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Die Erfindung betrifft ein Fahrerassistenzsystem und ein Verfahren zum teilautomatisierten Betreiben eines Fahrzeugs und insbesondere für ein Radfahrzeug, wie einen Personenkraftwagen, einen Lastkraftwagen oder ein landwirtschaftliches oder anderes Nutzfahrzeug mit Straßenzulassung.
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Es sind Abstandstempomaten bekannt, welche die Geschwindigkeit und den Abstand eines Fahrzeugs zu einem vorausfahrenden Fahrzeug abhängig vom Abstand zwischen den Fahrzeugen und deren Geschwindigkeiten regeln. Manche Abstandstempomaten stellen diese Funktionalität bis zum Stillstand des vorausfahrenden Fahrzeugs bereit und lassen das mit dem Abstandstempomaten ausgestattete Fahrzeug auch wieder automatisiert anfahren, sobald sich das vorausfahrende Fahrzeug weiterbewegt. Bei stockendem Verkehr entlasten die bekannten Abstandstempomaten den Fahrer.
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Aufgrund der Entlastung bei der Longitudinalsteuerung besteht die Gefahr, dass Fahrer eines Fahrzeugs mit Abstandstempomat auch die Lateralsteuerung vernachlässigen und deren Aufmerksamkeit im Verkehr sinkt. Folglich besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Fahrzeug in einer Sondersituation, wie stockendem Verkehr oder einem sich im Einsatz nähernden Einsatzfahrzeug, nicht oder nicht rechtzeitig gemäß den gesetzlichen Vorgaben für derartige Situationen gesteuert wird.
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Es ist Aufgabe der Erfindung, die Nachteile des Stands der Technik zu überwinden. Diese Aufgabe wird durch das erfindungsgemäße Verfahren und das erfindungsgemäße Fahrerassistenzsystem gelöst.
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Danach wird bei einem Verfahren zum teilautonomen oder autonomen Betreiben eines Fahrzeugs eine Sondersituationstrajektorie bestimmt und zyklisch aktualisiert, aus Umfeldsensordaten bestimmt, ob eine Sondersituation vorliegt und, falls eine Sondersituation festgestellt wird, das Fahrzeug gemäß der aktuell vorliegenden Sondersituationstrajektorie angesteuert. Sondersituationen gemäß der Erfindung sind insbesondere stockender Verkehr oder ein sich näherndes Einsatzfahrzeug im Einsatz. Mit einer zyklisch aktualisierten Sondersituationstrajektorie, lässt sich das Fahrzeug zu jedem Zeitpunkt situationsadäquat automatisiert betreiben. Gerät der Verkehr ins Stocken, ist sichergestellt, dass bereits eine Trajektorie vorliegt, die das Fahrzeug unfallfrei und entsprechend der gesetzlichen Vorgaben steuert. Beispielsweise ist für die Sondersituation eines sich im Einsatz nähernden Einsatzfahrzeugs ist sichergestellt, dass wie z.B. die deutsche Straßenverkehrsordnung vorsieht, die Fahrbahn unmittelbar freigemacht wird.
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In einer bevorzugten Ausführung wird zum Bestimmen der Sondersituation ein Geschwindigkeitsverlauf des Fahrzeugs auf eine Verlaufsscharakteristik überwacht. Insbesondere wird der Geschwindigkeitsverlauf des Fahrzeugs über einen Zeitraum von wenigstens 30 Sekunden, insbesondere wenigstens 60 Sekunden, vorzugsweise wenigstens 120 Sekunden gespeichert und ausgewertet. Vorzugsweise umfasst die Verlaufscharakteristik eine vorbestimmte Sequenz von Unterschreiten und Überschreiten nochmaligem Unterschreiten eines oder mehrerer Geschwindigkeitsschwellwerts. Vorzugsweise wird das Speichern von Geschwindigkeitswerten des Fahrzeugs erst bei Unterschreiten eines Initialgeschwindigkeitsschwellwerts aktiviert.
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In einer bevorzugten Ausführung umfasst das Bestimmen der Sondersituation, dass ein Geschwindigkeitsverlauf eines vorausfahrenden Fahrzeugs auf eine vorbestimmte Verlaufscharakteristik überwacht wird. Insbesondere arbeitet die Überwachung der Verlaufscharakteristik wie im vorangehenden Absatz beschrieben. Vorzugsweise werden der Geschwindigkeitsverlauf eines oder mehrerer vorausfahrender Fahrzeuge erfasst. Insbesondere werden zur Erfassung des Geschwindigkeitsverlaufs eines übernächsten vorausfahrenden Fahrzeugs indirekte Radarreflektionen ausgewertet.
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Alternativ oder zusätzlich können zum Bestimmen der Sondersituation Umfeldsensordaten auf das Auftreten einer vorbestimmten Audio- und/oder Videosignatur überwacht werden. Insbesondere ist die vorbestimmte Audio- und/oder Video charakteristisch für ein Einsatzfahrzeug im Einsatz oder mehrere Einsatzfahrzeuge im Einsatz. Die Audio- und/oder Videosignatur sind in dem das Verfahren ausführenden Steuergerät hinterlegt. Die charakteristischen Merkmale sind insbesondere sich wiederholende Lichtsignale, wie von Brems-, Warnblink- oder Blaulichtleuchten, Sirenenklänge, sich überlagernde Sirenenklänge und/oder dopplerverschobene Sirenenklänge. Vorzugsweise wird die Sondersituation durch mehrfaches Unterschreiten eines Geschwindigkeitsschwellwerts innerhalb einer Zeitdauer und/oder eine Erfassen einer Ähnlichkeit oder Übereinstimmung einer erfassten mit einer vorbestimmten Audio- und/oder Videosignatur erkannt. Insbesondere wird das Vorliegen einer Sondersituation durch eine Übereinstimmung einer erfassten mit einer vorbestimmten Audio- und/oder Videosignatur plausibilisiert.
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In einer bevorzugten Ausführung wird die Sondersituationstrajektorie bestimmt und aktualisiert, indem eine Fahrsituation bestimmt und für einen vorbestimmten Zeithorizont prädiziert wird, abhängig von der Fahrzeugposition ein Sondertrajektorienziel festgelegt wird, mehrere Trajektorien für das Fahrzeug ermittelt und bezüglich wenigstens eines Kriteriums bewertet werden und die bezüglich des wenigstens einen Kriteriums beste Trajektorie als Sondersituationstrajektorie ausgewählt und gespeichert wird.
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Vorzugsweise werden zur Bestimmung der Fahrsituation, mit einem insbesondere kamerabasierten Fahrspurerkennungssystem eine befahrene Straße und/oder Fahrbahnmarkierungen erkannt. Insbesondere klassifiziert das Fahrspurerkennungssystem die befahrene Straße in Bereiche vorbestimmter Befahrbarkeit. Insbesondere werden Bereiche als reguläre befahrbare Bereiche, zu vermeidende und nicht befahrbare Bereiche klassifiziert. Vorzugsweise werden bei der Bestimmung der Sondersituationstrajektorie Bereiche, welche bei Bestimmung einer Normaltrajektorie zu vermeidende Bereiche sind, wie Verkehrsinseln oder ein Fahrbahnbankett, als nutzbarer Verkehrsraum berücksichtigt. Insbesondere wird bei der Bestimmung der Sondersituationstrajektorie mittels Nebenbedingungen festgelegt, welche Bereiche die Sondersituationstrajektorie belegen kann.
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Bei der Bestimmung der Sondersituationstrajektorie werden jeweils Position, Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung des Fahrzeugs und von Fahrzeugen im Umfeld des Fahrzeugs aus den Umfelddaten ermittelt und für einen Prädiktionszeitraum die Normaltrajektorien geschätzt. Sollten Fahrzeuge im Umfeld des Fahrzeugs auf Grund der Sondersituation deren Richtung ändern, während die Bestimmung noch nicht abgeschlossen ist, wird die Änderung erst mit dem nächsten Zyklus der Bestimmung der Fahrsituation und Sondersituationstrajektorie berücksichtigt. Insbesondere beträgt die Zykluszeit weniger als 50 Millisekunden, vorzugsweise weniger als 20 Millisekunden.
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Bei einer bevorzugten Ausführung umfasst das Festlegen des Sondertrajektorienziels, dass die Fahrzeugposition bezüglich eines Staatsgebiets ausgewertet wird. Vorzugsweise wird das Fahrzeug satellitengestützt und/oder bildverarbeitungsgestützt bezüglich eines Staatsgebiets und/oder bezüglich einer Position auf der befahrenen Straße und/oder klassifizierten Bereichen der Straße lokalisiert. Abhängig von der erfassten Fahrsituation, z.B. der Spur, auf der das Fahrzeug fährt, wird eine Regelsatz abgearbeitet, um ein Sondertrajektorienziel zu ermitteln. Der Regelsatz berücksichtigt Fahrsituation, Staatsgebiet, mehrere Arten von Sondersituationen und repräsentiert gesetzliche Sollvorgaben betreffend das Steuern von Fahrzeug in der Sondersituationen.
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Bei einer bevorzugten Ausführung umfasst das Festlegen des Sondertrajektorienziels umfasst, dass bestimmt wird, ob neben der vom Fahrzeug befahrenen Fahrspur weitere Fahrspuren vorhanden sind. Abhängig davon, ob eine weitere Fahrspur neben der befahrenen Fahrspur vorhanden ist, kann je nach an der Fahrzeugposition einzuhaltenden gesetzlicher Vorschriften variieren, wohin das Fahrzeug gesteuert werden soll. Mit der Bestimmung, ob weitere Fahrspuren vorhanden sind, lässt sich ein gesetzeskonformes Sondertrajektorienziel ermitteln.
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Eine Sondersituationstrajektorie wird vorzugsweise durch ein Suchverfahren, wie inkrementelle Suche, Grafensuche, Kurveninterpolation und/oder numerische Optimierung ermittelt.
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In einer bevorzugten Ausführung ist das Kriterium für die Bewertung von Sondersituationstrajektorien eine prädizierte Dauer bis zum Erreichen des Sondertrajektorienziels und/oder eine prädizierte Abweichung vom Sondertrajektorienziel nach einer vorbestimmten Zeit.
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In einer bevorzugten Ausführung wird die Sondersituationstrajektorie bestimmt, indem ein Anfrage an ein fahrzeugexternes System gesendet wird und von dem fahrzeugexternen System die Sondersituationstrajektorie empfangen wird. Vorzugsweise werden mit der Anfrage alle fahrzeugbezogenen Daten, die gemäß einer der Ausführungen für die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie erforderlich sind, an das fahrzeugexterne System gesandt. Im fahrzeugexternen System werden insbesondere die Anfragen mehrerer im Straßenabschnitt befindlicher Fahrzeuge gebündelt und aufeinander abgestimmte Sondersituationstrajektorien bestimmt und an ein jeweiliges Fahrzeug übermittelt.
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Bei einer bevorzugten Ausführung wird das Fahrzeug gemäß der Sondersituationstrajektorie in einem Fahrmodus erhöhter Kollisionssicherheit automatisiert angesteuert wird. Der Fahrmodus erhöhter Kollisionssicherheit umfasst, dass das Fahrzeug mit einer vorbestimmten Höchstgeschwindigkeit und/oder einem vorbestimmten Höchstdrehmoment die Sondersituationstrajektorie abfährt, wobei mittels Abstandssensorik Abstände zu das Fahrzeug umgebenden Hindernissen und Objekten erfasst werden. Bei Unterschreiten eines Abstandsschwellwerts wird die Geschwindigkeit mit weiter sinkendem Abstand bis zu einem Mindestabstand abgesenkt. Insbesondere wird die abstandsabhängig Geschwindigkeitsabsenkung von allen Longitudinal- und/oder Lateralsteuervorgabe für das Fahrzeug am höchsten priorisiert, insbesondere höher als manuelle Lenk- oder Beschleunigungsvorgaben.
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Bei einer bevorzugten Ausführung wird eine Normaltrajektorie für das Fahrzeug unter Verwendung eines ersten Satzes von Nebenbedingungen bestimmt und zyklisch aktualisiert und die Sondersituationstrajektorie unter Verwendung eines zweiten Satzes von Nebenbedingungen bestimmt und zyklisch aktualisiert wird. Ein automatisiert betriebenes Fahrzeug kann im allgemeinen Fahrbetrieb gemäß der Normaltrajektorie angesteuert werden, wobei das gewöhnliche Verkehrsgeschehen berücksichtigt wird. Die Normaltrajektorie wird unter der Maßgabe eines Navigationsziels des Fahrzeugs, der aktuellen Fahrsituation und dem ersten Satz Nebenbedingungen bestimmt. In dem ersten Satz Nebenbedingungen sind insbesondere Sicherheitsabstände zu anderen Verkehrsteilnehmern. Für die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie wird ein vom ersten Satz unterschiedlicher Satz an Nebenbedingungen angewandt. Der zweite Satz Nebenbedingungen unterscheidet sich insbesondere bezüglich einzuhaltender Mindestabstände zu anderen Verkehrsteilnehmern oder Hindernissen. Dadurch wird der Lösungsraum für die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie vergrößert, so dass aus einer größere Anzahl möglicher Trajektorien eine bevorzugte Sondersituationstrajektorie ausgewählt werden kann.
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Bei einer bevorzugten Ausführung wird eine zweite Sondersituationstrajektorie unter Beachtung eines dritten Satzes von Nebenbedingungen bestimmt und zyklisch aktualisiert. Insbesondere wird das Fahrzeug abhängig von der festgestellten Sondersituation gemäß der ersten oder zweiten Sondersituationstrajektorie angesteuert wird. Vorzugsweise wird die erste Sondersituationstrajektorie mit dem übergeordneten Ziel, eine Rettungsgasse zu bilden, bezüglich der Sondersituation des stockenden Verkehrs bestimmt. Vorzugsweise wird die zweite Sondersituationstrajektorie mit dem übergeordneten Ziel, die Fahrbahn sofort frei zu machen, bezüglich der Sondersituation eines sich im Einsatz nähernden Einsatzfahrzeugs bestimmt. Vorzugsweise enthält der dritte Satz von Nebenbedingungen insbesondere vorwiegend, vorzugsweise ausschließlich Nebenbedingungen, welche die Sicherheit des Fahrzeugs betreffen, wie Kollisionsvermeidung, jedoch keine Nebenbedingungen zur Erhöhung des Komforts oder Verringerung des Verschleißes deaktiviert.
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Bei einer bevorzugten Ausführung wird ein Satz von Nebenbedingungen über eine Schnittstelle mit einem fahrzeugextern gespeicherten Satz Nebenbedingungen insbesondere im laufenden Fahrbetrieb des Fahrzeugs ersetzt. Insbesondere wird der Satz Nebenbedingungen über eine Datenschnittstelle eingespielt, sobald sich gesetzliche Vorgaben geändert haben.
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Die Erfindung betrifft auch ein Fahrerassistenzsystem zum wenigstens teilautomatisierten Betreiben eines Fahrzeugs weist wenigstens einen Sensor zum Bereitstellen von Umfeldsensordaten und ein mit dem wenigstens Sensor verbindbares Steuergerät auf, das dazu eingerichtet ist, eine Sondersituationstrajektorie zu bestimmen und zyklisch zu aktualisieren, aus den Umfeldsensordaten zu bestimmen, ob eine Sondersituation vorliegt, und ein Steuersignal für das Fahrzeug gemäß der aktuell vorliegenden Sondersituationstrajektorie zu erzeugen.
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In einer bevorzugten Ausführung arbeitet das Fahrerassistenzsystem gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren.
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Weitere Merkmale, Vorteile und Eigenschaften der Erfindung werden anhand der Beschreibung bevorzugter Ausführungen der Erfindung unter Verweis auf die Figuren erklärt, die zeigen:
- 1: schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemä-ßen Fahrerassistenzsystems;
- 2: schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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In 1 ist ein Beispiel des erfindungsgemäßen Fahrerassistenzsystems 10 schematisch dargestellt. Wie durch eine gestrichelte Linie angedeutet ist, sind die Komponenten des Fahrerassistenzsystems 10 in dieser Ausführung nicht zwangsweise am gleichen Ort im Fahrzeug angeordnet. In einer nicht näher dargestellten Ausführung sind alle Komponenten des Fahrerassistenzsystems 10 in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet, das z.B. im Fahrzeug auf Höhe des oberen Randbereichs der Windschutzscheibe angebracht ist.
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Das Fahrerassistenzsystem 10 umfasst ein Steuergerät 60, das so eingerichtet und dazu ausgelegt ist, zumindest teilweise das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen. Einzelne Verfahrensschritte können auf andere Komponenten des Fahrerassistenzsystems 10 ausgelagert sein, wobei die Gesamtablauflogik des Verfahrens durch das Steuergerät 60 geregelt wird.
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Das Fahrerassistenzsystem 10 umfasst mehrere Umfeldsensormodule, wie ein Kameramodul 30, ein Abstandsmessmodul 40, ein Außengeräuschmodul 50, ein Positionsbestimmungsmodul 44 und ein Geschwindigkeitsmessmodul 42. Das Außengeräuschmodul 50 ist vorzugsweise als Richtmikrofonarray ausgestaltet, das erlaubt Geräusche hinsichtlich deren Richtung zu analysieren. Das Geschwindigkeitsmessmodul 42 kann durch eine Schnittstelle ersetzt sein, über die das Fahrerassistenzsystem 10 die Geschwindigkeit des Fahrzeugs von einem anderen Fahrzeugsystem empfängt. Die Umfeldsensormodule generieren fortlaufend Umfelddaten 90, die vom Steuergerät 60 empfangen werden.
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Das Steuergerät 60 ist außerdem mit mehreren, vorzugsweise das Fahrzeugumfeld vollständig abdeckenden Abstandssensoren 34 verbunden, wie Ultraschallsensoren, die bezüglich der Messposition Abstände zu sich in der Umgebung des Fahrzeugs befindlichen Objekten angeben. Die Abstandssensoren 34 können auch Signale für die Umfeldsensordaten 90 liefern.
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Wie in 2 näher dargestellt ist, bestimmt das Steuergerät 60 im Verfahrensschritt 150 eine Sondersituationstrajektorie. Die Sondersituationstrajektorie wird zwischengespeichert (Verfahrensschritt 190) und aktualisiert, sobald eine neue Sondersituationstrajektorie vorliegt. Die Sondersituationstrajektorie wird fortlaufend innerhalb einer vorbestimmten Zykluszeit, wie z.B. 20 Millisekunden, auf Basis der aktuellen Fahrsituation bestimmt. Informationen über die Fahrsituation liegen in einem Umfeldmodell vor, das die Basis für Berechnungen zur Bestimmung der Sondersituationstrajektorie, wie dem Ausführen eines Optimierungsverfahrens, bildet. Sobald eine Sondersituationstrajektorie bestimmt wurde, wird im Verfahrensschritt 140 durch das Steuergerät 60 geprüft, ob und wenn ja, welche eine Sondersituation vorliegt (Verfahrensschritt 120). Eine Sondersituation wird durch ein zugehöriges Statussignal angezeigt. Es werden die Umfeldsensordaten 90 insbesondere bezüglich zweier Sondersituationen analysiert: Stockendem Verkehr und Einsatzfahrzeugen im Einsatz. Zur Bestimmung der Sondersituationstrajektorie wird die jetzige Fahrsituation mit Hilfe der Daten des Umfeldmodells für die Zykluszeit vorausgeschätzt.
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Um zu ermitteln, ob der Verkehr stockt, wertet das Steuergerät 60 Daten des Geschwindigkeitsmessmoduls 42 aus. Das Steuergerät 60 umfasst einen Pufferspeicher, in dem ein Geschwindigkeitsverlauf des Fahrzeugs abgelegt und laufend aktualisiert wird. Insbesondere ist der Speicher derart ausgelegt, dass Geschwindigkeitsdaten über wenigstens 30 Sekunden, insbesondere wenigstens 60 Sekunden, vorzugsweise wenigstens 120 Sekunden gepuffert und ausgewertet werden können. Insbesondere ist das Steuergerät dazu eingerichtet, wenigstens jede Sekunde einen Geschwindigkeitswert zu empfangen. Das Steuergerät 60 prüft, ob der Geschwindigkeitswert einen oberen Schwellwert, z.B. 15 Kilometer pro Stunde, unterschritten hat und nachfolgend überschritten und nochmals unterschritten hat. Tritt eine derartige Sequenz einmal oder mehrfach im Geschwindigkeitsverlauf auf, gibt das Steuergerät 60 das Statussignal „stockender Verkehr“ aus. Das Statussignal wird nach Überschreiten einer oberen Geschwindigkeitsschwelle für eine längere Zeitdauer wieder gelöscht.
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In einer anderen Ausführung bestimmt das Steuergerät 60 zusätzlich oder ausschließlich aus den Messdaten des Abstandsmessmoduls 40 den Geschwindigkeitsverlauf eines vorausfahrenden Fahrzeugs und wertet diesen entsprechend der obigen Beschreibung für den Geschwindigkeitsverlauf des Fahrzeugs aus, das mit dem Fahrerassistenzsystem 10 ausgestattet ist. Das Statussignal „stockender Verkehr“ wird bei einer besonderen Ausführung nur ausgegeben, wenn bei beiden Fahrzeugen die oben erwähnte Sequenz auftritt.
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In einer weiteren Ausführung ist das Abstandsmessmodul 40 ein Radarsystem. Das Radarsystem ist so ausgelegt, dass Radarsignale in Richtung des Straßenbelags ausgesandt und auch vom Straßenbelag reflektierte Radarsignale ausgewertet werden. Diese Radarsignale laufen durch mehrfache Reflexion zwischen Straßenbelag und Fahrzeugen unterhalb eines vorausfahrenden Fahrzeugs entlang und werden von einem übernächsten oder noch weiter vorausfahrenden Fahrzeug reflektiert. Damit ist es möglich auch einen Geschwindigkeitsverlauf eines übernächsten oder noch weiter vorausfahrenden Fahrzeugs wie weiter oben beschrieben auszuwerten und bei der Auswertung, ob der Verkehr stockt, zu berücksichtigen.
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Außerdem prüft das Steuergerät 60 laufend die Umfeldsensordaten 90 darauf, ob die Sondersituation eines Einsatzfahrzeuges im Einsatz vorliegt. Das Steuergerät 60 prüft Signale des Außengeräuschmoduls 50 auf charakteristische Tonsequenzen, die auch als Audiosignatur bezeichnet werden können. Vorzugsweise werden diese mittels Frequenzanalyse geprüft. Insbesondere wird eine Dopplerverschiebung der Tonsequenz geschätzt, die im Sirenenklang eines sich nähernden Einsatzfahrzeugs zu erwarten ist. Die Daten des Außengeräuschmodul 50 werden auf entsprechende Dopplerverschiebung der Tonsequenz geprüft. Für die Dopplerverschiebung wird zur Schätzung eine abhängig von der Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs geschätzte Geschwindigkeitsdifferenz zu einem Einsatzfahrzeug herangezogen werden, wobei insbesondere bei niedrigen, insbesondere unter 50 Kilometer pro Stunde, Eigengeschwindigkeiten eine höhere Geschwindigkeitsdifferenz, insbesondere bis zu 40 Kilometer pro Stunde, bezüglich eines Einsatzfahrzeuges verwendet und bei hohen Eigengeschwindigkeiten eine geringere Geschwindigkeitsdifferenz, z.B. höchstens 30 Kilometer pro Stunde. Die so geschätzte Tonsequenz stellt ebenfalls eine prüfbare Audiosignatur dar. Erkennt das Steuergerät 60 einer vorbekannten Audiosignatur entsprechende oder ähnliche Daten in den Daten des Außengeräuschmoduls 50 wird das Statussignal“ Einsatzfahrzeug im Einsatz“ ausgegeben.
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Zusätzlich kann das Steuergerät 60 die Umfeldsensordaten 90 hinsichtlich der Richtung, aus der sich das Einsatzfahrzeug nähert, analysieren. Zur Erhöhung der Zuverlässigkeit, kann das Steuergerät 60 eine Plausibilitätsprüfung des Statussignals mithilfe zusätzlicher Umfeldsensordaten 90 durchführen. Dazu werden von einem Kameramodul 30, wie einem 360°-Kamerasystem, aufgezeichnete Videodaten auf Videosignaturen untersucht, die für Einsatzfahrzeuge im Einsatz charakteristisch sind. Vorzugsweise werden die Videodaten mithilfe eines neuronalen Netzes untersucht, dessen Parameter vorab mit Videodaten von Einsatzfahrzeugen trainiert wurden. Die charakteristischen Videosignaturen sind dadurch in den Parametern des neuronalen Netzes repräsentiert und das neuronale Netze kann Videodaten auf das Vorkommen von Einsatzfahrzeugen im Einsatz prüfen.
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Abhängig von dem im Verfahrensschritt 120 ermittelten Statussignals wird nach der Verfahrensschritt 140 das Fahrzeug mit der im vorangehenden Zyklus bestimmten und gespeicherten Sondersituationstrajektorie angesteuert. Dazu sendet das Steuergerät 60 Steuersignale an Fahrzeugaktoren (Verfahrensschritt 200). Liegt keines der beiden Statussignale vor, erfolgt keine Ansteuerung der Fahrzeugaktoren.
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Die Ansteuerung der Fahrzeugaktoren, wie ein Lenkungssteuergerät für die Lateralsteuerung und Motorsteuergerät für die Longitudinalsteuerung, erfolgt derart, dass die vorgegebene Sondersituationstrajektorie abgefahren wird. Für eine höhere Sicherheit wird eine maximale Geschwindigkeit und/oder ein maximales Drehmoment vorgegeben. Weiter werden die Abstandsmessungen der Abstandssensoren 34 vom Steuergerät 60 überwacht und falls der Abstand an einem Abstandssensor 34 sinkt, der Fahrzeuggeschwindigkeitsvektor in der vom Sensor angezeigten Richtung reduziert.
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Die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie ist im Verfahrensschritt 150 zusammengefasst. Sie umfasst z.B. das die Fahrsituation aus Umfeldsensordaten 90 bestimmt wird. Die Umfeldsensordaten 90 werden auch genutzt um ein Umgebungsmodell zu bilden und zu aktualisieren. Zur Bestimmung der Fahrsituation wird vorzugsweise mit einem Positionsbestimmungsmodul 44 festgestellt, auf welchem Staatsgebiet sich das Fahrzeug befindet. Abhängig von dem Staat, in dem sich das Fahrzeug befindet, wird das Sondertrajektorienziel festgelegt. Beispielsweise kann in einem Staat vorgeschrieben sein, dass im Fall eines sich nähernden Einsatzfahrzeuges alle Fahrzeuge an den rechten Fahrbahnrand zu fahren haben, während in einem anderen Staat nur vorgeschrieben ist, dass die Fahrbahn freizumachen ist. Entsprechend wird das Sondertrajektorienziel für ein gesetzeskonformes Fahrzeugverhalten entsprechend dem Staatsgebiet ausgewählt werden.
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Zudem wird mittels Umfeldsensordaten 90, wie denen eines Kameramoduls 30, festgestellt, auf welcher Fahrspur das Fahrzeug sich momentan befindet und wie viele Fahrspuren vorhanden sind, um ein gesetzeskonformes Sondertrajektorienziel festzulegen, da sich in manchen Staaten beispielsweise die Lage einer zu bildenden Rettungsgasse je nach Anzahl der Spuren unterscheidet.
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Insbesondere wird die Straße in mehrere Bereiche klassifiziert, nämlich zumindest in regulär befahrbare, regulär zu vermeidende oder unter keinen Umständen befahrbare Bereiche. Zum Beispiel sind Fußgängerwege am Rand einer Fahrbahn zu vermeidende Bereiche, die in normalen Verkehrssituationen nicht befahren werden dürfen. Welche Bereiche in welchen Sondersituationen für die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie als befahrbarer Verkehrsraum berücksichtigt werden, wird mittels Nebenbedingungen für die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie eingestellt. Die Nebenbedingungen sind spezifisch für die jeweiligen Sondersituationen in jeweiligen Sätzen von Nebenbedingungen hinterlegt. Weiterhin werden spezifische Sätze von Nebenbedingungen für ein jeweiliges Staatsgebiet vorgesehen. Die Nebenbedingungen werden beim Bestimmen der Sondersituationstrajektorie ebenso wie das Sondertrajektorienziel berücksichtigt, so dass gesetzeskonforme Sondersituationstrajektorien bestimmt werden.
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Die möglichen Sondersituationstrajektorien werden im Anschluss nach vorgegebenen Kriterien, wie einer voraussichtlichen Zeitdauer bis zum Erreichen des Sondertrajektorienziels bewertet und die jeweils beste Sondersituationstrajektorie abgespeichert. Andere oder zusätzliche Bewertungskriterien sind z.B. der Abstand vom vorgegebene Sondertrajektorienziel nach Abschluss eines voraussichtlich möglichen Fahrmanövers. Dieses Maß wird herangezogen, wenn die Bestimmung der Sondersituationstrajektorie keine Sondertrajektorie liefert, welche das Sondertrajektorienziel auch tatsächlich erreicht. Dies kann der Fall sein, wenn auf Grund des Umfeldmodells, der Fahrsituation und/oder der Nebenbedingungen zu wenige Freiheitsgrade zur Verfügung stehen, um eine Trajektorie bis zum gewünschten Sondertrajektorienziel zu bestimmen.
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In einer Alternativen nicht näher dargestellten Ausführung wird der Verfahrensschritt 150 durch ein Fahrzeug externes Zentralsystem übernommen, das Sondersituationstrajektorien für eine Vielzahl von Fahrzeugen bestimmt.
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Die Merkmale aller beschriebenen Ausführungen und Varianten sind, sofern sie nicht widersprüchlich oder als ausschließende Alternativen erläutert wurden, beliebig kombinierbar.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Fahrerassistenzsystem
- 30
- Kameramodul
- 34
- Abstandssensoren
- 40
- Abstandsmessmodul
- 42
- Geschwindigkeitsmessmodul
- 44
- Positionsbestimmungsmodul
- 50
- Außengeräuschmodul
- 60
- Steuergerät
- 90
- Umfeldsensordaten
- 120
- Verfahrensschritt
- 140
- Verfahrensschritt
- 150
- Verfahrensschritt
- 190
- Verfahrensschritt
- 200
- Verfahrensschritt