-
Die Erfindung betrifft eine redundante Scheibenhalterung und ein derartiges Haltesystem für ausschließlich verklebte Scheiben einer Fassadenbekleidung im Bauwesen, insbesondere für Glasscheiben, mit einer ersten Verklebung der Scheibe an einer Konstruktion, die das Eigengewicht der Scheiben und Belastungen der Scheiben aus anderen Einwirkungen auf die Konstruktion abträgt, und einer zweiten Verklebung, die bei Versagen der ersten Verklebung das Eigengewicht und die Belastungen vollständig übernimmt und an die Konstruktion abträgt. Die Erfindung betrifft außerdem eine redundante Scheibenhalterung und ein derartiges Haltesystem für verklebte Scheiben einer Fassadenbekleidung im Bauwesen mit einer mechanischen Haltevorrichtung einer Scheibe an einer Konstruktion, die das Eigengewicht der Scheibe auf die Konstruktion abträgt, mit einer ersten Verklebung, die Belastungen der Scheibe aus anderen Einwirkungen auf die Konstruktion abträgt, und einer zweiten Verklebung, die bei Versagen der ersten Verklebung die Belastungen aus anderen Einwirkungen übernimmt und an die Konstruktion abträgt.
-
Klebeverbindungen stellen eine wirtschaftliche Alternative zu mechanischen Befestigungen von Fassadenscheiben dar. Von Vorteil ist ihre gleichmäßige Lastabtragung über die Klebefugen in die Unterkonstruktion, ohne in den Fassadenscheiben Spannungsspitzen durch Bohrungen oder Aussparungen zu erzeugen. Allerdings dürfen jedenfalls lastabtragende geklebte Glaskonstruktionen bislang nur mit zusätzlichen mechanischen Sicherungen verwendet werden, die im Falle eines Versagens der Klebung die Lasten sicher abtragen. Die „Leitlinie für die Europäische Technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen“ (ETAG 002) sieht bei sog. SSG-Fassaden (structural sealant glazing), d.h. durch Klebung gelagerten Glasfassaden, mehrere Möglichkeiten der Ausführung für die Lastabtragung des Eigengewichts und für Haltevorrichtungen zur Verringerung der Gefahr durch Versagen der Klebung vor.
-
Als Scheiben sind flächige Elemente mit einer erheblich größeren Länge und Breite im Verhältnis zu ihrer Dicke zu verstehen. Sie können Fassadenplatten aus Metall, Kunststoff, Faserzement oder dergleichen und vorzugsweise aus Glas darstellen. Über den regelungsumfang der ETAG 002 hinausgehend ist auch ein geneigter oder horizontaler Einbau denkbar, letzterer beispielsweise für Unterdecken und Lichtdecken. Die Verklebungen können punktuell, linear oder flächig ausgeführt sein und die Scheiben an einer Konstruktion, beispielsweise einem Tragrahmen, der wiederum an einer Unterkonstruktion befestigt ist, festhalten. Die Belastungen jenseits des Eigengewichts einer Scheibe, die aus anderen Einwirkungen herrühren, stammen beispielsweise von Winddruck- und - sogkräften, evtl. Anpralllasten und dergleichen. Die erste Verklebung ist in der Regel eine konstruktiv von Anfang an belastete Verklebung, während die zweite Verklebung zunächst regelmäßig weitgehend unbelastet bleibt. Nach Versagen der ersten Verklebung ergibt sich ein Verschiebeweg der Scheibe, bis die zweite Verklebung die Belastungen aus Eigengewicht und aus den sonstigen Einwirkungen vollständig übernimmt. Der Verschiebeweg führt zu einer hilfsmittelfrei optisch detektierbaren Lageänderung der Scheibe, um einen Hinweis auf das Versagen der ersten Verklebung und damit auf einen Wartungsbedarf zu bieten.
-
Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg erhielt 2015 ein neues Labor- und Technikumsgebäude mit einer großflächigen Glasfassade. Deren Konstruktion ist in der Fachzeitschrift „Metallbau“, Ausgabe 04/2013, Bauverlag BV GmbH, Gütersloh, beschrieben: Die einzelnen Glasscheiben sind nach dem Redundanzprinzip doppelt verklebt. Sie sind linienförmig an Aluminiumprofilen und diese wiederum an einer Unterkonstruktion befestigt. Die Verbindung zwischen den Aluminiumprofilen und den Glasscheiben erfolgt über tragende Silikonverklebungen. Dabei werden die Glasscheiben durch mindestens zwei unabhängige Klebefugen in zwei Ebenen befestigt. Die erste Ebene stellt die Lagerung der Primärfuge dar. Die zweite Ebene, die Lagerung in einer Sekundärfuge, ist nach innen versetzt und im Normalzustand lastfrei. Dort sind zunächst unbelastete Z-Profile an den Glasscheiben aufgeklebt. Die Sekundärfuge wird aktiviert, sollte ein Versagen der Primärfuge auftreten. Dann senkt sich die Glasscheibe um maximal 9 mm ab, und die zusätzlich aufgeklebten Z-Profile verhaken sich hinter dem Aluminiumprofil. Die defekte Verklebung der Primärfuge wird somit äußerlich durch einen Versatz der Glasscheiben im Fugenbereich sichtbar. Die Sekundärfuge übernimmt die Lastabtragung der Verglasung bis zum Austausch und schließt somit eine eventuelle Gefährdung von Personen aus.
-
Aufgabe der Erfindung ist es, alternative Konstruktionen für redundante Scheibenhalterungen anzugeben.
-
Diese Aufgabe wird bei der eingangs genannten redundanten Scheibenhalterung dadurch gelöst, dass sie unterschiedlich belastbar ausgebildete erste und zweite Verklebungen aufweist. Die unterschiedliche Belastbarkeit bedeutet nicht, dass die eine Verklebung die Last vollständig und die andere Verklebung sie nicht vollständig übernehmen könnte. Selbstverständlich können sowohl die erste wie auch die zweite Verklebung erfindungsgemäß das gesamte Eigengewicht einer Scheibe und deren Belastungen aus den übrigen Einwirkungen auf die Konstruktion abtragen. Sie unterscheiden sich erfindungsgemäß jedoch hinsichtlich ihres Verhaltens in der Weise, dass sie unter Last ein unterschiedliches Verformungsverhalten, insbesondere unterschiedliche Verformungswege aufweisen. Dies führt dazu, dass diejenige Verklebung mit dem geringeren Verformungsweg zunächst die Hauptlast übernimmt, während die andere Verklebung erheblich geringer belastet bleibt. Sobald die erste Verklebung versagt und folglich anschließend vollkommen unbelastet ist, übernimmt die zweite Verklebung die volle Belastung samt zusätzlicher Einwirkungen. Aufgrund ihres höheren Verformungswegs unter Belastung stellt sich zudem der Verschiebeweg der Scheibe ein, der einen Wartungsbedarf optisch erkennen lässt.
-
Die Erfindung wendet sich also davon ab, zwei Verklebungen anzuordnen, von denen die eine vollkommen unbelastet und die andere vollständig belastet ist, und die Last im Versagensfall quasi schlagartig auf die bislang unbelastete Verklebung übertragen wird. Die schlagartige Lastübergabe beruht auf einer konstruktiven Belastungsdifferenzierung, wonach die zeitlich verschiedene Belastung der ersten und der zweiten Verklebung durch die Verklebung zunächst unbelasteter Z-Profile erfolgt. Die Erfindung verfolgt vielmehr das Prinzip, statt einer konstruktiven eine physikalische oder chemische Belastungsdifferenzierung vorzunehmen, wonach im Regelzustand die erste Verklebung stärker und die zweite Verklebung weniger stark belastet ist, beide Verklebungen aber konstruktiv zeitgleich involviert sind. Damit übernimmt die zweite Verklebung im Versagensfall der ersten Verklebung ebenfalls die vollständigen Belastungen aus Eigengewicht und zusätzlichen Einwirkungen, muss aber keine dynamischen Belastungen infolge des Versagens der ersten Verklebung auffangen.
-
Soweit erfindungsgemäß von einer zweiten Verklebung die Rede ist, sollen damit auch mehrere zweite Verklebungen umfasst sein. Theoretisch kann also auch eine dritte und vierte redundante Verklebung vorhanden sein, die jeweils im Sinne der obigen und der im Folgenden beschriebenen zweiten Verklebung ausgebildet sind. Der Einfachheit halber ist aber in der folgenden Beschreibung nur eine zweite Verklebung erwähnt, die die Anordnung einer dritten und weiterer Verklebungen nicht ausschließt. Damit kann eine weitere Steigerung der Sicherheit der Scheibenhalterung erreicht werden.
-
Grundsätzlich kann der unterschiedliche Verformungsweg der ersten Verklebung und der zweiten Verklebung physikalisch oder chemisch erzeugt werden. Nach einer ersten vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung können ein erster Klebstoff für die erste Verklebung und ein davon abweichender zweiter Klebstoff für die zweite Verklebung eingesetzt sein, wobei der erste Klebstoff im ausgehärteten Zustand eine höhere Steifigkeit aufweist als der zweite Klebstoff. Die Belastungsdifferenzierung bzw. die unterschiedlichen Verformungswege lassen sich folglich durch die Zusammensetzung der Klebstoffe bzw. durch eine Wahl unterschiedlicher Klebstoffe für die erste bzw. für die zweite Verklebung erzielen. Dabei übernimmt der steifere Klebstoff zunächst den überwiegenden Anteil der Belastungen aus Eigengewicht und sonstigen Einwirkungen, wohingegen die zweite Verklebung zunächst wesentlich geringer belastet bleibt. Damit bietet die erfindungsgemäße Scheibenhalterung eine denkbar einfache Montage, bei der lediglich auf den Einsatz zweier unterschiedlicher Klebstoffe bei im Übrigen identischen Verhältnissen geachtet werden muss. Die geringe Komplexität führt zu einer geringen Fehleranfälligkeit und damit zu einer zuverlässig funktionierenden Montage der Scheibenhalterung.
-
Die Verwendung unterschiedlicher Klebstoffe kann zudem die Wahrscheinlichkeit des Versagens z.B. infolge aggressiver Medien berücksichtigen, da die Sensitivität der Klebstoffe dafür unterschiedlich gewählt sein kann. Während die erste Verklebung eine geringe Anfälligkeit und damit eine hohe Dauerhaftigkeit aufweisen kann, kann die zweite Verklebung einen sensibleren und damit zum Beispiel kostengünstigeren oder einen besser zu verarbeitenden Klebstoff aufweisen. Ein sensiblerer Klebstoff wäre denkbar, weil nach Anzeige eines Wartungsbedarfs ohnehin von einer zeitlich geringeren Lebensdauer der zweiten Verklebung auszugehen ist. Grundsätzlich kann mit der Verwendung unterschiedlicher Klebstoffe Zweifeln an deren Verhalten gegenüber aggressiven Umwelteinflüssen argumentativ einfacher begegnet werden, wenn unterschiedliche Materialien mit unterschiedlicher Sensitivität verwendet werden. Sollte nämlich tatsächlich ein Klebstoff beispielsweise durch UV-Einstrahlung oder Wassereinwirkung versagen, kann noch der andere UV- oder wasserunempfindliche Klebstoff zur Verfügung stehen. Die Verwendung unterschiedlicher Klebstoffe bietet damit zusätzlich eine Redundanz auf Materialebene zusätzlich zur statischen Ebene.
-
Nach einer dazu alternativen zweiten Ausgestaltungsform der Erfindung kann die erste Verklebung eine geringere Materialdicke des Klebstoffs aufweisen als die Materialdicke des Klebstoffs der zweiten Verklebung. Die Material- bzw. Auftragsdicke des Klebstoffs ist dabei orthogonal zur Scheibenfläche zu betrachten, wohingegen sowohl die jeweilige Kontaktfläche der Klebstoffe in der Scheibenebene und in der Konstruktionsebene, als auch der Klebstoff selbst für die erste Verklebung und für die zweite Verklebung identisch sein können. Nach dieser Ausführungsform sind also keine unterschiedlichen Klebstoffe erforderlich, die eventuell zu Verwechslungen und damit zu einer fehlerhaften Montage führen könnten, sondern sie beruht auf demselben Klebstoff. Zu beachten ist lediglich die unterschiedliche Materialdicke, durch die sich die erste Verklebung von der zweiten Verklebung unterscheidet. Bei einer ebenen zu befestigenden Platte ist der Unterschied der Materialdicke konstruktiv auf der Seite der Konstruktion vorzusehen, dort also ein entsprechender größerer Raum für die zweite Verklebung auszubilden. Da sie also konstruktiv bereits vorgegeben ist, bleibt auch die Differenz zwischen der Dicke der ersten und der Dicke der zweiten Verklebung nicht dem Monteur überlassen, sondern lässt sich bereits werkseitig definieren. Da nur ein einziger Klebstoff erforderlich ist, bietet diese Art der redundanten Scheibenhalterung eine denkbar geringe Montagekomplexität, die wiederum zu einer geringen Fehleranfälligkeit und damit zu einer hohen Zuverlässigkeit der Montage beiträgt.
-
Das Sicherstellen unterschiedlicher Verformungswege per unterschiedlicher Materialdicke stellt quasi eine physikalische Belastungsdifferenzierung zwischen der ersten Verklebung und der zweiten Verklebung dar. Selbstverständlich lassen sich die beiden Prinzipien der chemischen und der physikalischen Belastungsdifferenzierung auch kombiniert anwenden, so dass sowohl Klebstoffe mit unterschiedlicher Steifigkeit, als auch Verklebungen mit unterschiedlicher Materialdicke ausgeführt werden können, um den erfindungsgemäßen Effekt unterschiedlicher Verformungswege noch zu unterstützen.
-
Die Aufgabe der Erfindung lässt sich außerdem durch ein redundantes Haltesystem mit einer Halterung bzw. den Verklebungen nach einer der oben beschriebenen Ausführungsformen umsetzen, das einen Träger mit einer Klebefläche zur Aufnahme von Klebstoff einer Verklebung umfasst, wobei der Träger dazu ausgebildet ist, zwischen der Konstruktion und der Scheibe angeordnet und befestigt zu werden. Der Träger verfügt dazu über Schnittstellen zur Befestigung an der Konstruktion, beispielsweise Schraubenlöcher, Schweißflächen oder dergleichen, die der weitgehend ebenen Klebefläche am Träger in der Regel gegenüber liegend angeordnet sind. Er bietet folglich eine definierte Klebefläche, die beispielsweise hinsichtlich ihrer flächenmäßigen Größe und/oder ihrer Oberfläche auf eine Verklebung hin optimiert ist. Der Träger kann darüber hinaus entweder nur eine der beiden Verklebungen oder beide Verklebungen tragen. Trägt er nur eine Verklebung, sind je Klebstelle mindestens zwei Träger vorzusehen.
-
Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung des Haltesystems kann der Träger eine gestufte Klebefläche mit einer ersten Klebefläche für die erste Verklebung und eine ihr gegenüber parallel versetzte zweite Klebefläche für die zweite Verklebung aufweisen. Das Maß des Parallelversatzes der beiden Klebeflächen am Träger zueinander kann die Differenz der Auftragsdicke der ersten und der zweiten Verklebung gemäß der obigen Halterung mit physikalischer Belastungsdifferenzierung definieren. Werden die erste und die zweite Verklebung mit demselben Klebstoff ausgeführt, unterscheiden sie sich im Wesentlichen durch eine Differenz der Auftragsdicke, die im Träger schon werkseitig definiert sein kann. Damit kann das Haltesystem die wesentlichen Parameter der ersten und der zweiten Verklebung definieren, so dass Montagefehler soweit wie möglich ausgeschlossen sind. Der Träger kann folglich eine vordefinierte und weitgehend verwechslungsfreie Montage der Scheiben vorgeben.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung kann das redundante Haltesystem über eine Kapselung einer oder beider Verklebungen gegen Umwelteinflüsse verfügen. Relevante Umwelteinflüsse können beispielsweise Sonnenbestrahlung, saurer Regen, Luftfeuchtigkeit oder dergleichen sein, die eine Verklebung altern und deren Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit belasten oder auch zu ihrem Aushärten beitragen können. Die Kapselung kann schädigende Einflüsse verhindern und so die Lebensdauer des Haltesystems beträchtlich steigern. Bei luftaushärtenden Verklebungen kann die Kapselung einen Luftzutritt und Feuchteausgleich erlauben, der zugleich auch für eine Abfuhr von Schwitzwasser sorgen kann. Mit einer Kapselung nur der zweiten Verklebung konzentriert sich ein Alterungseinfluss lediglich auf die erste Verklebung, womit die zweite Verklebung im Versagensfall der ersten Verklebung uneingeschränkt zur Verfügung steht. Damit lässt sich die Zuverlässigkeit des redundanten Haltesystems steigern.
-
Alternativ kann umgekehrt die erste Verklebung gekapselt ausgebildet sein, so dass die erste Verklebung geschützt und die zweite Verklebung verstärkt einem nachhärtenden Einfluss zum Beispiel der Luftfeuchtigkeit oder der UV-Einwirkung ausgesetzt sein können. Damit bietet sich eine weitere situations- oder materialabhängige Variante der redundanten Verklebung.
-
Eine Kapselung der Verklebungen lässt sich konstruktiv bewerkstelligen, indem die Verklebung bereits bei ihrer Montage oder anschließend mit einer starren oder elastischen Hülle umgeben wird. Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung kann die Kapselung der einen, beispielsweise der zweiten Verklebung in der anderen, im Beispiel der ersten Verklebung bestehen. Dazu kann die erste Verklebung die zweite Verklebung quasi ringförmig umgeben. Solange also die erste Verklebung intakt ist, schützt sie zugleich die zweite Verklebung vor potentiell schädigenden Umwelteinflüssen. Auf diese Weise kann der Aufwand für die Montage einer Kapselung entfallen, was die Herstellung des redundanten Haltesystems verbilligt.
-
Die oben erwähnte Aufgabe wird bei der eingangs genannten redundante Scheibenhalterung und dem redundanten Halterungssystem für verklebte Scheiben einer Fassadenbekleidung mit einer mechanischen Haltevorrichtung einer Scheibe an einer Konstruktion, die das Eigengewicht der Scheibe auf die Konstruktion abträgt, dadurch gelöst, dass sie konstruktiv oder physikalisch oder chemisch unterschiedlich belastbar ausgebildete erste Verklebungen und zweite Verklebungen umfasst.
-
Die ersten und zweiten Verklebungen können also in der oben beschriebenen Weise einer physikalischen oder chemischen Belastungsdifferenzierung unterliegen, womit sie von Beginn an unterschiedlich belastbar ausgebildet sind. Alternativ können sie nach dem Stand der Technik einer konstruktiven Belastungsdifferenzierung unterliegen, also grundsätzlich gleich belastbar sein, aber konstruktiv bedingt während der Lebensdauer zeitlich unterschiedlich belastet werden, nämlich zuerst die erste Verklebung und nach deren Versagen erst die zweite Verklebung, jeweils allein für sich. Abweichend von den bisher beschriebenen Scheibenhalterungen und Haltesystemen wird das Eigengewicht der Scheiben beispielsweise durch mechanische Klotzung abgetragen. Nur die Belastungen aus den weiteren bzw. veränderlichen Einwirkungen wie Wind tragen die ersten Verklebungen ab. Versagen sie, springen die zweiten Verklebungen in der oben bereits beschriebenen Weise ein.
-
Damit kann statt der zum Beispiel in Deutschland ab 8 m Einbauhöhe allein zulässigen SSG-Fassadenkonstruktion nach Typ I der ETAG 002 auch eine solche nach Typ I zulässig werden. Der Typ II bietet den Vorteil, dass nur eine mechanische Halterung für das Eigengewicht nötig ist - die bei vertikalen Scheiben evtl. nur bis in die Scheibenfuge hinein, bei geneigten oder waagrechten Scheiben einer Überkopfverglasung durch die Scheibenebene hindurch ragen - und die Fassadenfläche im Übrigen nicht durch umgreifende Sogsicherungen gestört wird.
-
Das Prinzip der Erfindung wird im Folgenden anhand einer Zeichnung beispielshalber noch näher erläutert. In der Zeichnung zeigen:
- 1: ein erstes Haltesystem aus Träger und unterschiedlichen Klebstoffen,
- 2: das Haltesystem nach Versagen der ersten Verklebung,
- 3: ein zweites Haltesystem mit Träger und unterschiedlichen Klebstoffdicken,
- 4: das Haltesystem nach Versagen der ersten Verklebung.
-
1 zeigt ein erstes Ausführungsbeispiel für ein erfindungsgemäßes redundantes Haltesystem für Fassadenscheiben aus einem Träger 1, der zwischen einer Unterkonstruktion 2 und einer Glasscheibe 3 angeordnet ist. Der Träger 1 ist in dem dargestellten Querschnitt symmetrisch zur Achse a und T-förmig ausgestaltet und umfasst einen Stiel 11 und einen Querbalken 12. Das freie Ende des Stiels 11 bildet einen Kopplungspunkt 13 mit der Unterkonstruktion 2. Der Träger 1 kann dort verschraubt, verschweißt oder anderweitig an der Unterkonstruktion 2 befestigt sein, was für den Erfindungsgegenstand im Übrigen keine wesentliche Bedeutung hat. Auf seiner dem Stiel 11 abgewandten Seite trägt der Querbalken 12 eine ebene Klebefläche 14. Sie ist dazu eingerichtet und ausgestaltet, einen geeigneten Haftgrund für Klebstoffe zu bieten. Die Klebstoffe, vorliegend auf der Basis von Silikon, bilden eine außenliegende erste Verklebung 22 und eine dazwischen angeordnete zweite Verklebung 24. Prinzipiell kann die Klebefläche 14 auch unmittelbar auf der Unterkonstruktion 2 aufgebracht sein. In der dargestellten Ausführungsform bietet sie aber den Vorteil, dass sie beispielsweise bis zum Zeitpunkt des Aufbringens des Klebstoffs für die Verklebungen 22, 24 gegen physikalische oder chemische Einflüsse besonders geschützt sein kann. Um einen insofern möglichst guten Haftgrund für die Verklebungen darzustellen, kann sie beispielsweise mit einer Schutzfolie versehen sein. Alternativ oder zusätzlich kann der Träger 1 zu Verbesserung der Verklebung und unabhängig von der Unterkonstruktion 2 geeignet temperiert werden. Die Verklebungen 22, 24 verbinden die Glasscheibe 3 mit der Klebefläche 14 und damit mit dem Träger 1.
-
Die außenliegende Verklebung stellt die erste Verklebung 22 dar, die innenliegende Verklebung die zweite Verklebung 24. Die Klebstoffe der ersten Verklebung 22 und der zweiten Verklebung 24 sind mit derselben Auftragsdicke bzw. in derselben Mächtigkeit aufgebracht und nehmen weitgehend dieselbe Klebefläche ein. Allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und ihrer Steifigkeit im ausgehärteten Zustand: während die erste Verklebung 22 unter Last einen geringen Verformungsweg zeigt, weist die zweite Verklebung 24 bei ansonsten identischen Bedingungen einen größeren Verformungsweg unter derselben Last auf. Dies hat zur Folge, dass die gleichzeitig montierten, ausgehärteten und belasteten Verklebungen 22, 24 durch dieselbe Glasscheibe 3 unterschiedlich belastet werden. Die steifere erste Verklebung 22 übernimmt die Hauptlast aus der Glasscheibe 3. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Eigengewicht der Glasscheibe, aber auch aus den übrigen auf die Glasscheibe einwirkenden Belastungen, wie beispielsweise Winddruck- oder Windsogkräfte, Anpralllasten oder dergleichen. Die zweite Verklebung 24 dagegen weicht der Belastung aufgrund ihrer geringeren Steifigkeit quasi aus, so dass sie wesentlich geringer belastet ist.
-
Mangels entsprechender Lastübernahme unterliegt die zweite Verklebung 24 einem schwächeren Alterungsprozess als die erste Verklebung 22. Es ist davon auszugehen, dass daher die erste Verklebung 22 zu einem früheren Zeitpunkt versagt als die zweite Verklebung 24. Dabei ist es an sich unerheblich, ob es sich um ein adhäsives Versagen handelt, wie in den Figuren dargestellt, oder um eine kohäsives oder um Mischformen aus beiden. Mit Eintreten des Versagens der ersten Verklebung 22 jedenfalls übernimmt anschließend die zweite Verklebung 24 die volle Last aus der Glasscheibe 3. Aufgrund ihrer geringeren Steifigkeit gibt sie jedoch unter der vollen Last der Glasscheibe 3 um einen Verformungsweg s nach, wie in 2 dargestellt. Infolge des Versagens der ersten Verklebung 22 und der Belastungsübernahme durch die zweite Verklebung 24 erfährt die Glasscheibe 3 also eine Lageänderung, die insbesondere gegenüber benachbarten Glasscheiben mit ungerissener erster Verklebung 22 deutlich hervortritt und einen Wartungsbedarf anzeigen kann. Damit erhält die geringere Steifigkeit der zweiten Verklebung 24 eine Doppelfunktion, nämlich einerseits diejenige einer Belastungsdifferenzierung zwischen der ersten Verklebung 22 und der zweiten Verklebung 24, und andererseits diejenige der Darstellung eines erkennbaren Verformungswegs im Falle des Versagens der ersten Verklebung 22.
-
Die erfindungsgemäße Anordnung bewirkt eine Belastungsdifferenzierung hinsichtlich der Belastung der Verklebungen 22 und 24 im Laufe ihrer Lebensdauer. Weil sich die Belastungsdifferenzierung aus den unterschiedlichen Steifigkeiten der ersten Verklebung 22 und der zweiten Verklebung 24 und jene wiederum aus der unterschiedlichen chemischen Formulierung der dafür verwendeten Klebstoffe ergibt, lässt sie sich als chemische Belastungsdifferenzierung bezeichnen. So können steifere Acrylatklebstoffe für die erste Verklebung und weichere Silikonklebstoffe für die zweite Verklebung eingesetzt werden. Gewöhnlich sind die Schichtdicken bei Acrylatklebstoffen in der Regel erheblich dünner als bei Silikonklebstoffen, die in Dicken zwischen 2 mm und 12 mm verwendet werden.
-
3 zeigt eine weitere Ausführungsform der Erfindung mittels sog. physikalischer Belastungsdifferenzierung: Bei an sich unveränderter Unterkonstruktion 2 und Glasscheibe 3 weist das redundante Haltesystem gemäß 3 einen im Querschnitt ebenfalls prinzipiell T-förmigen Träger 4 auf, dessen Stiel 11, wie zuvor in 1 beschrieben, an der Unterkonstruktion 2 befestigt werden kann, dessen Querbalken 12 jedoch eine abweichende, nämlich gestufte Klebefläche 14 aufweist: sie umfasst damit eine innere, von der Glasscheibe 3 entfernter liegende Klebefläche 15, und eine äußere, der Glasscheibe 3 näher liegende Klebefläche 16. Die innere Klebefläche 15 und die äußere Klebefläche 16 liegen in grundsätzlich parallelen Ebenen zueinander und zur Erstreckungsebene der Glasscheibe 3, weisen aber zueinander einen Parallelversatz d von wenigen mm bzw. cm auf.
-
Zwischen dem Träger 4 und der Glasscheibe 3 sind ebenfalls eine erste Verklebung 26 und eine zweite Verklebung 28 angeordnet. Die erste Verklebung 26 ist auf der äußeren Klebefläche 16 aufgebracht, die zweite Verklebung 28 auf der inneren Klebefläche 15. Da die Glasscheibe 3 zumindest im Bereich des Trägers 4 eben ist, weisen die erste Verklebung 26 und die zweite Verklebung 28 eine unterschiedliche Dicke auf, die sich um das Maß des Parallelversatzes d unterscheidet. Die erste Verklebung 26 und die zweite Verklebung 28 nehmen grundsätzlich die gleiche Kontakt- oder Klebefläche an der Glasscheibe 3 bzw. am Träger 4 ein und bestehen aus demselben Klebstoff. Aufgrund ihrer geringeren Mächtigkeit bei gleicher Kontaktfläche unterliegt die erste Verklebung 26 im ausgehärteten Zustand einer höheren Belastung als die zweite Verklebung 28. Auch jetzt übernimmt folglich die erste Verklebung 26 die Hauptlast aus der Glasscheibe 3, während die zweite Verklebung 28 nur einen geringeren Anteil zur Lastabtragung beiträgt. Aufgrund der höheren Beanspruchung unterliegt daher wiederum die erste Verklebung 26 stärkeren Alterungsprozessen als die zweite Verklebung 28, was die erste Verklebung 26 voraussichtlich früher versagen lässt.
-
Diese Situation ist in 4 dargestellt. Die erste Verklebung 26 hat den Kontakt zur Glasscheibe 3 verloren, so dass jene ausschließlich über die zweite Verklebung 28 am Träger 4 gehalten wird. Aufgrund ihrer größeren Mächtigkeit gibt die zweite Verklebung 28 nun unter der vollen Last der Glasscheibe 3 stärker nach als die erste Verklebung 26 tat.
-
Auch hier ergibt sich daher ein Verformungsweg s, der die zur 2 bereits beschriebene erwünschte Lageänderung der Glasscheibe 3 um den Verschiebeweg s hervorruft.
-
Die Haltesysteme gemäß 1 bis 4 sind für eine Überkopfmontage der Glasscheiben 3 dargestellt. Die Richtungen der wesentlichen Belastungen, die die Verklebungen 22, 24, 26, 28 auf die Konstruktion 2 abtragen müssen, fallen zusammen. Der Verformungsweg s stellt sich in derselben Richtung abwärts und orthogonal zur Konstruktionsebene der Unterkonstruktion 2 ein, vorliegend einer Decke oder eines horizontalen Trägers. Die erfindungsgemäßen Haltesysteme gemäß 1 bis 4 lassen sich aber auch in weiteren Einbausituationen anwenden, insbesondere auch als Haltesysteme vertikal oder geneigt ausgerichteter Glasscheiben, beispielsweise an Außenfassaden. In diesen Fällen verläuft der Verformungsweg s ebenfalls vertikal abwärts, auf die 1 bis 4 bezogen beispielsweise senkrecht zur Zeichnungsebene. Das Prinzip und die Vorteile des erfindungsgemäßen Haltesystems bleiben damit aber unverändert erhalten.
-
Die Darstellungen gemäß 1 bis 4 legen eine rotationssymmetrische Ausgestaltung des Trägers 1, 4 um die Achse a nahe. Bei ebenfalls rotationssymmetrischer Anordnung der ersten Verklebungen 22, 26 und der zweiten Verklebungen 24, 28 ergibt sich deren konzentrische Anordnung zueinander, so dass die ersten Verklebungen 22, 26 die zweiten Verklebungen 24, 28 vollständig umgeben. Die ersten Verklebungen 22, 26 kapseln damit die zweiten Verklebungen 24, 28 vollständig gegenüber Umwelteinflüssen ab. Dies führt dazu, dass die zweiten Verklebungen 24, 28 besonders geschützt angeordnet sind, so dass sie auch aus diesem Grund zusätzlich einem langsameren Alterungsprozess unterworfen sind als die ersten Verklebungen 22, 26. Dies schließt jedoch nicht aus, dass beispielsweise unterseitige Öffnungen bei vertikaler Anordnung vorgesehen sind, die ein Ablaufen von Schwitzwasser oder einen für die Aushärtung notwendigen Luft- bzw. Luftfeuchtigkeitszutritt zulassen.
Die Darstellungen der Träger 1, 4 in den 1 bis 4 sind jedoch nicht einschränkend als rotationssymmetrische Punkthalter zu verstehen. Als Punkthalter können sie auch einen quadratischen, rechteckigen, elliptischen oder sonstigen Querschnitt aufweisen. Darüber hinaus können die Darstellungen der Träger 1, 4 in den 1 bis 4 auch als Querschnitt durch eine lineare Ausgestaltung als Trägerleiste bzw. Trägerbalken aufgefasst werden, ohne Abstriche in ihrer erfinderischen Funktion zu bedingen.
-
Schließlich können die beiden separat dargestellten Prinzipien nach 1 und 2 (chemische Belastungsdifferenzierung) bzw. gemäß 3, 4 (physikalische Belastungsdifferenzierung) auch in Kombination miteinander eingesetzt werden. Dies schließt auch nicht aus, dass sie in Reinform oder Kombination mit einer mechanisch-konstruktiv redundanten Halterung gemäß Stand der Technik kombiniert werden.
-
Da es sich bei den vorhergehenden, detailliert beschriebenen Trägern und Verklebungen um Ausführungsbeispiele handelt, können sie in üblicher Weise vom Fachmann in einem weiten Umfang modifiziert werden, ohne den Bereich der Erfindung zu verlassen. Insbesondere können auch die konkreten Ausgestaltungen der Anordnung der Verklebungen in anderer Form als in der hier beschriebenen erfolgen. Sie brauchen beispielsweise nicht zwingend in unmittelbarerer räumlicher Nähe zueinander angeordnet zu sein. Ebenso kann der Träger in einer anderen als einer symmetrischen Form ausgestaltet werden, wenn dies aus Platzgründen bzw. designerischen Gründen notwendig ist. Weiterhin schließt die Verwendung der unbestimmten Artikel „ein“ bzw. „eine“ nicht aus, dass die betreffenden Merkmale auch mehrmals oder mehrfach vorhanden sein können.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Träger
- 2
- Unterkonstruktion
- 3
- Glasscheibe
- 4
- Träger
- 11
- Stiel
- 12
- Querbalken
- 13
- Kopplungspunkt
- 14
- Klebefläche
- 15
- innere Klebefläche
- 16
- äußere Klebefläche
- 22
- erste Verklebung
- 24
- zweite Verklebung
- 26
- erste Verklebung
- 28
- zweite Verklebung
- a
- Achse
- d
- Versatz
- s
- Verformungsweg