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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erzeugung eines Fertigungsmodells für ein medizinisches Implantat, wobei Bilddaten einer Körperregion bereitgestellt werden, in den Bilddaten Bereiche segmentiert werden, welche jeweils Strukturen unterschiedlichen Gewebes entsprechen, und wobei anhand der den Strukturen entsprechenden Bereiche eine Form des Implantats definiert wird.
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Für die Herstellung eines medizinischen Implantats ist es wünschenswert, bei einem möglichst hohen Automatisierungsgrad für eine hohe Effizienz dennoch eine möglichst gute Anpassung an die individuellen Gegebenheiten der Anatomie des betreffenden Patienten zu erreichen, was a priori einer vollständigen Automatisierung der Fertigung entgegensteht. Der Wunsch nach einer patientenspezifischen anatomischen Adaptation gilt dabei für so unterschiedliche Implantate wie Knochenimplantate, einen Bandscheibenersatz oder Knorpelstrukturen für die plastische oder rekonstruktive Chirurgie.
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Gerade bei einem Implantat, welches aufgrund von einer Interaktion, beispielsweise infolge von Bewegungen, mit einer oder mehreren benachbarten Gewebestrukturen einer konstanten Belastung ausgesetzt ist, kann eine detaillierte patientenspezifische Anpassung des Implantats an das umgebende Gewebe einem Verschleiß des Implantats durch die Belastung vorbeugen. Ebenso können hierdurch auch unerwünschte Rückwirkungen durch das Implantat auf die an der Interaktion beteiligten Gewebestrukturen verringert werden, was Entzündungen, Abnutzung, Verhärtungen und körperlichen Verschleißreaktionen der Gewebestrukturen infolge des Implantats vorzubeugen hilft.
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In der
WO 2004/110309 ist ein Verfahren genannt, welches für die Fertigung eines Implantats zunächst von der Körperregion, für welche das Implantat vorgesehen ist, dreidimensionale tomographische Bilddaten aufnimmt und auf Basis dieser Bilddaten der Körperregion ein Fertigungsmodells des Implantats erstellt. Anhand des auf Basis der tomographischen Bilddaten erstellten Fertigungsmodells wird abschließend das Implantat angefertigt. In der
WO 2014/036551 ist ein Verfahren zur patientenspezifischen Ausgestaltung eines Implantats genannt, welches dreidimensionale tomographische Bilddaten insbesondere zur Ermittlung von zweidimensionalen Kontaktflächen eines Knochenimplantats mit dem für die Implantation vorgesehenen Knochen heranzieht.
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Generell werden jedoch bei den genannten Methoden die Bilddaten nur mit einer Modalität, also beispielsweise mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) aufgenommen, und dann mittels dieser durch eine Modalität generierten Bilddaten direkt ein Fertigungsmodells des Implantats erzeugt. Dies hat zur Folge, dass bei der Erzeugung des Fertigungsmodells im Wesentlichen nur jene anatomischen Strukturen der betreffenden Körperregion berücksichtigt werden, welche durch die verwendete Modalität besonders gut aufgelöst werden, also Knochenstrukturen bei CT oder Weichteilstrukturen bei MRT.
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Information über etwaige Beschädigungen von jenen Strukturen, welche durch die verwendete Modalität jeweils weniger gut aufgelöst werden, stehen deshalb für die Erzeugung des Fertigungsmodells nicht wirklich zur Verfügung. Zudem werden infolge der statischen Natur der Bilddaten mögliche anatomische Änderungen der betreffenden Körperregion (beispielsweise infolge von Bewegungen), welche Auswirkungen auf das Implantat haben könnten, beim Anpassen des Implantats nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie eine durch solche anatomischen Änderungen ggf. entstehende Belastung des Implantats.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Erzeugung eines Fertigungsmodells für ein medizinisches Implantat anzugeben, welches eine möglichst gute Anpassung des Implantats an die patientenspezifischen anatomischen Gegebenheiten der das Implantat umgebenden Gewebestrukturen ermöglicht und dabei die langfristigen Auswirkungen der Wechselwirkungen von Implantat und dem umgebenden Gewebe berücksichtigt.
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Die genannte Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zur Erzeugung eines Fertigungsmodells für ein medizinisches Implantat, wobei Bilddaten einer Körperregion bereitgestellt werden, in den Bilddaten Bereiche segmentiert werden, welche jeweils Strukturen unterschiedlichen Gewebes entsprechen, anhand der den Strukturen entsprechenden Bereiche eine Form des Implantats definiert wird, für wenigstens eine Struktur patientenspezifisch anhand der Bilddaten eine Interaktion mit dem Implantat bestimmt wird, für eine Anzahl an Strukturen die jeweilige Interaktion mit dem Implantat auf ein Überschreiten einer vordefinierten kritischen Belastung geprüft wird, und die Form des Implantats als Fertigungsmodell definiert wird, und das Fertigungsmodell auf einem Datenträger gespeichert und/oder über eine Schnittstelle ausgegeben wird, wenn für keine geprüfte Interaktion des Implantats mit der jeweiligen Struktur die vordefinierte kritische Belastung nicht überschritten wird. Vorteilhafte und teils für sich gesehen erfinderische Ausgestaltungen der Erfindungen sind in den Unteransprüchen und in der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.
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Das Verfahren ist hierbei vorzugsweise durch einen Rechner auszuführen, welcher eine Datenverbindung zu einem Datenträger und/oder einer Schnittstelle aufweist. Bevorzugt sind dabei Bilddaten von der Körperregion, für welche das Implantat vorgesehen ist, bereitzustellen. Insbesondere können die Bilddaten auch die Körperregion auch zeitaufgelöst darstellen, beispielsweise eine dynamische Darstellung einer Herzbewegung, wenn etwa das Implantat als unterstützende Struktur in einem Herzkranzgefäß oder als eine Herzklappe vorgesehen ist.
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Zur Segmentierung können Landmarken herangezogen werden, welche insbesondere auch manuell gesetzt werden können. Vorzugsweise wird die Segmentierung auch durch Lernalgorithmen unterstützt, so dass z.B. zur Segmentierung zunächst eine Klassifizierung der Bilddaten in Bereiche bekannte Muster stattfindet, und Bereiche, welche zunächst keinem bekannten Muster entsprechen, manuell klassifiziert werden, wobei die Mustererkennung die entsprechende Klassifizierung „erlernt“.
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Unter einem Implantat sind hier ggf. auch zur Implantation verwendete Implantationshilfen mit umfasst, welche vor der Implantation unmittelbar mit dem Implantat verbunden sind. Die Definition der Form des Implantats kann insbesondere erfolgen, indem die Oberfläche einer Struktur, welche einem segmentierten Bereich entspricht, berechnet wird. Das Implantat kann dann wenigstens teilweise eine Negativform gegenüber der Oberfläche der durch Segmentierung identifizierten Struktur aufweisen. Insbesondere kann eine Form des Implantats durch eine Berechnung vorgegeben werden, welche vor Bestimmung der oder jeder Interaktion mit der jeweiligen Struktur noch manuell angepasst werden kann.
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Unter der Interaktion der wenigstens einen Struktur mit dem Implantat sind insbesondere eine Belastung des Implantats durch die Struktur und eine Belastung der Struktur durch das Implantat umfasst.
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Die Erfindung geht dabei zunächst von der Überlegung aus, dass eine patientenspezifische Anpassung eines Implantats an die individuellen anatomischen Gegebenheiten durch das Heranziehen von Bilddaten der betreffenden Körperregion des Patienten am ehesten zu bewerkstelligen ist. Hierbei wird erkannt, dass die räumliche Auflösung der Körperregion, welche durch die Bilddaten zur Verfügung steht, direkt zur Definition einer Form des Implantats verwendet werden kann, wenn in den Bilddaten Bereiche segmentiert werden können, die jeweils Strukturen unterschiedlichen Gewebes entsprechen. Durch die Segmentierung der einzelnen Bereiche lässt sich ein Modell der Körperregion erstellen, welches durch die Zuordnung einzelner Bildpunkte in einem für das Implantat vorgesehenen Bereich zu ihrer Ortsinformation eine Definition der Form des Implantats ermöglicht. Durch diese Art der Definition der Geometrie des Implantats über die Ortsinformation von Bildpunkten aus Bilddaten kann eine endgültige Form als Fertigungsmodell zudem leicht in ein Datenformat übersetzt werden, welches unmittelbar für eine Fertigungsmaschine lesbar ist, so dass diese das Implantat direkt anfertigen kann.
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In einem weiteren Schritt wird nun erkannt, dass für eine Struktur, welche bereits vorher zur Definition der Form des Implantats anhand der Segmentierung ihrer entsprechenden Bildbereiche identifiziert wurde, patientenspezifisch eine Interaktion mit dem Implantat anhand der Bilddaten bestimmt werden kann. Bisher werden bei der Konstruktion von medizinischen Implantaten die möglichen Belastungen des Implantats durch die umgebenden Gewebestrukturen anhand von standardisierten Modellen berechnet. Dies erlaubt zwar zumindest eine Berücksichtigung möglicher Belastungen des Implantats, welche langfristig zu Abnutzungserscheinungen führen könnten. Jedoch werden patientenspezifische Veränderungen der betreffenden Körperregion so bei der Bestimmung der Belastungen völlig außer Betracht gelassen.
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Doch sind gerade Körperregionen, in welche aus medizinischen Gründen ein Implantat einzusetzen ist, oftmals merklich individuellen anatomischen Abweichungen von der durch einen in dieser Körperegion völlig gesunden Patienten gegebenen Norm unterworfen. So können beispielsweise Wirbel, zwischen welche ein Bandscheibenimplantat einzusetzen ist, durch eine länger währende Fehlstellung und damit einhergehende Fehlbelastung, welche auch als Ursachen der Beschädigung der Bandscheibe anzusehen wären, einseitig abgenutzt sein. Wird nun der Grad der Abnutzung bei der Konzeption eines Bandscheibenimplantates nicht mit berücksichtigt, so kann die dauerhafte Fehlbelastung der Wirbelsäule an dieser Stelle nicht korrigiert werden. Ein Implantat, welches die aus den Bilddaten zu entnehmende Abnutzung der Wirbel nur statisch für die Definition der Form, nicht aber dynamisch für die Bestimmung der Interaktion der Wirbel mit dem Implantat heranzieht, ist aufgrund der vielfältigen Bewegungsmuster der Wirbelsäule und der damit einhergehenden unzureichenden Berücksichtigung der Auswirkungen der patientenspezifischen anatomischen Gegebenheiten, hier gegeben durch die Abnutzung, auf die Bewegungsabläufe nicht optimal angepasst.
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Die Folge ist einerseits die Gefahr eines höheren Verschleißes des Implantates, was ggf. ein frühzeitiges Austauschen des Implantats erforderlich machen kann. Dies ist aufgrund des hierfür erforderlichen operativen Eingriffs unerwünscht. Andererseits können durch ein nicht optimal an die Interaktionen angepasstes Implantat auch die umgebenden Gewebestrukturen belastet werden. Eine Körperregion, in welcher aufgrund einer medizinischen Indikation ein Implantat eingesetzt wird, kann zwar durch das Implantat ggf. eine vorrübergehende Besserung des die Indikation bedingenden Zustands erfahren. Durch die langfristigen Belastungen, welche das Implantat auf die umgebenden Gewebestrukturen ausübt, kann so jedoch einerseits die medizinische Indikation nach einiger Zeit erneut gegeben sein.
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Andererseits können auch andere Indikationen wie Gewebeverhärtungen oder Entzündungen hinzutreten, wenn das Implantat langfristig das Gewebe ungünstig belastet. Bei beweglichen Implantaten wie z.B. Herzklappen ist auch ein längerfristiger Verlust der optimalen Beweglichkeit nicht ausgeschlossen. Im ungünstigsten Fall könnte ein Implantat, bei welchem die anatomischen Gegebenheiten des Patienten nur statisch zur Definition der Form, nicht aber dynamisch zur Bestimmung von möglichen Belastungen berücksichtigt werden, zwar vorrübergehend die Symptome der das Implantat erfordernden medizinischen Indikation lindern, ohne jedoch langfristig wirksam deren Ursachen zu beheben.
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Demgegenüber wird nun vorgeschlagen, anhand der ohnehin für die Definition der Form des Implantats vorliegenden, segmentierten Bilddaten patientenspezifisch für wenigstens eine Struktur eine Interaktion mit dem Implantat zu bestimmen, und zu überprüfen, ob durch die Interaktion eine vordefinierte Belastung – des Implantats und/oder der Struktur – überschritten wird. Ist dies nicht der Fall, wird also für keine der überprüften Strukturen bei der Interaktion mit dem Implantat eine vorbestimmte Belastungsgrenze überschritten, so wird die Form des Implantats als zulässiges Fertigungsmodell akzeptiert, und kann auf einem Datenträger gespeichert oder über eine Schnittstelle zur Weiterverarbeitung, insbesondere zum Übersetzen in eine Konstruktionssprache, welche von einer Fertigungsmaschine lesbar ist, ausgegeben werden.
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Als vorteilhaft erweist es sich, wenn aus den segmentierten Bereichen der Bilddaten ein Modell der dargestellten Körperregion erstellt wird. Die segmentierten Bereiche entsprechen hierbei den Strukturen unterschiedlichen Gewebes. Das Modell ist hierbei insbesondere ein Datenmodell der dargestellten Körperregion, welches zur Bestimmung der Interaktion der wenigstens einen Struktur mit dem Implantat herangezogen wird. Zur Bestimmung der besagten Interaktion erweist sich ein Modell der in den Bilddaten dargestellten Körperregion besonders vorteilhaft, da somit die Interaktion patientenspezifisch ermittelt werden kann. Dadurch können Nachteile vermieden werden, welche sich durch standardisierte Belastungsmodelle für das Implantat ergeben, z.B. durch nicht optimal angepasste Kraftvektoren im Implantat, welche eine Rückwirkung auf das umgebende Gewebe und somit dauerhafte Beanspruchungen mit entsprechenden Folgen wie Reizungen oder Entzündungen zur Folge hätten.
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Vorzugsweise werden durch wenigstens ein bildgebendes medizinisches Verfahren erzeugte Bilddaten bereitgestellt. Insbesondere stellen die Bilddaten dabei eine dreidimensionale Auflösung der betreffenden Körperregion dar. Die Bilddaten, welche durch ein übliches bildgebendes medizinisches Verfahren bereitgestellt werden können, weisen meist eine ausreichend gute Auflösung für die Durchführung des Verfahrens auf, insbesondere für die Definition der Form des Implantats anhand der Ortsdaten der einzelnen Bildpunkte.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung werden durch wenigstens zwei bildgebende medizinische Verfahren jeweils unterschiedlicher Modalität erzeugte Bilddaten bereitgestellt, wobei durch eine erste Modalität ein Satz an ersten Bilddaten und durch eine zweite Modalität ein Satz an zweiten Bilddaten erzeugt wird. Insbesondere weisen dabei die wenigstens zwei bildgebenden medizinischen Verfahren jeweils ein unterschiedliches Auflösungsvermögen hinsichtlich verschiedener Strukturen unterschiedlichen Körpergewebes auf, so dass insbesondere die ersten Bilddaten wenigstens eine Anzahl an ersten Strukturen besonders gut auflösen, und die zweiten Bilddaten wenigstens eine Anzahl an zweiten Strukturen besonders gut auflösen. Die Qualität der Auflösung kann dabei beispielsweise durch das Signal-Rausch-Verhältnis bzw. den Bildkontrast gegeben sein. Insbesondere umfassen die wenigstens zwei bildgebenden medizinischen Verfahren hierbei eine MRT und eine CT, so dass die durch die MRT gut aufgelösten Strukturen Weichteilgewebe umfassen, und die durch die CT gut aufgelösten Strukturen Knochengewebe umfassen. Dies ist von Vorteil, um Interaktionen des Implantats mit mehreren Strukturen unterschiedlichen Gewebes bestimmen zu können.
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Zweckmäßigerweise wird dabei in den ersten Bilddaten eine Anzahl an Strukturen entsprechenden Bereichen und in den zweiten Bilddaten eine Anzahl an Strukturen entsprechenden Bereichen segmentiert, wobei aus den Bereichen der ersten Bilddaten und den Bereichen der zweiten Bilddaten ein Modell der dargestellten Körperregion erstellt wird. Durch die Verwendung von Bilddaten unterschiedlicher Modalitäten kann das Modell der Körperregion die verschiedenen Strukturen unterschiedlichen Gewebes, welche jeweils durch unterschiedliche Modalitäten gut aufgelöst werden, besonders detailgetreu darstellen. Hierdurch kann die Qualität der Bestimmung der Belastung durch die oder jede Interaktion verbessert werden.
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Günstigerweise wird eine Form des Implantats definiert, indem eine vordefinierte Schablone ausgewählt wird, und die Form der Schablone anhand der Bilddaten patientenspezifisch modifiziert wird. Insbesondere kann dabei die Schablone mit einem patientenspezifischen Datenmodell der betreffenden Körperregion überlagert werden, und anhand der segmentierten Bereiche angepasst werden. Auch eine wenigstens teilweise manuelle Anpassung, welche sich der graphischen Darstellung an einem Bildschirm bedient, ist hier umfasst. Die Verwendung einer vorgegebenen Schablone, welche individuell an die Anatomie des Patienten angepasst wird, trägt dem Umstand Rechnung, dass Implantate des gleichen Typs oftmals von einer durch die durchschnittliche Anatomie bestimmten Grundform nur um wenige Prozent (bezogen auf das Gesamtvolumen des Implantats) abweichen. Diese Abweichungen sind jedoch oftmals für die korrekte medizinische Funktion des Implantats in der Körperregion des Patienten wesentlich.
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Die Verwendung einer solchen Grundform als Schablone und deren Anpassung erlaubt nun, die Definition der Form weniger rechenintensiv zu gestalten, da nur noch die patientenspezifischen Abweichungen von der Grundform berechnet werden müssen, aber nicht mehr das vollständige Implantat. Da die Auswahl der Schablone z.B. über eine einfache Mustererkennung erfolgen kann, ermöglicht dies, den rechenintensiven Teil der Definition der Form auf einige wenige Prozent des Volumens des Implantats zu beschränken.
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In einer weiter vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird für die wenigstens eine Struktur die Interaktion mit dem Implantat durch eine numerische Simulation bestimmt. Vorzugsweise wird für die Simulation ein Datenmodell der Körperregion, für die das Implantat vorgesehen ist, herangezogen. Insbesondere kann die Simulation die durch die Interaktion des Implantats mit den betreffenden Strukturen entstehenden Belastungen dynamisch ermitteln, d.h., dass dabei im Rahmen eines der Simulation zugrunde liegenden Belastungsmodells die bei verschiedenen Bewegungen der Körperregion auftretenden Belastungen simuliert werden.
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Bevorzugt wird dabei in der Simulation weiter ein Blutfluss simuliert. Dies ist gerade bei einem für ein Blutgefäß bzw. als Herzklappe vorgesehenen Implantat vorteilhaft.
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Günstigerweise werden zur Definition des Fertigungsmodells für eine Anzahl an Gebieten des Implantats und/oder eine Anzahl an Gebieten der wenigstens einen Struktur jeweils Parameter für eine kritische Belastung vorgegeben und gebietsweise mit einer durch die simulierte Interaktion ermittelten Belastung verglichen. Insbesondere können hierbei für das oder jedes Gebiet jeweils ortsabhängige Parameterfunktionen vorgegeben werden und die jeweilige Parameterfunktion in Abhängigkeit von ihren Ortskoordinaten mit den für diese durch die Simulation ermittelten Belastungen verglichen werden. Ein derartiges Vorgehen erlaubt insbesondere, für eine vorliegende Form des Implantats festzustellen, um welchen Wert an einer bestimmten Stelle des Implantats eine zulässige Belastung überschritten wird. Diese Information kann dann zur Anpassung herangezogen werden. Insbesondere können die durch die Simulation ermittelten Werte für die jeweilige ortsabhängige Belastung des Implantats und der umgebenden Strukturen zur Ermittlung der lokal auftretenden Kräfte herangezogen werden.
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In einer weiter vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Form des Implantats geändert wird, wenn durch wenigstens eine Interaktion des Implantats mit einer Struktur die vordefinierte kritische Belastung überschritten wird, wobei die Interaktion des Implantats mit der Struktur anhand der geänderten Form des Implantats erneut bestimmt wird. Insbesondere kann dieser Prozess iteriert werden. Wird die vordefinierte kritische Belastung nun für die betreffende Struktur, insbesondere für wenigstens eine, bevorzugt für alle benachbarten Strukturen, nicht mehr überschritten, kann die aktuelle Form des Implantats als Fertigungsmodell definiert und das Fertigungsmodell auf einem Datenträger gespeichert und/oder über eine Schnittstelle ausgegeben werden.
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Vorzugsweise werden dabei zur Änderung der Form des Implantats jeweils gebietsweise Abweichungen einer durch eine simulierte Interaktion ermittelten Belastung von einer vordefinierten kritische Belastung herangezogen. Die Änderung der Form kann dabei besonders an Gebieten mit hohen Überschreitungen der vorgegebenen Werte für die kritische Belastung vorgenommen werden. Hierdurch lassen sich die Berechnungen für eine Neudefinition der Form recheneffizienter durchführen.
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Bevorzugt wird eine lokale Dichte und/oder eine lokale Materialauswahl des Implantats geändert, wenn durch wenigstens eine Interaktion des Implantats mit einer Struktur die vordefinierte kritische Belastung überschritten wird, wobei die Interaktion des Implantats mit der Struktur anhand der geänderten lokalen Dichte und/oder lokalen Materialauswahl des Implantats erneut bestimmt wird. Insbesondere kann dieser Prozess iteriert werden. Wird die vordefinierte kritische Belastung nun für die betreffende Struktur, insbesondere für alle benachbarten Strukturen, nicht mehr überschritten, können die aktuelle lokale Dichte und/oder lokale Materialauswahl des Implantats als Eigenschaften des Fertigungsmodell definiert und das Fertigungsmodell auf einem Datenträger gespeichert und/oder über eine Schnittstelle ausgegeben werden.
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Die Erfindung nennt weiter eine Vorrichtung, welche zur Durchführung des vorbeschriebenen Verfahrens zur Erzeugung eines Fertigungsmodells eingerichtet ist. Insbesondere ist hierbei ein Rechner bzw. Computer umfasst, welcher insbesondere mit wenigstens einer speziell dafür ausgelegten ASIC ausgestattet sein kann. Die für das Verfahren und seine Weiterbildungen angegebenen Vorteile können sinngemäß auf die Vorrichtung übertragen werden.
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Die Erfindung nennt überdies ein Computerprogramm mit Programmcode zur Durchführung des vorbeschriebenen Verfahrens zur Erzeugung eines Fertigungsmodells, wenn das Computerprogramm auf einem Computer ausgeführt wird.
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Die Erfindung nennt zudem ein Verfahren zur Herstellung eines medizinischen Implantats, welches als Verfahrensschritte erstens die Erzeugung eines Fertigungsmodells mittels eines vorbeschriebenen Verfahrens, zweitens das Erzeugen eines von einer produzierenden Vorrichtung lesbaren Konstruktionsprogramms anhand des Fertigungsmodells, und drittens das Erzeugen des Implantats in der produzierenden Vorrichtung anhand des Konstruktionsprogramms umfasst. Ein besonderer Vorteil ist hierbei, dass das Fertigungsmodell durch das Verfahren zu seiner Erzeugung in einem Datenformat ausgegeben werden kann, welches eine matrixwertige dreidimensionale Volumendarstellung des Implantats aufweist, wie z.B. eine CAD-Datei.
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Eine solche Darstellung lässt sich für eine Vielzahl von produzierenden Vorrichtung, so beispielsweise für einen 3D-Drucker oder eine Fräsmaschine, unmittelbar in ein von der Vorrichtung lesbares Konstruktionsprogramm übersetzen, welches die zur Fertigung notwendigen Anweisungen an die Vorrichtung umfassen kann, wie etwa im Fall des 3D-Druckers eine Datei im .stl-Format. So ist eine hohe Probabilität des ausgegebenen Fertigungsmodells und eine praktische Verwertbarkeit gewährleistet. Insbesondere kann bei einer Ausgabe in einem vorteilhaften Dateiformat die Erzeugung des Fertigungsmodells von der stofflichen Produktion des Implantats getrennt werden, was zur Vereinfachung der Herstellung beitragen kann.
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Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Hierbei zeigen jeweils schematisch:
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1 in einem Blockdiagramm den Ablauf eines Verfahrens zur Erzeugung eines Fertigungsmodells für ein medizinisches Implantat,
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2 in einem Blockdiagramm den Ablauf eines Verfahrens zur Fertigung eines nach 1 konzipierten medizinischen Implantats,
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3 erste Bilddaten von einer Körperregion einer Wirbelsäule,
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4 zweite Bilddaten von einer Körperregion einer Wirbelsäule,
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5 in einer Längsschnittdarstellung eine Simulation einer Interaktion eines Implantats mit umgebendem Gewebe auf Basis der Bilddaten nach 3 und 4, und
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6 in einer Querschittdarstellung eine Simulation einer Interaktion eines Herzklappenimplantats mit dem umgebenden Gewebe.
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Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren jeweils mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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In 1 ist in einem Blockdiagramm schematisch ein Verfahren 1 zur Erzeugung eines Fertigungsmodells 2 für ein medizinisches Implantat gezeigt. Im vorliegenden Fall werden durch zwei bildgebende medizinische Verfahren CT, MRT, welche hier durch eine Computertomographie CT und eine Magnetresonanztomographie MRT gegeben sind, ein Satz an ersten Bilddaten 6 und ein Satz an zweiten Bilddaten 8 bereitgestellt. Eine andere, hier nicht dargestellte Ausführungsvariante des Verfahrens 1, in welcher Bilddaten durch nur ein bildgebendes medizinisches Verfahren bereitgestellt werden, weist einen vergleichbaren Ablauf auf. Die ersten Bilddaten 6 und die zweiten Bilddaten 8 werden jeweils getrennt voneinander segmentiert. Dies bedeutet, dass in den einzelnen Bilddaten zusammenhängende Bereiche 10, 12 anhand bestimmter Homogenitätskriterien ermittelt werden, welche jeweils Strukturen 11, 13 gleichen Gewebes abbilden. Im vorliegenden Fall entsprechen die Bereiche 10, welche in den durch die CT bereitgestellten ersten Bilddaten 6 segmentiert werden, Strukturen 11 aus Knochengewebe, da dieses durch die CT besonders gut aufgelöst wird. Die Bereiche 12, welche in den durch die MRT bereitgestellten zweiten Bilddaten 8 segmentiert werden, bilden entsprechend Strukturen 13 von Weichteilgewebe der betreffenden Körperregion 14 ab.
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Aus den in den ersten Bilddaten 6 segmentierten Bereichen 10 und den in den zweiten Bilddaten 8 segmentierten Bereichen 12 wird nun ein virtuelles Modell 16 der abgebildeten Körperregion 14 erstellt. Anhand dieses Modells 16 wird nun eine Form 18 für das zu fertigende Implantat definiert. Hierfür wird zunächst durch Musterkennung im Modell 16 aus einer Menge an vordefinierten Schablonen diejenige ausgewählt, welche dem zu fertigenden Implantat in ihrer Form möglichst ähnlich ist. Die ausgewählte Schablone 20 wird dann anhand der Bilddaten 6, 8 unmittelbar oder mittelbar, d.h. anhand des aus den daraus segmentierten Bereichen 10, 12 generierten Modells 16, patientenspezifisch modifiziert. Im Rahmen des Modells 16 bzw. der dieses generierenden Bilddaten 6, 8 werden nun für die definierte Form 18 des Implantats mögliche Interaktionen 22 mit den das Implantat umgebenden Strukturen 11, 13 in einer numerischen Simulation 24 ermittelt. Die Simulation 24 berechnet dabei ortsaufgelöst anhand von mechanischen Belastungsmodellen die Auswirkungen, welche eine Interaktion 22 bei Bewegungen der Körperregion 14 auf das Implantat der Form 18 und auf die dieses umgebenden Strukturen 11, 13 haben, und ermittelt dabei jeweils lokale Belastungsparameter 25.
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Wird eine vordefinierte kritische Belastung 26 durch den jeweiligen lokalen Belastungsparameter 25 überschritten, so wird die Form 18 anhand der ermittelten lokale Belastungsparameter 25 – insbesondere anhand des jeweiligen Überschreitungsgrades der kritischen Belastung 26 durch den lokale Belastungsparameter 25 – modifiziert, und die Simulation 24 für die Interaktionen 22 erneut durchgeführt. Dies wird nun iteriert, bis die kritische Belastung 26 für die gesamte Körperregion 14 und das Implantat unterschritten bleibt. Die so als zulässig ermittelte Form 18 des Implantats wird als Fertigungsmodell 2 für das Implantat festgelegt, und kann nun auf einem Datenträger 30 abgespeichert oder über eine Schnittstelle 32 ausgegeben werden.
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In 2 ist in einem Blockdiagramm schematisch der Ablauf eines Verfahrens 40 zur Fertigung eines nach 1 konzipierten medizinischen Implantats 42 dargestellt. Nach dem in 1 dargestellten vorbeschriebenen Verfahren 1 wird auf einem speziell dafür ausgelegten Rechner 43 ein Fertigungsmodell 2 für das Implantat 42 erzeugt, und über eine Schnittstelle 32 ausgegeben. Das Fertigungsmodell 2 wird nun in ein Konstruktionsprogramm 44 übersetzt, welches von einer produzierenden Vorrichtung, welche hier durch einen 3D-Drucker 46 gegeben ist, direkt gelesen werden kann, also beispielsweise in eine Datei im .stl-Format. Der 3D-Drucker 46 erzeugt nun das Implantat 42 anhand des Konstruktionsprograms 44, welches eine direkte Implementierung des Fertigungsmodells 2 darstellt.
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In 3 und 4 ist jeweils schematisch dieselbe Längsschnittebene eines Ausschnitts einer Wirbelsäule in ersten Bilddaten 6 und in zweiten Bilddaten 8 gezeigt, welche zwei Wirbel 50, 52 und eine dazwischen liegende Bandscheibe 54 abbilden. In den in 3 dargestellten ersten Bilddaten 6 sind dabei die beiden Wirbel 50, 52 durch den hohen Kontrast besonders gut zu erkennen, in den in 4 dargestellten zweiten Bilddaten 8 ist die Bandscheibe 54 und das dahinter liegende Rückenmark 56 besser aufgelöst. In den ersten Bilddaten lässt sich am unteren Wirbel 52 eine leichte Ausbuchtung 58 erkennen, welche eine Abweichung von einer üblicherweise zu erwartenden Form 60 des gleichen Wirbels bei einer durchschnittlichen Person darstellt. Diese üblicherweise zu erwartende Form 60 ist aus Klarheitsgründen gestrichelt eingezeichnet, und stellt keinen Bestandteil der Bilddaten dar. Die Ausbuchtung 58 kann dabei angeboren sein, oder durch langjährige fehlerhafte Haltung bzw. Belastung aufgrund von Abnutzung entstanden sein. In den zweiten Bilddaten 8 ist erkennbar, dass das Rückenmark 56 in der Nähe des Ausbuchtung 58 an den Wirbeln 50, 52 vorbei verläuft.
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In 5 ist schematisch eine Simulation 24 einer Interaktion 22 eines Implantats 42 mit den dieses umgebenden Strukturen 11 gezeigt. Auf Basis der Bilddaten 6, 8 nach 3 und 4 ist hierfür ein Modell 16 der entsprechenden Körperregion, welches die Wirbel 50, 52, die Bandscheibe 54 und das Rückenmark 58 umfasst, erstellt worden. Die Bandscheibe 54 wird nun im Modell 16 für eine numerische Simulation 24 der Interaktion 22 durch das Implantat 42 mit einer vordefinierten Form ersetzt.
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Die Interaktion 22 besteht hierbei in einer Krümmung der Wirbelsäule. Durch die Simulation 24 der Interaktion 22 wird nun jeweils die Belastung des Implantats 42 bei der Interaktion 22 berechnet. Hierbei wird festgestellt, dass bei einer Bewegung des Patienten, welcher die entsprechende Krümmung der Wirbelsäule zur Folge hat, das auf Implantat 42 aufgrund der Ausbuchtung 58, welche eine individuelle anatomische Besonderheit darstellt, stärkere Kräfte in Richtung des Rückenmarks 56 wirken, und eine kritische Belastung 26 im Gebiet 64 des Implantats überschritten wird. Dies kann langfristig entweder zu einer Protrusion des Implantats 42 oder zu dessen übermäßiger Abnutzung infolge von Reibungsvorgängen mit den Wirbeln 50, 52 führen. Im vorliegenden Fall würde die Form des Implantats 42 auf Basis der durch die Simulation 24 gewonnen Erkenntnise angepasst, und die Interaktion 22 (und ggf. weitere) erneut auf kritische Belastungen des Implantats 42 überprüft. Werden diese nun infolge der geänderten Form des Implantats 42 nicht mehr überschritten, kann die so definierte Form des Implantats 42 als Fertigungsmodell festgelegt und ausgegeben werden.
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In 6 ist in einer Querschittdarstellung eine Simulation 24 einer Interaktion 22 eines Herzklappen-Implantats 42 mit dem umgebenden Gewebe 66 gezeigt. Die Interaktion 22 besteht dabei im Wesentlichen in den Auswirkungen des Öffnens und Schließens des Herzklappen-Implantats 42 aus das umgebende Gewebe 66. Für die Simulation 24 wird dabei ein Blutfluss 68 mit berücksichtigt. Weist beispielsweise die Aorta 70, in welche das Implantat 42 einzusetzen ist, eine Verengung 72 auf, so könnte beispielsweise ein zu starker Blutfluss 68 in diesem Bereich den Blutdruck erhöhen, was langfristig zu Folgeerkrankungen des Patienten führen könnte. Im vorliegenden Fall kann dabei die Form des Implantats 42 an die Erfordernisse an den Blutfluss 68, welche sich aus der individuellen Anatomie des Patienten, insbesondere seiner Aorta 70 ergeben, angepasst werden.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert und beschrieben wurde, ist die Erfindung nicht durch dieses Ausführungsbeispiel eingeschränkt. Andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- WO 2004/110309 [0004]
- WO 2014/036551 [0004]