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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Speicherung von Geschwindigkeitsinformationen von Fahrzeugen in einem Backend, eine digitale Karte mit gespeicherten Geschwindigkeitsinformationen sowie ein Verfahren und ein System zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten.
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Die Kenntnis der zukünftigen Geschwindigkeitstrajektorie eines Fahrzeuges entlang einer geplanten Route ist für zahlreiche Fahrzeuganwendungen notwendig. Beispielsweise kann durch die Kenntnis der erwarteten Fahrgeschwindigkeitstrajektorie die Betriebsstrategie von Hybridfahrzeugen verbessert, verschiedene Fahrzeugfunktionen auf das individuelle Fahrverhalten angepasst und der Energiebedarf für die geplante Strecke abgeschätzt werden. Zur Prädiktion des erwarteten Geschwindigkeitsverlaufs werden nach aktuellem Stand der Technik insbesondere Umfeldsensorik, Attribute von digitalen Karten wie z.B. Geschwindigkeitslimits oder Kurvenradien, Infrastrukturdaten (z.B. Ampelprognosedaten) und Verkehrsinformationen verwendet.
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Die
US 2013/0274956 A1 offenbart ein System, bei dem Geschwindigkeitsprofile für Straßenabschnitte gespeichert werden. Anhand dieser gespeicherten Profile wird für vorausliegende Straßenabschnitte auf der Route eines Fahrzeuges jeweils eine Zielgeschwindigkeit für diesen Straßenabschnitt und dieses Fahrzeug ermittelt. Es wird abgeschätzt, ob das Fahrzeug die ermittelte Zielgeschwindigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit überschreiten wird. In diesem Fall werden Fahrzeugsysteme aktiviert, die beispielsweise zu einem Abbremsen des Fahrzeugs oder einer Warnung des Fahrers führen.
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Ferner ist ein System zur Prädiktion energierelevanter Größen, wie z.B. Fahrzeuggeschwindigkeiten, entlang einer vorausliegenden Fahrstrecke bekannt. (Tobias Mauk: „Selbstlernende zuverlässigkeitsorientierte Prädiktion energetisch relevanter Größen im Kraftfahrzeug“ Dissertation, Universität Stuttgart 2011) Das beschriebene System beruht nicht auf der Verwendung digitaler Karten sondern auf einem selbstlernenden System im Fahrzeug für wiederholt befahrene Strecken.
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Bei einer Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie allein anhand von Umfeldsensorik ist der Prädiktionshorizont aufgrund der Reichweite der verwendeten Sensorik (Kamera, Radar) begrenzt. Informationen von Infrastrukturdaten (z.B. Ampeln) sind in der Regel nur begrenzt lokal verfügbar. Attribute von digitalen Karten sind zur Prognose des erwarteten Geschwindigkeitsprofils häufig nur bedingt geeignet, da auf zahlreichen Streckenabschnitten die Höchstgeschwindigkeit aufgrund von notwendigen Abbremsvorgängen nicht erreicht werden kann. Dies trifft besonders für urbane Streckenabschnitte zu. Auch das individuelle Fahrverhalten hat einen Einfluss auf die vom Fahrer gewählte Geschwindigkeit. Kartenattribute oder Verkehrsinformationen lassen in der Regel keinen Rückschluss auf die fahrerindividuell gewählte Geschwindigkeit zu.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zu Grunde, die Qualität der Prädiktion von zukünftigen Geschwindigkeitstrajektorien zu verbessern.
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren zur Speicherung von Geschwindigkeitsinformationen, eine digitale Karte sowie ein Prädiktionssystem und ein Verfahren zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten gemäß den unabhängigen Ansprüchen. Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Speicherung von Geschwindigkeitsinformationen werden Geschwindigkeitsinformationen und Ortsinformationen in einer Mehrzahl vernetzter Fahrzeuge erfasst und an ein Backend übermittelt. Im Backend werden daraus Geschwindigkeitsverteilungen berechnet und Kennzahlen zur Charakterisierung der ermittelten Geschwindigkeitsverteilungen gebildet. Die Kennzahlen werden im Backend gespeichert.
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Die vernetzten Fahrzeuge sind vorzugsweise Kraftfahrzeuge, wie z.B. Hybridfahrzeuge, Elektrofahrzeuge oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Sie weisen vorzugsweise ein Ortungssystem, z.B. ein Satelliten-Navigationssystem, und eine Kommunikationseinrichtung auf. Die Kommunikationseinrichtung ist zum (drahtlosen) Senden von Geschwindigkeits- und Ortsinformationen an ein Backend eingerichtet. Hierbei werden die vernetzten Fahrzeuge gewissermaßen als Testfahrzeuge eingesetzt um Geschwindigkeitsverteilungen aufzunehmen und an das Backend zu senden. Im Backend wird eine Datenbasis aufgebaut, anhand derer zukünftige Fahrzeuggeschwindigkeiten prädiziert werden können. Die vernetzten Fahrzeuge können aber bei der Prädiktion ihrer Geschwindigkeitstrajektorie auch von einer bereits vorhandenen Datenbasis profitieren. In diesem Fall weisen sie auch eine Empfangseinrichtung auf, um Daten vom Backend empfangen zu können.
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Ein Backend umfasst mindestens eine Empfangseinheit, eine Speichereinheit, eine Auswerteeinheit und eine Sendeeinheit. Ein Backend kann ein zentraler Backendserver sein oder auch dezentral in einer Cloud realisiert sein. Vorzugsweise enthält das Backend auch eine digitale Kartendatenbank mit Orts- und Straßeninformationen.
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Anhand der von den vernetzten Fahrzeugen gesendeten Geschwindigkeits- und Ortsinformationen werden in der Auswerteeinheit des Backends zunächst statistische Geschwindigkeitsverteilungen berechnet. Zu den Geschwindigkeitsverteilungen werden geeignete Kennzahlen ermittelt, welche die statistische Geschwindigkeitsverteilung charakterisieren. Solche Kennzahlen können aus der Verteilungsfunktion abgeleitete statistische Kennzahlen sein, wie z.B. Mittelwert, Gradient, Streuung, Standardabweichung oder Quantile.
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Mit den Kennzahlen kann sowohl die Verteilung der Geschwindigkeiten aller vernetzten Fahrzeuge, sowie die individuelle Abweichung einzelner, von einzelnen Fahrern gefahrener Geschwindigkeiten, im Verhältnis zur allgemeinen Geschwindigkeitsverteilung beschrieben werden.
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Vorzugsweise werden diese Geschwindigkeitsverteilungen mit Ortsdaten verknüpft. Eine Geschwindigkeitsverteilung gibt beispielsweise die Verteilung der von den vernetzten Fahrzeugen an einem bestimmten ortsfesten Punkt gefahrenen Geschwindigkeiten wieder.
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Dafür werden gemäß einer bevorzugten Variante des Verfahrens in den vernetzten Fahrzeugen jeweils Geschwindigkeitsinformationen erfasst und übermittelt, welche die momentan gefahrenen Geschwindigkeiten der vernetzten Fahrzeuge an festgelegten, ortsfesten (georeferenzierten) Punkten enthalten. Das Übermitteln der Geschwindigkeitsinformationen erfolgt vorzugsweise an den festgelegten, ortsfesten Punkten. Die Verknüpfung der Geschwindigkeitsinformationen mit den Ortsdaten kann bereits in den vernetzten Fahrzeugen geschehen. Im Backend werden Verteilungsfunktionen bzw. Kennzahlen zu den an ortsfesten gefahrenen Geschwindigkeiten gebildet und mit diesen Ortsinformationen verknüpft.
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Die Geschwindigkeitsverteilungen bzw. die Kennzahlen können als zusätzliche Attribute in digitalen Kartendatenbanken abgelegt werden. Zur Definition der Punkte wird das Straßennetzwerk einer digitalen Karte in ortsfeste Punkte unterteilt. Die Punkte können beispielsweise äquidistant verteilt sein. Es ist auch möglich die Abstände der Punkte in Abhängigkeit des Straßentyps und der durchschnittlicher Geschwindigkeit oder der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu variieren. Wenn das Fahrzeug einen ortsfesten Punkt passiert, werden der aktuelle Geschwindigkeitswert am jeweiligen Punkt an das Backend übertragen.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Variante werden von den vernetzten Fahrzeugen zusätzlich der minimale und/oder der maximale Geschwindigkeitswert erfasst und an das Backend übermittelt, welche die vernetzten Fahrzeuge seit Passieren des vorangegangenen festgelegten ortsfesten Punktes erreicht haben. Wenn beispielsweise ein festgelegter ortsfester Punkt an einer Straßenkreuzung mit einer Ampel liegt, kommen die Fahrzeuge regelmäßig an dieser Kreuzung zum Stehen. Der genaue Haltepunkt eines Fahrzeuges liegt aber häufig nicht direkt an der Kreuzung sondern eine oder mehrere Fahrzeuglängen davon verschoben. Diese regelmäßig auftretenden und häufigen Stopps der Fahrzeuge würden allein durch die Geschwindigkeiten an den festgelegten ortsfesten Punkten selbst nicht vollständig erfasst werden. Durch Übermittlung auch der minimalen Geschwindigkeit seit Passieren des letzten ortsfesten Punktes können somit auch andere Haltepunkte unabhängig von ihrer genauen Position erfasst werden.
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Gemäß einer weiteren bevorzugten Variante enthalten die erfassten und an das Backend übermittelten Geschwindigkeitsinformationen auch Routeninformationen des Fahrzeugs. Diese Routeninformationen beinhalten beispielsweise die Information, ob ein Fahrzeug geradeaus weiterfährt, oder abbiegt. Je nachdem, ob das Fahrzeug geradeaus weiterfährt oder abbiegt, ist nämlich ein deutlicher Unterschied in der Geschwindigkeit anzunehmen. Die gesammelten Geschwindigkeiten von abbiegenden Fahrzeugen und von geradeaus fahrenden Fahrzeugen können vorzugsweise im Backend in unterschiedlichen Verteilungen und Kennzahlen zusammengefasst werden. Damit kann die Genauigkeit der Geschwindigkeitsverteilungen und Kennzahlen erhöht werden, indem Fallunterscheidungen zwischen abbiegenden und geradeaus fahrenden Fahrzeugen vorgenommen werden.
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Solche gesonderten Geschwindigkeitsverteilungen bzw. Kennzahlen können auch für andere Bedingungen, welche die Geschwindigkeitsverteilung beeinflussen können, angelegt werden, sofern die entsprechenden Bedingungen und Informationen erfasst werden. Beispiele hierfür sind unterschiedliche Tageszeiten, Jahreszeiten, Witterungsverhältnisse oder Wochentage. Diese Bedingungen können im Fahrzeug erfasst und an das Backend übermittelt werden, oder direkt im Backend gesammelt, erfasst und mit den Geschwindigkeitsinformationen verknüpft werden.
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Die im Backend ermittelten Geschwindigkeitsverteilungen und Kennzahlen werden vorzugsweise laufend aktualisiert. Das heißt, sobald ein vernetztes Fahrzeug einen Geschwindigkeitswert an das Backend übermittelt, wird dieser für die Neuberechnung der Geschwindigkeitsverteilung berücksichtigt und entsprechend aktualisierte Kennzahlen gespeichert. Die Aktualisierung der Datenbank erfolgt somit durch iterative Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung und Kennzahlen in einem statistischen bzw. maschinellen Lernverfahren. Neu erfasste Geschwindigkeitswerte werden somit jeweils mit einbezogen.
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Vorzugsweise können auch Tendenzen in der Berechnung der Verteilungen und Kennzahlen erfasst und gespeichert werden. Somit können auch vorübergehende (z.B. Baustellen) oder dauerhafte Änderungen der Verkehrsführung mit Einfluss auf die gefahrenen Geschwindigkeiten berücksichtigt werden.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren zur Speicherung von Geschwindigkeitsinformationen von Kraftfahrzeugen im Backend wird eine Datenrepräsentation von gesammelten Fahrprofilen geschaffen, die für zahlreiche Fahrzeugfunktionen verwendet werden kann. Die Verwendung von Kennzahlen hat unter anderem den Vorteil, dass die Datenmenge reduziert ist gegenüber der Speicherung von vollständigen Geschwindigkeitsverteilungen. Je nach verfügbarem Speicherkapazität können aber zusätzlich die gesamte Geschwindigkeitsverteilung und/oder die einzelnen von den vernetzten Fahrzeugen empfangenen Geschwindigkeits- und Ortsinformationen im Backend gespeichert werden. Zur Nutzung der Daten können die in den Karten hinterlegten ortsbezogenen Geschwindigkeitskennzahlen wieder ins Fahrzeug zurückübertragen werden. Insbesondere hierbei ist das geringere Datenvolumen der Kennzahlen besonders vorteilhaft.
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Ein Verfahren zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten ist ein weiterer Aspekt der Erfindung. Das Verfahren umfasst eine Prädiktion einer Fahrzeugroute und die Prädiktion der Fahrzeuggeschwindigkeit entlang der prädizierten Route anhand von mit dem erfindungsgemäßen Verfahren im Backend ermittelten und gespeicherten Kennzahlen, welche die Geschwindigkeitsverteilung an ortsfesten Punkten entlang der prädizierten Route charakterisieren. Die Prädiktion kann im Backend oder im Fahrzeug erfolgen.
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Die Prädiktion der Fahrzeugroute erfolgt dabei beispielsweise in bekannter Weise durch die Zieleingabe in einem Navigationsgerätes oder die Eingabe einer Route durch einen Fahrer. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass häufig wiederholt gefahrene Strecken wie z.B. der Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnort anhand statistischer Methoden erkannt wird. Für solche Strecken wird in der Regel kein Navigationsgerät benutzt. Für solche Fahrten kann das Fahrzeug beispielsweise mit einem selbstlernenden System ausgestattet sein.
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Anhand der prädizierten Route werden die festgelegten ortsfesten Punkte erkannt, zu denen im Backend Geschwindigkeitsprofile bzw. entsprechende Kennzahlen gespeichert sind. Aus den Kennzahlen und der prädizierten Route wird die zukünftige Geschwindigkeitstrajektorie des Fahrzeugs prädiziert. Die Prädiktion der Route und/oder der Geschwindigkeitstrajektorie kann entweder im Fahrzeug erfolgen oder im Backend. Je nachdem, wo die Prädiktion der Route oder der Geschwindigkeitstrajektorie erfolgt, werden die entsprechenden Daten vom Fahrzeug an das Backend oder vom Backend an das Fahrzeug gesendet. Die erfindungsgemäße Verwendung von Kennzahlen zur Charakterisierung der Geschwindigkeitsverteilungen hat hier den großen Vorteil, dass die zu übertragende Datenmenge gering ist. Wegen des geringen zu übertragenden Datenvolumens ist das Verfahren kostengünstig und schnell. Zudem bietet sich die Möglichkeit, die Informationen für einen größeren Prädiktionshorizont zu übertragen.
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Sofern die Prädiktion im Backend erfolgt, werden zuerst die prädizierte Route charakterisierende Daten an das Backend gesendet. Im Backend wird anhand der Routeninformationen und der gespeicherten Kennzahlen der Geschwindigkeitsverlauf des Fahrzeugs berechnet und an das Fahrzeug gesendet. Schließlich wird der Geschwindigkeitsverlauf durch das Fahrzeug empfangen.
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Sofern die Prädiktion im Fahrzeug geschieht, werden vom Backend lediglich die die Geschwindigkeitsverteilung charakterisierenden Kennzahlen gesendet und durch das Fahrzeug empfangen. Dabei werden vorzugsweise alle Kennzahlen übertragen, die entlang der vom Fahrer beabsichtigten Route liegen.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Variante wird im erfindungsgemäßen Verfahren zur Prädiktion der Fahrzeuggeschwindigkeit das individuelle Fahrverhalten des Fahrers und/oder fahrzeuginterne Signale berücksichtigt. Das individuelle Fahrverhalten kann z.B. als Abweichung von der allgemeinen Geschwindigkeitsverteilung dargestellt werden. Diese Abweichung kann auch in Form einer Kennzahl ausgedrückt werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Prädiktion der Fahrzeuggeschwindigkeit wird die prädizierte Fahrzeugroute in Abhängigkeit von ihrer Distanz zur momentanen Fahrzeugposition unterteilt. Die Prädiktion der Fahrzeuggeschwindigkeit für eine naheliegende Teilroute mit einem kurzen Vorausschauhorizont (z.B. kleiner als 200 m) erfolgt (unter Anderem) unter Berücksichtigung von fahrzeuginternen Signalen. Die Prädiktion für eine fernliegende Teilroute mit einem größeren Vorausschauhorizont (z.B. > 800 m) erfolgt dagegen im Wesentlichen anhand von im Backend gespeicherten Daten. Je größer der Vorausschauhorizont, d.h. die Entfernung von der aktuellen Position des Fahrzeugs, desto weniger werden für die Geschwindigkeitsprädiktion fahrzeuginterne Signale berücksichtigt. Neben den fahrzeuginternen Signalen werden zur Prädiktion z.B. Kartendaten, das persönliche Fahrverhalten und die gespeicherten Kennzahlen verwendet. Für einen kurzen Vorausschauhorizont werden jedoch die fahrzeuginternen Signale stärker gewichtet als für einen großen Vorausschauhorizont.
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Die mit einem erfindungsgemäßen Verfahren berechneten und im Backend gespeicherten Kennzahlen können außerdem für ein Verfahren zur Bewertung des Fahrverhaltens eines Fahrers von einem Fahrzeug verwendet werden. Dafür werden von dem Fahrer (z.B. an den ortsfesten Punkten) gefahrene Geschwindigkeitswerte mit den gespeicherten Kennzahlen verglichen. Durch Vergleich der vom Fahrer gefahrenen Geschwindigkeiten mit den Kennzahlen an verschiedenen ortsfesten Punkten kann eine eigene Datenbasis für den einzelnen Fahrer erzeugt und gespeichert werden, die charakterisiert, wie schnell der Fahrer im Vergleich zur Allgemeinheit (bzw. im Vergleich zu den in der Geschwindigkeitsverteilung erfassten, vernetzten Fahrzeugen) fährt. Die Abweichung von individuellen Fahrverhalten zur Allgemeinheit kann ihrerseits durch Kennzahlen, beispielsweise durch Quantile beschrieben werden. Die Bezeichnung „Fahrer“ ist in dieser gesamten Anmeldung geschlechtsneutral zu verstehen und bezieht sich auf männliche und weibliche Fahrer.
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Ein weiterer, unabhängiger Aspekt der Erfindung ist eine digitale Karte mit gespeicherten Kennzahlen zur Charakterisierung von an ortsfesten Punkten gefahrenen Geschwindigkeitsverteilungen, die mit einem erfindungsgemäßen Verfahren ermittelt und/oder aktualisiert werden. Eine digitale Karte ist eine Datenbank mit gespeicherten Orts- und Straßen-Informationen, wie sie beispielsweise für (Satelliten-)Navigationsgeräte verwendet werden. Die digitale Karte kann in einem Fahrzeug oder vorzugsweise im Backend gespeichert sein.
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Vorzugsweise ist die digitale Karte ein Bestandteil eines Prädiktionssystems zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten, welches einen weiteren Aspekt der Erfindung darstellt. Ein erfindungsgemäßes Prädiktionssystem zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten umfasst ein Backend, welches zentral auf einem Server liegen kann, oder dezentral z.B. in einer Cloud realisiert sein kann. Das Backend weist mindestens eine Empfangseinrichtung auf zum Empfang von Geschwindigkeitsinformationen von vernetzten Fahrzeugen. Ferner weist das Backend eine Auswerteeinrichtung auf zur Auswertung der von den vernetzten Fahrzeugen empfangenen Geschwindigkeitsinformationen, zur Berechnung von Verteilungsfunktionen und die Verteilungsfunktion charakterisierenden Kennzahlen. Zum Backend gehört ferner mindestens eine Speichereinrichtung zur Speicherung zumindest der Kennzahlen der Verteilungsfunktionen sowie eine Sendeeinrichtung zur Übermittlung von gespeicherten Kennzahlen oder berechneten Informationen an vernetzte Fahrzeuge. Die Speichereinrichtung umfasst vorzugsweise eine Datenbank einer oben beschriebenen, erfindungsgemäßen digitalen Karte.
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Vorzugsweise ist die Auswerteeinrichtung ferner eingerichtet, die Geschwindigkeitsinformationen, Verteilungsfunktionen und/oder Kennzahlen mit Ortsdaten zu verknüpfen.
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Das Prädiktionssystem umfasst vorzugsweise eine Routenprädiktionseinrichtung zur Prädiktion einer von einem Fahrzeug zukünftig gefahrenen Route. Die Routenprädiktionseinrichtung kann im Fahrzeug oder im Backend realisiert sein.
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Ferner umfasst das Prädiktionssystem eine Geschwindigkeits-prädiktionseinrichtung zur Prädiktion der Fahrzeuggeschwindigkeit entlang einer mit der Routenprädiktionseinrichtung prädizierten Fahrzeugroute. Wie die Routenprädiktionseinrichtung kann auch die Geschwindigkeits-Prädiktionseinrichtung sowohl im vernetzten Fahrzeug oder im Backend realisiert sein.
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Im Folgenden soll die Erfindung anhand den 1 bis 5 beispielhaft näher erläutert werden. Es zeigen schematisch:
- 1: eine beispielhafte Darstellung der Systemarchitektur des erfindungsgemäßen Prädiktionssystems;
- 2: eine Illustration der Datensammlung gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens;
- 3: eine Illustration der Datenaggregation gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens;
- 4: eine beispielhafte Beschreibung eines Geschwindigkeitsprofils mit Kennzahlen; und
- 5: eine Illustration des Verfahrens und Systems zur Prädiktion von Fahrzeuggeschwindigkeiten.
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Vernetzte Fahrzeuge 10 übertragen über eine drahtlose Verbindung 11 Geschwindigkeitsinformation, Zeitstempel und Geoposition der Fahrzeuge 10 an ein Backend 12. Die Daten werden durch eine geeignete elektronische Einheit 101 im Fahrzeug (z.B. OBD-Dongle, Telematik-Unit) erfasst. Im Backend 12 werden die Daten von einer Empfangseinrichtung 121 empfangen.
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In einer Auswerteeinrichtung 122 im Backend 12 werden die Geschwindigkeitsdaten gesammelt und aggregiert. Mit Hilfe von statistischen Methoden und maschinellen Lernverfahren werden im Backend 12 zu bestimmten ortsfesten Positionen Verteilungsfunktionen zu den gesammelten Geschwindigkeitsinformationen sowie geeignete Kennzahlen Q zur Beschreibung der Geschwindigkeitsverteilungen 20 gebildet und in einer Speichereinrichtung 124 gespeichert.
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Die Geschwindigkeitsverteilungen und/oder die Kennzahlen werden mit Ortsdaten verknüpft und können als zusätzliche Informationen in digitalen Karten 14 hinterlegt werden. Da die Geschwindigkeitsverteilungen 20 und Kennzahlen Q ständig aktualisiert werden, können sie vorzugsweise als dynamische Zusatzdaten hinterlegt sein.
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Zur Nutzung der Daten können die in den digitalen Karten 14 hinterlegten ortsbezogenen Geschwindigkeitskennzahlen Q wieder ins Fahrzeug 10 zurückübertragen werden.
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Gemäß einer ersten Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie werden alle Kennzahlen Q übertragen, die entlang einer vom Fahrer beabsichtigten Route liegen. Die beabsichtigte Route wurde dabei beispielsweise im Fahrzeug 10 durch die Zieleingabe in einem Navigationsgerät 102 ermittelt. Die Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie erfolgt in diesem Fall in einer Prädiktionseinrichtung 103 im Fahrzeug 10 anhand der prädizierten Route und der vom Backend 12 empfangenen Kennzahlen Q.
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Darüber hinaus können die Kennzahlen Q für andere Anwendungen wie beispielsweise zur Fahrerbewertung verwendet werden. Die Verwendung von Kennzahlen Q hat unter anderem den Vorteil, dass für die jeweilige Verwendung wesentlich weniger Daten übertragen werden müssen, als für eine vollständige Verteilungsfunktion.
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Gemäß einer zweiten Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie erfolgt die Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie im Backend 12. Die beabsichtigte Route kann im Fahrzeug 10 oder im Backend 12 prädiziert werden. In diesem Fall werden aber nicht die Kennzahlen Q entlang der Route von einer Sendeeinrichtung 125 des Backend 12 an das Fahrzeug 10 gesendet, sondern bereits die prädizierten Geschwindigkeiten an den ortsfesten Punkten 15 entlang der Route. Die Prädiktion der Geschwindigkeiten erfolgt hier in der Prädiktionseinheit 123 des Backends 12
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Die Geschwindigkeitsinformation wird zu fixen ortsfesten (geo-referenzierbaren) Punkten 15 gesammelt, die beispielsweise einen festen Abstand zueinander haben (2) . Zur Definition der Punkte 15 wird das Straßennetzwerk 16 einer digitalen Karte 14 in ortsfeste Punkte 15 unterteilt (2 A) und B)). Es ist auch möglich die Abstände der Punkte 15 in Abhängigkeit des Straßentyps und der Höchstgeschwindigkeit zu variieren. Falls das Fahrzeug 10 einen ortsfesten Punkt 15 passiert, werden der aktuelle Geschwindigkeitswert 17 am jeweiligen Punkt 15 und vorzugsweise der maximale und/oder minimale Geschwindigkeitswert 18 seit dem letzten Punkt 15 an das Backend 12 übertragen (2 C).
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Aus den gesammelten Geschwindigkeitswerten (17, 18) wird für jeden ortsfesten Punkt 15 im Backend 12 iterativ eine Verteilungsfunktion 20 berechnet. Dazu kommen statistische Methoden wie Kerndichteschätzer zur Anwendung. Es wird für alle Werte (17, 18) - also aktueller, maximaler und/oder minimaler Geschwindigkeitswert - eine eigene Verteilung 20 gebildet.
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4 zeigt eine Geschwindigkeitsverteilung 20 beispielsweise an einem ortsfesten Punkt 15. Zur Beschreibung der Verteilungen werden mehrere Quantile Q im Backend berechnet (z.B. 15% / 35% / 50% / 65% / 85% - Quantil) . D.h. beispielsweise liegen 15% der an diesem Ort gefahrenen (und erfassten) Geschwindigkeiten unterhalb des 15% Quantils Q15. 35% liegen unterhalb des 35% Quantils Q35 usw. Dadurch ist der Verlauf der Verteilung 20 durch eine begrenzte Anzahl von Kennzahlen Q beschreibbar. Die Quantile Q eignen sich auch zur Beschreibung des allgemeinen, ortsunabhängigen, individuellen Fahrverhaltens 30 eines Fahrers. Beispielsweise ist der Geschwindigkeitswert 17 eines überdurchschnittlich schnellen Fahrers an allen ortsfesten Punkten 15 über dem Wert des 50%-Quantils Q50. Ebenso kann mit Hilfe der Quantile Q nicht nur der ortsunabhängige Einfluss des Fahrverhaltens 30 sondern auch der Einfluss weiterer Einflussfaktoren 31 auf das Geschwindigkeitsprofil wie beispielsweise Sichtverhältnisse, Verkehrssituation, Witterungsbedingungen beschrieben werden. Für jede der Einflussbedingungen (30, 31) wird eine zusätzliche Datenbasis angelegt, in der die Abweichung vom Durchschnittswert (50%-Quantil) gespeichert wird.
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Für bestimmte ortsfeste Punkte 15, beispielsweise Kreuzungen, können auch unterschiedliche Geschwindigkeitsverteilungen 20 und entsprechende Kennzahlen Q je nach gefahrenen Routenverlauf angelegt werden. D.h. es kann beispielsweise zwischen den Geschwindigkeiten 17 von abbiegenden Fahrzeugen 10 und geradeaus fahrenden Fahrzeugen 10 unterschieden werden.
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Für die Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie in einer Geschwindigkeitsprädiktionseinrichtung 103, 123 eines Fahrzeugs 10 wird mit Hilfe des erfindungsgemäßen Prädiktionsverfahrens der erwartete Geschwindigkeitswert für einen bestimmten Vorausschauhorizont (z.B. in 500m bezogen auf die aktuelle Fahrzeugposition) prädiziert. (5) Dazu werden aus dem Backend Quantile Q der Geschwindigkeitsverteilung für die zu prädizierende Strecke und ggf. Durchschnittliche Fahrer- 30 und Situationsspezifische 31 Abweichungen vom erwarteten Durchschnittsverlauf für die zu prädizierende Strecke verwendet. Daneben werden auch fahrzeuginterne Datenquellen verwendet: Fahrzeugsignale 33 an der aktuellen Position (z.B. Gaspedalstellung, aktuelles Drehmoment, Bremspedalstellung, Abstand zum Vordermann,....), sowie die Abweichung des Geschwindigkeitsverlaufs 34 der vergangenen Strecke im Vergleich zu den im Backend gespeicherten Geschwindigkeitsverteilungen 20 bzw. Kennzahlen Q. Dazu wird während der Fahrt kontinuierlich der aktuelle Geschwindigkeitswert mit den im Backend 12 gesammelten Geschwindigkeitsverteilungen 20 bzw. Kennzahlen Q verglichen.
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Zur Prädiktion der zukünftigen Geschwindigkeitstrajektorie werden vorzugsweise statistische Modelle und Verfahren des maschinellen Lernens verwendet. Es werden unterschiedliche Prädiktionsmodelle für verschiedene Vorausschauhorizonte verwendet. So benutzt beispielsweise ein Prädiktionsmodell mit kurzen Vorausschauhorizont (z.B. 200m) noch fahrzeuginterne Größen, während ein Prädiktionsmodell für einen größeren Vorausschauhorizont (z.B. 800m) fast ausschließlich im Backend 12 gesammelte Daten verwendet.
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Durch die Kennzahlen Q im Backend 12 (Quantile) kann nicht nur der häufigste Wert sondern die gesamte Geschwindigkeitsverteilung beschrieben werden. Die Quantile Q eignen sich zur ortsunabhängigen Beschreibung von Fahrer- und situationsspezifischen Einflussfaktoren. Durch das Verfahren und System zur Prädiktion der Geschwindigkeitstrajektorie auf Basis von im Backend 12 gesammelten Geschwindigkeitsverteilungen 20 und Kennzahlen Q kann der Prädiktionshorizont gegenüber bekannten Verfahren erheblich erweitert werden.
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Mit dem erfindungsgemäßen Prädiktionsverfahren prädizierte Geschwindigkeitswerte können als Eingangsgröße für die Betriebsstrategie von Hybridfahrzeugen (evtl. auch Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor) angewendet werden. Weitere Anwendungsbeispiels sind die Bewertung von Fahrverhalten (Vergleich eines einzelnen Fahrers im Vergleich zur Allgemeinheit) oder die Verbesserung von aktuellen digitalen Karten bzw. Erstellung von hochgenauen Karten anhand der gesammelten Fahrprofile (Map Refinement), die Prädiktion von Verkehrsflüssen, die Verbesserung von Navigationsalgorithmen oder Reichweitenalgorithmen für Elektrofahrzeuge; sowie die Erstellung von zusätzlichen Features in digitalen Karten (z.B. Abbiegewahrscheinlichkeiten.
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Ferner kann das erfindungsgemäße Verfahren und System für alle Fahrzeugfunktionen, die auf prädizierten Geschwindigkeitsprofilen basieren (z.B. autonomes Fahren, ACC, Grüne Welle Assistent) eingesetzt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2013/0274956 A1 [0003]