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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Schätzung eines maximal verfügbaren Reibwerts zwischen einem Fahrzeugreifen und einer Fahrbahn gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Ferner betrifft die Erfindung eine Einrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Darüber hinaus wird ein Computerprogrammprodukt angegeben.
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Stand der Technik
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Der maximale Reibwert zwischen einem Fahrzeugreifen und einer Fahrbahn gibt Aufschluss darüber, wie viel Kraft maximal über den Reifen auf die Fahrbahn übertragen werden kann. Denn wird der maximale Reibwert überschritten, droht eine instabile Fahrsituation aufgrund eines Haftungsverlusts des Reifens zur Fahrbahn. Der maximale Reibwert bzw. Kraftschluss stellt somit eine wichtige Kenngröße für eine Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen sowie für hochautomatisierte Fahrfunktionen moderner Fahrzeuge dar.
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Die Ermittlung des maximalen Reibwerts beruht in der Regel auf Schätzung. Denn im Normalbetrieb eines Fahrzeugs wird dieser Wert nicht erreicht, sondern nur in kritischen Fahrsituationen. Gerade diese gilt es jedoch zu vermeiden. Kommt es dennoch im Fahrbetrieb zu einer derart kritischen Fahrsituation, führt dies bei einem modernen Fahrzeug zum Eingreifen eines Sicherheitssystems, beispielsweise eines Antiblockiersystems (ABS) oder eines Traktionskontrollsystems (TCS). Während des Eingriffs eines Sicherheitssystems kann der tatsächliche Reibwert durch Messung ermittelt werden, so dass in diesem Fall ein verlässlicher Wert vorliegt. Da jedoch der Eingriff eines Fahrerassistenzsystems bei normalem Fahrverhalten eher selten ist, liegen während des Betriebs eines Fahrzeugs in der Regel nur selten Informationen über den aktuell vorhandenen maximalen Reibwert vor. Der maximale Reibwert muss dann geschätzt werden.
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Aus dem Stand der Technik sind bereits eine Vielzahl an Konzepten zur Reibwertschätzung bekannt, die unterschiedliche Messwerte und/oder Modelle zugrunde legen. Allen Konzepten gemein ist das Bestreben, eine hohe Verlässlichkeit der ermittelten Werte zu erreichen. Dies gilt insbesondere, wenn der ermittelte Reibwert als Eingangsgröße in einem Fahrzeugsteuersystem verwendet werden soll.
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Aus der
DE 10 2007 039 176 A1 geht beispielsweise ein Verfahren zur Ermittlung des Reibwertes eines Fahrzeugreifens gegenüber einem Untergrund hervor, bei dem über ein Reifenmodell aus einer ersten Fahrdynamikgröße und aus einem Schätzwert für den Reibwert ein Schätzwert für eine zweite Fahrdynamikgröße berechnet und der berechnete Wert mit einem gemessenen Wert verglichen wird. Anhand des Vergleichsergebnisses wird dann der für den Reibwert angenommene Schätzwert korrigiert. Zur iterativen Korrektur des angenommenen Schätzwerts werden die Schritte zyklisch wiederholt, und zwar für einen als Untergrenze gewählten ersten Schätzwert und einen als Obergrenze gewählten zweiten Schätzwert. Der Iterationsprozess wird demnach unabhängig mit zwei unterschiedlichen Initialschätzwerten gestartet, um eine präzisere Aussage über die Konvergenz des Schätzwerts auf den realen Reibwert zu erhalten.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Schätzung eines maximalen Reibwerts zwischen einem Fahrzeugreifen und einer Fahrbahn anzugeben, das eine hohe Zuverlässigkeit aufweist. Auf diese Weise soll die Qualität der Schätzung verbessert werden.
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Zur Lösung der Aufgabe wird das Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 angegeben. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind den Unteransprüchen zu entnehmen. Ferner werden eine Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens und ein Computerprogrammprodukt angegeben.
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Offenbarung der Erfindung
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Das vorgeschlagene Verfahren zur Schätzung eines maximalen Reibwerts zwischen einem Reifen eines Fahrzeugs und einer Fahrbahn umfasst die Schritte:
- - Treffen einer ersten Aussage über den maximalen Reibwert mit Hilfe einer ersten Logik,
- - Treffen einer zweiten Aussage über den maximalen Reibwert mit Hilfe einer zweiten Logik, wobei die erste Aussage eine höhere Wahrscheinlichkeit als die zweite Aussage besitzt, und
- - Belegen der zweiten Aussage mit einem Konfidenzmaß, das mittels einer Konfidenzmetrik unter Berücksichtigung mindestens einer Messgröße zur Bewertung der aktuellen Fahrsituation bestimmt wird.
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Durch Bereitstellen einer ersten und einer zweiten Aussage über den maximal verfügbaren Reibwert wird ein Bereich definiert, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der maximale Reibwert liegt. Da der Bereich durch einen ersten Wert mit hoher Aussagekraft und einen zweiten Wert mit einer weniger hohen Aussagekraft eingegrenzt wird, wird bei dem erfindungsgemäßen Verfahren der zweite Wert bzw. die zweite Aussage mit einem Konfidenzmaß belegt. Das Konfidenzmaß ermöglicht eine quantitative Bewertung der Aussagekraft der zweiten Aussage und erhöht auf diese Weise die Qualität der Schätzung.
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Bevorzugt wird die erste Aussage über einen mindestens verfügbaren Reibwert getroffen. Dieser entspricht zumindest dem aktuell ausgenutzten Reibwert, was die hohe Wahrscheinlichkeit der über diesen Wert getroffenen ersten Aussage erklärt. Die zweite Aussage betrifft demgegenüber einen den Reibwertbereich nach oben abschließenden Wert.
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Beim Treffen einer Aussage über den maximalen Reibwert wird mindestens eine situationsabhängige Messgröße miteinbezogen, und zwar unabhängig davon, ob die Aussage mit Hilfe der ersten oder der zweiten Logik getroffen wird. Sofern mehrere situationsabhängige Messgrößen miteinbezogen werden sollen, wird vorzugsweise zuvor eine Gewichtung der Messgrößen untereinander vorgenommen. Bevorzugt wird bei der Gewichtung der Einfluss einer Messgröße auf das Schätzergebnis berücksichtigt. Auf diese Weise kann die Qualität der Schätzung weiter erhöht werden.
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Des Weiteren bevorzugt werden bei Anwendung der ersten und/oder der zweiten Logik jeweils Mittelwerte zugrunde gelegt. Auf diese Weise kann der Einfluss von Ausreißern und/oder Störeffekten verringert werden. Die Mittelwerte werden vorzugsweise aus Messwerten gebildet, die den aktuell ausgenutzten Reibwert und den Schlupf betreffen. Das vorgeschlagene Verfahren lässt sich damit in den Kontext der schlupf- bzw. effektbasierten Verfahren zur Reibwertschätzung einordnen.
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Vorzugsweise verwenden die erste und die zweite Logik dieselben Mittelwerte als Eingangsgrößen. Weiterhin vorzugsweise werden die jeweils aus den aktuell ausgenutzten Reibwerten und den Schlupfwerten gebildeten Mittelwerte bei der Bestimmung des Konfidenzmaßes als Eingangsgrößen verwendet.
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Über welchen Zeitraum der aktuell ausgenutzte Reibwert und/oder der Schlupf gemessen wird bzw. werden, hängt von der jeweiligen Fahrsituation und/oder den Umweltbedingungen ab. Vorteilhafterweise geht der Zeitraum, über den die Werte erfasst und gemittelt wurden, ebenfalls in die Bestimmung des Konfidenzmaßes mit ein. Denn je länger dieser Zeitraum ist, desto geringer ist der Einfluss von Ausreißern und/oder Störgrößen.
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Ferner bevorzugt wird bei dem vorgeschlagenen Verfahren eine Klassifikation zwischen einer Fahrbahn mit hohem maximalem Reibwert und einer Fahrbahn mit mittlerem maximalem Reibwert vorgenommen. Das Ergebnis der Klassifikation wird vorzugsweise bei der Anwendung der ersten und der zweiten Logik berücksichtigt. Auf diese Weise kann die Genauigkeit der Schätzung verbessert werden.
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Die Klassifikation wird vorzugsweise in einem zweidimensionalen Merkmalsraum bestehend aus Schlupfinformationen und dem aktuell ausgenutzten Reibwert vorgenommen. Dabei wird die Lage der ermittelten Werte im Merkmalsraum relativ zu einer Klassifikationsfunktion zur Bestimmung der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Zustand eines Reifen-Fahrbahn-Kontakts herangezogen.
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Auch bei der Klassifikation werden vorzugsweise die zuvor aus den aktuell ausgenutzten Reibwerten und den Schlupfwerten gebildeten Mittelwerte als Eingangsgröße verwendet.
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Vorteilhafterweise wird das Verfahren bei statischen bzw. quasi-statischen Fahrzuständen des Fahrzeugs durchgeführt, und zwar vorzugsweise ausschließlich. Das heißt, dass dynamische Anteile gezielt ausgeschlossen werden, wodurch die Qualität der Reibwertschätzung weiter erhöht wird.
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Bei Anwendung der ersten Logik zum Treffen der ersten Aussage wird vorzugsweise der jeweils aktuell ausgenutzte Reibwert um einen situationsabhängigen Aufschlagswert erweitert. Der Aufschlagswert soll die Tatsache abbilden, dass Messwerte einer Fahrbahn mit mittlerem maximalem Reibwert nahe des Maximums der Kraftschluss-Schlupf-Kurve meist höhere Schlupfwerte aufweisen als Messwerte einer Fahrbahn mit hohem maximalem Reibwert. Aus einer Zuschlagsfunktion, die diesen funktionalen Zusammenhang repräsentiert, kann dann der Aufschlagswert berechnet werden.
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Bei Anwendung der zweiten Logik zum Treffen der zweiten Aussage wird vorzugsweise ein vorgegebenes Reifenmodell verwendet, welches das Verhalten des Reifens auf einer bestimmten Fahrbahn wiedergibt. Grundlage des Reifenmodells kann eine zuvor eingefahrene Reifenkennlinie bilden. Liegt beispielsweise ein Wert unterhalb der Reifenkennlinie, so liegt der korrespondierende maximale Reibwert vermutlich unterhalb des maximalen Reibwerts der Kennlinie. Mit Hilfe des Reifenmodells kann demnach eine Aussage über den maximal absetzbaren Reibwert getroffen werden.
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Mit Hilfe der ersten Aussage und der zweiten Aussage kann der Bereich, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der maximal verfügbare Reibwert zwischen dem Fahrzeugreifen und der Fahrbahn liegt, eingegrenzt werden. Das Konfidenzmaß erlaubt zudem eine quantitative Aussage über die Zuverlässigkeit der oberen Grenze. Um die Aussagekraft weiter zu erhöhen, werden vorzugsweise bei der Ermittlung des Konfidenzmaßes mehrere Einflussfaktoren einbezogen, wie beispielsweise die entstandene Anregung an den Rädern des Fahrzeugs, die Dauer der Mittelwertbildung und/oder die Sicherheit der Klassifikation.
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Durch Schätzungen, die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren vorgenommen werden, können die Verfügbarkeit und die Verlässlichkeit von Reibwertinformationen während der Fahrt signifikant erhöht werden. Die Reibwertinformationen können über einen Vernetzungsansatz zudem weiteren Fahrzeugen zur Verfügung gestellt werden, so dass diese sich präventiv auf potentiell kritische Straßenzustände einstellen können.
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In Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird vorgeschlagen, dass der aktive Eingriff eines Fahrzeugregelsystems, wie beispielsweise eines Antiblockiersystems (ABS), erkannt wird, der maximale Reibwert ermittelt und als Korrektiv genutzt wird. Auf diese Weise kann die Qualität der Schätzung weiter optimiert werden.
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Alternativ oder ergänzend wird vorgeschlagen, dass die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren geschätzten Reibwerte einem Steuergerät des Fahrzeugs als Steuergröße zur Verfügung gestellt werden. Der Fahrzeugsteuerung erfolgt somit auf Basis dieser Reibwertinformationen, wodurch sich die Sicherheit erhöht. Bei dem Fahrzeug kann es sich insbesondere um ein autonom fahrendes Fahrzeug handeln.
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Darüber hinaus wird eine Einrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens vorgeschlagen. Die Einrichtung umfasst:
- - einen ersten Reibwertschätzer zur Bestimmung eines mindestens verfügbaren maximalen Reibwerts nach einer ersten Logik sowie
- - einen zweiten Reibwertschätzer zur Bestimmung eines verfügbaren maximalen Reibwerts nach einer zweiten Logik,
wobei der erste und der zweite Reibwertschätzer jeweils mindestens eine Schnittstelle zur Verbindung mit einer Sensoreinrichtung und/oder einem Steuergerät des Fahrzeugs aufweisen.
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Die Einrichtung ist demnach dazu ausgelegt, eine erste Aussage und eine zweite Aussage zu treffen, die einen Bereich definieren, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der maximale Reibwert liegt. Die erste Aussage, die den mindestens verfügbaren maximalen Reibwert betrifft, kann dabei mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als die zweite Aussage getroffen werden.
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Die Einrichtung umfasst hierzu einen ersten und einen zweiten Reibwertschätzer, von denen vorzugsweise jeder mindestens eine Schnittstelle zur Verbindung mit einer Sensoreinrichtung und/oder einem Steuergerät aufweist. Über die Sensoreinrichtung können den Reibwertschätzern Messwerte und/oder Sensordaten zur Verfügung gestellt werden, auf Grundlage welcher die Schätzung vorgenommen wird. Vorzugsweise werden die Messwerte bzw. Sensordaten zuvor gemittelt, so dass die Schätzung auf der Basis von Mittelwerten erfolgt. Auf diese Weise kann der Einfluss von Ausreißern und/oder Störgrößen verringert werden. Die Mittelwerte können in einem Steuergerät gebildet werden, so dass die Schnittstellen auch der Verbindung der Reibwertschätzer mit dem Steuergerät dienen können.
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Alternativ oder ergänzend können die Reibwertschätzer über Schnittstellen mit einer Fahrzeugsteuerung und/oder einem Fahrzeugregelsystem verbunden sein. Die ermittelten Reibwerte können dann von der Fahrzeugsteuerung und/oder dem Fahrzeugregelsystem als Steuergrößen eingesetzt werden.
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Des Weiteren wird ein Computerprogrammprodukt mit einem Programmcode vorgeschlagen, der dazu ausgelegt ist, Schritte des zuvor beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen, wenn das Computerprogrammprodukt auf einer erfindungsgemäßen Einrichtung abläuft. Der Programmcode enthält für einen Reibwertschätzer lesbare Anweisungen, so dass ein herkömmlicher Reibwertschätzer mit Hilfe des Programmcodes zu einem Reibwertschätzer für eine erfindungsgemäße Einrichtung aufgewertet werden kann.
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Die erfindungsgemäße Einrichtung und das erfindungsgemäße Verfahren werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Die Zeichnungen zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung des Ablaufs eines erfindungsgemäßen Verfahrens unter Zuhilfenahme einer erfindungsgemäßen Einrichtung,
- 2 ein Diagramm zur graphischen Darstellung der Ergebnisse einer Testfahrt auf unterschiedlichen Untergründen,
- 3 eine schematische Darstellung einer erfindungsgemäßen Einrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- 4 ein Diagramm zur graphischen Darstellung der Klassifikation anhand einer Klassifikationsfunktion und
- 5 ein Diagramm zur graphischen Darstellung der Ermittlung des Aufschlagswerts.
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Ausführliche Beschreibung der Zeichnungen
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Der schematischen Darstellung der 1 ist beispielhaft der Ablauf eines erfindungsgemäßen Verfahrens zu entnehmen. Die eigentliche Reibwertschätzung wird in den Schritten 4 und 5 vorgenommen, wobei in Schritt 4 eine erste Aussage über einen mindestens verfügbaren maximalen Reibwert 17 eines Reibwertintervalls und in Schritt 5 eine zweite Aussage über einen maximal verfügbaren Reibwert 18 getroffen werden. Die Schritte 4 und 5 werden jeweils in einem Reibwertschätzer ausgeführt, wobei der Bestimmung des mindestens verfügbaren maximalen Reibwerts 17 eine andere Logik als der Bestimmung des maximal verfügbaren Reibwerts 18 zugrunde gelegt wird. Die Eingangsgrößen, auf Basis welcher die Bestimmung der Reibwerte 17, 18 durchgeführt wird, können demgegenüber gleich sein.
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Der Bestimmung der Reibwerte 17, 18 gehen folgende Verfahrensschritte zur Bereitstellung der Eingangsgrößen voraus:
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Zunächst wird in Schritt 1 der aktuell ausgenutzte Reibwert bestimmt, und zwar vorzugsweise in statischen bzw. quasi-statischen Fahrzuständen, um dynamische Effekte auszuschließen. Die Bestimmung des aktuell ausgenutzten Reibwerts kann auf der Grundlage von Daten erfolgen, die insbesondere aus einer Beschleunigung 7 des Fahrzeugs resultieren. Ferner können Antriebsmomente 8 und/oder Bremsmomente 9 erfasst und ausgewertet werden. Alternativ oder ergänzend können Daten, welche die Fahrzeuggeometrie betreffen, der Bestimmung des aktuell ausgenutzten Reibwerts 1 zugrunde gelegt werden.
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Der aktuell ausgenutzte Reibwert wird solange gleitend ermittelt bis die Bedingungen für die Schätzung nicht mehr erfüllt sind. Aus den ermittelten Werten werden in Schritt 2 Mittelwerte gebildet. Ferner werden in Schritt 2 Mittelwerte aus verfügbaren Schlupfwerten 11 gebildet. Die Mittelwertbildung verringert den Einfluss von Ausreißern und/oder Störgrößen.
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Die in Schritt 2 gebildeten Mittelwerte werden nicht nur als Eingangsgrößen bei der Bestimmung der Reibwerte 17, 18 genutzt, sondern ferner als Eingangsgrößen bei einer in Schritt 3 durchgeführten Klassifikation. Die Klassifikation erfolgt online, das heißt ständig, auf der Grundlage einer Klassifikationsfunktion 13, die anhand der Mittelwerte eine Klassifizierung der Fahrbahnoberfläche in eine mit hohem maximalem Reibwert oder mit mittlerem maximalem Reibwert vornimmt. Das Ergebnis der Klassifikation fließt in die Reibwertschätzung der Schritte 4 und 5 mit ein, so dass eine höhere Genauigkeit der Schätzung erzielt wird.
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Die Klassifikation dient der Erkennung eines Reifen-Fahrbahnkontakts mit mittlerem maximalem Reibwert. Wie beispielhaft in dem Reibwert-Schlupf-Schaubild der 4 dargestellt, kann die der Klassifikation zugrunde liegende Klassifikationsfunktion eine Gerade sein. Die optimale Lage der Klassifikationsfunktion wird durch Optimierungsalgorithmen bestimmt, die auf zuvor gesammelten Messdaten angewendet werden. Der Arbeitsbereich der Klassifikation wird in der 4 durch zwei gestrichelte Linien angezeigt. Demnach wird eine Klassifikation erst bei Anregungen oberhalb eines ausgenutzten Reibwerts von µ = 0,2 durchgeführt. Die darüber liegende, weitere gestrichelte Linie beschreibt den maximal verfügbaren Reibwert eines Untergrunds mit mittlerem maximalem Reibwert. Die in das Schaubild eingetragenen Punkte beziehen sich auf Reibwert-Schlupf-Messdaten eines Untergrunds mit mittlerem maximalem Reibwert. Die Kreuze beschreiben Reibwert-Schlupf-Messdaten eines Untergrunds mit hohem maximalem Reibwert. Durch Erkennen eines Reifen-Fahrbahnkontakts mit mittlerem maximalem Reibwert wird die Genauigkeit der Reibwertschätzung verbessert.
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In Schritt 4 des in der 1 schematisch dargestellten Verfahrens wird der mindestens verfügbare maximale Reibwert 17 bestimmt, und zwar auf der Grundlage der Mittelwerte und des Klassifikationsergebnisses sowie eines Aufschlagwerts Δµmax, der aus einer Aufschlagsfunktion 14 berechnet wird.
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Der Berechnung des Aufschlagwerts Δµ
max liegt die Annahme zugrunde, dass Reibwert-Schlupf-Kurven nahe des Maximums flacher werden. Eine Abweichung des Schlupfes Δs von der Referenzkurve kann somit als Indikator für die Nähe des Maximums liegen. Der Aufschlagwert Δµ
max ist demnach eine Funktion der Abweichung des Schlupfes Δs von der Referenzkurve:
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Der funktionale Zusammenhang wurde empirisch aus Messdaten bestimmt, die dem Diagramm der
5 zu entnehmen sind. Die Kreuze geben die Messdaten an, die bei Testfahrten auf schneebedeckten Untergründen ermittelt wurden. Die Punkte beziehen sich auf Messdaten von Untergründen mit einem mittleren maximalen Reibwert. Eine Auswertung der Messergebnisse legte folgenden funktionalen Zusammenhang nahe:
wobei „c“ dem Skalierungsfaktor entspricht.
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In Schritt 5 des in der 1 schematisch dargestellten Verfahrens wird der maximal verfügbare Reibwert 18 geschätzt. Hierbei werden ebenfalls die Mittelwerte aus Schritt 2 und das Ergebnis der Klassifikation in Schritt 3 zugrunde gelegt, wobei die Schätzung unter Verwendung eines Reifenmodells 15 erfolgt. Da die Verlässlichkeit des maximal verfügbaren Reibwerts 18 von besonderer Bedeutung ist, wird in Schritt 6 anhand einer Konfidenzmetrik ein Konfidenzmaß 16 bestimmt, das den geschätzten Reibwert 18 mit einer quantitativen Aussage über dessen Verlässlichkeit belegt. Bei der Berechnung des Konfidenzmaßes 16 in Schritt 6 dienen die in Schritt 2 gebildeten Mittelwerte aus aktuell ausgenutztem Reibwert als Eingangsgrößen. Ferner geht das Ergebnis der Klassifikation in Schritt 3 mit ein. Darüber hinaus kann die Dauer der Messung 12 berücksichtigt werden, aus deren Messdaten der aktuell ausgenutzte Reibwert und der Radschlupf bestimmt wurden.
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Der 2 sind die Ergebnisse einer im Rahmen einer Testfahrt durchgeführten Reibwertschätzung zu entnehmen. Die obere Kurve zeigt die Fahrzeuglängsbeschleunigung ax an. Ganz unten sind die Ergebnisse der Reibwertschätzung anhand der Reibwerte 17, 18 wiedergegeben, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrbahnbeschaffenheit variieren. Das dem Reibwert 18 zugeordnete Konfidenzmaß ist darüber aufgetragen.
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Auf einer Teststrecke wurden nacheinander die Untergründe trockener Asphalt und nasses Kopfsteinpflaster befahren. Auf dem trockenen Asphalt wurde das Fahrzeug beschleunigt (a), wobei die Reibwertschätzung zu einem vergleichsweise hohen maximal verfügbaren Reibwert 18 führte, der charakteristisch für diesen Untergrund ist. Anschließend wurde auf nassem Kopfsteinpflaster eine ABS-Bremsung provoziert (b), so dass der maximal verfügbare Reibwert gemessen werden konnte. Danach wurde bei einer moderaten Verzögerung eine erneute Schätzung vorgenommen (c). Abschließend wurde auf dem Kopfsteinpflaster beschleunigt (d) und der maximal verfügbare Reibwert geschätzt, was erwartungsgemäß zu Ergebnissen ähnlich denen zuvor führte.
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Das Konfidenzmaß beträgt bei (b) genau 1, da hier der Reibwert während einer ABS-Bremsung gemessen werden konnte. Zuvor bei (a) ist das Konfidenzmaß höher als bei (c) oder (d), was mit der Beschaffenheit des Untergrunds zusammenhängt, der in die Schätzung miteinfließt. Das Testergebnis validiert somit die Funktionalität des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Der schematischen Darstellung der 3 ist beispielhaft eine erfindungsgemäße Einrichtung zur Schätzung des maximalen Reibwerts nach einem erfindungsgemäßen Verfahren zu entnehmen. Die Einrichtung umfasst einen ersten Reibwertschätzer 19 zur Bestimmung eines mindestens verfügbaren maximalen Reibwerts 17 und einen zweiten Reibwertschätzer 20 zur Bestimmung eines maximal verfügbaren Reibwerts 18. Die Reibwerte 17, 18 können zur Steuerung eines autonom fahrenden Fahrzeugs und/oder als Steuergrößen in einem Fahrzeugregelsystem 21 genutzt werden.
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Bei der Bestimmung der Reibwerte 17, 18 in den Reibwertschätzern 19, 20 werden Messdaten verwendet, die den jeweils aktuell ausgenutzten Reibwert µ und den Schlupf s betreffen. Aus diesen Werten werden in einem Steuergerät 22 Mittelwerte gebildet, die als Eingangsgrößen den beiden Reibwertschätzern 19, 20 zur Verfügung gestellt werden. Auf Basis dieser Mittelwerte werden dann die Schätzungen in den Reibwertschätzern 19, 20 vorgenommen, wobei der erste Reibwertschätzer 19 eine erste Logik und der zweite Reibwertschätzer 20 eine zweite Logik verwendet.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102007039176 A1 [0005]