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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kalibrierung eines Simulationsmodells zur Berechnung der Funktionalität einer Abgasnachbehandlungseinrichtung für eine Verbrennungskraftmaschine.
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Aus dem allgemeinen Stand der Technik ist es bekannt, Verbrennungskraftmaschinen mit Abgasnachbehandlungseinrichtungen auszustatten. Während ihres gefeuerten Betriebs stellt die Verbrennungskraftmaschine Abgas bereit, welches mit der jeweiligen Abgasnachbehandlungseinrichtung nachbehandelt wird. Hierzu umfasst die Abgasnachbehandlungseinrichtung beispielsweise einen Katalysator, welcher beispielsweise als SCR-Katalysator (SCR – selektive katalytische Reduktion) ausgebildet ist. Mittels des SCR-Katalysators wird das Abgas entstickt. Dieses Entsticken des Abgases wird auch als Denoxieren bezeichnet, sodass der SCR-Katalysator eine sogenannte DeNOx-Funktionalität aufweist. Unter dem Entsticken beziehungsweise dem Denoxieren ist zu verstehen, dass mittels der Abgasnachbehandlungseinrichtung im Abgas enthaltene Stickoxide (NOx) im Rahmen einer selektiven katalytischen Reduktion verringert werden, da diese selektive katalytische Reduktion (SCR) mittels des SCR-Katalysators unterstützt und/oder bewirkt wird. Dies bedeutet, dass eine Abgasnachbehandlungseinrichtung für eine Verbrennungskraftmaschine üblicherweise dazu ausgebildet ist, wenigstens eine chemische Reaktion zu unterstützen und/oder zu bewirken, sodass das Abgas nachbehandelt wird.
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Alternativ oder zusätzlich kann die Verbrennungskraftmaschine wenigstens eine Partikelfilter umfassen, mittels welchem Partikel, insbesondere Rußpartikel, aus dem Abgas gefiltert werden können, wodurch das Abgas nachbehandelt wird. Der Partikelfilter weist somit eine Filterfunktionalität auf. Der Partikelfilter kann dabei eine SCR-Beschichtung aufweisen. Unter einer solchen SCR-Beschichtung ist eine Beschichtung zu verstehen, welche die SCR unterstützt und/oder bewirkt, sodass der Partikelfilter zum Entsticken des Abgases genutzt werden kann. Somit kann der Partikelfilter auch eine DeNOx-Funktionalität aufweisen.
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Üblicherweise ist es nicht oder nur sehr aufwändig möglich, die Funktionalität der Abgasnachbehandlungseinrichtung direkt zu messen, sodass üblicherweise ein Simulationsmodell verwendet wird, mittels welchem die Funktionalität der Abgasnachbehandlungseinrichtung, insbesondere durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung bewirkte beziehungsweise unterstützte chemische Reaktionen, berechnet werden. Auf Basis des Simulationsmodells kann dann die Abgasnachbehandlungseinrichtung und/oder die Verbrennungskraftmaschine betrieben werden, um einen effizienten und emissionsgünstigen Betrieb zu realisieren.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren zu schaffen, mittels welchem ein Simulationsmodel zur Berechnung der Funktionalität einer Abgasnachbehandlungseinrichtung besonders vorteilhaft und präzise kalibriert werden kann.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen mit zweckmäßigen Weiterbildungen der Erfindung sind in den übrigen Ansprüchen angegeben.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Kalibrierung eines Simulationsmodells zur Berechnung der Funktionalität einer Abgasnachbehandlungseinrichtung für eine Verbrennungskraftmaschine, insbesondere eines Kraftwagens, umfasst das Simulationsmodell zumindest Reaktionsschemata für chemische Reaktionen, welche durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung bewirkt und/oder unterstützt werden. Die Reaktionsschemata werden üblicherweise auch als chemische Reaktionsgleichungen bezeichnet.
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Im Rahmen des Verfahrens werden Parameter der Reaktionsschemata durch das Verfahren gesamtheitlich betrachtet und numerisch ermittelt, indem bei der Kalibrierung einzelne Kalibrierungsschritte durchgeführt werden. Bei diesen einzelnen Kalibrierungsschritten werden für jeweilige Optimierungsprobleme zumindest näherungsweise jeweilige Lösungen ermittelt. Die jeweiligen, zumindest näherungsweisen Lösungen der jeweiligen Optimierungsprobleme sind jeweilige Einzelergebnisse der jeweiligen Kalibrierungsschritte. Ferner ist es im Rahmen des Verfahrens vorgesehen, dass die jeweiligen Einzelergebnisse zu wenigstens einem Gesamtergebnis für die jeweiligen Parameter zusammengeführt werden.
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Der Erfindung liegt insbesondere die folgende Erkenntnis zugrunde: Simulationsmodelle von Abgasnachbehandlungseinrichtungen, insbesondere Fahrzeugkatalysatoren, sollen die chemischen Prozesse, die im realen Betrieb in der Abgasnachbehandlungseinrichtung auftreten beziehungsweise durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung bewirkt und/oder unterstützt werden, möglichst genau abbilden. Dadurch kann ein besonders effizienter Betrieb der Abgasnachbehandlungseinrichtung und/oder der Verbrennungskraftmaschine realisiert werden, da die Verbrennungskraftmaschine beziehungsweise die Abgasnachbehandlungseinrichtung beispielsweise auf Basis des Simulationsmodells betrieben werden kann. Hierzu werden beispielsweise katalysatortypische Reaktionsschemata verwendet, deren chemische Parameter in vollem Umfang nicht direkt gemessen oder theoretisch hergeleitet werden können, sodass die chemischen Parameter zumindest teilweise numerisch ermittelt werden müssen. Dieses numerische Ermitteln der Parameter wird auch als Kalibrierung bezeichnet. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens lässt sich beispielsweise die DeNOx-Funktionalität von beschichteten Partikelfiltern einheitlich, mit hoher Güte und mit reduziertem Aufwand kalibrieren. Das erfindungsgemäße Verfahren ist dabei mindestens übertragbar auf die Kalibrierung der DeNOx-Funktionalität von SCR-Katalysatoren.
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Herkömmliche Verfahren basieren üblicherweise auf der Übernahme von chemischen Parametern aus Vorgängertechnologien, auf Sensitivitätsanalysen, sowie auf der Verwendung von meist lokalen Optimierungsalgorithmen zur Parameteranpassung von Teilproblemen. Hoher manueller Aufwand ist Voraussetzung, um eine Kalibrierung mit der erforderlichen Güte zu erstellen. Dabei werden häufig nur lokale Lösungen für Teilprobleme gefunden, deren Kombination nicht unbedingt zur erforderlichen Gesamtgüte der Kalibrierung führt und die somit ein iteratives Vorgehen erfordert. Eine einheitliche Vorgehensweise besteht nicht, und zur Erstellung einer Kalibrierung kann durch das notwendige iterative Vorgehen erheblicher Aufwand und eine entsprechend lange Dauer einer Simulation entstehen.
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Diese Nachteile und Probleme können mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens vermieden werden. Beispielsweise werden im Rahmen des Verfahrens wenigstens zwei metaheuristische Suchverfahren bzw. Algorithmen verwendet und geeignet kombiniert, wobei den metaheuristischen Suchverfahren unterschiedliche, insbesondere komplementäre, Strategien zugrunde liegen und die sich gegenüber lokalen Optimierungsalgorithmen durch die Fähigkeit auszeichnen, effizienter globale Lösungen aufzufinden.
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Vorzugsweise werden die komplementären Strategien durch die jeweiligen Kalibrierungsschritte bestimmt. Für diejenigen Kalibrierungsschritte, bei denen eine Variation von Temperatur und Konzentration der zugehörigen Messdaten ausreichen, um ein bezüglich der zu optimierenden Parameter ein bestimmtes oder überbestimmtes, vereinfachtes Differenzialgleichungssystem des Teilproblems nach dem Prinzip des idealen Rohrreaktors herzuleiten, wird ein der Problemstellung adaptierter evolutionärer Algorithmus verwendet. im Falle von unterbestimmten vereinfachten Differenzialgleichungssystemen ein wird ein adaptierter, schwarmintelligenter Algorithmus verwendet.
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Bei den metaheuristischen Suchverfahren handelt es sich beispielsweise für einen adaptierten evolutionären Algorithmus um eine Kovarianzmatrix-Evolutionsstrategie (CMA-ES) und für einen adaptierten, schwarmintelligenten Algorithmus um eine Partikelschwarmoptimierung (PSO). Die Algorithmen sind dabei klar separierten Kalibrierungsschritten zugeordnet und ermöglichen ein Verfahren, welches mit nur noch einer Iterationsschleife auskommt.
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Vorzugsweise werden mehrere voneinander verschiedener Messdaten mithilfe der verwendeten Algorithmen simultan optimiert und die Zielfunktion der Algorithmen über die euklidische Norm mehrkriteriell formuliert, sodass die einbezogenen Messdaten sowie verschiedene Gasspezies vom Anwender problemspezifisch gewichtet werden können. insbesondere können bei der simultanen Optimierungen von mehreren voneinander verschiedener Messdaten bzw. Messdatensätzen eine Konzentration von chemischen Parametern und/oder eine Temperatur variiert werden, so dass bei der simultanen Optimierung keine Iterationen vorgenommen werden müssen. e.
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Zur Verkürzung einer Simulationsdauer werden die Messdaten zur Entkopplung der Zielfunktion von Messrauschen vor der Optimierung mit einem problemspezifisch justierten Savitzky-Golay-Filter geglättet, so dass Eingangsdaten des Simulationsmodells keine irrelevanten Messschwankungen aufweisen.
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Des Weiteren werden vor Beginn der numerischen Ermittlung der Parameter der Reaktionsschemata für speicherrelevante Kalibrierungsparameter der Abgasnachbehandlungseinrichtung, die Parameter einer Speicherkapazität der Abgasnachbehandlungseinrichtung aus Messdaten errechnet und mit dem im Simulationsmodell hinterlegten Teilmodell einer Sorption abgeglichen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren liefert aufgrund der Kombination von möglichst global optimierten Parametern, sowie aufgrund der Verwendung von messtechnisch ermittelten Parametern robustere Kalibrierungen als herkömmliche Verfahren. Dadurch wird eine nachweislich signifikant schnellere Berechnung von Lastfällen in der Modellanwendung ermöglicht. Die erzielbare Güte ist dabei mindestens so gut wie bisher und kann mit wenig Aufwand weiter gesteigert werden. Durch die genau definierten Kalibrierungsschritte können Kalibrierungen mit weniger Bearbeitungsaufwand erstellt werden. Das Verfahren ist einfach mindestens auf die DeNOx-Funktionalität (Entstickungsfunktionalität) von SCR-Katalysatoren übertragbar und erschließt dabei ebenfalls oben genannte Potentiale hinsichtlich Aufwand, Kalibrierungsgüte und Laufzeitverhalten.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels sowie anhand der Zeichnung. Die vorstehend in der Beschreibung genannten Merkmale und Merkmalskombinationen sowie die nachfolgend in der Figurenbeschreibung genannten und/oder in der einzigen Figur alleine gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen.
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Die Zeichnung zeigt in der einzigen Figur ein Flussdiagramm zum Veranschaulichen eines Verfahrens zur Kalibrierung eines Simulationsmodells zur Berechnung der Funktionalität einer Abgasnachbehandlungseinrichtung für eine Verbrennungskraftmaschine.
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Die einzige Figur zeigt ein Flussdiagramm zum Veranschaulichen eines Verfahrens zur Kalibrierung eines Simulationsmodells zur Berechnung der Funktionalität einer Abgasnachbehandlungseinrichtung für eine Verbrennungskraftmaschine, insbesondere eines Kraftwagens wie beispielsweise eines Personenkraftwagens. Die Abgasnachbehandlungseinrichtung ist dabei beispielsweise als SCR-Katalysator (SCR – selektive katalytische Reduktion) ausgebildet und bewirkt beziehungsweise unterstützt ein Entsticken von Abgas der Verbrennungskraftmaschine. Unter dem Entsticken ist eine Reduzierung beziehungsweise Verringerung von im Abgas enthaltenen Stickoxiden (NOx) zu verstehen, wobei das Entsticken auch als Denoxierung bezeichnet wird. Somit wird die zuvor genannte Funktionalität auch als DeNOx-Funktionalität bezeichnet.
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Im Rahmen des Verfahrens umfasst das Simulationsmodell zumindest Reaktionsschemata für chemische Reaktionen, welche durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung unterstützt und/oder bewirkt werden. Dabei ist eine besonders präzise Ermittlung von Parametern der Reaktionsschemata wünschenswert, um mittels des Simulationsmodells die Funktionalität der Abgasnachbehandlungseinrichtung besonders präzise berechnen zu können. In der Folge ist es nämlich möglich, die Abgasnachbehandlungseinrichtung und/oder die Verbrennungskraftmaschine auf Basis des Simulationsmodells besonders präzise und somit effizient und emissionsgünstig betreiben zu können.
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Zumindest ein Teil der Reaktionsschemata, welche in dem Simulationsmodell zum Einsatz kommen, sind in der Figur veranschaulicht. Die Abgasnachbehandlungseinrichtung kann beispielsweise als Ammoniak-Speicher fungieren, wobei der Ammoniak-Speicher auch als NH3-Speicher bezeichnet wird. Beispielsweise kommt im Rahmen des Entstickens des Abgases Ammoniak (NH3) zum Einsatz, wobei der Ammoniak beispielsweise aus einer wässrigen Harnstofflösung stammt, welche in das Abgas eingebracht wird. Aus der Figur ist erkennbar, dass als eine erste der chemischen Reaktionen beispielsweise eine Stickstoffmonoxid-(NO-)Oxidation erfolgt. Ferner erfolgen als chemische Reaktionen beispielsweise Ammoniak-(NH3-)Oxidationen sowie selektive katalytische Reduktionen (SCR-Reaktionen). Ferner kann die Abgasnachbehandlungseinrichtung beispielsweise als Stickstoffdioxid-(NO2-)Speicher und/oder HNO3-Speicher fungieren.
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Bei dem Verfahren werden Parameter der jeweiligen Reaktionsschemata durch das Verfahren gesamtheitlich betrachtet und numerisch ermittelt, indem bei der Kalibrierung einzelne Kalibrierungsschritte durchgeführt werden, bei denen für jeweilige Optimierungsprobleme zumindest näherungsweise jeweilige Lösungen als jeweilige Einzelergebnisse der jeweiligen Kalibrierungsschritte ermittelt werden. Ferner werden die jeweiligen Einzelergebnisse zu wenigstens einem Gesamtergebnis für die jeweiligen Parameter zusammengeführt. Ziel des Verfahrens ist eine Kalibrierung der chemischen Parameter des Simulationsmodells zu finden, sodass das Simulationsmodell die realen chemischen Vorgänge möglichst genau abbilden kann und dabei eine möglichst geringe Simulationszeit bzw. Simulationsdauer aufweist. Auf Basis typischer Messdaten, die die realen chemischen Vorgänge mittels einer Laborprobe des beispielsweise als beschichteter Filter ausgebildeten SCR-Katalysators charakterisieren, und eines typischen Reaktionsschemas werden die chemischen Parameter des jeweiligen Reaktionsschemas kalibriert. Wie angedeutet, ist die Abgasnachbehandlungseinrichtung beispielsweise als SCR-beschichteter Filter, insbesondere Partikelfilter, ausgebildet. Die Kalibrierung ist eine Problematik, welche als Optimierungsproblem aufgefasst werden kann, das grundsätzlich mithilfe von Algorithmen zumindest näherungsweise gelöst werden kann. Allerdings ist es bisher nicht realisierbar, dass Optimierungsprobleme als Ganzes zu betrachten aufgrund der hohen Dimension des Problems, den starken Wechselwirkungen unter den Reaktionen und der Simulationsdauer. Bisherige Vorgehensweisen bestehen darin, einzelne Parameter theoretisch herzuleiten, numerisch zu optimieren und/oder mittels Expertenwissen anzupassen. Die Einzelparameter werden zur einer vollständigen Kalibrierung kombiniert, was allerdings oftmals ein uneinheitliches, iteratives Vorgehen für die Bestimmung einzelner Parameter bedingt.
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Das in der Figur veranschaulichte Verfahren hingegen teilt das Optimierungsproblem in klar definierte Teilprobleme ohne zusätzliche iterative Schritte auf, die auf bestimmte Weise algorithmisch optimiert werden können. Neben den Vorteilen der Standardisierung und Automatisierung entsteht damit eine Kalibrierung, die aufgrund mathematischer Eigenschaft effizienter ist.
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Allgemein ist ein globales Optimum in einem Suchbereich bei unbekannter gestalteter Zielfunktion mit keinem Algorithmus sicher auffindbar. Deshalb können unterschiedliche Kalibrierungen untereinander nur relativ verglichen werden, indem beispielsweise die Genauigkeit, die numerische Stabilität und Laufzeitaspekte des Simulationsmodells betrachtet werden. Eine hohe Genauigkeit ist das primäre Ziel und bildet somit das Kriterium bei der Kalibrierungsarbeit. In einem komplexen Differentialgleichungssystem mit verschiedenen Wechselwirkungen können sehr unterschiedliche Kalibrierungen ähnliche Genauigkeiten aufweisen, allerdings können sich diese in der numerischen Stabilität stark unterscheiden.
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Eine Kalibrierung nimmt direkt Einfluss auf die Kondition des Differentialgleichungssystems und somit auf das Verhalten des Simulationsmodells bei Störung der Eingangsdaten. Das Simulationsmodell benötigt in jedem Zeitschritt eine unterschiedliche Anzahl an Iterationen, um das enthaltene Differentialgleichungssystem mit der erforderlichen Genauigkeit zu lösen. Wird ein Versuch simuliert, bei dem viele Wechselwirkungen der Reaktionen auftreten, kann eine ineffiziente Kalibrierung eine deutliche Erhöhung der Anzahl an Iterationen pro Zeitschritt bewirken, wodurch sich die Laufzeitanforderung erhöht. Eine effiziente Kalibrierung hingegen weist für verschiedene Versuche eine annähernd gleichbleibende Anzahl an Iterationen pro Zeitschritt auf. Mit dem bisher angewendeten Kalibrierungsverfahren können leichter ineffiziente Kalibrierungen entstehen, da Lösungen kombiniert werden, die untereinander weniger kompatibel abgestimmt sind. Bei dem in der Figur veranschaulichten Verfahren jedoch führen die systematische Betrachtung der Wechselwirkungen der Reaktionen und der verstärkte globale Optimierungsansatz innerhalb der Teilprobleme zu einer effizienten beziehungsweise globalen Kalibrierung, was neben der Genauigkeit an der numerischen Stabilität des Simulationsmodells beziehungsweise der verminderten Laufzeitanforderungen beobachtet werden kann.
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Die Verbrennungskraftmaschine ist beispielsweise ein Dieselmotor, sodass die Abgasnachbehandlungseinrichtung beispielsweise als Dieselpartikelfilter (DPF) ausgebildet ist. Der Dieselpartikelfilter ist beispielsweise mit einer katalytisch wirksamen Schicht beziehungsweise Beschichtung versehen, welche beispielsweise die selektive katalytische Reduktion (SCR) ermöglicht. Daher wird der Dieselpartikelfilter beispielsweise auch als sDPF bezeichnet. Das Simulationsmodell ist somit beispielsweise ein sDPF-Modell, welches deutlich schneller und somit in geringerer Simulationszeit rechnet als herkömmliche Verfahren, welche auf einer Referenzkalibrierung basieren, trotz vergleichbarer Genauigkeit und derselben Komplexität der Kinetikparameter.
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Die den in der Figur veranschaulichten Verfahren zugrundeliegende Strategie ist eine klar definierte Aufteilung des Kalibrierprozesses in einzelne Kalibrierungsschritte, deren Lösungen beziehungsweise Einzelergebnisse aufeinander aufbauen und zu einer vollständigen Kalibrierung zusammengesetzt werden. In einem einzelnen Kalibrierungsschritt wird jeweils ein Teilproblem betrachtet, um mögliche Wechselwirkungen mit noch nicht betrachteten Teilproblemen im Differentialgleichungssystem auszuschließen. Innerhalb eines Kalibrierungsschrittes kann aufgrund der geringeren Komplexität des zu lösenden Differentialgleichungssystems nur die Genauigkeit als Kriterium für die Güte einer Lösung verwendet werden. Für jeden Kalibrierungsschritt werden zur Festlegung der zugehörigen Parameter des Teilproblems Optimierungen nach einer bestimmten Methodik durchgeführt. Wenn möglichst globale Lösungen in den einzelnen Kalibrierungsschritten gefunden werden, werden die Wechselwirkungen zwischen Teilproblemen korrekt wiedergegeben, sodass eine Kalibrierung mit hoher Genauigkeit und hoher numerischer Stabilität entsteht. Dabei zeigt die Figur eine Übersicht der konkreten Schritte des Verfahrens. Mit M ist dabei die Anzahl an Messdatensätzen bezeichnet, welche zum Einsatz kommen. Mit N ist die jeweilige Anzahl der zu optimierenden Parameter bezeichnet, wobei die jeweilige Anzahl aus Geschwindigkeitskonstanten resultiert, die in dem jeweiligen Schritt optimiert werden.
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Beispielsweise werden zur Kalibrierung der Kinematikparameter alle im jeweiligen Reaktionsschema enthaltene Kinematikparameter und zusätzliche Speicherparameter auf null gesetzt, sodass das Simulationsmodell keinerlei katalytische Reaktivität zeigt. Das Verfahren erlaubt es, mithilfe von vorgegebenen Messdatensätzen aus Experimenten mit Laborproben die Parameter sukzessive zu bestimmen und abschließend das Simulationsmodell mit vollständiger Modellierung der katalytischen Reaktivität, das heißt der Funktionalität der Abgasnachbehandlungseinrichtung zu erhalten. Die Kalibrierungsstrategie ist dabei beispielsweise derart gestaltet, dass eine vollständige Alternativkalibrierung entsteht, die keine Vereinfachungen gegenüber der Referenzkalibrierung enthält. Ziel der Kalibrierungsstrategie ist eine zumindest ähnliche Genauigkeit des Simulationsmodells bezüglich stationärer und instationärer NOx-Umsätze und NH3-Schlupf im Vergleich zu einem Simulationsmodell mit Referenzkalibrierung.
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Das Auffinden möglichst globaler Lösungen in den Kalibrierungsschritten wird durch die gezielte Kombination adaptierter, metaheuristischer Algorithmen wie beispielsweise eine Partikelschwarmoptimierung (PSO) und eine Kovarianzmatrix-Evolutionsstrategie (CMA-ES) erreicht. Dabei werden die jeweiligen vorteilhaften Eigenschaften der beiden metaheuristischen Algorithmen wie zum Beispiel die Möglichkeit, lokale Optima zu verlassen, oder die weitestgehend Unabhängig von Startvektoren, problemspezifisch genutzt. Zwar weisen einige Kalibrierungsschritte Besonderheiten auf, grundsätzlich liegt aber allen Kalibrierungsschritten folgendes Vorgehen zugrunde:
- 1. Theoretische Betrachtung des Teilproblems: Für stationäre Punkte kann ein vereinfachtes Differentialgleichungssystem nach dem Prinzip des idealen Rohrreaktors aufgestellt werden. Analytische Lösungen sind meist nicht möglich, können aber mit weiteren Annahmen zur Suchraumeinschränkung verwendet werden. Anhand des vereinfachten Differentialgleichungssystems und der Gestalt der zugehörigen Messdaten kann derjenige Algorithmus ausgewählt werden, der für dieses Teilproblem in kurzer Iterationsanzahl eine verwendbare Lösung liefert. Sind genügend stationäre Punkte in den Messdaten enthalten, um die Wechselwirkungen im Differentialgleichungssystem festzulegen, ist die CMA-ES vorteilhaft. Ist dies nicht der Fall, sind die instationären Bereiche in den Messdaten ausschlaggebend, die mit der PSO effizient optimiert werden können. Der theoretischen Betrachtung liegt beispielsweise eine Stoffmengenbilanz des idealen Rohrreaktors zugrunde. Beispielsweise wird auf Basis der Stoffmengenbilanz ein Differentialgleichungssystem erstellt.
- 2. Simultane Verwendung mehrerer Messdatensätze pro Optimierung: In einer Optimierung werden pro Iteration mehrere Messdatensätze nacheinander simuliert, um die Temperatur- und/oder Konzentrationsabhängigkeit für die zu optimierenden Parameter festzulegen.
- 3. Mehrkriterielle, gewichtete Zielfunktionsberechnung: Es wurde eine Formel zur Zielfunktionsberechnung entwickelt, mit deren Hilfe sowohl verschiedene Messdatensätze als auch verschiedene Gasspezies gewichtet werden können. Der Anwender kann diese Gewichtungen durch theoretische Überlegungen und Erfahrungswerte so gestalten, dass ein möglichst niedriger Zielfunktionswert die qualitativ höchste Genauigkeit erzielt.
- 4. Aufbereitung der Messdaten: Die Messdaten werden zur Entkopplung der Zielfunktion von Messrauschen und zur Laufzeitreduzierung des Simulationsmodells vor der Optimierung mit einem problemspezifisch justierten Savitzky-Golay-Filter geglättet.
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Allgemein sind beispielsweise Geometrie, Zelligkeit sowie typische Stoffdaten wie Dichte, Wärmekapazität, etc. der Laborprobe zur Verwendung im Simulationsmodell bekannt. Weiterhin werden verschieden definierte Versuche zur Charakterisierung der Teilprobleme nach einer üblichen Vorgehensweise durchgeführt. Für jeden der Versuche werden über die Zeit beispielsweise bei einer Frequenz von größer gleich 1 Hertz die folgenden geregelten Größen erfasst:
Eingangsmassenstrom, Eingangstemperatur, Ofentemperatur, Molenbrüche am Eingang (O2, CO2, H2O, NH3, NO, NO2)
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Für jeden der Versuche werden zusätzlich die folgenden Größen gemessen:
Raumgeschwindigkeit, Ausgangstemperatur, Molenbrüche am Ausgang (O2, CO2, H2O, NH3, NO, NO2, N2O, HNO3)
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Die geometrischen Parameter, Zelligkeit sowie die typischen Stoffdaten der Laborprobe werden direkt im Simulationsmodell verwendet. Unter der Laborprobe ist beispielsweise eine körperliche Ausgestaltung der Abgasnachbehandlungseinrichtung zu verstehen, welche untersucht beziehungsweise getestet oder überprüft wird. Die geregelten Messgrößen Eingangsmassenstrom, Eingangstemperatur, Ofentemperatur und die Molenbrüche am Eingang sind beispielsweise Eingangsdaten des Simulationsmodells. Insbesondere handelt es sich dabei um notwendige Eingangsdaten. Die gemessenen Molenbrüche am Ausgang werden mit den simulierten Molenbrüchen am Ausgang verglichen. Dies erfolgt mithilfe der Zielfunktionsberechnung in den Optimierungsalgorithmen.
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Um die Dauer von Optimierungen zu senken, werden verschiedene Aufbereitungen durchgeführt. Das Kürzen der Messdaten auf den für die Optimierung relevanten Zeitbereich nimmt direkt Einfluss auf die Simulationsdauer. Die Simulationsdauer kann weiter gesenkt werden, wenn die Eingangsdaten des Simulationsmodells keine irrelevanten Messschwankungen aufweisen. Für den Eingangsmassenstrom und die Molenbrüche am Eingang werden Mittelwerte über charakteristische Zeitbereiche gebildet und die Eingangstemperatur und Ofentemperatur werden mithilfe eines Savitzky-Golay-Filters geglättet. Um die Zielfunktion der Optimierungsalgorithmen von irrelevanten Messschwankungen zu befreien, werden auch die Molenbrüche am Eingang mithilfe eines Savitzky-Golay-Filters geglättet. Dies erhöht die Effizienz der Optimierungsalgorithmen.
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Die Aufbereitung der Messdaten kann soweit automatisiert werden, dass direkt Eingangsdaten für das Simulationsmodell und Daten zur Zielfunktionsberechnung für die Optimierungsalgorithmen vorliegen. Der Anwender muss zuvor für jeden Versuch charakteristische Zeitpunkte in den Messdaten festlegen.
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Die chemischen Parameter des Simulationsmodells, die vollständig die Reaktionskinetik festlegen, bestehen aus maximalen Speicherkapazitäten für Gasspezies mit Sorptionsaktivität und aus jeweils einem Stoßfaktor und einer Aktivierungsenergie für jede der festgelegten Reaktionen des Simulationsmodells. Zusätzliche Promotions- und Inhibierungstherme der Reaktionen sind ebenfalls durch Stoßfaktoren und Aktivierungsenergie modelliert.
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Nach dem Adsorptionsmodell von Langmuir können die maximalen Speicherkapazitäten Ψ in der Einheit [Mol/m3] direkt aus den Messdaten berechnet werden. Mithilfe der Optimierungsalgorithmen werden Stoßfaktoren A und Aktivierungsenergien E in [J/mol] für alle chemischen Reaktionen inklusive Promotions- und Inhibierungsthermen bestimmt. Der Stoßfaktor A hat für Oberflächenreaktionen die Einheit [mol/m3s] für die Eley-Rideal-Reaktionen die Einheit [1/s].
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Allgemein ist die Kalibrierung eines Simulationsmodells mit komplexen Wechselwirkungen der Reaktionen eine Tätigkeit, welche einen hohen Zeitbedarf und große Expertise des Ausführenden erfordert. Oftmals müssen verschiedene Vorgehensweisen kombiniert, und Einzelschritte iterativ bearbeitet werden. Ein Verfahren, mit dem genaue und effiziente Kalibrierungen nach klar definierten Verfahrensschritten bei hohem Automatisierungsgrad erstellt werden können, stellt eine Neuigkeit auf diesem Gebiet dar. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass das in der Fig. veranschaulichte Verfahren zur Kalibrierung eines beschichteten Partikelfilters beziehungsweise eine Abgasnachbehandlungseinrichtung allgemein auf ähnliche Komponenten wie zum Beispiel einen SCR-Katalysator übertragbar ist und um weitere Schritte erweitert werden kann, falls eine neue Beschichtungstechnologie die Modellierung weiterer Reaktionen oder Inhibierungstherme bedingt.