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Die Erfindung betrifft eine Hoch- und Mittelspannungsanlage nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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In Anlagen der Mittel- und Hochspannungsenergieversorgung und -verteilung werden Hochspannung führende Teile oft durch spezielle Gasfüllungen voneinander elektrisch isoliert. Dazu gehören beispielsweise sogenannte gasisolierte Schalter (GIS) und gasisolierte Leitungen (GIL). Dazu wird ein Teil der Hochspannungsanlage als gasdichter Hohlkörper ausgeführt und der Innenbereich mit den hochspannungsführenden Teilen mit Gasen entsprechend hoher dielektrischer Festigkeit meist unter Druck befüllt. Stand der Technik für solche Isoliergase sind neben Stickstoff und trockener Luft sowie Mischungen aus Stickstoff und Kohlendioxid meist Füllungen aus reinem Schwefelhexafluorid SF6 oder Mischungen davon mit Stickstoff. SF6 und dessen Mischungen werden bevorzugt eingesetzt, da dieses Gas und seine Mischungen mit Stickstoff hohe dielektrische Festigkeiten auch bei niedrigen Betriebstemperaturen erzielen, während mit Stickstoff und trockener Luft bzw. mit Stickstoff und Kohlendioxid relativ hohe Drücke erforderlich sind, welche konstruktiv aufwendige und daher sehr kostenintensive Lösungen erfordern.
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Wegen des hohen Treibhauspotentials von SF
6, das etwa das 23000-fache von Kohlendioxid beträgt, wird zunehmend nach einer anderen gasförmigen Ersatzlösung für das SF
6 mit niedrigerem Treibhauspotential gesucht. Bisher untersuchte Substanzen weisen entweder bei der Betriebstemperatur flüssige Phasen auf oder sie erzeugen durch Lichtbögen unerwünschte Zersetzungsprodukte, die die Isolationseigenschaften negativ beeinflussen. Aus diesem Grund wird in verschiedenen Veröffentlichungen die Verwendung von Adsorptionsmittel im Isolierraum vorgeschlagen. Beispielsweise sind aus der
WO2012/038442A1 gekapselte Mittel und Hochspannungsschaltanlagen bekannt, die mit einem Fluorketon enthaltene Lösch- bzw. Isoliergas gefüllt sind. Jeweils sind die Fluorketone teilweise in flüssiger Form vorliegend, und es ist ein zusätzlicher Adsorber für Zersetzungsprodukte der Fluorketone vorgesehen. Als Materialien werden für die Adsorptionsmittel Aktivkohle und Zeolithe genannt. Nach dem genannten Dokument entfernt der Adsorber im laufenden Betrieb entstehende Zersetzungsprodukte. Um seine Funktion zuverlässig zu erfüllen muss ein solcher Adsorber aber zwischen Zersetzungsprodukten und dem ursprünglichen Gas unterscheiden können. Das kann jedoch nicht gewährleistet werden, weil Adsorber wie z.B. die genannten Zeolithe, die sich durch Nanoporen definierte Größe auszeichnet, in der Lage sind, von ihren chemischen oder physikalischen Eigenschaften her ähnliche Stoffe in einem weiteren Bereich von molekularen Größen unterhalb des Durchmessers ihrer Nanoporen aufzunehmen, größere Moleküle hingegen, die durch Rekombination von reaktiven Zersetzungsprodukten entstehen, jedoch nicht absorbiert werden können. Moleküle, die sich bei vergleichbarer Größe in ihren chemischen oder physikalischen Eigenschaften unterscheiden, werden mit unterschiedlicher Selektivität adsorbiert. Aktivkohle kann Moleküle in einem weiten Größenbereich binden, ist aber recht selektiv bezüglich der chemischen Eigenschaften.
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Somit löst die in dem Dokument beschriebene Vorrichtung nicht das Problem des Gasrecyclings der Hoch- oder Mittelspannungsanlage. Zudem gibt es ein hohes Risiko, das ein Teil der toxischen Zersetzungsprodukte wegen chemischer oder physikalischer Ähnlichkeiten mit den Lösch-/Isoliergasen nicht gebunden werden.
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Ähnliche Funktionen wie in der vorgenannten Patentschrift erfüllen Trockenmittel, die ebenfalls Stand der Technik in Mittel- und Hochspannungsanlagen sind. Der Hauptzweck ist die Entfernung von Restfeuchte in der Anlage, sie entfernen aber auch korrosive Zersetzungsprodukte und binden – wenn auch schwach – fluorhaltige Lösch- und Isoliergase wie z.B. SF6.
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Auch hierdurch wird das Problem des Gasrecyclings nicht gelöst, weil die Sorptionsmittel entweder das Lösch- oder Isoliergas nicht binden, oder wenn sie es tun, dürfen sie entweder nur in so kleinen Mengen in die Schaltanlage eingebracht, dass der Verlust an Lösch- und Isoliergas den Betrieb der Schaltanlage nicht beeinträchtigt, oder sie müssen vor Inbetriebnahme mit dem Lösch- und Isoliergas gesättigt werden. Kondensierte Zersetzungsprodukte mit chemischen Eigenschaften, die denen des Wassermoleküls ähneln, verdrängen dann aufgrund ihrer höheren Bindungsstärke das Adsorptionsmittel das Lösch- und Isoliergases.
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Zusammenfassend kann man sagen, dass bei dem Recycling von SF6 ein hocheffektives Verfahren existiert, das allerdings bei einem Ersatz des SF6 durch ein alternatives Isoliergas oder einer alternativen Isolierlösung der Reinigungs- bzw. Recyclingprozess von gasisolierten Anlagen in der Hoch- und Mittelspannungstechnik nicht anwendbar ist. Das liegt daran, dass sich die gasförmigen Ersatzstoffe wesentlich von SF6 unterscheiden: Da das niedrige Treibhauspotenzial durch niedrige chemische Stabilität und damit höhere chemische Reaktivität erkauft wird, werden die Ersatzgase in der Regel leichter zersetzt als SF6, bilden dabei wesentlich höhere Dichten reaktiver Radikale, die zu anderen stabilen, teilweise schwereren Produktgasen rekombinieren können, und sie haben chemisch höhere Ähnlichkeit mit ihren Zersetzungsprodukten. Damit ist das Risiko höher, dass das Lösch- und Isoliergas nicht nur schwach sondern u.U. stärker adsorbiert wird als dessen Zersetzungsprodukte.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht demnach darin, eine Lösung zur Vermeidung von manueller Reinigung von gasisolierten Anlagen und zum Gasrecycling zu finden, wenn SF6 als Isoliergas ersetzt wird.
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Eine Lösung dieser Aufgabe besteht in den Merkmalen des Patentanspruchs 1.
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Die erfindungsgemäße Hoch- oder Mittelspannungsanlage, die insbesondere sogenannte gasisolierte Schalter oder gasisolierte Leitungen im Mittelspannungs- oder im Hochspannungsbereich umfasst, umfasst zudem einen gasisolierten Raum, einen Isolierraum mit einem gasförmigen Isoliermedium. Ferner befindet sich in dem Isolierraum ein Sorptionsmittel, das zur Sorption des gasförmigen Isoliermediums in einem vom Isolierraum getrennten Behälter vorliegt. Zwischen dem Behälter mit dem Sorptionsmittel und dem Isolierraum besteht eine verschließbare Verbindung.
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Für den Fall, dass die Hoch- oder Mittelspannungsanordnung außer Betrieb gesetzt wird oder Wartungsarbeiten vorgenommen werden, wird die verschließbare Verbindung zwischen dem Behälter und der Isolierung geöffnet, das Isoliergas kann vom Isolierraum in den Behälter strömen bzw. es kann dorthin gepumpt werden, und wird dann von dem Sorptionsmittel, das in dem Behälter angeordnet ist, adsorbiert. Auf diese Weise ist der Isolierraum der Hoch- oder Mittelspannungsanordnung in kurzer Zeit frei von dem Isoliergas und dessen Zersetzungsprodukte.
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Dabei ist es ebenfalls zweckmäßig, dass in dem Behälter mindestens zwei Sorptionsmittel vorliegen, wobei ein Sorptionsmittel zur selektiven Aufnahme des Isoliermediums dient und das zweite Sorptionsmittel zur selektiven Aufnahme der Zersetzungsprodukte dient. Auf diese Weise können Zersetzungsprodukte, die an sich nicht mehr verwertbar sind, von dem noch verwertbaren Isoliermedium getrennt werden. Das in dem Sorptionsmittel enthaltene und dort aufgenommene Isoliermedium kann in die Gasform zurückgeführt werden und anschließend wieder in den Isolierraum eingeführt werden. Auf diese Weise wird das Isoliermedium recycelt und nach den Wartungsarbeiten bzw. dem Isolierraum wieder zugeführt. Es kann jedoch auch für den Einsatz in einer neuen Hoch- oder Mittelspannungsanordnung dienen.
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Zwischen dem Isolierraum und dem Behälter ist üblicherweise ein Ventil vorgesehen, so dass das Isoliermedium und gegebenenfalls Zersetzungsprodukte gezielt vom Isolierraum in den Behälter übergeführt werden können, wenn dies wünschenswert ist.
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Grundsätzlich enthalten Isolierräume von Hochspannungs- bzw. Mittelspannungsanordnungen sogenannte Berstscheiben, so dass bei Auftreten eines unerwünschten Überdrucks diese Scheibe bricht und das Isoliermedium in die Umgebung abgegeben wird. Dies verhindert grundsätzlich das Explodieren der Anlage, führt aber dazu, dass die Umgebungsräume, in denen die Anlage angeordnet ist, mit dem Isoliermedium kontaminiert werden. Daher ist vorgesehen, die Berstscheibe so anzuordnen, dass sie in der Verbindung zwischen dem Isolierraum und dem Behälter mit dem Sorptionsmittel angeordnet ist und dass nach dem Bersten ausströmende Isoliermedium in den Behälter gelangt und dort von dem Adsorptionsmittel adsorbiert wird.
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Grundsätzlich kann der Behälter auch als separater Raum im Isolierraum angeordnet sein, was je nach Bauform der Anlage eine konstruktive Vereinfachung darstellen kann.
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Eine weitere Ausgestaltung der Erfindung besteht darin, dass die Sorptionsmittel (zwei oder mehrere) bezüglich der Gasdurchströmung so hintereinander angeordnet sind, dass das erste von dem gasförmigen Isoliermedium und dessen Zersetzungsprodukten passierte Sorptionsmittel besonders selektiv eine der chemischen Komponenten durch Sorption aus dem Gasgemisch entfernt und dieses so gefilterte Gasgemisch zu den folgenden Sorptionsmitteln passieren lässt. So können effektive die Zersetzungsprodukte vom Isoliergas getrennt werden.
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Weitere Ausgestaltungsformen und weitere Merkmale der Erfindung sind in den folgenden Figuren näher erläutert. Merkmale mit derselben Bezeichnung, aber in unterschiedlichen Ausgestaltungsformen sind dabei mit denselben Bezugszeichen versehen.
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Dabei zeigen:
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1 eine schematische Darstellung eines Isolierraums einer Hoch- oder Mittelspannungsanlage und einen damit verbundenen Behälter mit einem Sorptionsmittel,
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2 eine vergrößerte Darstellung des Behälters mit dem Sorptionsmittel und
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3 einen Isolierraum mit integrierten Behälter für Sorptionsmittel.
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In 1 ist rein schematisch ein Isolierraum 2 dargestellt, der einen Isolierraum einer Hoch- oder Mittelspannungsanlage, beispielsweise einer GIS oder einer GEL sein kann. In dem Isolierraum 2 ist ein gasförmiges Isoliermedium 4 eingebracht, wobei der Begriff gasförmig bzgl. des Isoliermediums 4 sich auf die Temperaturspanne der Betriebstemperatur bezieht. Es können auch Betriebstemperaturen vorherrschen, in dem das Isoliermedium 4 sowohl in Gas als auch in flüssiger Form bzw. auch in fester Form vorliegt. Grundsätzlich dürfte aber stets ein für die Isolierung ausreichender gasförmiger Anteil des Isoliermediums vorhanden sein.
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Über Ventile 12 und gegebenenfalls eine Berstscheibe 14 ist der Isolierraum 2 mit einem Behälter 8 verbunden, der ein Sorptionsmittel 6 enthält. Unter dem Begriff Sorptionsmittel 6 wird hierbei einerseits Adsorptionsmittel und auch Absorptionsmittel verstanden, wobei Adsorptionsmittel bevorzugt das Isoliergas an ihre Oberfläche aufnehmen durch Adsorptionsprozesse, und Absorptionsmittel das Isoliergas 4 in ihrem Inneren chemisch oder durch Lösung binden. Die Auswahl des Sorptionsmittels 6 richtet sich insbesondere nach der Beschaffenheit des verwendeten Isoliermediums 4, es können aktivierte Zeolithe, Aktivkohle, Silikagele oder andere Sorptionsmittel zum Einsatz kommen. Der Behälter 6, der das Sorptionsmittel aufnimmt, kann ein Glas, ein Kunststoff, ein Keramik oder auch ein Stahlbehälter sein.
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Für den Fall, dass die Hoch- oder Mittelspannungsanlage außer Betrieb gesetzt werden soll, beispielsweise am Ende der Lebensdauer bzw. für Wartungsarbeiten, werden die Ventile 12 geöffnet, so dass das Isoliermedium 4 in den Behälter 8 strömen kann. Dort wird das Isoliermedium 4 durch das Sorptionsmittel 6 aufgefangen. In einer besonders vorteilhaften Ausgestaltungsform gemäß 2 sind in dem Behälter 8 mehrere verschiedene Sorptionsmittel 6, 6‘ und 6‘‘ vorgesehen, die selektiv das Isoliermedium 4 und gegebenenfalls Zersetzungsprodukte hiervon auffangen. Dabei sorbiert das Sorptionsmittel 6 das gasförmige Isoliermedium 4, weshalb dessen anteilige Behälter 8 am größten ist, das Sorptionsmittel 6‘ sorbiert selektiv ein Zersetzungsprodukt des Isoliermediums 4. Sollten noch weitere Zersetzungsprodukte des Isoliermediums 4 oder beispielsweise Wasser als Kondensat im Isolierraum 2 vorhanden sein, so kann es zweckmäßig sein ein weiteres Sorptionsmittel 6‘‘ im Behälter 8 anzuordnen, das wiederum selektiv dieses weitere Zersetzungsprodukt, das beispielsweise ein hochmolekulares Zersetzungsprodukt ist, adsorbiert. Insgesamt wird das Absorptionsmittel 6 für das Isoliermedium den größten Teil des Behälters 8 beanspruchen, die Sorptionsmittel 6‘ und 6‘‘ und gegebenenfalls noch weitere hier nicht dargestellte Sorptionsmittel für beispielsweise niedermolekulare Zersetzungsprodukte, hochmolekulare Zersetzungsprodukte und Wasser, nehmen üblicherweise in etwa 20% des Volumens des Behälters 8 in Anspruch.
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Besonders vorteilhaft ist hier eine in Bezug auf die Abfolge der Gasdurchströmung vorgenommene Reihung der Sorptionsmittel dergestalt, dass das Gasgemisch als erstes das Sorptionsmittel 6‘ mit der höchsten Selektivität bezüglich einer chemischen Komponente oder Gruppe chemischer Komponenten des Gasgemisches passiert. Das Sorptionsmittel 6‘ entfernt dabei bevorzugt die Komponente, für die es besonders selektiv ist.
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Die restlichen Komponenten passieren nahezu ungehindert. Dieses kombinierte Filter-Sorptions-Verfahren lässt sich gestuft anwenden, so dass als letztes ein Sorptionsmittel niedriger Selektivität zur Sorption von den Stoffen übrigbleibt, die sich sonst nicht oder nur schwer von anderen Stoffen trennen lassen.
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In 3 ist eine weitere Ausgestaltungsform der vorgeschlagenen Hoch- bzw. Mittelspannungsanordnung gegeben, wobei der Behälter 8 in den Isolierraum 2 integriert ist. Dies kann je nach konstruktiver Ausgestaltung der Anordnung konstruktiv günstig sein, wobei sich die Anordnung der Sorptionsmittel im 6, 6‘ und 6‘‘ im Behälter 8 der 2 entspricht. Es ist ferner eine Berstscheibe 14 vorgesehen, die bei auftretendem Überdruck im Isolierraum 2 bricht und dazu führt, dass das Isoliermedium in den Behälter 8 eindringt und dort von dem Sorptionsmittel 6 aufgenommen wird.
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Es hat sich herausgestellt, dass korrosive Zersetzungsprodukte dazu führen, dass Berstscheiben altern, und der Berstdruck der Berstscheibe damit sinkt. Wenn der aktuelle Arbeitsdruck in der elektrischen Anlage unterschritten wird, bricht dabei die Berstscheibe auf. Auf diese Weise kann eine Anlagenalterung durch korrosive Produkte mit berücksichtigt werden.
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Bei der in 3 dargestellten Anordnung des Behälters 8 im Isolierraum 2 kann der Behälter 8 beispielsweise aus einem zerstörbaren Material ausgestaltet sein, so dass der Behälter 8 bei Bedarf von außen ferngesteuert gebrochen werden kann, was natürlich auch auf die Berstscheibe 14 anwendbar ist. Die Zerstörung des Behälters 8 oder das gezielte Einbringen eines Lochs in den Behälter 8 kann dann erfolgen, wenn eine Sorption des Isoliergases 4 durch das Sorptionsmittel 6 gewünscht ist. Auf diese Weise wird der Isolierraum 2 vom Isoliermedium 4 befreit, das anschließend durch das Sorptionsmittel 6 gebunden ist. Der Behälter 8 kann anschließend aus dem Isolierraum 2 entfernt werden und das Isoliermedium 4 kann aus dem Sorptionsmittel 6 abgetrennt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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