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Die Erfindung betrifft einen Stuhl mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1.
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Es ist bekannt, dass es grundsätzlich erforderlich ist, mehr Bewegung in unseren Alltag zu bringen und dabei unsere Sitzgewohnheiten so zu ändern, dass wir zwei bis drei Mal pro Stunde für mindestens drei bis fünf Minuten aufstehen oder einen Teil unserer Tätigkeit im Stehen ausführen. Das häufige und kurze Aufrichten des Körpers gibt den Körperzellen einen ausreichenden Impuls, um dringend erforderliche Stoffwechselvorgänge in Gang zu halten oder wieder in Bewegung zu bringen.
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Bei den heute üblichen Bürostühlen ist die Veränderbarkeit der Sitzhöhe in der Regel auf die Anpassung an die unterschiedlichen Körpergrößen der Nutzer im Sitzen beschränkt, wobei der Winkel zwischen Körper und Oberschenkel nach der Norm 90° betragen soll. Dies kommt der Tatsache entgegen, dass mit den üblichen Mitteln, nämlich einer Gasdruckfeder in Verbindung mit dem verfügbaren Bauraum, kaum größere Höhendifferenzen überwunden werden können.
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Für das Arbeiten in erhöhter Position und um zu vermeiden, dass der Nutzer während einer stehenden Schreibtischarbeit an einem Stehpult zu schnell ermüdet, sind Stehhilfen denkbar, wie sie für überwiegend stehende Tätigkeiten zum Einsatz kommen. Sie zeichnen sich durch eine kleinere und schmalere Sitzfläche aus, weil die bei üblichen Bürostühlen zur guten Lastverteilung erforderliche große Sitzfläche die beim höheren Sitzen und bei gleichzeitiger Abstützung der Füße am Boden die Blutzirkulation im Oberschenkel beeinträchtigt, also wenn der Winkel zwischen Körper und Oberschenkel deutlich größer als 90° ist (im Stehen 180°). Es sind auch Stehhilfen mit sattelförmigen Sitzflächen bekannt.
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Um sowohl eine sitzende als auch eine stehende Tätigkeit zu ermöglichen, müssen zwei Möbel, nämlich ein Bürostuhl mit normaler Sitzfläche und eine Stehhilfe mit kleiner Sitzfläche, am Arbeitsplatz vorgehalten werden, was wegen des zusätzlichen Platzbedarfs - der jeweils unbenutzte Stuhl steht nutzlos und deplatziert im Arbeitsraum - und den zusätzlichen Kosten nachteilig ist.
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Die Systeme mit Gasdruckfedern sind sehr verbreitet und haben den Vorteil, dass sie kostengünstig sind und eine schnelle Verstellung ermöglichen. Zur Höhenverstellung eines Bürostuhles sind auch Alternativen bekannt:
- Aus der DE 102008018654 B4 ist ein elektrisch höhenverstellbarer Stuhl, insbesondere Friseurstuhl, Zahnarztstuhl oder dergleichen mit einer Hubvorrichtung bekannt, welche elektrisch angetrieben werden kann. Der Stuhl kann in seiner Höhe verstellt werden, ohne dass der Stuhl zur Höhenverstellung entlastet werden muss, wie es bei einer Höhenverstellung mittels Gasdruckfeder erforderlich ist. Die Hubvorrichtung kann hydraulisch sein, bei der eine Pumpe manuell oder über einen elektrischen Motor betätigt wird. Alternativ sind auch ein Zahngestänge oder ein Spindelantrieb mit einem elektrischen Motor denkbar.
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Aus der
DE 102010046769 A1 ist eine Hubsäuleneinheit zur elektromotorischen Verstellung eines in der Höhe verstellbaren Möbelstückes z.B. eines Stuhles bekannt. Eine im Motorgehäuse angeordnete Steuereinrichtung steuert den Antriebsmotor zum Ein- und Ausfahren der insbesondere teleskopischen Hubsäule an.
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Aus der
WO 02/07567 A1 ist ein mittels einer Gasdruckfeder in seiner Höhe verstellbarer Stuhl bekannt, bei dem die Sitzfläche des Stuhles im Zuge der Höhenverstellung zwangsgesteuert mechanisch in ihrer Kontur verändert wird, wenn der Stuhl in seiner Höhe verstellt wird. Allerdings hat der Stuhl aufgrund der beschränkten Höhenverstellung (geringer Gesamthub) der Gasdruckfeder keine praktische Relevanz.
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Eine einfache Form einer Stehhilfe als Pendelhocker weist lediglich eine Sitzplatte auf, an deren Unterseite mittig eine zentrale Säule befestigt ist, deren Ende das Fußteil bildet und konvex abgerundet ist, um eine Kipp- oder Pendelbewegung zu ermöglichen. Ein Pendelhocker mit akustischer Rückkopplung ist als ONGO (eingetragene Marke) bekannt und in der
DE 102007025799 A1 beschrieben.
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Aus dem US-Patent
US 5992815 A ist eine Gasdruckfeder mit einer in einem gemeinsamen Standrohr angeordneten Bremsvorrichtung bekannt. In einem Ausführungsbeispiel ist die Gasdruckfeder mit der im Fußteil der Gasdruckfeder integrierten Bremsvorrichtung im Fußkreuz eines Bürostuhles angeordnet und wirkt mittels eines Bremselementes (Stempel), welches zentral ausgefahren wird und gegen die Standfläche des Stuhles wirkt.
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Aufgabe der Erfindung ist es, einen Stuhl so weiterzubilden, dass die Gesundheit des Benutzers gefördert wird.
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Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst. In den Unteransprüchen werden vorteilhafte Weiterbildungen beansprucht.
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Im Sinne der Erfindung wird der Begriff „Stuhl“ umfassend für einen Sitzstuhl als auch für eine Stehhilfe verwendet.
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Vorteile der erfindungsgemäßen Lösung bestehen darin, dass der Stuhl sowohl als Bürostuhl (in einer unteren Position) als auch als Stehhilfe (in einer oberen Position) genutzt werden kann. In der unteren Position hat der Sitz, das heißt die Sitzfläche auf der der Nutzer Platz nimmt, eine für eine sitzenden Tätigkeit geeignete Form. Dies entspricht also einer Position mit großer Sitzfläche. In der oberen Position wird die Sitzform auf eine Form für eine Stehhilfe z.B. eine Sattelform angepasst. Eine solche Änderung ist auch in der
DE 10215002044 A1 der Anmelderin dargestellt, deren Offenbarung voll inhaltlich aufgenommen wird. Es kann auch die Form von Armlehnen, Rücklehnen oder Seitenstützen angepasst werden. Die Erfindung hat den Vorteil, dass der Stuhl mit kostengünstigen Gasdruckfedern hergestellt werden kann, indem eine erste Gasdruckfeder für die Sitzhöhe ergänzt wird durch eine zweite Gasdruckfeder für die Sitzform. Sofern die Verstellung der Sitzform einhergeht mit einem weiteren Hub, wird die Höhe der Sitzfläche für die Stehhilfe nochmals erhöht, was einen weiteren Vorteil darstellt.
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In einer vorteilhaften Weiterbildung ist für einen Sitz mit Rollen, z.B. ein üblicher Bürostuhl, eine Bremsvorrichtung vorgesehen. Die Bremsvorrichtung bremst oder blockiert die Bewegung des Stuhles auf seiner Standfläche. Die Bremsvorrichtung kann unabhängig von der Stuhlfunktion (Bürostuhl oder Stehhilfe) aktiviert oder deaktiviert werden. Es ist aber von Vorteil, wenn die Aktivierung der Bremsvorrichtung mit einer Betätigung der zweiten Gasdruckfeder in Richtung einer Stehhilfe gekoppelt wird. In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung ist die Deaktivierung der Bremsvorrichtung vorgesehen, wenn die zweite Gasdruckfeder in Richtung einer Sitzform für eine sitzende Tätigkeit betätigt wird.
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Die Bremsvorrichtung für die Bewegung des Stuhles auf seiner Standfläche kann verschieden ausgestaltet sein. Sie kann auf eine oder mehrere Rollen wirken, sie kann die zentrale Säule (Gasdruckfeder) herunterfahren, sie kann den Fuß mit den Rollen heraufklappen. Die Bremsvorrichtung kann auch zentral an der Gabelung des Fußkreuzes angeordnet sein und bei Aktivierung ein zusätzliches Bremselement (Stempel) ausfahren und wie ein handelsüblicher Türstopper oder wie in der
US 5992815 A beschrieben wirken.
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Nachstehend wird die Erfindung anhand einer bevorzugten Ausführungsform mit Bezugnahme auf die Zeichnung erläutert.
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Die Zeichnung zeigt:
- 1a den erfindungsgemäßen Stuhl in einer unteren Position (z.B. Bürostuhl)
- 1b den erfindungsgemäßen Stuhl in einer mittleren Position (erhöhtes Sitzen) ohne Anpassung der Sitzform
- 1c den erfindungsgemäßen Stuhl in einer hohen Position (Stehhilfe) mit einer zusätzlichen Anpassung der Sitzform
- 2a - 2c Detailansichten des erfindungsgemäßen Stuhles im Querschnitt.
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Der in 1a - 1c gezeigte Stuhl 1 sieht aus wie ein handelsüblicher Bürostuhl mit Rollen 5. Der Stuhl unterscheidet sich nur darin von bekannten Stühlen, dass eine zweite Gasdruckfeder 1b parallel zu der ersten Gasdruckfeder 1a mittels eines Verbindungsteils 6 angeordnet ist. Mit dieser Gasdruckfeder 1b können die beiden Schenkelstützen 3 abgeklappt werden.
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Das Verbindungsteil 6 ist in 2a - 2c detaillierter gezeigt und ist einerseits am Kopf der ersten Gasdruckfeder 1a befestigt und nimmt andererseits und parallel versetzt in einer Öffnung den Fuß der zweiten Gasdruckfeder 1b auf, wobei der endseitige Konus der zweiten Gasdruckfeder 1b durchtaucht. Damit wird die zweite Gasdruckfeder 1b axial in der Höhe mit der Höheneinstellung der ersten Gasdruckfeder 1a verstellt. Das Verbindungsteil 6 ist im Metallguss- oder Metalldrehverfahren hergestellt. Als Metall ist Aluminium denkbar.
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In 1a ist der Stuhl 1 in einer unteren Position (mindestens ca. 42cm vom Boden aus gemessen) gezeigt, bei der die erste Gasdruckfeder 1a den niedrigsten Hub aufweist. Der Sitz 2 hat eine große Sitzfläche, welche eine Abstützung der Schenkel ermöglicht für ein Arbeiten im Sitzen. Zur Anpassung an die Körpergröße des Nutzers ist eine erste Gasdruckfeder 1a vorgesehen. Der Stuhl 1 ist mit Rollen 5 am Fuß ausgeführt. Auch sind Rückenlehne und Armlehnen gezeigt.
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Die 1b zeigt den gleichen Stuhl 1 mit dem größten Hub in der ersten Gasdruckfeder 1a. Dies entspricht einer mittleren Position (unterhalb ca. 65cm). Der Sitz 2 ist in seiner Form nicht angepasst. Die Stellstäbe 4 halten die Schenkelstützen 3 in einer unveränderten Lage, bei der sich eine große Sitzfläche ergibt. Ein solcher Stuhl ist z.B. für ein erhöhtes Arbeiten an einem erhöhten Tisch geeignet. Typischerweise wird mit der Höhenverstellung im Bereich 42cm - 65cm auf die Körpergröße des Nutzers angepasst.
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Die
1c zeigt den gleichen Stuhl
1 mit dem größten Hub in der ersten Gasdruckfeder
1a und dem größten Hub in der zweiten Gasdruckfeder
1b. Dadurch wird der Sitz
2 in seiner Form verändert und noch mehr erhöht. Dies ergibt eine Gesamthöhe von maximal ca. 80cm. Mittels der Stellstäbe
4 werden bei ausgefahrener zweiter Gasdruckfeder
1b die Schenkelstützen
3 abgekippt, um die Funktion als Stehhilfe zu ermöglichen. Das genaue Verfahren ist in der eingangs zitierten
WO 02/07567 A1 beschrieben. Diese Schrift wird vollumfänglich hier aufgenommen, um die Anpassung der Sitzfläche mittels Gasdruckfeder zu offenbaren. Es kann auch die Form von Armlehnen, Rücklehnen oder Seitenstützen angepasst werden, wie dies in der eingangs zitierten
DE 10215002044 A1 dargestellt ist.
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In 2 ist auch neben dem Verbindungsteil 6 die Bremsvorrichtung 7 genauer gezeigt. Der Stuhl 1 wird damit unverrückbar. Dies ist in der oberen Position, bei der der Stuhl als Stehhilfe fungiert, meist erwünscht. Im Ausführungsbeispiel ist die Bremsvorrichtung 7 ähnlich wie ein handelsüblicher Türstopper ausgeführt. Hinsichtlich Details der Funktion eines Türstoppers wird auf die im Handel erhältlichen Modelle verwiesen. Er dient dazu eine schwere Eingangstür zu arretieren, kann nachträglich an der unteren Kante der Tür befestigt und mit dem Fuß mittels zweier Hebel bedient werden. Mit einem ersten Hebel 7a kann z.B. mit dem Fuß ein als Stempel 8 ausgebildetes Bremselement gegen die Kraft einer Feder ausgefahren werden, um den Stuhl 1 zu arretieren. Der Stempel 8 ist mit einem Bremsgummi ausgeführt, welches gegen die Standfläche des Stuhles 1 drückt und diesen arretiert.
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Es ist vorteilhaft, wenn mit der Aktivierung der Bremsvorrichtung 7 das Ausfahren der zweiten Gasdruckfeder 1b aktiviert wird, wodurch die Stehhilfe angefordert wird. Das Umgekehrte ist ebenso denkbar: Die Anforderung der Stehhilfe geht mit der Aktivierung der Bremsvorrichtung 7 einher. Insgesamt kann mit einem Hebel 7a die erhöhte Sitzhöhe und Sitzform einer Stehhilfe gleichzeitig mit einer Arretierung des Stuhles 1 angefordert werden. Die Kopplung kann mittels eines Bowdenzuges, Gestänges, elektrisch oder drahtlos mittels z.B. Funkübertragung erfolgen.
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Die Deaktivierung der Bremsvorrichtung kann mittels eines Hebels 7b erfolgen, welcher einen Rastmechanismus löst, die gespannte Feder schlagartig entspannt und den Stempel 8 einfährt.
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Es ist vorteilhaft, wenn mit der Deaktivierung der Bremsvorrichtung 7 auch das Einfahren der zweiten Gasdruckfeder 1b bewirkt wird (Deaktivierung der zweiten Gasdruckfeder 1b) oder umgekehrt, wodurch die Funktion als Bürostuhl für eine sitzende Tätigkeit angefordert wird. Damit kann mit dem zweiten Hebel 7b die Funktion als Bürostuhl gleichzeitig mit einer Lösung der Arretierung des Stuhles 1 angefordert werden. Die Kopplung kann mittels eines Bowdenzuges, Gestänges, elektrisch oder drahtlos mittels z.B. Funkübertragung erfolgen.
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Alternativ kann der zweite Hebel 7b in der Nähe der Sitzfläche 2 z.B. an der Armlehne angeordnet sein. Diese Ausführung hat den Vorteil, dass der Nutzer der Stehhilfe die zweite Gasdruckfeder 1b mit Gewicht belastet und damit ein Einfahren erleichtert. Es kann auch der erste Hebel 7a in der Nähe der Sitzfläche z.B. an der Armlehne angeordnet sein.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Stuhl
- 1a
- erste Gasdruckfeder zur Einstellung der Sitzhöhe
- 1b
- zweite Gasdruckfeder zur Einstellung der Sitzform
- 2
- Sitzfläche
- 3
- Schenkelstützen
- 4
- Stellstäbe
- 5
- Rollen
- 6
- Verbindungsteil
- 7
- Bremsvorrichtung
- 7a
- erster Hebel
- 7b
- zweiter Hebel
- 8
- Stempel
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008018654 B4 [0006]
- DE 102010046769 A1 [0007]
- WO 0207567 A1 [0008, 0023]
- DE 102007025799 A1 [0009]
- US 5992815 A [0010, 0016]
- DE 10215002044 A1 [0014, 0023]