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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ansteuerung zumindest eines Rückhaltemittels einer einem Fahrzeugsitz zugeordneten Rückhaltevorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Aus der
EP 1 160 134 B1 ist ein Insassenrückhaltesystem mit einem Airbag und einem Gurt zur Ausführung einer Rückhaltekraft auf einen Insassen bekannt. Weiterhin umfasst das Insassenrückhaltesystem einen Gurtkraftbegrenzer zur Begrenzung der über den Gurt auf den Insassen ausgeübten Rückhaltekraft, wobei die Rückhaltekraft durch den Gurtkraftbegrenzer in Abhängigkeit von vordefinierten Parametern von einem relativ höheren auf ein relativ niedrigeres Rückhaltekraftniveau schaltbar ist.
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Des Weiteren ist aus dem Stand der Technik ein herkömmliches Insassenrückhaltesystem für ein Fahrzeug bekannt. Das Insassenrückhaltesystem ist dazu geeignet, Fahrzeuginsassen auf ihrem Sitz zu fixieren und im Fall eines Unfalls vor Verletzungen, insbesondere vor einem Zusammenprall mit Bestandteilen einer Fahrzeugstruktur, zu schützen. Zum Beispiel werden im Fall eines Unfalls ein Airbag und ein Sicherheitsgurt des Insassenrückhaltesystems angesteuert.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Verfahren zur Ansteuerung zumindest eines Rückhaltemittels anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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In dem Verfahren zur Ansteuerung zumindest eines Rückhaltemittels einer einem Fahrzeugsitz zugeordneten Rückhaltevorrichtung eines Fahrzeugs im Fall einer Kollision wird eine auf einen Fahrzeuginsassen ausgeübte Rückhaltekraft des Rückhaltemittels mit einem Gurtkraftbegrenzer begrenzt. Erfindungsgemäß wird im Fall einer Kollision eine Änderung einer auf den Fahrzeuginsassen wirkende Fahrzeugverzögerung oder eine Geschwindigkeitsveränderung erfasst und die ermittelte Fahrzeugverzögerung oder Geschwindigkeitsänderung mit einem vorgegebenen Schwellwert verglichen. Zu einem Zeitpunkt des Erreichens des Schwellwertes wird eine rechnerische Ermittlung einer in Abhängigkeit der ermittelten Fahrzeugverzögerung oder Geschwindigkeitsänderung anzunehmenden Insassenvorverlagerung eingeleitet, wobei bei Erreichen eines hinterlegten Grenzwertes einer Insassenvorverlagerung der Gurtkraftbegrenzer aktiviert wird.
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Insbesondere ist mittels des Verfahrens eine Integration einer Vorverlagerung, insbesondere eines Vorverlagerungswegs, eines Fahrzeuginsassen des Fahrzeugs ermöglicht, so dass eine durch einen Sicherheitsgurt verursachte Insassenbelastung, wie zum Beispiel im Kopf- und/oder Brustbereich, und eine Insassenvorverlagerung reduziert sind.
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Eine durch das Verfahren weitestgehend optimierter Schaltzeitpunkt, insbesondere zur Aktivierung des Gurtkraftbegrenzers, ermöglicht die Reduktion der Insassenbelastungen und Insassenvorverlagerung bei unterschiedlichen Lastfällen, wie zum Beispiel bei einer Kollision mit einer so genannten starren Barriere, einer deformierbaren Barriere, im Fall einer Frontalkollision mit geringer Überdeckung (auf Englisch: small overlap) und im Fall eines Stoßwageneinsatzes. Zum Beispiel kann eine an eine tatsächliche Insassenvorverlagerung angenäherte Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen bei einer Kollision ermittelt werden. Beispielsweise führt eine zumindest zu Beginn vergleichsweise sanfte Kollision mit geringer Fahrzeugverzögerungsänderung, also mit geringer Beschleunigung zum Aufprallzeitpunkt, noch nicht zu einer tatsächlichen Insassenvorverlagerung. Mittels des Verfahrens kann der Schaltzeitpunkt des Gurtkraftbegrenzers genauer auf die tatsächliche Insassenvorverlagerung angepasst werden.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
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1 schematisch ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung zur Ansteuerung einer Rückhaltevorrichtung und
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2 schematisch ein Beschleunigung-Zeit-Diagramm zur Ansteuerung der Rückhaltevorrichtung.
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1 zeigt schematisch ein Fahrzeug 1 mit einer Vorrichtung 2 zur Ansteuerung einer Rückhaltevorrichtung 3, die einem nicht näher dargestellten Fahrzeugsitz zugeordnet ist.
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Die Vorrichtung 2 umfasst eine Erfassungseinheit 4, insbesondere zur Erfassung einer Kollision des Fahrzeugs 1. Die Erfassungseinheit 4 ist beispielsweise als eine Kamera- und/oder Sensoreinheit ausgebildet. Zudem weist die Erfassungseinheit 4 einen nicht näher dargestellten Beschleunigungssensor zur Ermittlung einer Fahrzeugverzögerung –a vor einer Kollision und während einer Kollision auf. Darüber hinaus wird mittels der Erfassungseinheit 4 eine Geschwindigkeitsveränderung des Fahrzeugs 1 im Fall der Kollision ermittelt. Insbesondere wird eine auf einen nicht näher dargestellten Fahrzeuginsassen wirkende Fahrzeugverzögerung –a oder Geschwindigkeitsveränderung im Fall einer Kollision erfasst. Hierbei wird mittels der ermittelten Fahrzeugverzögerung –a eine Crash-Intensität und/oder ein Crashpuls definiert.
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Die Rückhaltevorrichtung 3 ist eine Vorrichtung zur passiven Sicherheit im Fahrzeug 1, die dazu geeignet ist, einen nicht näher dargestellten Insassen des Fahrzeugs 1 auf seinem Sitz zu fixieren und Folgen, insbesondere Verletzungen, einer Kollision weitestgehend zu reduzieren. Zum Beispiel ist die Rückhaltevorrichtung 3 eine adaptive Rückhaltevorrichtung.
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Die Rückhaltevorrichtung 3 umfasst ein als Airbag oder Sicherheitsgurt ausgebildetes Rückhaltemittel 3.1 oder ein anderes Insassenschutzmittel. Weiterhin umfasst die Rückhaltevorrichtung 3 einen Gurtkraftbegrenzer 3.2, welcher im Fall einer Kollision eine maximale Kraft, insbesondere eine Rückhaltekraft, des als Sicherheitsgurt ausgebildeten Rückhaltemittels 3.1 auf den Insassen begrenzt. D. h., dass eine auf den Insassen wirkende Rückhaltkraft durch den Gurtkraftbegrenzer 3.2 derart reduziert wird, dass der Insasse nur geringe körperliche Belastungen, insbesondere im Kopf- und/oder Brustbereich, erfährt. Zum Beispiel ist die Rückhaltevorrichtung 3 zu Beginn einer Kollision derart eingestellt, dass die Rückhaltekraft 4 kN und eine Airbag-Aufblaszeit 20 ms betragen.
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Weiterhin umfasst die Vorrichtung 2 eine Steuereinheit 5 zur Auswertung mittels der Erfassungseinheit 4 erfassten Daten. Die Steuereinheit 5 ist darüber hinaus zur Ansteuerung der Rückhaltevorrichtung 3 vorgesehen. Hierzu sind in der Steuereinheit 5 eine Anzahl von vorgegebenen Algorithmen implementiert, mittels welcher die erfassten Daten mit einem in 2 dargestellten Schwellwert W verglichen und ausgewertet werden. Zum Zeitpunkt t1 bis t3 des Erreichens des Schwellwertes W beginnt eine rechnerische Ermittlung einer theoretischen Insassenvorverlagerung. Zu einem späteren Zeitpunkt, bei welchem ein Grenzwert einer theoretischen Vorverlagerung erreicht ist, wird die Rückhaltevorrichtung 3 mittels der Steuereinheit 5 angesteuert und aktiviert. Dazu ist in der Steuereinheit 5 ein Grenzwert einer Insassenvorverlagerung hinterlegt.
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Der vorgegebene Schwellwert W und/oder der hinterlegte Grenzwert der Insassenvorverlagerung werden bzw. wird in Abhängigkeit des Fahrzeugs 1, insbesondere seiner Ausbildung oder eines Fahrzeugmodells und/oder der Rückhaltevorrichtung 3, insbesondere ihres Modells und Ausbildung, generiert oder ein vorbestimmter, hinterlegter Schwellwert W und/oder der hinterlegte Grenzwert wird verwendet. D. h., dass der vorgegebene Schwellwert W individuell auf das Fahrzeug 1 und/oder auf die Rückhaltevorrichtung 3 angepasst wird.
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Der Schwellwert W wird herangezogen, um einen in 2 dargestellten Zeitpunkt t1 bis t3 zum Startzeitpunkt einer rechnerischen Ermittlung einer Insassenvorverlagerung, insbesondere einer in Abhängigkeit der ermittelten Fahrzeugverzögerung –a oder Geschwindigkeitsveränderung anzunehmenden Insassenvorverlagerung, festzulegen.
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Im Fall einer Kollision wird die Fahrzeugverzögerung –a oder Geschwindigkeitsveränderung zu Beginn der Kollision und über eine gesamte Dauer eines Unfallhergangs ermittelt und verwendet. Die ermittelte Fahrzeugverzögerung –a oder Geschwindigkeitsveränderung wird mit dem vorgegebenen Schwellwert W verglichen.
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Bei Erreichen des Schwellwerts W wird die Ermittlung der in Abhängigkeit der ermittelten Fahrzeugverzögerung –a oder der Geschwindigkeitsveränderung anzunehmenden Insassenvorverlagerung eingeleitet. D. h., dass mittels eines vorgegebenen Algorithmus die anzunehmende Insassenvorverlagerung ab einem Zeitpunkt t1 bis t3, also ab Erreichen des Schwellwerts W, ermittelt wird.
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Die anzunehmende Insassenvorverlagerung wird anschließend mit dem hinterlegten Grenzwert der Insassenvorverlagerung verglichen. Bei Erreichen des hinterlegten Grenzwerts der Insassenvorverlagerung wird der Gurtkraftbegrenzer 3.2 aktiviert. D. h., dass mittels des Grenzwerts der Insassenvorverlagerung ein weiterer Zeitpunkt definiert wird, an dem der Gurtkraftbegrenzer 3.2 aktiviert, insbesondere geschalten wird. Hierbei wird zum Beispiel die Rückhaltekraft des Rückhaltemittels 3.1 von 4 kN auf 2 kN geschalten oder die Aufblaszeit des Airbags verändert. Beispielsweise wird zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 bis t3 mittels des vorgegebenen Algorithmus die Fahrzeugverzögerung –a doppelt integriert, so dass eine anzunehmende Insassenvorverlagerung als eine Vorverlagerung einer freifliegenden Masse ermittelt wird.
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Mittels des Verfahrens wird die Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen nicht ab einem Kollisionszeitpunkt des Fahrzeugs 1 ermittelt, sondern erst ab Erreichen oder Überschreiten des vorgegebenen Schwellwerts W. Somit kann die Rückhaltevorrichtung 3 exakter auf eine tatsächliche Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen aktiviert werden.
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In 2 ist schematisch ein Beschleunigung-Zeit-Diagramm 6 zur Ansteuerung der Rückhaltevorrichtung 3 dargestellt. Auf der Ordinate ist die Fahrzeugverzögerung –a und auf der Abszisse ist die Zeit t in Sekunden abgetragen.
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Zum Vergleich und zur Auswertung der mittels der Erfassungseinheit 4 ermittelten Daten, insbesondere der ermittelten Fahrzeugverzögerung –a oder der Geschwindigkeitsveränderung des Fahrzeugs 1 im Fall einer Kollision, berücksichtigt ein Schaltalgorithmus der Steuereinheit 5 den vorgegebenen Schwellwert W. Dieser vorgegebene Schwellwert W beträgt beispielsweise 15 g, der Schwellwert W ist also ein Beschleunigungs- bzw. Fahrzeugverzögerungsschwellwert. Alternativ kann der Schwellwert W ein Geschwindigkeitsdifferenzschwellwert sein.
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Wenn die ermittelte Fahrzeugverzögerung –a oder die Geschwindigkeitsveränderung des Fahrzeugs 1 den vorgegebenen Schwellwert W erreicht oder überschreitet, wird die rechnerische Ermittlung der anzunehmenden Insassenvorverlagerung eingeleitet.
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Im dargestellten Ausführungsbeispiel wird die Ermittlung der anzunehmenden Insassenvorverlagerung des gegurteten Fahrzeuginsassen zu einem Zeitpunkt t1 eingeleitet, wenn das Fahrzeug 1 beispielsweise mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 56 km/h und einer Überdeckung von beispielsweise 100% mit einer so genannten starren Barriere kollidiert. Hierbei wird die Ermittlung der anzunehmenden Insassenvorverlagerung ab diesem Zeitpunkt t1, insbesondere nach 8 ms, eingeleitet, an welchem eine ermittelte Fahrzeugverzögerungskurve F1 mit einem starken Crashpuls und frühzeitig hoher Beschleunigung den Schwellwert W erreicht. Zum Beispiel wird die anzunehmende Insassenvorverlagerung mit einem Grenzwert der Insassenvorverlagerung, welcher einen Insassenvorverlagerungsweg von 150 mm definiert, verglichen. Bei Erreichen des hinterlegten Grenzwerts, also des Insassenvorverlagerungswegs, wird die Rückhaltekraft verändert, d. h., dass der Gurtkraftbegrenzer 3.2 aktiviert.
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Bei einer Kollision des Fahrzeugs 1 mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 65 km/h und einer Überdeckung von beispielsweise 40% mit einer deformierbaren Barriere wird die anzunehmende Insassenvorverlagerung zum Zeitpunkt t2, insbesondere nach 47 ms, ermittelt, an welchem eine ermittelte Fahrzeugverzögerungskurve F2 mit einem geringen Crashpuls den Schwellwert W erreicht.
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Die Ermittlung der anzunehmenden Insassenvorverlagerung wird ab einen Zeitpunkt t3, insbesondere 37 ms, eingeleitet, an welchem eine ermittelte Fahrzeugverzögerungskurve F3 den Schwellwert W erreicht und wenn das Fahrzeug 1 mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 65 km/h eine Frontalkollision mit geringer Überlappung erfährt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug
- 2
- Vorrichtung
- 3
- Rückhaltevorrichtung
- 3.1
- Rückhaltemittel
- 3.2
- Gurtkraftbegrenzer
- 4
- Erfassungseinheit
- 5
- Steuereinheit
- 6
- Diagramm
- –a
- Fahrzeugverzögerung
- t
- Zeit
- W
- Schwellwert
- t1 bis t3
- Zeitpunkt
- F1 bis F3
- Fahrzeugverzögerungskurve
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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