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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum robotergestützten Rollfalzen.
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Rollfalzen ist ein anspruchsvolles Fertigungsverfahren, welches auch in Zeiten der robotergestützen Industrieprozesse nur durch hohen Zeit- und Kostenaufwand zuverlässig umsetzbar ist. Es wird jedoch in vielen Industriebetrieben, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie zur Blechbearbeitung in der Serienfertigung dringend benötigt. Besonders aufwendig sind die Einstellarbeiten, die einem stabilen Rollfalzprozess vorausgehen. Durch gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte muss eine solche Vorrichtung an die jeweiligen Werkstückbedingungen angepasst werden. Es müssen die Form-, Lage- und Materialtoleranzen nach Erfahrungswerten kompensiert werden. Nur unter diesen Umständen sind gute Ergebnisse am Ende des Prozesses zu erwarten. Eine vollständige Kompensation dieser Einflussfaktoren, allein durch einen Manipulator, ist unter den zurzeit möglichen und über der Position des Roboters abhängigen Genauigkeiten nicht möglich.
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Der Artikel
Jens P. Wulfsberg et al, Kraftgeregeltes Rollfalzen, In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Nr. 03, 2005, S. 130–135, beschreibt einen kraftgeregelten Rollfalzprozess. Darin ist die aufwendige Regelung eines Industrieroboters zum Rollfalzen beschrieben. Druckschrift
JP 2011-240 400 A beschreibt eine robotergestützte Rollfalzvorrichtung zum automatisierten Falzen eines Werkstückes auf einer Werkstückunterlage. In Druckschrift
JP 2005-349 471 A wird eine Rollfalzvorrichtung beschrieben, bei der das zu falzende Werkstück gegen eine feststehende Rolle gedrückt wird. Druckschrift
DE 10 2006 001 640 B4 zeigt eine Rollumschlagvorrichtung mit Rollen, die über einen komplexen Hilfsrahmen beweglich zueinander ausgeführt sind. In Druckschrift
DE 10 2004 008 821 A1 wird eine Bördeleinrichtung mit einer angetriebenen Bördelrolle ohne Gegenrolle beschrieben. Die Bördelrolle wird im Betrieb gegen ein Werkstück gedrückt, welches auf einer dafür vorgesehenen Werkstückunterlage liegt.
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Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe besteht darin, eine verbesserte Vorrichtung sowie ein verbessertes Verfahren zum Rollfalzen zur Verfügung zu stellen. Zeit- und kostenaufwendige Justierarbeiten zur Einrichtung eines stabilen Rollfalzprozesses sollen reduziert werden sowie auch der Einfluss von Lage und Geometrie des Werkstücks auf den Rollfalzprozess.
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Diese Aufgabe wird durch eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 oder durch ein Verfahren gemäß Anspruch 14 gelöst. Unterschiedliche Ausführungsbeispiele und Weiterentwicklungen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Es wird im Folgenden eine Vorrichtung zum robotergestützten Rollfalzen beschrieben. Gemäß einem Beispiel der Erfindung umfasst die Vorrichtung zum robotergestützten Rollfalzen einen Manipulator sowie eine Rollfalzvorrichtung. Die Rollfalzvorrichtung weist einen Rahmen auf sowie eine erste Rolle und eine zweite Rolle, welche im Betrieb an zwei gegenüberliegenden Seiten eines Werkstücks anliegen. Die Rollfalzvorrichtung weist des Weiteren zumindest einen ersten Aktor auf, der mechanisch derart mit dem Rahmen und zumindest einer der beiden Rollen gekoppelt ist und derart angesteuert wird, dass über die beiden Rollen entgegengesetzt gerichtete Prozesskräfte, die annähernd auf einer Wirkungslinie liegen, auf die gegenüberliegenden Seiten des Werkstücks eingeleitet werden, und wobei die beiden Rollen gegenüber dem Rahmen verschiebbar sind, sodass eine Fehlpositionierung der Rollfalzvorrichtung relativ zum Werkstück durch eine Verschiebung der Rollen relativ zum Rahmen ausgeglichen werden kann.
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Die von dem mindestens einen ersten Aktor bewirkten, entgegengesetzt gerichteten Prozesskräfte können betragsmäßig gleich groß sein, sodass zumindest eine resultierende Kraft oder ein resultierendes Drehmoment, welches vom Aktor über die Rollen auf das Werkstück ausgeübt wird annähernd null ist. Die Rollfalzvorrichtung kann derart ausgeführt sein, dass die Prozesskräfte, die durch die Aktoren aufgebracht werden, orthogonal zu einer Vorschubrichtung der Rollfalzrichtung verlaufen.
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Der Manipulator kann dazu ausgebildet sein, entweder die Rollfalzvorrichtung oder das Werkstück entlang einer vorgegebenen Soll-Kontur zu bewegen. Gemäß einem Beispiel bewegt der Manipulator die Rollfalzvorrichtung entlang einer Fügestelle des Werkstücks. Gemäß einem anderen Beispiel bewegt der Manipulator das Werkstück, so dass es zwischen den Rollen der Rollfalzvorrichtung hindurch geführt wird.
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Die Rollfalzvorrichtung kann einen ersten und einen zweiten Aktor aufweisen. Der erste Aktor wirkt in diesem Fall zwischen dem Rahmen und der ersten Rolle und der zweite Aktor zwischen dem Rahmen und der zweiten Rolle. Beide Aktoren ermöglichen damit eine Verschiebung der beiden Rollen entlang der Wirkungslinie (im Wesentlichen normal zur Vorschubrichtung des TCP des Manipulators).
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Gemäß einem weiteren Beispiel wirkt der mindestens eine Aktor zwischen den beiden Rollen, wobei der Aktor und die beiden Rollen (entlang der ersten Richtung) verschiebbar an dem Rahmen gelagert sind. Der Aktor und die beiden Rollen können dazu an einem Basisteil angeordnet sein, welches an dem Rahmen geführt ist. Aktor und Rollen können z.B. mittels einer Feder oder eines weiteren Aktors (beispielsweise über das erwähnte Basisteil) verschiebbar an dem Rahmen gehalten werden.
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Die Rollfalzvorrichtung kann einen Motor aufweisen, der dazu ausgebildet ist, mindestens eine der Rollen anzutreiben. Dabei kann mindestens eine der Rollen so angetrieben werden, dass deren Drehgeschwindigkeit an eine Bahngeschwindigkeit des Manipulators angepasst ist.
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Die Vorrichtung kann eine Steuereinheit aufweisen, die dazu ausgebildet ist, den mindestens einen Aktor so anzusteuern, dass die vom Aktor bewirkten Prozesskräfte annähernd einer Soll-Kraft entsprechen, wobei die gesteuerten bzw. geregelten Prozesskräfte im Wesentlichen normal auf die jeweiligen Oberflächen des Werkstücks wirken.
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Des Weiteren wird ein Verfahren zum robotergestützten Rollfalzen eines Werkstücks mit Hilfe einer Rollfalzvorrichtung beschrieben, wobei die Rollfalzvorrichtung einen Rahmen, eine erste Rolle und eine zweite Rolle, sowie mindestens einen ersten Aktor aufweist. Die Rollen liegen im Betrieb an zwei gegenüberliegenden Seiten des Werkstücks an, und der mindestens eine Aktor ist mechanisch mit dem Rahmen und den beiden Rollen gekoppelt. Gemäß einem Beispiel der Erfindung umfasst das Verfahren das Bewegen des Werkstücks oder der Rollfalzvorrichtung entlang einer Soll-Kontur mit Hilfe eines Manipulators, sowie das Ansteuern des mindesten einen Aktors derart, dass über die beiden Rollen entgegengesetzt gerichtete Prozesskräfte, die im Wesentlichen normal zu einer Vorschubrichtung der Rollfalzvorrichtung wirken und annähernd auf einer Wirkungslinie liegen, auf gegenüberliegenden Seiten des Werkstücks eingeleitet werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand der in den Abbildungen dargestellten Beispielen näher erläutert. Die Darstellungen sind nicht zwangsläufig maßstabsgetreu und die Erfindung beschränkt sich nicht nur auf die dargestellten Aspekte. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, die der Erfindung zugrunde liegenden Prinzipien darzustellen.
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1 zeigt einen Manipulator mit angebrachtem Aktor zum Rollfalzen auf entsprechender Unterlage;
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2 zeigt die an der Rolle und an dem Werkstück wirkenden Kräfte bei einer Vorrichtung gemäß 1;
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3 zeigt eine von einem Manipulator geführte Rollfalzvorrichtung gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel mit zwei Aktoren und zwei gegenüber liegenden Rollen zum Rollfalzen eines Werksstücks.
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4 zeigt die an den Rollen und an dem Werkstück wirkenden Kräfte bei einer Vorrichtung gemäß 3;
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5 zeigt eine von einem Manipulator geführte Rollfalzvorrichtung gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel mit einem Aktor und zwei gegenüber liegenden Rollen zum Rollfalzen eines Werksstücks; und
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6 zeigt eine Rollfalzvorrichtung gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel mit einem Aktor und zwei gegenüber liegenden Rollen zum Rollfalzen eines von einem Manipulator geführten Werksstücks.
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In den Figuren bezeichnen gleiche Bezugszeichen gleiche oder ähnliche Komponenten mit jeweils gleicher oder ähnlicher Bedeutung.
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Unter Rollfalzen versteht man das Fügen zweier Bleche oder Materialien mit Werkzeugen ähnlich einer Falzmaschine (ursprünglich bekannt aus der Buchbinderei). Ähnlich wie beim Bördeln werden die zwei Materialien per Formschluss miteinander verbunden. Dabei werden allerdings die Bleche nicht stark geknickt, sondern mittels Werkzeugen ineinander verrollt. Vorteil hierbei ist, dass die Oberflächen nicht beschädigt werden, und keine Kerbspannungen in das Material eingebracht werden. Die Technik kommt ursprünglich von den Spenglern und wird heute z. B. zum Verbinden von Blechteilen verwendet. Neben einer formschlüssigen Verbindung werden die Materialien mittels Reibung (Klemmen) also kraftschlüssig gehalten.
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Rollfalzen wird ebenfalls im Karosseriebau eingesetzt, bei dem Karosserieteile mittels robotergeführten Rollenwerkzeugen verbunden werden. Dabei wird die Außenkante eines sichtbaren Bleches in einem oder mehreren Schritten um das entsprechende nicht sichtbare Innenteil geformt. Hierbei wird die Kante des sichtbaren Blechs über eine korrespondierende Kante des Innenteils gebogen, um eine formschlüssige Verbindung herzustellen. Zur Abdichtung der Verbindung kann vor dem Rollfalzprozess ein Dichtklebstoff in die Fügestelle eingebracht werden.
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1 zeigt einen Rollfalzprozess wie er beispielsweise im Automobilbereich in der Serienproduktion eingesetzt wird. Im vorliegenden Beispiel besteht das zu bearbeitende Werkstück 301 beispielsweise aus einem (äußeren) Blech 301b und einem (später innen liegenden) Bauteil 301a, die am Rand durch den Rollfalzprozess verbunden werden. Zusätzlich können Blech 301b und das Bauteil 301a durch Kleben verbunden werden. Zur Herstellung der Rollfalzverbindung wird eine Kante des Blechs 301b über eine korrespondierende Kante des Bauteils 301a umgeschlagen. Damit der Umschlag des Blechs 301b über die Kante des Bauteils 301a gleichmäßig verläuft, kann eine Regelung der Anpresskraft FN des Werkzeuges (Rolle 201, siehe auch 2) nötig sein. Industrieroboter (sogenannte Manipulatoren) sind häufig jedoch positionsgeregelt, was – trotz geometrisch korrekter Bahnplanung – aufgrund unvermeidbarer Toleranzen (und daraus resultierender Schwankungen der Anpresskraft) Falzfehler zur Folge hat. Bei zu geringer Kraft wird der Falz nicht dicht geschlossen. Bei zu hoher Kraft kommt es zu sichtbaren Deformationen der Oberfläche.
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Die erwähnten Probleme (Falzfehler) können beispielsweise dadurch (zumindest teilweise) gelöst werden, dass das Werkzeug (die Rolle 201a, 201b) an dem Manipulator 100 über eine mechanisch vorgespannte Feder befestigt ist.
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Geringe Positionsabweichungen können dann durch eine Auslenkung der Feder ausgeglichen werden. Bei entsprechender Wahl der Federkennlinie, ändert sich dabei die Anpresskraft FN nicht nennenswert. Anstelle einer Feder kann auch ein zusätzlicher Aktor (z.B. Linearaktor) verwendet werden, mit dessen Hilfe die Anpresskraft geregelt wird.
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Im vorliegenden Beispiel, das in 1 gezeigt ist, wird die Rolle 201 von einem Manipulator 100 über die Fügestelle des Werkstücks 301 geführt. Der Manipulator 100 ist beispielsweise ein Standard-Industrieroboter mit den Armsegmenten 103, 104 und 105. Das erste Segment 103 ist schwenkbar und drehbar an einer Basis 102 angeordnet, die starr mit einem Sockel 101 (Fundament) verbunden ist. Das zweite (mittlere) Armsegment 104 ist schwenkbar mit dem ersten Armsegment 103 verbunden. Das dritte Armsegment 105 ist mit dem zweiten Armsegment 104 schwenkbar verbunden und trägt am sogenannten Tool-Center-Point (TCP) das Werkzeug, im vorliegenden Fall die Rolle 201. Das Werkzeug 201 ist üblicherweise drehbar und schwenkbar (z.B. über ein im dritten Armsegment 105 inkludiertes zweiachsiges Gelenk 106) mit dem dritten Armsegment 105 verbunden. Damit hat der Manipulator 100 sechs Freiheitsgrade und kann das Werkzeug 201 in jeder beliebigen Position und Orientierung (als „Pose“ bezeichnet) halten.
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Während des Rollfalzprozesses ist das Werkstück 301 auf einer Unterlage 300 angeordnet, welche die beim Rollfalzen auftretenden Kräfte aufnehmen muss. Je nach Form der Falzverbindung kann die Unterlage 300 eine sehr komplexe Form aufweisen, die sehr aufwändig mit hoher Genauigkeit gefertigt werden muss. Zudem können Halterungen zum Fixieren des Werkstücks 301 auf die Unterlage notwendig werden, die selbst Hindernisse für die Bewegung des Manipulators 100 darstellen. In 2 sind die beim Rollfalzprozess auftretenden Kräfte schematisch dargestellt. Die über die Rolle 201 auf das Werkstück 301 ausgeübten Kräfte FN, FV werden von der Unterlage 300 aufgenommen. Die Anpresskraft FN (im folgenden Text auch als Prozesskraft FN, FN' bezeichnet) wirkt normal (in rechtem Winkel) zur Vorschubrichtung v auf das Werkstück 301, und die Vorschubkraft FV wirkt in Vorschubrichtung v. Die jeweiligen Gegenkräfte (Auflagerkräfte), die von der Unterlage 300 auf das Werkstück 301 ausgeübt werden sind mit FN‘ und FV‘ bezeichnet. Um Form- und Lagetoleranzen des Werkstücks 301 auszugleichen, kann die Rolle 201, wie oben erwähnt, z.B. über eine Feder mit dem TCP des Manipulators 100 gekoppelt sein. Nichtsdestotrotz, ist eine – je nach Form des Werkstücks 301 – komplexe Unterlage 300 nötig, welche die beim Rollfalzen auftretenden Kräfte aufnimmt.
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Die in 3 schematisch dargestellte beispielhafte Anordnung ermöglicht es, auf die oben erwähnte komplexe Unterlage 300 zu verzichten, da von dem Werkstück 301 nur mehr die (vergleichsweise niedrige) Vorschubkraft FV aufgenommen werden muss während sich die Prozesskräfte FN, FN‘ kompensieren. Der Aufbau des Manipulators 100 gemäß 3 ist im Wesentlichen gleich wie im vorherigen Beispiel (1). Der Manipulator 100 weist demnach drei Armsegmente 103, 104 und 105 (inklusive Gelenk 106, vgl. 1) auf. Das erste Segment 103 ist schwenkbar und drehbar an einer Basis 102 angeordnet, die starr mit einem Sockel 101 (Fundament) verbunden ist. Das zweite (mittlere) Armsegment 104 ist schwenkbar mit dem ersten Armsegment 103 verbunden. Das dritte Armsegment 105 ist mit dem zweiten Armsegment 104 schwenkbar verbunden und trägt über das Gelenk 106 am sogenannten Tool-Center-Point (TCP) das Werkzeug. Das Werkzeug ist im vorliegenden Fall nicht eine einfache Rolle, sondern eine komplexere Rollfalzvorrichtung 200, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird.
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Gemäß dem dargestellten Ausführungsbeispiel weist die Rollfalzvorrichtung eine erste Rolle 201a sowie eine zweite Rolle 201b auf, welche im Betrieb an zwei gegenüberliegenden Seiten eines Werkstücks 301 anliegen. Die Rollfalzvorrichtung weist zusätzlich einen Rahmen 107 auf, sowie mindestens einen ersten Aktor 202a, 202b der mechanisch mit dem Rahmen 107 und den beiden Rollen 201a, 201b gekoppelt ist. Im vorliegenden Beispiel sind zwei Aktoren 202a 202b vorgesehen, wobei jeder der beiden Aktoren 202a, 202b, jeweils eine der Rollen 201a, 201b mechanisch mit dem Rahmen 107 koppelt. Der mindestens eine Aktor (im vorliegenden Beispiel einer und/oder beide Aktoren 202a, 202b) wird (werden) derart angesteuert, dass beim Rollfalzvorgang über die beiden Rollen 201a, 201b entgegengesetzt gerichtete Prozesskräfte FN, FN‘ (Anpresskräfte) auf die gegenüberliegenden Seiten des Werkstücks 301 wirken. Die Höhe der Prozesskräfte FN, FN‘ kann durch entsprechende Ansteuerung der Aktoren 202a, 202b geregelt werden. Die Resultierende der Prozesskräfte FN + FN‘ ist jedoch annähernd Null (da FN‘ = –FN). Toleranzen des Werkstücks 301 und Bahntoleranzen des Manipulators 100 werden daher in Richtung dieser Prozesskräfte FN, FN' kraftlos kompensiert, es entsteht dabei weder eine Rückwirkung auf das Werkstück 301, noch auf den Manipulator 100. Die beiden Rollen 201a, 201b können durch die Anordnung der beiden Aktoren 202a, 202b „schwimmend“ am Manipulator 100 gelagert sein. Unter einer schwimmenden Lagerung kann dabei eine Lagerung verstanden werden, die es den Rollen 201a, 201b ermöglicht, sich im Betrieb an Ungleichmäßigkeiten des Werkstückes 301 anzupassen. Unter Ungleichmäßigkeiten werden beispielsweise Unebenheiten an der Werkstückoberfläche, sowie Form- und Lagertoleranzen verstanden.
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Die Darstellung gemäß 3 ist nur als schematische Skizze zu verstehen. Die Rollen 201a, 201b und das Werkstück 301 können in der Praxis bei der Anordnung gemäß 3 derart orientiert sein, dass die Vorschubrichtung v beim Rollfalzen annähernd normal zur Zeichenebene gerichtet ist. Die Aktoren 202a, 202b können als Linearaktoren ausgebildet sein, beispielsweise als Pneumatikzylinder oder als kolbenlose pneumatische Aktoren (sogenannter Balgzylinder). Auch elektromagnetische Direktantriebe (d.h. getriebelose elektrische Antriebe) kommen in Betracht (bei geringeren Anforderungen an die Höhe der Prozesskraft). Die Aktoren 202a, 202b können einander gegenüberliegend und im Wesentlichen koaxial zueinander (oder zumindest so, dass sich die resultierende Kraft senkrecht zur Vorschubrichtung v ausgleichen kann) zwischen dem Rahmen 107 und den Rollen 201a, 201b angeordnet sein (z.B. an zwei gegenüber liegenden Auslegern des Rahmens 107). Folglich können die, durch die Aktoren 202a, 202b bewirkten Prozesskräfte FN und FN' annähernd auf einer gemeinsamen Wirkungslinie 400 liegen. Die Wirkungslinie 400 kann orthogonal zur Vorschubrichtung v angeordnet sein. Die Prozesskräfte FN und FN' können sich somit vollständig ausgleichen. Für sich kann jeder Aktor 202a, 202b jeweils eine Rolle 201a, 202b relativ zum Rahmen 107 entlang einer Richtung w positionieren. Zu diesem Zweck können die Aktoren 202a, 202b eine Linearführung (nicht dargestellt) aufweisen, die eine derartige Bewegung der Aktoren 202a, 202b erlaubt. Im Betrieb liegt das Werkstück 301 zwischen den beiden Rollen 201a, 201b, wobei der Aktor 202a die Rolle 201a von oben auf das Werkstück 301 presst (Prozesskraft FN), und der Aktor 202b die Rolle 201b von unten auf das Werkstück 301 presst (Prozesskraft FN‘). Die resultierende Kraft FN + FN‘ ist wie bereits erwähnt Null. Dadurch, dass die Aktoren 202a und 202b annähernd entlang einer Linie wirken, wird von den Aktoren 202a, 202b kein oder nur ein sehr geringes Drehmoment auf das Werkstück 301 ausgeübt. Folglich kann von Ungleichmäßigkeiten im Werkstück 301 auch kein nennenswertes Drehmoment auf den Manipulator 100 zurückwirken, und die Genauigkeit und Robustheit des Rollfalzprozesses gegenüber Ungleichmäßigkeiten in der Lage und/oder der Geometrie des Werkstückes 301 kann verbessert werden. Der fertige gerollte Falz ist mit dem Bezugszeichen 302 bezeichnet.
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Von der Bewegung der Aktoren 202a, 202b entkoppelt kann der für den Rollfalzprozess nötige Vorschub durch den Manipulator 100 bewirkt werden. Der Manipulator 100 bewegt die Rollfalzvorrichtung dabei positionsgeregelt entlang einer vorab geplanten Trajektorie, während die Prozesskräfte FN, FN‘ mit Hilfe der Aktoren 202a 202b auf einen Sollwert geregelt werden. Form- und Lagetoleranzen des Werkstücks 301 sowie Ungenauigkeiten bei der Bahnplanung betreffend die von der Rollfalzvorrichtung 200 durchlaufene Trajektorie können durch die Aktoren 202a, 202b ausgeglichen werden. Die Aktoren 202a, 202b sind derart angesteuert, dass sie mit einer definierten Prozesskraft FN bzw. FN‘ auf das Werkstück 301 drücken, einer gleichgerichteten Bewegung der Rollen 201a, 201b relativ zum Rahmen 107 jedoch keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen (zumindest innerhalb gewisser Grenzen), da sich die Kräfte FN und FN‘ wie bereits erwähnt aufheben. Dadurch ist auch der Manipulator 100 von diesen Ausgleichsbewegungen entkoppelt.
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In 4 sind die beim Rollfalzen mit der Anordnung gemäß 3 auf das Werkstück 301 einwirkenden Kräfte noch einmal genauer dargestellt. Wie bereits erwähnt, sind die geregelten Prozesskräfte FN, FN‘ gleich groß und entgegengesetzt gerichtet. Mit Hilfe des Manipulators 100 wird eine Vorschubkraft FV bewirkt, welche die Rollfalzvorrichtung 200 über das Werkstück 301 bewegt. Von dem Werkstück 301 muss nur die Vorschubkraft FV aufgenommen werden (Gegenkraft FV‘). Wie oben erwähnt, wird eine Lageabweichung d des Werkstücks 301 von einer Soll-Lage (relativ zum Rahmen 107) durch eine entsprechende Auslenkung der Aktoren 202a, 202b kompensiert. Der Abstand d bezeichnet dabei die Abweichung der Ist-Lage des Werkstücks 301 von der theoretischen Soll-Lage des Werkstücks 301 im Koordinatensystem der Rollfalzvorrichtung 200. Diese Lageabweichung d kann entweder durch Ungenauigkeiten in der Positionierung der Rollfalzvorrichtung (z.B. durch Ungenauigkeiten in der Bahnplanung für den Manipulator 100), durch Ungenauigkeiten der Positionierung des Werkstücks 301 oder durch Formabweichungen des Werkstücks 301 verursacht werden.
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5 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel einer Rollfalzvorrichtung 200, welche mit einem einzigen Aktor 202 auskommt. Der Manipulator 100 ist im Wesentlichen gleich aufgebaut wie in den vorherigen Beispielen. Anders als im Beispiel gemäß 3 wirkt der Aktor 202 nicht zwischen Rahmen 107 und Rolle 201a, 201b, sondern zwischen den Rollen 201a, 201b. Dabei ist die erste Rolle 201a über einen Ausleger 207a an einem Basisteil 108 unverschiebbar gelagert. Die zweite Rolle 201b ist ebenfalls über einen Ausleger 207b und mittels einer Linearführung an dem Basisteil 108 gelagert, sodass über den Aktor 202 der Abstand a zwischen den Rollen 201a, 201b einstellbar ist. Der Aktor 202 kann wie in den vorherigen Beispielen ein Pneumatik-Zylinder, ein kolbenloser pneumatischer Aktor (z.B. ein Luftmuskel oder ein Balgzylinder) oder ein elektrischer Direktantrieb sein. Um Form- und Lagetoleranzen des Werkstücks 301 oder Ungenauigkeiten in der Bahnplanung für den Manipulator 100 auszugleichen, ist die Basis 108 (samt dem Aktor 202 und den Rollen 201a, 201b) verschiebbar (z.B. mit Hilfe einer Linearführung 109) an dem Rahmen 107 gelagert. Das Eigengewicht der Rollfalzvorrichtung kann, wenn nötig z.B. mittels einer (aktiven oder passiven) Feder (nicht dargestellt) kompensiert werden, die Basis 108 kann damit schwebend an einer Stellung am Rahmen 107 gehalten werden. Bei Abweichungen der Ist-Lage des Werkstücks 301 von der theoretischen Soll-Lage entstehen daher keine Fehler in den Prozesskräften FN, FN'. Statt einer passiven Feder können auch aktive Komponenten (z.B. ein weiterer Linearaktor) als Feder verwendet werden. In diesem Kontext sind sämtliche Komponenten, welche wie eine mechanische Feder wirken als Feder zu verstehen. In dem in 5 dargestellten Beispiel wirken die Prozesskräfte FN, FN', die von den Rollen 201a, 201b auf das Werkstück 301 aufgebracht werden, annähernd auf einer gemeinsamen Wirkungslinie 400. Folglich ist auch bei diesem Beispiel die resultierende Kraft und/oder das resultierende Drehmoment auf das Werkstück 301 annähernd null.
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In den bisherigen Beispielen wurde die Rollfalzvorrichtung 200 mit Hilfe eines Manipulators 100 entlang einer vorab geplanten Bahn entlang der Fügestelle am Werkstück 301 geführt. Die hier beschriebenen Rollfalzvorrichtungen (3, 5 und 6) können jedoch auch starr auf einem Sockel montiert sein, während der Manipulator 100 benutzt wird, das Werkstück 301 entlang der Fügestelle so zwischen den Rollen 201a, 201b der Rollfalzvorrichtung durchzuführen, dass der Falz mit Hilfe der Rollen 201a, 201b geschlossen wird. Diese Situation ist in 6 dargestellt. Der Manipulator 100 ist im Wesentlichen gleich aufgebaut wie in den vorherigen Beispielen, mit dem Unterschied, dass an dem dritten Armsegment 105 (inklusive Gelenk 106, vgl. 1) nicht die Rollfalzvorrichtung 200, sondern das Werkstück 301 befestigt ist (z.B. mit Hilfe eines Greifers). Die Rollfalzvorrichtung 200 ist sehr ähnlich konstruiert, wie im vorherigen Beispiel (5). Der Aktor 202 wirkt in diesem Beispiel zwischen den Rollen 201a, 201b. Beide Rollen 201a und 201b sind über Ausleger 207a bzw. 207b an dem Rahmen 107 verschiebbar gelagert. Eine der beiden Rollen (im Beispiel gemäß 6 die Rolle 201a) kann auch unverschiebbar an dem Rahmen 107 gelagert sein. Mit Hilfe des Aktors 202 kann der Abstand a zwischen den Rollen 201a, 201b beeinflusst werden (und damit auch die zwischen den Rollen 201a, 201b wirkenden Kräfte), nicht jedoch die Relativposition der Rollen 201a, 201b zum Rahmen 107. Diese Relativposition kann abhängig von den Form- und Lagetoleranzen der Werkstücks 301 sowie abhängig von Ungenauigkeiten in der Bahnplanung variieren. Eine der Rollen (z.B. Rolle 201b) kann mittels einer Feder mit dem Rahmen 107 gekoppelt sein. Damit wird im Wesentlichen der gleiche Effekt erzielt wie im vorherigen Beispiel (5) mit der Feder zwischen Basisteil 108 und Rahmen 107.
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Als weitere Ausführungsvariante sind angetriebene Rollen 201a, 202b möglich die sich synchron zur Vorschubbewegung drehen. Damit würden auch die Vorschub- und dessen Reaktionskraft FV, FV‘ entfallen. Diese braucht der Manipulator 100 dann nicht mehr aufzunehmen und die Unterlage 300 sowie Werkstückfixierungen können ganz entfallen. Die Geschwindigkeit der Rollen 201a, 201b ist dabei an die Bahngeschwindigkeit des TCP des Manipulators 100 angepasst. Das heißt, die Umfangsgeschwindigkeit der Rollen 201a, 201b entspricht der Bahngeschwindigkeit des TCP des Manipulators 100.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- JP 2011-240400 A [0003]
- JP 2005-349471 A [0003]
- DE 102006001640 B4 [0003]
- DE 102004008821 A1 [0003]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Jens P. Wulfsberg et al, Kraftgeregeltes Rollfalzen, In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Nr. 03, 2005, S. 130–135 [0003]