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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Aus dem Stand der Technik sind Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs bekannt. Beispielsweise ist in der
DE 10 2008 042 666 B4 ein Verfahren zur Kompensation von Störgrößen, welche auf ein Fahrzeug mit einer hilfskraftunterstützten Lenkung wirken, beschrieben. Hierbei wird eine Ist-Zahnstangenkraft mittels eines Beobachtermodells der Lenkung geschätzt, wobei eine künstliche Soll-Zahnstangenkraft mittels eines Beobachtermodells des Fahrzeugs geschätzt wird, wobei die geschätzte Ist-Zahnstangenkraft von der geschätzten künstlichen Soll-Zahnstangenkraft subtrahiert wird, so dass ein Gesamt-Lenkkraftfehler generiert wird, wobei in einem Entscheidungsblock zumindest ein erster Bruchteilsfaktor zumindest aus einem Fahrzeugsystem bekannten Signalen bestimmt wird, welcher dem Gesamtlenkkraftfehler überlagert wird, so dass eine Zahnstangenkompensationskraft generiert wird, wobei die Hilfskraft mit der Zahnstangenkompensationskraft überlagert wird.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den in Anspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Das verbesserte Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs kommt bei Lenkvorrichtungen zum Einsatz, bei denen in der Regel nur das Lenksystem Kräfte bzw. Lageänderungen verursacht wie beispielsweise eine Hinterachslenkung, andererseits auch bei Vorderachslenkungen, bei denen der Fahrer zusätzliche Kräfte/Momente bzw. Lageänderungen Winkel/Weg in das System einbringt.
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Bei Vorderachslenkungen gilt es zusätzlich zur besseren Lageregelung die für den Fahrer relevanten Lenkmomente, also die Differenz aus äußerer Spurstangenkraft – Unterstützende Aktorkraft sehr präzise auf einen definierten Wunsch einzuregeln.
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Bei der Lage-/Kraftregelung eines Aktors ist es von Vorteil, wenn die zukünftig im Aktor anliegende Kraft im Voraus bekannt ist. Dadurch lassen sich die interne Dynamik der Regelung und somit die Parameter des technischen Reglers dynamisch anpassen. Anpassungsgrößen sind beispielsweise:
- • Verstärkung/Dämpfung/Integrationsanteil des Stromregler eines E-Motors
- • Rechtzeitige Abschaltung/Gegenregelung, falls irgendwelche Stellerbegrenzungen (Raum/Kraft/Moment) zukünftig erreicht werden sollten
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Das hier vorgestellte Verfahren erlaubt es, die in einer Radaufhängung typischerweise auftretenden Spurstangenkräfte zu prädizieren. Einflussgrößen sind dabei beispielsweise:
- • Seitenkraft
- • Längskraft
- • Rückstellmoment des Reifens bzw. Reifennachlauf
- • Radlast bzw. Radaufstandskraft
- • Kraft in den Federelementen
- • Radkinematikinterne Hebelarme
- • Reaktionskräfte die durch Spurstangenverstellung verursacht werden
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In dem Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs wird eine Anzahl fahrdynamischer Größen ermittelt und es wird in Abhängigkeit dieser Anzahl von fahrdynamischen Größen eine zukünftige Spurstangenkraft ermittelt.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass mindestens eine fahrdynamische Größe prädiziert wird, wobei diese mindestens eine fahrdynamische Größe beispielsweise eine Querbeschleunigung des Fahrzeugs ist. Anhand der prädizierten Querbeschleunigung werden anschließend zu erwartende, auf das Fahrzeug von außen wirkende Kräfte, insbesondere eine Längskraft, Querkraft und Vertikalkraft, ermittelt.
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Dabei wird anhand der zu erwartenden Kräfte ein aktueller Betriebszustand mindestens eines Hinterradreifens (Längs-/Querkraft-/Rückstellmoment) ermittelt. Anhand des ermittelten Reifenrückstellmoments und der aktuellen anliegenden Kräfte mindestens einen Hinterradreifens wird wiederum eine auf mindestens eine Spurstange der Lenkvorrichtung wirkende Spurstangenkraft prädiziert.
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Mittels des Verfahrens ist eine Prädiktion der Spurstangenkraft möglich, die als Eingangsgröße der Steuereinheit zur Ermittlung der gewünschten Lage bzw. einer Lenkunterstützung zugeführt wird. Die Steuereinheit steuert dabei einen Aktor wie z. B. einen Lenkzylinder oder einen E-Motor der mit der Spurstange verbunden ist. Damit ist eine gegenüber dem Stand der Technik präzisere und schnellere Lage-/Krafteinregelung des Aktors möglich, so dass potentiell zu hohe Anforderungen an den Aktor mittels entsprechender Vorsteuerung kompensierbar sind.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
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1 schematisch ein Blockschaltbild eines Fahrzeugs,
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2 schematisch ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Betrieb des Fahrzeugs,
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3 ein dreidimensionales Diagramm mit Werten des Reifenrückstellmoments in Abhängigkeit der Querbeschleunigung und des Antriebsmoments und
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4 schematisch ein Diagramm mit einem zeitlichen Verlauf des Lenkradwinkels lrw und der Querbeschleunigung ay.
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Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt ein Blockschaltbild eines Fahrzeugs F, welches im Folgenden näher beschrieben wird.
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Das Fahrzeug F umfasst eine Steuereinheit 1 und eine mit der Steuereinheit 1 verbundene Lenkvorrichtung 2.
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Die Steuereinheit 1 ist beispielsweise ein ESP-Steuergerät (ESP = Elektronisches Stabilitätsprogramm) und über eine Signalleitung mit einem Aktor 2.1 der Lenkvorrichtung 2 verbunden, wobei eine Steuerung und/oder Regelung des Aktors 2.1 mittels der Steuereinheit 1 erfolgt.
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Der Aktor 2.1 ist beispielsweise ein Lenkzylinder und wirkt auf ein Lenkgetriebe 2.2, das beispielsweise als Zahnstangenlenkgetriebe ausgebildet ist. Das Lenkgetriebe 2.2 ist auf jeder Fahrzeugseite mit einem Lenkgestänge, insbesondere mit einer Spurstange 2.3, verbunden, welche mit einem Rad 3 zusammenwirkt. Beispielsweise wird die Spurstange 2.3 mittels eines L-förmigen Hebels betätigt, die an einem bestimmten Punkt mittels des Aktors 2.1 der Lenkvorrichtung 2 geschwenkt wird. Das Lenkgetriebe 2.2 und der Aktor 2.1 kann auch einmal pro Fahrzeugseite vorhanden sein.
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Weiterhin sind die Lenkvorrichtung 2 und die Steuereinheit 1 mit einer Sensorvorrichtung 4 gekoppelt, mittels welcher fahrdynamische Größen erfasst werden. Beispielsweise werden ein über eine Lenkwelle auf die Lenkungsvorrichtung 2 wirkendes Lenkmoment, ein Lenkwinkel der Räder 3, ein Lenkradwinkel lrw, eine Lenkradwinkelgeschwindigkeit erfasst. Ferner werden eine Querbeschleunigung ay, eine Längsbeschleunigung und ein Antriebsmoment MAntrieb des Fahrzeugs F sowie eine Pedalstellung des Gaspedals erfasst oder in der Steuereinheit 1 mittels bekannter kinematischer Zusammenhänge ermittelt oder der Steuereinheit 1 werden bestimmte fahrdynamische Größen von einem anderen Steuergerät über einen Datenbus zur Verfügung gestellt. Die Sensorvorrichtung 4 umfasst dazu beispielsweise einen Raddrehzahlsensor, einen Längsbeschleunigungssensor, einen Querbeschleunigungssensor, einen Lenkwinkelsensor und einen Drehmomentsensor.
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Anhand dieser fahrdynamischen Größen wird eine über die Spurstange 2.3 auf das Lenkgetriebe 2.2 wirkende Spurstangenkraft prädiziert, wobei diese Spurstangenkraft in der Steuereinheit 1 beispielsweise als Eingangsgröße zur Ermittlung eines Soll-Lenkmoments zur Unterstützung oder Rückmeldung des Fahrers im Betrieb des Fahrzeugs F oder zur verbesserten Lage-/Kraftregelung verwendet wird.
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Die Prädiktion der Spurstangenkraft wird im Folgenden näher erläutert.
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Dazu zeigt 2 ein beispielhaftes Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Betrieb eines Fahrzeugs F, bei dem eine Spurstangenkraft zur Ermittlung eines Soll-Lenkmoments zur Unterstützung oder Rückmeldung des Fahrers im Betrieb des Fahrzeugs F oder zur verbesserten Lage-/Kraftregelung prädiziert wird.
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In einem ersten Schritt S1 werden mittels der Sensorvorrichtung 4 fahrdynamische Größen erfasst und der Steuereinheit 1 zur Verfügung gestellt. Einige der fahrdynamischen Größen können der Steuereinheit 1 auch von einem anderen Steuergerät über einen Datenbus zur Verfügung gestellt werden oder die Steuereinheit 1 ermittelt anhand bestimmter Sensordaten bestimmte fahrdynamische Größen. Der Steuereinheit 1 werden hierbei insbesondere ein Lenkradwinkel lrw, eine Querbeschleunigung ay und eine Längsbeschleunigung des Fahrzeugs F und ein Antriebsmoment MAntrieb des Fahrzeugs F zur Verfügung gestellt.
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Die Querbeschleunigung ay wird dabei nicht nur als ein Ist-Wert erfasst oder ermittelt, sondern von der Steuereinheit 1 für eine bestimmte Zeitdauer prädiziert. Die Prädiktion der Querbeschleunigung ay kann beispielsweise basierend auf einem nicht linearen Einspurmodell (nicht dargestellt) erfolgen, wobei das Fahrzeug F auf ein Hinterrad längs zur Fahrbahn und auf ein lenkbares Vorderrad reduziert ist. Die Schätzung der zu erwartenden Querbeschleunigung ay ist bei Verwendung des Einspurmodells in Abhängigkeit von der Steuereinheit 1 zur Verfügung stehenden Daten zwar sehr präzise, jedoch rechenintensiv. Zur Verringerung eines Rechenaufwands kann die Querbeschleunigung ay alternativ auch mittels mathematischer Berechnung erfolgen, worauf im Folgenden näher eingegangen wird.
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Eine Möglichkeit der mathematischen Berechnung ist die Prädiktion der Querbeschleunigung ay anhand eines einfachen Kennfeldes. Hierbei können zur Bestimmung eines solchen Kennfelds Daten einer Umfelderfassung zur Prädiktion der Querbeschleunigung ay verwendet werden. Beispielsweise wird im Kennfeld eine ermittelte Querbeschleunigung ay in Abhängigkeit eines Lenkradwinkels lrw dargestellt. Durch Bildung einer Polynomfunktion zweiten Grades aus dem Kennfeld kann eine Kurve von Gradienten der Querbeschleunigung ay in Abhängigkeit einer Fahrgeschwindigkeit dargestellt werden. Die Polynomfunktion zweiten Grades lautet hierbei wie folgt: m = a·v2 + b·v + c (1), mit:
- a, b, c
- = fahrzeugspezifische Koeffizienten,
- m
- = Anstieg und
- v
- = Geschwindigkeit.
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Daraus resultierend ergibt sich die Prädiktion der Querbeschleunigung ay mittels folgender Gleichung: ay = a·lrw·v2 + b·lrw·v + c·lrw (2).
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Die hierbei prädizierte Querbeschleunigung ay wird der Steuereinheit 1 als weitere Eingangsgröße zur Verfügung gestellt.
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In einem zweiten Schritt S2 werden aus den zuvor beschriebenen fahrdynamischen Größen Kräfte prädiziert, die von außen auf das Fahrzeug F zu einem bestimmten Zeitpunkt wirken. Insbesondere werden eine Längskraft, eine Querkraft und eine Vertikalkraft prädiziert.
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Die Längskraft (oder Umfangskraft) wird hierbei mittels folgender Gleichung prädiziert:
mit:
- MBrems
- = Bremsmoment und
- Rstat
- = statischer Reifenradius (Radspezifische Größe)
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Die Querkraft kann mittels folgender Gleichung prädiziert werden: Fy = ky1·a 2 / y + ky2·ay + ky3·(MAntrieb + MBremse + ky4) + kaktiv·xaktiv (4),
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Des Weiteren wird die Vertikalkraft mittels folgender Gleichung prädiziert: Fz = kz1·ax + kz2·ay + kz3 (5), mit:
- ax
- = Längsbeschleunigung.
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Ist die Vertikalkraft bekannt, kann daraus eine Federbeinkraft mittels folgender Gleichung prädiziert werden: Ffb = kf1·Fz + kf2·ay + kf3·MBremse + kf4 (6), mit:
- Ffb
- = Federbeinkraft.
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Diese Federbeinkraft wirkt über die Kinematik auf den Radträger und der wiederum auf die Spurstange.
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In einem dritten Schritt S3 werden anhand der im zweiten Schritt S2 prädizierten Kräfte ein Zustand des Reifens und daruas ein Reifenrückstellmoment Mz zum Zurückstellen eines Lenkelements, z. B. eines Lenkrads, in eine Ausgangsstellung prädiziert. Das Rückstellmoment Mz kann wie folgt prädiziert werden: Mz = a 2 / y + km1·ay + km2 + km3·(MAntrieb + MBremse) + km4·(MAntrieb + MBremse)·ay (7).
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In einem vierten Schritt S4 kann mittels der prädizierten Kräfte und des Rückstellmoments M
z eine auf die Spurstange
2.3 wirkende Kraft wie folgt prädiziert werden:
mit:
- Fs
- = Spurstangenkraft,
- rstoß
- = Stoßradius,
- rLenkroll
- = Lenkrollradius und
- SNachlauf
- = Nachlaufstrecke.
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Die derart prädizierte Spurstangekraft kann anschließend der Steuereinheit 1 als Eingangsgröße zur Ermittlung eines Soll-Lenkmoments oder zur verbesserten Lage-/Kraftregelung zur Verfügung gestellt werden.
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3 zeigt ein dreidimensionales Koordinatensystem, auf dessen Abszisse die Querbeschleunigung ay, auf dessen Ordinate das Antriebsmoment MAntrieb und auf dessen Applikate das Reifenrückstellmoment Mz aufgetragen ist.
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Die Punkte stellen hierbei das ermittelte Reifenrückstellmoment Mz dar, wobei die schraffierte Fläche eine Annäherung des Rückstellmoments Mz mittels der Formel nach Gleichung (7) darstellt.
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Die Prädiktion der Spurstangenkraft, wie zuvor beschrieben, ist insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten hinsichtlich der rechtzeitigen Erkennung der anliegenden Kraft problematisch. Die Prädiktion der Spurstangenkraft unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Lenkradwinkelgeschwindigkeit erlaubt eine wesentlich schnellere Prognose der zu erwartenden Querbeschleunigung ay und damit der zu erwartenden Spurstangenkraft Fs.
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4 zeigt dazu ein Diagramm, welches jeweils den Verlauf des Lenkradwinkels lrw und der Querbeschleunigung ay in Abhängigkeit der Zeit t darstellt. Eine erste Kurve K1 stellt dabei den zeitlichen Verlauf der Querbeschleunigung ay dar und eine zweite Kurve K2 stellt den zeitlichen Verlauf des Lenkradwinkels lrw dar. Aus dem Lenkgradienten G zu einem bestimmten Zeitpunkt kann der zukünftige Lenkradwinkel prädiziert werden.
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Der Lenkgradient G ist in der zweiten Kurve K2 im Diagramm dargestellt und kann mathematisch wie folgt beschrieben werden: G = dlrw / dt (9).
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Die zu erwartende Querbeschleunigung ay kann anschließend wie folgt ermittelt werden: ay = a·(lrw + dlrw / dt·ΔT)·v2 + b·(lrw + dlrw / dt·ΔT)·v + c·(lrw + dlrw / dt·ΔT) (10).
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Der Faktor ΔT beträgt beispielsweise ”0,1”. Die Abstimmung des Parameters muss in einer Abwägung der Prognosegüte zur Vorausschauzeit applikationsspezifisch erfolgen.
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Unter Berücksichtigung der Lenkradwinkelgeschwindigkeit kann somit eine präzise und schnelle Prädiktion der Querbeschleunigung ay auch bei niedrigen Geschwindigkeiten zuverlässig erfolgen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008042666 B4 [0002]