguss ist das Verfahren anwendbar.
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Weitere Vorteile und Merkmale ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung einer Ausführungsform des Verfahrens mit Bezug auf die beigefügte Figur.
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Es zeigt:
- 1: eine schematische Skizze zur Veranschaulichung des Modellaufbaus.
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1 zeigt ein Schema, welches eine Ausführungsform des Verfahrens zum Herstellen eines Gussbauteils veranschaulicht. Der Fokus liegt insbesondere auf dem Algorithmus zur Dimensionsreduktion. Mit dem Bezugszeichen X ist eine Matrix bezeichnet, welche eine Vielzahl von Temperaturkurven oder Temperaturverläufen T_mess aufweist oder umfasst. Je Zeile ist ein Temperaturverlauf T_mess angeordnet. Die Spalten der Matrix X entsprechen den verschiedenen Zeitpunkten t. Über eine nicht-negative Matrixfaktorisierung wird diese Matrix X nun in eine Koeffizientenmatrix W und eine Komponentenmatrix H zerlegt, wobei die Zeilenzahl der Koeffizientenmatrix W der Anzahl der Temperaturverläufe bzw. der Anzahl der vermessenen Bauteile N entspricht und die Spaltenanzahl der Anzahl der Komponenten k1, k2 etc. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich hier um die Temperaturverläufe ein und derselben Messstelle handelt. Bezugszeichen H bezeichnet die Komponentenmatrix, wobei diese in der hier gezeigten Ausführungsform drei Komponenten k1, k2 und k3 aufweist. In der rechten Bildhälfte sind die Komponenten bzw. deren Verläufe herausgegriffen bzw. dargestellt. Bei den Komponenten handelt es sich um Kurven, welche verschiedene Verläufe aufweisen. Die Anzahl der Komponenten wird zweckmäßigerweise im Rahmen der Modellbildung variiert. Ein typischer Wert für k ist 3. Aus der Darstellung geht sehr anschaulich hervor, dass nach der Faktorisierung für jede Zeile der Matrix X, also für jeden gemessen Temperaturverlauf bzw. für jede Messreihe, ein Satz von Koeffizienten vorliegt, vgl. die Matrix W. Die Koeffizienten werden nun mit Vorteil als Eingangsgrößen für ein Regressionsmodell verwendet, wobei das Training dadurch erfolgt, dass zumindest für einige der gemessenen Temperaturverläufe T_mess auch die Schichtdicken erfasst wurden, welche als Zielgrößen beim Training verwendet wurden bzw. werden können. Vorteilhafterweise kann so für jede Messstelle ein Regressionsmodell aufgebaut und trainiert werden, welches es ermöglicht, aus einem gemessenen Temperaturverlauf sozusagen in Echtzeit eine Schichtdicke bzw. Schlichtedicke zu ermitteln.
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Bezugszeichenliste
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- X
- Matrix
- W
- Koeffizientenmatrix
- H
- Komponentenmatrix
- N
- Anzahl (Bauteile)
- t
- Zeitpunkte
- k
- Anzahl (Komponenten)
- k1, k2, k3 ...
- Komponenten
- T_mess
- Temperaturkurve(n), Temperaturverlauf
- x
- Eingangsgröße, Zeit
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2005/0126478 A1 [0002]
- DE 102013223311 A1 [0002]