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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung. Die Erfindung betrifft ferner eine Vorrichtungsanordnung zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
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Fahrzeuge werden in zunehmendem Ausmaß mit sensitiven Schalt-, Bedien- oder sonstigen Eingabeelementen ausgestattet. Sensitiv soll hier bedeuten, dass die Benutzerschnittstelle (engl.: Human Machine Interface, HMI), über die der Benutzer in einem Fahrzeug mit einer bestimmten Vorrichtung des Fahrzeugs in Kontakt tritt, auf eine Berührung reagiert. Insbesondere sollen hier Benutzerschnittstellen betrachtet werden, die keine ausgeprägte mechanische Betätigung erfordern, wie etwa das Kippen oder Drehen eines Schalters in vorgegebene, definierte Schaltpositionen oder das Betätigen eines Blinkerhebels, sondern lediglich eine einfache Berührung durch die Hand oder einen oder mehrere Finger des Benutzers. Beispiele hierfür sind berührungsempfindliche Schalter eines Multifunktionslenkrads zur Auslösung bestimmter Funktionen (Tempomat, Lautstärkeregelung etc.) oder eine durch Berührung einer bestimmten Oberfläche des Lenkrads bzw. der Abdeckung des Fahrer-Frontairbags betätigbare Hupe.
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Bei solchen Benutzerschnittstellen kann es vorkommen, dass sie unbewusst berührt werden, insbesondere wenn der Fahrer gerade ein- oder ausparkt und seine Hände immer wieder von Neuem am Lenkrad angreifen. Dadurch bedingte Fehleingaben bzw. Fehlbedienungen können unangenehme Folgen haben, beispielsweise wenn durch eine unbewusste Berührung unnötig die Hupe des Fahrzeugs betätigt wird.
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Aufgabe der Erfindung ist es, solche Fehleingaben bzw. Fehlbedienungen bei berührungsempfindlichen Benutzerschnittstellen möglichst effektiv zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.
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Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch eine Vorrichtungsanordnung zur Durchführung dieses Verfahrens mit den Merkmalen des Anspruchs 10. Vorteilhafte und zweckmäßige Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens und der erfindungsgemäßen Vorrichtungsanordnung sind in den zugehörigen Unteransprüchen angegeben.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung umfasst folgende Schritte: Eine sensitive Eingabevorrichtung detektiert eine Berührung, mit der eine Aktion angefordert wird. Infolge der Berührung übermittelt die sensitive Eingabevorrichtung ein Schaltsignal an eine Steuereinrichtung. Der Steuereinrichtung wird wenigstens eine zusätzliche Information zugeführt, die im Zusammenhang mit der Ausführung der angeforderten Aktion von Bedeutung ist. Die Steuereinrichtung führt eine Plausibilitätsprüfung unter Einbeziehung des Schaltsignals und der wenigstens einen zusätzlichen Information durch. Die angeforderte Aktion wird in Abhängigkeit des Ergebnisses der Plausibilitätsprüfung entweder durchgeführt oder unterbunden.
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Unter einem „Schaltsignal“ soll im Sinne der Erfindung jegliches Signal oder jegliche sonstige Information verstanden werden, das bzw. die unmittelbar nach dem Berühren von der Eingabevorrichtung an die Schalteinrichtung zu dem Zweck übermittelt wird, die Ausführung der der Berührung zugeordneten Aktion anzufordern.
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Die Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass die meisten Fehleingaben bei sensitiven Eingabevorrichtungen auf einer unbewussten und damit ungewollten Berührung der Eingabevorrichtung basieren. Das erfindungsgemäße Verfahren schlägt deshalb eine Plausibilitätsprüfung vor, die feststellen soll, ob die Berührung - aller Wahrscheinlichkeit nach - gewollt oder ungewollt war. Dazu wird wenigstens eine zusätzliche Information hinzugezogen und ausgewertet. Bei dieser zusätzlichen Information handelt es sich um eine Information, die Aufschluss über die aktuelle Situation und/oder relevante Begleitumstände gibt. Im Falle einer sensitiven Eingabevorrichtung in einem Fahrzeug kann die zusätzliche Information beispielsweise die aktuelle Fahrsituation oder einen bestimmten Fahrzeugzustand betreffen. Auf der Grundlage dieser zusätzlichen Information kann entschieden werden, ob die angeforderte Aktion unter den gegebenen Umständen sinnvoll ist und durchgeführt werden soll oder eben nicht. Es kann angenommen werden, dass mithilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens Fehleingaben bei sensitiven Eingabevorrichtungen in Kraftfahrzeugen um ca. 75 % reduziert werden können.
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Fällt die Plausibilitätsprüfung in der Steuereinrichtung positiv aus, soll die angeforderte Aktion durchgeführt werden. Die Erfindung sieht für diesen Fall vor, dass die Steuereinrichtung ein Schaltsignal an eine Benutzerschnittstelle der Eingabevorrichtung weitergibt. Erst durch dieses Schaltsignal, das als „plausibilisiertes“ Schaltsignal bezeichnet werden kann, wird die angeforderte Aktion dann auch tatsächlich ausgelöst. Im anderen Fall, also bei einem negativen Ergebnis der Plausibilitätsprüfung, wird entweder kein Schaltsignal an die Benutzerschnittstelle der Eingabevorrichtung weitergegeben, oder es wird eine andere Aktion ausgelöst, wie etwa die Ausgabe eines bestimmten akustischen, optischen oder sonstigen Hinweises, der den Benutzer auf die Fehleingabe hinweist.
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Die zusätzliche Information, die zur Plausibilitätsprüfung herangezogen wird, kann wenigstens ein Messsignal oder einen Messwert eines Sensors beinhalten. Das Messsignal bzw. der Messwert sollte repräsentativ für einen bestimmten Zustand oder Umstand sein, der für die Sinnhaftigkeit der angeforderten Aktion von Bedeutung ist. Im Falle einer als Lenkrad ausgeführten Vorrichtungsanordnung kann die zusätzliche Information dabei entweder von außerhalb des Lenkrads zugeführt oder im Lenkrad selbst erzeugt oder gemessen werden, zum Beispiel durch entsprechende Sensoren im Lenkrad.
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Bei einer sensitiven Eingabevorrichtung in einem Fahrzeug, insbesondere für eine Hupe, kann als Messsignal bzw. Messwert der aktuelle Lenkwinkel in die Entscheidung, ob die angeforderte Aktion (Hupen) tatsächlich durchgeführt werden soll oder ob von einer Fehlbedienung auszugehen ist, einbezogen werden. Zusätzlich oder alternativ kann ein Messsignal bzw. Messwert der Lenkwinkelgeschwindigkeit berücksichtigt werden. Der aktuelle Lenkwinkel bzw. die aktuelle Lenkwinkelgeschwindigkeit geben Auskunft darüber, ob das Fahrzeug gerade ein- bzw. ausgeparkt, rangiert oder in ähnlicher Weise manövriert wird. In einer solchen Situation kann angenommen werden, dass der Fahrer keine Eingabe beabsichtigt, insbesondere keine Hupenbetätigung, sondern vermutlich nur versehentlich die Eingabevorrichtung berührt hat. Dank des erfindungsgemäßen Verfahrens wird in einem solchen Fall die angeforderte Aktion unterbunden.
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Ein weiteres Beispiel für einen Anwendungsfall, in dem die Berücksichtigung der zusätzlichen Information, insbesondere des aktuellen Lenkwinkels bzw. der aktuellen Lenkwinkelgeschwindigkeit, sinnvoll sein kann, ist die Gestenerkennung in einem beheizten Lenkrad. Eine „intelligente“ Lenkradheizung kann die Position einer Hand am Lenkrad erkennen und ggf. nachverfolgen und heizt dementsprechend nur dort, wo sich die Hand gerade befindet. Wenn der Fahrer aber gerade ein- bzw. ausparkt und immer wieder von Neuem am Lenkrad angreift, macht das lokale Heizen aufgrund der schnellen Positionswechsel der Hand keinen Sinn. Das erfindungsgemäße Verfahren kann eine solche Situation erkennen und entweder gar nicht oder das gesamte Lenkrad heizen, bis wieder eine normale Fahrsituation vorliegt.
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Im einfachsten Fall wird im Rahmen der Plausibilitätsprüfung geprüft, ob das der Steuereinrichtung zugeführte Messsignal bzw. der Messwert einen Schwellenwert über- oder unterschreitet. Der Schwellenwert kann grundsätzlich entweder fest vorgegeben oder dynamisch an bestimmte Umstände anpassbar sein.
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Gemäß einer ersten Ausführungsform der Erfindung wird die zusätzliche Information von einem fahrzeugseitigen System bereitgestellt, insbesondere von einem Bus-System. Diese Lösung bietet sich für den Fall an, dass die zusätzliche Information ohnehin eine regelmäßig erfasste bzw. überwachte Zustandsgröße ist. Der aktuelle Wert dieser Zustandsgröße kann über das fahrzeugseitige Bus-System ohne besonderen Aufwand der Steuereinrichtung zur Verfügung gestellt werden.
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Gemäß einer zweiten Ausführungsform der Erfindung wird die zusätzliche Information von einer eigens für die Durchführung des Verfahrens vorgesehenen Sensoreinrichtung an die Steuereinrichtung übermittelt. Diese Lösung deckt den Fall ab, dass die zusätzliche Information nicht standardmäßig zur Verfügung steht. Die zusätzliche Information wird deshalb von einer speziell für das erfindungsgemäße Verfahren eingesetzten Sensoreinrichtung erfasst und an die Steuereinrichtung gesendet.
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Die Erfindung schafft auch eine Vorrichtungsanordnung zur Durchführung des oben definierten Verfahrens. Die erfindungsgemäße Vorrichtungsanordnung umfasst eine sensitive Eingabevorrichtung, mit der durch Berührung eine Aktion angefordert werden kann. Die sensitive Eingabevorrichtung ist eingerichtet zur Übermittlung eines Schaltsignals. Die erfindungsgemäße Vorrichtungsanordnung umfasst darüber hinaus eine Steuereinrichtung, die eingerichtet ist zum Empfang des Schaltsignals, zum Empfang wenigstens einer zusätzlichen Information, die im Zusammenhang mit der Ausführung der angeforderten Aktion von Bedeutung ist, und zur Durchführung einer Plausibilitätsprüfung unter Einbeziehung des Schaltsignals und der wenigstens einen zusätzlichen Information. Insbesondere ist die Vorrichtungsanordnung eine Lenkvorrichtungsanordnung eines Fahrzeugs.
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Bezüglich der Vorteile der erfindungsgemäßen Vorrichtungsanordnung wird auf die obigen Ausführungen zum erfindungsgemäßen Verfahren verwiesen.
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Gemäß der ersten Ausführungsform der Erfindung wird auf ein vorhandenes Bus-System zurückgegriffen, das zur Bereitstellung der zusätzlichen Information eingerichtet ist.
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Gemäß der zweiten Ausführungsform der Erfindung umfasst die Vorrichtungsanordnung eine eigene Sensoreinrichtung, die zur Erfassung der zusätzlichen Information oder dafür erforderlicher Messsignale oder Messwerte und zur Übermittlung der zusätzlichen Information an die Steuereinrichtung eingerichtet ist.
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Eine der bevorzugten Anwendungen der Erfindung ist die Vermeidung einer Fehlbedienung einer Fahrzeughupe. Dementsprechend ist in diesem Fall die sensitive Eingabevorrichtung Teil einer Fahrzeughupe.
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Die Steuereinrichtung ist in diesem Anwendungsfall oder auch bei anderen lenkradbezogenen Anwendungen vorzugsweise in ein Lenkstock-Elektronikmodul integriert. Die für die Erfindung erforderlichen Funktionen lassen sich mit den im Elektronikmodul ohnehin vorhandenen elektronischen Bauteilen bewerkstelligen, oder es sind nur geringfügig leistungsfähigere Komponenten erforderlich. Jedenfalls kann auf eine separate Steuereinheit verzichtet werden.
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Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und aus den beigefügten Zeichnungen, auf die Bezug genommen wird. In den Zeichnungen zeigen:
- - 1 ein schematisches Blockdiagramm einer ersten Ausführungsform der Erfindung; und
- - 2 ein schematisches Blockdiagramm einer zweiten Ausführungsform der Erfindung.
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In 1 ist eine erste Ausführungsform eines Systems zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung dargestellt. Eine Steuereinrichtung (ECU) empfängt von der sensitiven Eingabevorrichtung ein eindeutiges Schaltsignal. Im Falle einer Fahrzeughupe wäre dies etwa ein Signal infolge einer Berührung eines Oberflächenbereichs des Lenkrads, der für die Hupenbetätigung vorgesehen ist (Hupenbetätigungsfläche), durch den Fahrer.
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Bevor jedoch die dem Schaltsignal zugewiesene Aktion (Hupen) durchgeführt wird, erfolgt in der Steuereinheit eine Plausibilitätsprüfung. Der Steuereinrichtung wird zu diesem Zweck wenigstens eine zusätzliche Information zur Verfügung gestellt. Diese Information kann insbesondere ein Messsignal sein, das im Zusammenhang mit der Ausführung der Aktion von Bedeutung ist.
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Die Zusatzinformation wird der Steuereinrichtung gemäß der ersten Ausführungsform über ein Bus-System des Fahrzeugs zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass diese Information fahrzeugseitig ohnehin bereits bekannt ist, da sie z.B. auch für andere Zwecke benötigt und regelmäßig erfasst wird.
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Wie in
1 angedeutet, kann die Zusatzinformation der aktuelle Lenkwinkel φ oder die aktuelle Lenkwinkelgeschwindigkeit
sein. Der Steuereinrichtung können auch mehrere solcher zusätzlichen Informationen zugeführt werden.
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In der Steuereinrichtung wird die Zusatzinformation im Rahmen der Plausibilitätsprüfung logisch mit dem Schaltsignal und, falls erforderlich oder sinnvoll, weiteren Parametern verknüpft. Die Plausibilitätsprüfung ergibt entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis. Im Falle eines positiven Ergebnisses wird ein (plausibilisiertes) Schaltsignal an die Benutzerschnittstelle der Eingabevorrichtung weitergegeben, was zur Ausführung der dem ursprünglichen Schaltsignal zugewiesenen Aktion führt. Im Falle eines negativen Ergebnisses der Plausibilitätsprüfung wird dagegen kein solches (plausibilisiertes) Schaltsignal an die Benutzerschnittstelle weitergegeben, sodass die Ausführung der Aktion unterbleibt.
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Beispielsweise überprüft die Steuereinrichtung, ob sich vor, während oder unmittelbar nach der Berührung der Hupenbetätigungsfläche der Lenkwinkel stark ändert, d.h. ob die Lenkwinkelgeschwindigkeit über einem vorgegebenen Schwellenwert liegt. In einem solchen Fall kann angenommen werden, dass der Fahrer gerade ein- bzw. ausparkt, rangiert oder ein ähnliches Fahrmanöver durchführt und dabei nur versehentlich die Hupenbetätigungsfläche berührt hat. Die Plausibilitätsprüfung ergibt also ein negatives Ergebnis. Dementsprechend wird kein Schaltsignal an die Benutzerschnittstelle weitergegeben, und die Hupe wird nicht betätigt.
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Diese Entscheidung kann auch auf der Grundlage des aktuellen absoluten Lenkwinkels getroffen werden. Liegt etwa der Lenkwinkel über einem vorgegebenen Schwellenwert, kann ebenfalls angenommen werden, dass der Fahrer gerade einparkt, rangiert oder ein ähnliches Fahrmanöver durchführt. Selbstverständlich können auch beide Werte (Lenkwinkelgeschwindigkeit und Lenkwinkel) und gegebenenfalls weitere Informationen, die auch über einen längeren Zeitraum eingeholt worden sein können, als Eingangsgrößen herangezogen und in die Entscheidung über die tatsächliche Ausführung der vermeintlich gewünschten Aktion (Betätigung der Hupe) einbezogen werden.
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Die Steuereinrichtung kann eine separate Einheit sein oder in eine übergeordnete Steuervorrichtung integriert sein, wie etwa in das Lenkstock-Elektronikmodul des Fahrzeugs.
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In 2 ist eine zweite Ausführungsform des Systems zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung dargestellt. Diese Ausführungsform unterscheidet sich von der zuvor beschriebenen ersten Ausführungsform dadurch, dass die der Steuereinrichtung im Rahmen der Plausibilitätsprüfung zugeführte zusätzliche Information nicht über ein Bus-System des Fahrzeugs zur Verfügung gestellt wird, sondern von einer eigenen Sensoreinrichtung des Systems zur Vermeidung von Fehleingaben.
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Das oben beschriebene System zur Vermeidung von Fehleingaben bei einer sensitiven Eingabevorrichtung ist nicht auf die beispielhaft erläuterten Anwendungen beschränkt. Das System kann bei jeglicher bewegten sensitiven Eingabevorrichtung (z.B. bewegte Displays etc.) eingesetzt werden. Bei fahrzeugbezogenen Systemen kommen als zusätzliche Informationen, die in die Plausibilitätsprüfung einbezogen werden können, neben dem Lenkwinkel und der Lenkwinkelgeschwindigkeit u.a. auch die Fahrzeuggeschwindigkeit und ein zurückgelegter Weg des Fahrzeugs (z.B. innerhalb einer bestimmten vorangegangenen Zeitspanne) in Betracht. Die zusätzlichen Informationen können allgemein zur Bildung von Kriterien zur Abschaltung sensitiver Systeme wie z.B. berührungsempfindlicher Schalter oder einer Gestenerkennung im Lenkrad genutzt werden.