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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und eine entsprechende Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 6.
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Im Verkehrsgeschehen kann es zu Situationen kommen, in denen sich ein Fahrzeug aufgrund einer instabilen Fahrsituation überschlägt, wie beispielsweise bei einer Kollision, einem Verlassen der Fahrbahn oder einer zu schnellen Kurvenfahrt. Zur Erkennung eines derartigen Überschlag-Lastfalls wird üblicherweise die interne Sensorik im Airbagsteuergerät verwendet. Bei Ansprechen der Sensorik werden die zum Insassenschutz notwendigen Rückhaltesysteme, wie beispielsweise Überrollbügel, Gurtstraffer, Kopfairbags und dergleichen, vom Airbagsteuergerät angesteuert und aktiviert. Dabei umfasst die interne Sensorik üblicherweise einen Beschleunigungssensor und/oder einen Drehratensensor.
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Nun kann es unter Umständen zu Situationen kommen, in denen die interne Sensorik im Airbagsteuergerät aufgrund der Unfallsituation einen Überschlag-Lastfall nicht eindeutig erkennen kann. Diese Situation kann zum Beispiel durch ein sehr langsames Überschlag-Ereignis hervorgerufen werden, bei dem die Winkelgeschwindigkeit des Rollwinkels und/oder Nickwinkels, d.h. allgemein des Raumwinkels des Fahrzeugs, für eine Überschlag-Lastfallerkennung der internen Sensorik im Airbagsteuergerät nicht ausreicht, wodurch die für den Insassenschutz notwendigen Rückhaltesysteme nicht aktiviert werden.
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Die Druckschrift
DE 10 2012 209 839 A1 betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines auftretenden Überschlags eines Fahrzeugs, wobei ein Entfernungssignal eingelesen wird, das eine Entfernung eines Objektes von dem Fahrzeug repräsentiert, die sich innerhalb eines Toleranzbereiches normal zu einer Fahrzeugaußenseite erstreckt und wobei eine Normale auf die Fahrzeugaußenseite sich in eine andere Richtung als die Fahrtrichtung erstreckt, und wobei unter Verwendung des Entfernungssignals eine Bestimmung des auftretenden Überschlags erfolgt.
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Das Dokument
DE 10 2011 055 795 A1 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Erkennung eines drohenden Überschlags eines Fahrzeugs. Dabei umfasst das Verfahren die folgenden Schritte:
- – Aufnehmen einer Bilderfolge von der Fahrzeugumgebung, insbesondere von der vorausliegenden Fahrbahn, mit einer Kamera,
- – Ermitteln und Tracken von Punktmerkmalen in der Bilderfolge,
- – Eliminieren von Punktmerkmalen, die sich auf gegenüber der stationären Fahrzeugumgebung bewegten Objekten befinden, und
- – Berechnung zumindest einer Größe der rotatorischen Kamerabewegung unter Berücksichtigung der verbleibenden Punktmerkmale.
Zur Erkennung eines Überschlags werden die Daten der rotatorischen Kamerabewegung mit den Daten einer Inertialsensorik fusioniert.
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Die Druckschrift
DE 199 62 491 A1 offenbart ein Verfahren zur optischen Überwachung der Umgebung eines sich bewegenden Fahrzeugs durch Erfassung einer Anzahl von Punkten in dieser Umgebung, welches aus der zeitlichen Veränderung der Lage der Umgebungspunkte einen Neigungswinkel des Fahrzeugs gegenüber einer ebenen Fahrbahn ermittelt wird. Dazu wird eine vorhandene optische Einheit zur Umgebungsüberwachung verwandt und der optisch gewonnene Neigungswinkel zur Plausibilitätsprüfung eines mittels eines Gyrosensors erfassten Drehwinkelsignals genutzt und nur bei zumindest annähernder Übereinstimmung insassenschützende Mittel ausgelöst.
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Die Druckschrift
DE 198 22 184 B4 beschreibt eine Vorrichtung zur Erfassung eines Überschlages eines Kraftfahrzeuges mit einem als Abstandssensor mit zumindest vertikaler Auflösung ausgebildeten Überrollsensor und einer Auswerteeinheit zur Auswertung der Ausgangssignale des Abstandssensors, wobei der Abstandssensor Bestandteil einer Vorrichtung zur Erfassung von Objekten und/oder einer Precrash-Sensorik ist. Dabei ist der Abstandssensor derart ausgebildet, dass Ausgangssignale in horizontaler und vertikaler Richtung bezogen auf die Fahrzeuglängsachse erzeugt werden, wobei die horizontalen Ausgangssignale zur Erfassung eines Abstandes zwischen dem Kraftfahrzeug und einem Objekt und die vertikalen Ausgangssignale zur Erfassung des Überschlages des Kraftfahrzeuges dienen.
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Die Druckschrift
DE 100 05 010 A1 schlägt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Zurückhalten eines Insassen auf einem Fahrzeugsitz vor, wobei der Insasse bei Erkennen eines kritischen Fahrzustandes über einen Gurtstraffer mit einer Kraft in den Fahrzeugsitz gezogen wird und dann in einer zurückgezogenen Position mit einer Haltekraft auf dem Fahrzeugsitz gehalten wird. Hierbei wird die Haltekraft geringer gewählt als die Kraft zum Zurückziehen des Insassen.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs mit einer höheren Sicherheit und besserem Ansprechverhalten bei einem Überschlag-Lastfall zu schaffen.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und eine entsprechende Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 6 gelöst. Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs, wobei eine Erkennung eines möglichen Überschlag-Lastfalls mittels einer fahrzeuginternen Sensorik erfolgt und beim Erkennen eines Überschlag-Lastfalls Sicherheitseinrichtungen des Fahrzeugs angesteuert werden, werden Informationen einer vorausschauenden Umfeldsensorik des Fahrzeugs über Umfeldszenarien im Kontext des Fahrzeugs zur Unterstützung der Erkennung eines Überschlag-Lastfalls herangezogen, wobei bei einem Verlassen der Fahrbahn in Zusammenhang mit einem erkannten Böschungswinkel ein Herabsetzen der Aktivierungsschwellen der Sicherheitseinrichtungen des Fahrzeugs zum Schutz der Fahrzeuginsassen erfolgt.
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Auf diese Weise wird die vorhandene Erkennung eines Überschlag-Lastfalls mittels der internen Sensorik durch Informationen der vorausschauenden Umfeldsensorik unterstützt, so dass auch ein langsam verlaufender Überschlag erkannt werden kann, der von der internen Sensorik allein nicht als ein solcher klassifiziert werden würde.
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Unter Informationen über Umfeldszenarien im Kontext des Fahrzeugs werden Informationen über das Verhalten des Fahrzeugs in seinem Umfeld verstanden. Dies können beispielsweise Informationen darüber sein, ob das Fahrzeug die Fahrspur verlässt oder ob sich das Fahrzeug auf einer Böschung bewegt. Beide Umfeldszenarien können dazu beitragen, dass ein Überschlag-Lastfall möglich ist. Ferner kann aus Umfeldszenarien bestimmt werden, wie sich das Fahrzeug im Verhältnis zu anderen Objekten bewegt oder verhält. Objekte können andere Fahrzeuge oder sonstige Merkmale des Fahrzeugumfelds sein, beispielsweise der Fahrzeughorizont. Dreht sich der Fahrzeughorizont relativ zum Fahrzeug, so kann ein Raumwinkel, der allgemein aus einem Rollwinkel und einem Nickwinkel zusammengesetzt ist, bestimmt werden, aus dem sich Aussagen über das aktuelle Umfeldzenario des Fahrzeugs ableiten lassen, beispielsweise dass das Fahrzeug sich um die Längsachse und/oder Querachse dreht.
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Vorzugsweise werden die Informationen über die Umfeldszenarien im Kontext des Fahrzeugs aus der zeitlichen Entwicklung oder zeitlichen Änderung der Umfeldszenarien abgeleitet. Mit anderen Worten, die Szenarien werden beobachtet bzw. getrackt und aus dem zeitlichen Verlauf oder der zeitlichen Änderung können Aussagen über das Verhalten des Fahrzeugs in seinem Umfeld gewonnen werden, wie dies oben bereits anhand des Objekts "Horizont" kurz erläutert wurde. Ein Drehen des Umfeldhorizonts relativ zum Fahrzeug bedeutet gerade, dass die zeitliche Entwicklung des Umfelds relativ zum Fahrzeug beobachtet werden muss, um zu der Aussage zu gelangen, dass sich der Raumwinkel des Fahrzeugs ändert und, falls der Raumwinkel also zunimmt, die Gefahr eines Überschlags besteht. Bleibt beispielsweise der Rollwinkel und/oder der Nickwinkel über mehrere Beobachtungen hinweg konstant und die Raumwinkellage des Fahrzeugs ändert sich nicht, so steht das Fahrzeug gegebenenfalls auf einer schiefen Fläche, wie einer Böschung, aber die Gefahr eines bevorstehenden Überschlags kann daraus nicht zwingend abgeleitet werden.
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Weiter bevorzugt erfolgt die zeitliche Entwicklung oder zeitliche Änderung eines Umfeldszenarios durch ein Tracking vorgegebener Objekte, wobei die getrackten Objekte beispielsweise in einer Objektliste abgelegt sein können. Dabei ist der Begriff "Objekt" weit auszulegen und die vorgegebenen Objekte umfassen vorzugsweise: Gier-, Nick- und/oder Rollwinkel des Fahrzeugs, der Horizont relativ zum Fahrzeug, die Lage des Fahrzeugs zu anderen Objekten, wie beispielsweise anderen Fahrzeugen oder auch raumfesten Objekten im Umfeld des Fahrzeugs, die Lage von Objekten im Umfeld des Fahrzeugs zueinander und relativ zum Fahrzeug, der Abstand des Fahrzeugs zu Objekten im Umfeld des Fahrzeugs, und ein Verlassen des Fahrzeugs von der Fahrbahn. Die Aufzählung der möglichen Objekte ist hier nur beispielshaft und nicht als abschließend zu verstehen. Dabei kann die zeitliche Entwicklung oder zeitliche Änderung eines Umfeldszenarios vorzugsweise über bilderzeigende Umfeldbeobachtungen ermittelt werden.
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Weiter bevorzugt erfolgt bei einer erkannten Böschungsfahrt ein aktiver Lenkeingriff und/oder ein Blockierbremsen. Dabei verhindert der Lenkeingriff ein Rücklenken des Fahrzeugs und das Blockieren der Bremsen soll helfen einen Überschlag zu vermeiden. Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs, wobei die Vorrichtung zur Durchführung des im Vorangegangenen erläuterten Verfahrens eingerichtet und ausgelegt ist, umfasst
- – ein Steuergerät mit einer internen Sensorik zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls des Fahrzeugs und zur Erzeugung von Steuersignalen zum Ansteuern von Sicherheitseinrichtungen des Fahrzeugs, und
- – ein vorausschauendes Sensorsystem zur Erfassung des Fahrzeugumfelds und zur Ermittlung von Informationen über Umfeldszenarien im Kontext des Fahrzeugs, wobei die ermittelten Informationen an das Steuergerät zur Unterstützung der Erkennung eines Überschlag-Lastfalls weitergeleitet werden.
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Weiter bevorzugt wird das Steuergerät durch das Airbagsteuergerät gebildet. Da das Airbagsystem üblicherweise zur Ansteuerung der Rückhaltesysteme im Fall eines Überschlags ausgelegt ist, werden die Informationen des vorausschauenden Sensorsystems dort verarbeitet, so dass keine zusätzlichen Komponenten benötigt werden. Die Übertragung der Informationen erfolgt über fahrzeugübliche Bussysteme, wie der CAN-Bus etc..
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Das vorausschauende Sensorsystem wird daher als Unterstützung des Airbagsteuergeräts eingesetzt und im Airbagalgorithmus als Zusatzinformation für eine Überschlag-Erkennung genutzt, um Schutzsysteme zu aktivieren und um das Verhalten des Fahrzeugs bei einem drohenden Überschlag positiv zu beeinflussen. Durch das Zusammenwirken des vorausschauenden Sensorsystems und des Airbagsteuergeräts werden sowohl bei einem Überschlag-Lastfall mit hoher Rollgeschwindigkeit als auch bei einem Überschlag-Lastfall mit geringer Rollgeschwindigkeit die Signale erzeugt, die zu einer Erkennung des Überschlag-Lastfalls erforderlich sind, wobei sowohl ein Überschlag-Lastfall mit hoher Rollgeschwindigkeit durch das Airbagsteuergerät als auch ein Überschlag-Lastfall mit niedriger Rollgeschwindigkeit durch das vorausschauende Sensorsystem sicher erkannt werden können.
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Weiter bevorzugt umfasst das vorausschauende Sensorsystem ein Kamerasystem, ein Laserscansystem und/oder ein Radarsystem, mit anderen Worten, bilderzeugende Systeme, die ein zeitliches Tracking von Objekten ermöglichen.
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Die Sensoren des vorausschauenden Sensorsystems führen also eine Szenarienerkennung im Vorfeld des Fahrzeugs durch und erfassen den Kontext des Fahrzeugs bzw. seiner Fahrzeugtrajektorie zu dem voraus befindlichen Umfeld. Die Sensoren des vorausschauenden Sensorsystems können auch Informationen über Gierwinkel-, Nickwinkel- oder Rollwinkel-Verläufe erfassen. Unterstützend können Signale über Gierwinkel, Nickwinkel oder Rollwinkel von Sensoren des Fahrwerks bereitgestellt werden, wobei derartige Sensoren bei modernen Fahrzeugen ohnehin vorgesehen sind, so dass auch hier kein zusätzlicher Bauaufwand notwendig ist.
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Ferner können die Signale weiterer Assistenzsysteme, die beispielsweise ein Verlassen der Fahrbahn erkennen, in die Erkennung eines Überschlag-Lastfalls einfließen. Derartige Signale können beispielsweise Signale eines Spurhalteassistenten oder eines Spurverlassens-Warnsystems sein.
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Ein bevorzugtes Ausführungsbeispiele der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnungen beschrieben. Es zeigen:
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1 ein schematisches Blockdiagramm der erfindungsgemäßen Vorrichtung zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls eines Fahrzeugs, und
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2 ein Signaldiagramm zur Ergänzung des Blockdiagramms von 1.
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1 zeigt schematisch ein Blockdiagramm der Vorrichtung zur Erkennung eines Überschlag-Lastfalls, welches ein Fahrzeug 2 darstellt, in dem ein vorausschauendes Sensorsystem 4 vorgesehen ist, welches Sensoren zur Erfassung des Vorfelds und des Umfelds des Fahrzeugs aufweist, wobei die Sensoren Rollwinkel-, Nickwinkel- und/oder Gierwinkel-Sensoren (nicht dargestellt) umfassen können. Die Sensoren des vorausschauenden Sensorsystems 4 dienen dabei zur Erkennung von Szenarien in der Umgebung des Fahrzeugs und der Ermittlung der Rollwahrscheinlichkeit. Dabei wird die Fahrtrichtung des Fahrzeugs 2 durch einen Richtungspfeil 16 angezeigt und das Blickfeld 18 des Sensorsystems 4 wird durch das in Fahrtrichtung sich öffnende Dreieck symbolisiert.
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Die von dem vorausschauenden Sensorsystem 4 abgegebenen Signale werden in einer Verarbeitungseinheit 6 verarbeitet und an ein Airbagsteuergerät 8 abgegeben, welches einen internen Sensor 10 enthält, der beispielsweise durch einen Beschleunigungssensor und/oder einen Drehratensensor gebildet sein kann, der das Sensormodul des Airbagsteuergeräts 8 bildet. Der interne Sensor 10 erfasst die Rollbewegung des Fahrzeugs 2 und gibt entsprechende Ausgangssignale an ein Ansteuergerät 12 ab, welches die Sicherheitssysteme des Fahrzeugs, d.h. das Überschlag-Hilfssystem für einen Überschlag aktiviert, welches beispielsweise den Überrollbügel, einen Airbag oder andere Schutzsysteme umfasst.
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Andere Schutzsysteme können auch aktive Eingriffe in die Fahrzeugführung umfassen, wie beispielsweise eine Blockierbremsung bei einem unvermeidlichen Rollover oder das Verhindern von Rücklenkeingriffen zur Stabilisierung des Fahrzeugs.
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Die Signale von dem vorausschauenden Sensorsystem 4 bzw. von der Verarbeitungseinheit 6 werden über ein Bussystem 14 zu dem Airbagsteuergerät 8 und von dort zu dem Steuergerät 12 übertragen.
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Wie das Signaldiagramm in 2 zeigt, werden vorausschauende Signale in der Verarbeitungseinheit 6 erzeugt, die beispielsweise die Szenarienerkennung zwischen dem Fahrzeug und dem vorausliegenden Umfeld und/oder einen Roll, Nick- oder Gierwinkel des Fahrzeugs darstellen. Die Ausgangssignale der Verarbeitungseinheit 6 werden in dem Airbagsteuergerät 8 zusammen mit den Signalen des Drehratensensors 10 verarbeitet und zu dem Ansteuergerät 12 zur Aktivierung des Sicherheitssystems weitergeleitet. Zur Weiterleitung der Signale wird das Bussystem 14 des Fahrzeugs 2 verwendet.