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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Baustoffsystem, aufweisend eine sich nach Wasserzugabe verfestigende Baumasse mit einem zementhaltigen Bindemittel und ein die (Biege-)Zugfestigkeit der verfestigten Baumasse steigerndes Verstärkungsmittel.
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Wie bekannt ist, weisen aus einer zementhaltigen Baumasse ausgebildete Strukturen eine hohe Druckfestigkeit, jedoch eine vergleichsweise geringe Zugfestigkeit oder Biegezugfestigkeit auf. Deswegen wurden in der Vergangenheit Baustoffsysteme entwickelt, bei denen die zementhaltige Baumasse mit einem zugfestigkeitssteigernden Verstärkungsmittel kombiniert wird. Zum Beispiel kann die Zugfestigkeit von Beton durch die Verbindung mit Betonstahl, auch Bewehrungsstahl genannt, verbessert werden.
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Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der (Biege-)Zugfestigkeit stellen Textilbetone dar. Dabei werden beispielsweise in einer Form oder Schalung Bewehrungsmatten aus langen Fasern verlegt und dann die Betonmasse zugegeben. Ferner können Extrudierverfahren für die Herstellung von Textilbetonen verwendet werden. Dazu werden der bindemittelhaltigen fließfähigen Masse Schnittfasern zugegeben. Ein solches Verfahren wird beispielsweise in Corina Aldea et al, Advn Cem Bas Mat 1998, 8; 47–55, beschrieben.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, derartige Baustoffsysteme insbesondere im Hinblick auf (Biege-)Zugfestigkeitsaspekte weiter zu verbessern, und ein Verfahren zur Herstellung derartig verbesserter Baustoffsysteme bereitzustellen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, dass das Verstärkungsmittel Träger eines die Einbindung des Verstärkungsmittels in die sich verfestigende Baumasse durch Generierung festigkeitsbildender Zementphasen förderndes Anknüpfungsmittels ist.
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Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass aufgrund der durch das herangezogene Anknüpfungsmittel geförderten Einbindung des Verstärkungsmittels in die Baumasse eine höhere Haftung zwischen Verstärkungsmittel und Baumasse erreicht wird und dadurch die konstruktiven Eigenschaften gegenüber herkömmlichen zementhaltigen Baustoffsystemen verbessert werden.
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Das erfindungsgemäße Baustoffsystem weist eine Baumasse und ein Verstärkungsmittel auf. Die Baumasse enthält ein zementhaltiges Bindemittel. Der Zement unterliegt keinen besonderen Anforderungen und kann Portlandzement (CEM I) sein. Die Baumasse kann Beton sein und kann als Trockenmasse, beispielsweise in Pulverform, vorliegen. Nach der Zugabe von Wasser kann die Baumasse eine zähflüssige Konsistenz aufweisen und sich dann verfestigen, wodurch eine zusammenhängende Struktur ausgebildet wird.
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Das Verstärkungsmittel kann bereits in der Baumasse enthalten sein, beispielsweise in der Trockenmasse, und somit besonders einfach bereitgestellt sein. Es kann aber auch später, beispielsweise nach Zugabe von Wasser, der Baumasse beigefügt werden.
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Das Verstärkungsmittel dient der Verbesserung der konstruktiven Eigenschaften der Baumasse. Bevorzugt ist vorgesehen, dass das Verstärkungsmittel im Vergleich zur Baumasse komplementäre Eigenschaften aufweist, indem die (Biege-)Zugfestigkeit des Betons erhöht wird.
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Das Anknüpfungsmittel fördert die Bildung festigkeitsbildender Zementphasen, wodurch die Einbindung des Verstärkungsmittels in die Baumasse begünstigt wird. Die Generierung dieser Zementphasen beginnt vergleichsweise früh und bereits in Überlappung mit dem Erstarrungsprozess. Die festigkeitsbildenden Zementphasen, üblicherweise Calcium-Silicat-Hydrat-Phasen, kurz auch als CSH-Phasen bezeichnet, können sich in Form nadeliger Mikrokristallteile ausbilden, welche als festigkeitsgebende Komponente im Zementstein wirken.
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In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung erfolgt die Generierung festigkeitsbildender Zementphasen gemäß einer puzzolanischen Reaktion. Puzzolane als natürliche Stoffe mit kieselsäurehaltiger oder alumosilikatischer Zusammensetzung, bzw. eine Kombination von beidem, erhärten nach der Zugabe von Wasser nicht selbständig, sondern reagieren in Gegenwart von Wasser mit Calciumhydroxid unter Bildung (zusätzlicher) hydraulischer Erhärtungsprodukte in Form von CSH-Phasen. Diese CSH-Phasen lassen die erstarrende/erhärtende Zementsteinmatrix dichter werden. Durch Ausnutzung der puzzolanischen Reaktion über das Anknüpfungsmittel entstehen besonders dichte, widerstandsfähige und dauerhafte Betone mit bereits höherer Frühfestigkeit und zudem vergleichsweise hoher Druckfestigkeit.
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Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Verstärkungsmittel das Anknüpfungsmittel in Form einer Beschichtung trägt. Die Beschichtung kann die gesamte Oberfläche des Verstärkungsmittels bedecken. Sie kann aber auch nur einen Teil der Oberfläche des Verstärkungsmittels bedecken. Dadurch kann eine besonders starke und effiziente Einbindung des Verstärkungsmittels in die Baumasse erreicht werden. Ferner kann bereits eine geringe Menge Anknüpfungsmittel einen Vorteil erbringen. Das Anknüpfungsmittel wird erst bei Kontakt mit der Baumasse in Anwesenheit von Wasser beginnen, die festigkeitsbildenden Zementphasen auszubilden. Die Beschichtung kann bei der Herstellung des Verstärkungsmittels aufgebracht werden, sie wird jedoch bevorzugt erst nach der Herstellung des Verstärkungsmittels aufgebracht. Die Dicke der Beschichtung wird bevorzugt derart gewählt, dass die Beschichtung bei der Generierung der festigkeitsbildenden Zementphasen nicht vollständig aufgelöst wird. Dadurch bleibt die Anbindung der über das Anknüpfungsmittel gebildeten Verbindungsstrukturen zum Zementstein in erhöhtem Maße sichergestellt.
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Bei einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung weist das Verstärkungsmittel eine Vielzahl von Fasern auf. Grundsätzlich können die Fasern zu 2D- oder 3D-Strukturen wie z. B. Bewehrungsmatten verbunden sein. Bevorzugt kommen jedoch Schnittfasern zum Einsatz.
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Die Fasern können einen organischen Werkstoff, beispielsweise Polyvinylalkohol (PVA), Aramid oder Polyolefin (PO), aufweisen. Sie können aber auch einen anorganischen Werkstoff, beispielsweise Stahl, aufweisen. Ferner sind Fasern aus Basalt, Siliciumcarbid oder Glas möglich. Die Fasern können eine Länge zwischen 0,3 mm und 30 mm aufweisen, wodurch eine zufriedenstellende Zugfestigkeitserhöhung erreicht wird. Die Fasern weisen bevorzugt eine Dicke zwischen 7 μm und 1,2 mm auf, wobei z. B. Carbonfasern bevorzugt eher im μm-Bereich und z. B. Stahlfasern eher im Bereich von 1/10 mm bis 1,5 mm verwendet werden. Das Verstärkungsmittel kann zum Beispiel in Form einer Bewehrungsmatte aus langen Fasern ausgebildet sein, wobei die Bewehrungsmatten in einer Form oder Schalung verlegt werden können und danach der Beton eingefüllt wird. Bevorzugt weist das Verstärkungsmittel aber eine Vielzahl einzelner Schnittfasern auf. Diese können zu einem einsatzbereiten Beton zugegeben werden. Alternativ können sie auch in einer zementhaltigen Trockenmasse bereits enthalten sein. Eine faserverstärkte Baumasse erlaubt zudem die Ausbildung besonders dünner Bauteile.
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In einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung weist das Anknüpfungsmittel Siliziumoxide, insbesondere Siliziumdioxid auf. Siliziumdioxid kann vergleichbar zu Microsilicia als Puzzolan fungieren. Bereits gebildetes Calciumhydroxid kann sich mit dem Silicat zu den festigkeitssteigernden Calciumhydraten umwandeln, so dass ein schieferiger Aufbau des Betons und damit verbundene mechanische Schwachstellen verhindert werden können. Dadurch kann eine besonders feste und zuverlässige Einbindung des Verstärkungsmittels in die Baumasse erreicht werden.
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Eine erfindungsgemäß bevorzugte Ausführungsform sieht vor, dass das Verstärkungsmittel Kohlenstoff oder Kohlenstoff enthaltende Fasern, insbesondere Carbonfasern, aufweist. Im Vergleich zu Stahlbeton als Verstärkungsmittel korrodieren Verstärkungsmittel aus Kohlenstoff nicht, so dass eine Baumasse, die mit einem Verstärkungsmittel aus Kohlenstoff verstärkt ist, geringere Verschleißerscheinungen aufweist. Zudem weisen diese Fasern einen hohen E-Modul auf und führen so zu einer besonders hohen Zugfestigkeit.
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Vorteilhaft ist insbesondere eine Ausführungsform, bei der die Beschichtung der Carbonfaser mittels einer durch ein an der Carbonfaser gebundenes Amin vermittelten Bildung von Siliziumdioxid realisiert ist, insbesondere über eine Polykondensation eines Silizium-Präkursors. Da das als Katalysator wirkende Amin an der Oberfläche der Faser gebunden ist, wird das Siliziumdioxid primär an der Faseroberfläche gebildet. Dadurch kann auf eine energieintensive Wärmebehandlung zur Fixierung der silikatischen Beschichtung verzichtet werden.
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Dabei ist das Amin bevorzugt durch Adsorption oder durch kovalente Bindung über eine an der Carbonfaser gebundene Carboxyfunktion an der Carbonfaser gebunden. Das Amin kann durch Amidbildung an auf der Faseroberfläche befindliche Carboxyfunktionen kovalent gebunden werden. Weiter kann das Amin auch durch Reaktion mit Kohlenstoffdoppelbindungen an der Faser gebunden werden.
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Bei einer weiteren möglichen Ausführungsform des Baustoffsystems ist das Amin Tetraethylenpentamin (TEPA) oder lineares Polyethylenimin (LPEI). Es kann lineares (CAS #000112-57-2), verzweigtes (CAS #031295-46-2) oder zyklisches (CAS #031295-54-2, CAS #031295-49-5) TEPA verwendet werden. Das TEPA kann über Amidbildung an der an der Oberfläche der Carbonfaser gebundenen Carboxyfunktion an der Carbonfaser gebunden sein. Die Anbindung des TEPA an der Carbonfaser kann dadurch erfolgen, dass die Carbonfaser in einem Überschuss an TEPA erhitzt wird. Die Anbindung kann aber auch unter niedrigeren Temperaturen erfolgen. Dazu kann die Carboxyfunktion zum Beispiel durch Thionylchlorid als Säurechlorid aktiviert werden, und sodann kann das TEPA an der Carboxyfunktion anbinden.
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Es kann auch lineares oder verzweigtes Polyethylenimin verwendet werden. Das Polyethylenimin kann durch Amidbindung an auf der Faseroberfläche befindliche Carboxyfunktionen an der Carbonfaser kovalent gebunden sein. Es kann auch durch Adsorption an der Carbonfaser gebunden sein. Bei Verwendung von linearem Polyethylenimin (LPEI) kann die Morphologie der silikatischen Hülle über zahlreiche variierbare Parameter der Synthesebedingungen eingestellt sein. Durch Verwendung von LPEI kann die Carbonfaser mit deutlich mehr silikatischem Material beschichtet sein als bisher. Lineares Polyethylenimin kann aus kommerziell erhältlichem Poly(2-ethyl-2-oxazolin) oder anderen Poly(2-alkyl-2-oxazolinen) durch Hydrolyse oder auf anderem Weg erhalten werden.
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Es können auch Polypropylenimine oder andere dem Fachmann bekannte Amine an der Carbonfaser gebunden sein.
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Bei einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform des Baustoffsytems ist der Silizium-Präkursor Kieselsäure, Tetramethylorthosilicat (TMOS) oder eine Wasserglaslösung. Die an der Oberfläche des Verstärkungsmittels gebundenen Aminofunktionen weisen eine katalytische Aktivität in der Polykondensationsreaktion von Kieselsäure auf. Dadurch kann Siliziumdioxid ohne weitere Zugabe von Säuren oder Basen aus der Kieselsäure oder deren Präkursoren abgeschieden werden. Ist die Aminofunktion an der Oberfläche des Verstärkungsmittels lokalisiert, so kann das Siliziumdioxid primär an der Oberfläche des Verstärkungsmittels gebildet werden und das Verstärkungsmittel in dünnen Schichten umhüllen. Anstelle der Kieselsäure kann auch TMOS oder die deutlich preisgünstigere Wasserglaslösung verwendet werden.
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Vorteilhafterweise wird die Schichtdicke der Beschichtung durch vorgegebene Reaktionsbedingungen insbesondere bei der Ausbildung der Beschichtung eingestellt, insbesondere auf 2 μm oder mehr, bevorzugt 8 μm oder mehr, weiter bevorzugt 15 μm oder mehr. Die Schichtdicke kann beispielsweise durch eine längere Verweildauer der Fasern in der Si-Präkursorlösung erhöht werden.
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Bei der Verwendung von LPEI als Amin kann die Schichtdicke durch eine Veränderung der Abkühlrate eingestellt werden. So führt ein langsames Abkühlen zu größeren Strukturen, während ein rasches Abkühlen, zum Beispiel in einem Eisbad oder durch flüssigen Stickstoff, zu kleineren Strukturen führt. Weiter kann die Schichtdicke durch Ultraschalleinwirkung während der Aggregatbildung, durch Zusatz von Protonendonatoren oder aciden bzw. basischen Komponenten zur Wasserphase, durch Zugabe von durch das LPEI komplexierbaren Metallionen, beispielsweise Kupfer und Calcium, in unterschiedlichen Mengen oder durch Veränderung der Konzentration von LPEI, dem Additiv oder den Präkursoren eingestellt werden.
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Eine schnellere und dichtere Ausbildung der Beschichtung kann dadurch erreicht werden, dass die Anzahl der an der Oberfläche des Verstärkungsmittels gebundenen Carboxyfunktion und damit die Anzahl an Aminofunktionen erhöht wird. Dies kann durch Vorbehandlung des Verstärkungsmittels durch zum Beispiel thermische Behandlung, durch Plasmabehandlung, durch Behandlung mit Ozon, durch elektrochemische Oxidation oder nasschemische Oxidation beispielsweise mit Salpetersäure, Schwefelsäure usw. erfolgen. Die nasschemische Oxidation mit oxidierender Säure ist besonders effektiv zur Erhöhung der Anzahl der Carboxyfunktionen.
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Für die Verwendung des Verstärkungsmittels in Kombination mit der Baumasse sind Schichten mit hoher Schichtdicke von Vorteil. Denn unter den vorliegenden basischen Bedingungen in der Baumasse können Beschichtungen im Nanometerbereich schnell aufgelöst werden. Durch Ausbildung dickerer Schichten kann die gute Kompatibilität mit der Baumasse wie auch die puzzolanische Reaktion begünstigt werden.
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Bei einer weiteren vorteilhaften Ausführung der Erfindung ist die Siliziumdioxidbeschichtung unter thermischer Nachbehandlung der fertigen Schichten bei inerter Atmosphäre entstanden. Die thermische Behandlung kann zum Beispiel bei 1100°C erfolgen. Durch die thermische Behandlung können kompaktere und weniger fragile silikatische Beschichtungen erzeugt werden.
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Die Erfindung betrifft auch ein Verfahren zur Bereitstellung eines Baustoffsystems mit einer der oben angegebenen Eigenschaften, bei dem eine ein zementhaltiges Bindemittel aufweisende Baumasse und ein die Festigkeit der nach Wasserzugabe und Verfestigung verfestigten Baumasse steigerndes Verstärkungsmittel zusammengeführt werden, wobei das Verstärkungsmittel Träger eines die Einbindung des Verstärkungsmittels in die sich verfestigende Baumasse durch Generierung festigkeitsbildender Zementphasen förderndes Anknüpfungsmittel ist. Vorteilhafterweise wird das Verstärkungsmittel mit dem Anknüpfungsmittel beschichtet.
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Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens ergeben sich aus der obigen Erläuterung zu dem erfindungsgemäßen Baustoffsystem.
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Bei einem vorteilhaften Verfahren erfolgt das Beschichten des Verstärkungsmittels dadurch, dass in einem Verfahrensschritt ein Amin an das Verstärkungsmittel gebunden wird und in einem weiteren Verfahrensschritt insbesondere durch Polykondensation eines Silizium-Präkursors gebildetes Silicumdioxid an dem Amin anbindet.
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Bei einem erfindungsgemäßen Verfahren kann beispielsweise in einem Verfahrensschritt TEPA über an der Oberfläche des Verstärkungsmittels gebundene Carboxyfunktionen an das Verstärkungsmittel gebunden werden. In einem zweiten Verfahrensschritt kann die katalytische Aktivität der Aminofunktion verwendet werden, um in der Polykondensationsreaktion von Kieselsäure Siliziumdioxid ohne weitere Zugaben von Säuren oder Basen an der Oberfläche des Verstärkungsmittels abzuscheiden. Aufgrund der Lokalisation des Katalysators an der Oberfläche des Verstärkungsmittels kann das Siliziumdioxid primär dort gebildet werden und das Verstärkungsmittel in dünnen Schichten umhüllen. Die Schichtdicke kann durch eine Veränderung der Anzahl der an der Oberfläche gebundenen Carboxyfunktionen gesteuert werden. Möglichkeiten, die Anzahl der Carboxyfunktionen zu erhöhen, sind oben beschrieben.
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Es kann auch LPEI als Amin verwendet werden. Im Gegensatz zum in der Anwendung weit verbreiteten verzweigten Polyethylenimin ist LPEI bei Raumtemperaturen im Wasser nicht löslich. Die Polymersuspension kann auf Temperaturen oberhalb des Schmelzpunkts (größer 85°C) erhöht werden, wodurch eine molekular-disperse Suspension des Polymers entstehen kann. Wird diese Suspension abgekühlt, so führt dies zu einem Ausfallen bzw. Auskristallisieren des Polymers in Form länglicher Aggregate. Wird dem beim Abkühlen auskristallisierenden LPEI ein Substrat angeboten, so kann es zu einem auf der Oberfläche selbst anordnenden Prozess der Polymeraggregate kommen. Wird beispielsweise das Verstärkungsmittel in eine abkühlende LPEI-Lösung gedippt, so können sich beim Abkühlen des sich auf der Oberfläche des Verstärkungsmittels ausgebildeten flüssigen Films die Polymeraggregate an der Oberfläche anordnen. Diese können folgend mineralisiert werden. Dies kann zum Beispiel unter Verwendung von TMOS erfolgen. Die Mineralisierung kann auch mit anderen Silizium-Präkursoren erfolgen. Beispielsweise kann auch die deutlich preiswertere Wasserglaslösung verwendet werden. Möglichkeiten, die Schichtdicke bei der Verwendung von LPEI zu steuern, sind oben angegeben.
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Sowohl bei der selbstanordnenden Anbindung des LPEI als auch bei der kovalenten Anbindung von Aminen, beispielsweise von TEPA, ist der Katalysator an der Oberfläche des Verstärkungsmittels lokalisiert. Deswegen kann auf eine energieintensive Wärmebehandlung zur Fixierung der silikatischen Beschichtung verzichtet werden.
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Im Folgenden werden beispielhaft zwei Verfahren zur Beschichtung des Verstärkungsmittels eines erfindungsgemäßen Baustoffsystems beschrieben. Das Verstärkungsmittel weist dabei Carbonfasern auf. Die Beschichtung weist Siliziumdioxid auf. Im Folgenden werden die Beschichtungsverfahren unter Bezugnahme auf die Zeichnungen beispielhaft erläutert. In der Zeichnung zeigt
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1 eine schematische Darstellung der Anbindung eines Amins an die Oberfläche einer Carbonfaser,
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2 eine schematische Darstellung der Gewinnung von LPEI-Aggregaten und folgender Mineralisierung und
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3 eine schematische Darstellung der Immobilisierung von LPEI-Aggregaten und folgender Mineralisierung.
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Verfahren 1: Beschichtung einer Carbonfaser mit Siliziumdioxid durch kovalente Anbindung eines Amins an die Faseroberfläche mit folgender Mineralisierung
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Im Folgenden wird ein Verfahren zur Beschichtung einer als Verstärkungsmittel in einer zementhaltigen Baumasse dienenden Carbonfaser mit Siliziumdioxid beschrieben. Dazu wird zuerst ein Amin kovalent an der Oberfläche der Carbonfaser gebunden. Bei der folgenden Reaktion der Carbonfaser mit einem Silizium-Präkursor wirkt das Amin als Katalysator, so dass Siliziumdioxid an der Faseroberfläche abgeschieden wird.
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Als Amin können Tetraethylenpentamin-Moleküle (TEPA) (linear, verzweigt oder zyklisch), höher molekulare Analoga (lineares und verzweigtes Polyethylenimin), Polypropylenimine oder auch andere zahlreiche denkbare Amine verwendet werden. In diesem Ausführungsbeispiel wird TEPA verwendet. Das Amin wird über eine Amidbildung an auf der Faser befindliche Carboxyfunktionen kovalent gebunden, wie in 1 dargestellt ist. Dies erfolgt vergleichbar bzw. nach demselben Prinzip wie bei einer Einbindung von Fasern in organische Polymere (zum Beispiel Epoxidharz oder Polyurethane). Dort reagieren die Aminofunktionen mit den Vorstufen der Polymere und werden so in die Matrix eingebunden.
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Um die Anzahl der zur Amidbildung notwendigen Carboxyfunktionen zu erhöhen, ist die Carbonfaser in diesem Ausführungsbeispiel vorbehandelt. Dies kann zum Beispiel durch thermische Behandlung, durch Plasmabehandlung, durch Behandlung mit Ozon, durch elektrochemische Oxidation oder durch nasschemische Oxidation zum Beispiel mit Salpetersäure, Schwefelsäure oder durch weitere Systeme erhöht werden. Eine nasschemische Oxidation mit oxidierenden Säuren erweist sich dabei als besonders effektiv zur Erhöhung der Anzahl der Carboxyfunktionen.
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Es sind aber auch weitere Mechanismen zur Anbindung von Aminen an Carbonfasern denkbar. Zum Beispiel können die Amine mit den Kohlenstoffdoppelbindungen der Faser reagieren. Die Amine können auch durch einfache Adsorption, was im zweiten hier vorgestellten Verfahren ausgenutzt wird und auch in der Literatur zur Kohlenstoffdioxid-Speicherung vorgestellt wird, an der Oberfläche der Faser gebunden werden.
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Wird TEPA als Amin verwendet, so kann die Amidbildung durch Erhitzen der Carbonfasern in einem Überschuss an TEPA erfolgen. Die Amidbildung kann aber auch im Anschluss an eine vorausgehende Aktivierung der Carboxyfunktionen durch zum Beispiel Thionylchlorid als entsprechendes Säurechlorid unter milderen Temperaturen erfolgen.
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Nach der Anbindung des Amins durch Amidbildung an die Carbonfaseroberfläche wird die Faser mit Siliziumdioxid beschichtet (Mineralisierung). Dazu wird die Carbonfaser in Kontakt mit einem Silizium-Präkursor gebracht. Der Silizium-Präkursor kann beispielsweise Kieselsäure sein. Die an der Oberfläche der Carbonfaser gebundenen Aminofunktionen weisen bei der Polykondensationsreaktion des Silizium-Präkursors eine katalytische Aktivität auf, so dass Silicumdioxid ohne weitere Zugabe von Säuren oder Basen aus dem Silciumpräkursor (beispielsweise der Kieselsäure) abgeschieden werden kann. Da die als Katalysator wirkenden Aminofunktionen an der Faseroberfläche lokalisiert sind, wird das Siliziumdioxid primär dort gebildet und umhüllt so die Carbonfaser in dünnen Schichten.
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Verfahren 2: Selbstanordnender Prozess von linearem Polyethylenimin auf der Oberfläche der Carbonfaser mit folgender Mineralisierung
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Im Folgenden wird ein Verfahren zur Beschichtung einer als Verstärkungsmittel in einer zementhaltigen Baumasse dienenden Carbonfaser mit Siliziumdioxid beschrieben, bei dem Amine adsorptiv an der Oberfläche der Carbonfaser gebunden werden. So kann wiederum das amorphe Siliziumdioxid an der Grenzfläche zur Faser entstehen und diese umhüllen.
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Besondere Eigenschaften zeigt dabei lineares Polyethylenimin (LPEI), welches über zahlreiche variierbare Parameter der Synthesebedingungen die Morphologie der silikatischen Hülle steuern lässt. Lineares Polythylenimin kann aus kommerziell erhältlichem Poly(2-ethyl-2-oxazolin) oder anderen Poly(2-alkyl-2-oxazolinen) durch Hydrolyse oder auch auf anderem Weg erhalten werden.
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Das Beschichtungsverfahren beruht auf der Erzeugung von LPEI-Aggregaten und deren Ummantelung mit einer silikatischen Schale. Dies ist schematisch in 2 dargestellt. Im Gegensatz zum in der Anwendung weit verbreiteten Polyethylenimin ist LPEI bei Raumtemperaturen in Wasser nicht löslich. Wird die Polymersuspension auf Temperaturen oberhalb circa des Schmelzpunktes (größer 85°C) erhitzt, so ergibt sich eine molekulardisperse Lösung des Polymers, deren Abkühlung wieder zu einem Ausfallen bzw. Auskristallisieren des Polymers in Form länglicher Aggregate führt. Die hohe Dichte an Aminofunktionen auf der Oberfläche dieser Aggregate begünstigt wiederum die Polykondensation von Silizium-Präkursoren, so dass Kern-Schale-Strukturen mit einem LPEI-Kern und einer silikatischen Schale erhalten werden können. Für die primären silikatischen Strukturen wird dabei ein Durchmesser kleiner 30 nm bevorzugt.
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Durch geänderte Reaktionsbedingungen kann die Morphologie über weite Bereiche gesteuert werden. Zum Beispiel kann über die Abkühlraten der molekular-dispersen Suspensionen Einfluss auf die Morphologie genommen werden. Ein langsames Abkühlen führt zu größeren Strukturen, während ein rasches Abkühlen, beispielsweise in einem Eisbad oder mittels flüssigem Stickstoff, zu kleineren Strukturen führt. Weitere Möglichkeiten, die Morphologie über die Reaktionsbedingungen zu steuern, umfassen Ultraschalleinwirkung während der Aggregatbildung, Zusatz von Protonendonatoren bzw. oder aciden bzw. basischen Komponenten zur Wasserphase oder die Zugabe von durch das LPEI komplexierbaren Metallionen in unterschiedlichen Mengen. Als Metallionen können beispielsweise Kupfer oder Calcium verwendet werden. Eine Variation der Konzentration an LPEI, an Additiv oder an Präkursoren zeigt weiteren Einfluss.
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Wird dem aus der molekular-dispersen Suspension beim Abkühlen auskristallisierenden LPEI ein Substrat angeboten, so kann es zu einem auf der Oberfläche selbst anordnenden Prozess der Polymeraggregate kommen. Dies ist in 3 dargestellt. Ein Substrat wird in eine warme LPEI-Lösung gedippt, und beim Abkühlen des flüssigen Films ordnet sich das LPEI an der Oberfläche des Substrats an und kann folgend mineralisiert werden.
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Zur Beschichtung von Carbonfasern wäre ebenso ein auf Dipping basierendes Verfahren denkbar oder, ähnlich zu klassischen Beschichtungsverfahren wie Liquid Phase Coating oder Beschichtungsverfahren nach dem Sol-Gel-Prozess, ein Imprägnieren der Schnittfasern, der Endlosfasern oder eines Carbonfaservlieses oder -gewebes möglich.
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Hier wird ein Verfahren beschrieben, bei dem die Beschichtung von Carbonfasern dadurch erfolgt, dass diese zu einer einprozentigen LPEI-Suspension in Wasser zugegeben werden. Die LPEI-Suspension kann auch Zusätze von Metallionen enthalten. Die Suspension wird auf 90°C erhitzt und bis zur Abkühlung auf Raumtemperatur stehengelassen. Das LPEI bindet dann an der Faseroberfläche an. Die mit den LPEI-Aggregaten beschichteten Fasern werden von den zusätzlich anfallenden separaten, in der kontinuierlichen wässrigen Phase befindlichen Polymeraggregaten durch Filtration abgetrennt. So kann das nicht auf der Carbonfaseroberfläche immobilisierte LPEI dem Prozess wieder zugeführt werden.
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Im nächsten Schritt erfolgt die Mineralisierung des immobilisierten LPEIs durch Zugabe von drei Volumenprozent TMOS (Tetramethylorthosilicat) in einem Ethanol-Wasser-Gemisch (1/1 Volumen). Die Reaktionsdauer beträgt mindestens 20 Minuten, besser 60 Minuten. Die Mineralisierung kann auch mit anderen Silizium-Präkursoren erfolgen. So ist auch die deutlich preiswertere Wasserglaslösung geeignet.
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Im Gegensatz zur kovalenten Anbindung von TEPA, die im Verfahren 1 beschrieben ist, benötigt die Carbonfaseroberfläche hier keine spezielle Vorbehandlung. Geeignet sind mitunter calcinierte, anodisch oxidierte, mit Salpetersäure oder mit Schwefelsäure oxidierte und weitere Carbonfaseroberflächen. Die Oberflächenbeschaffenheit kann ebenfalls einen Einfluss auf die Morphologie der Beschichtung haben. Weiterer Einfluss auf die Morphologie kann wiederum durch geänderte Abkühlraten, Konzentration an TMOS oder LPEI oder Metallionenzusatz genommen werden.
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Kompaktere und weniger fragile silikatische Beschichtungen ergeben sich nach thermischer Behandlung unter inerter Atmosphäre bei zum Beispiel 1100°C.
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Unter Verwendung von LPEI können Carbonfasern mit deutlich mehr silikatischem Material beschichtet werden als mit konventionellen Methoden. Dies ist für den Einsatz in zementhaltigen Systemen vorteilhaft. Denn unter den normalerweise vorliegenden basischen Bedingungen werden Beschichtungen im Nanometerbereich schnell aufgelöst, so dass möglicherweise ein positiver Effekt, beispielsweise eine bessere Kompatibilität oder eine Funktion aus Puzzolan, ausbleiben kann. Zudem lässt sich die Dicke der Beschichtung bzw. die Morphologie allgemein über einen weiten Bereich steuern und den Erfordernissen anpassen.
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Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der selbstanordnenden Anbindung von LPEI, aber auch von der kovalenten Bindung von Aminen (zum Beispiel von TEPA) an die Oberfläche gegenüber konventionellen Methoden ist die Lokalisierung des Katalysators auf der Carbonfaseroberfläche. Somit sind energieintensive Wärmebehandlungen zur Fixierung der silikatischen Beschichtung nicht zwingend erforderlich.
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Die Verwendung von mit Siliziumdioxid beschichteten Carbonfasern als Verstärkungsmittel in einer zementhaltigen Baumasse wirkt sich vorteilhaft auf die (Biege-)Zugfestigkeit der ausgebildeten Struktur aus. Bei einer gleichen Zusammensetzung von Zement und Fasern weist eine Struktur, bei der mit Siliziumdioxid beschichtete Fasern verwendet wurden, gegenüber einer Struktur, bei der unbeschichtete Fasern verwendet wurden, eine Festigkeitssteigerung im Bereich von mind. 15% auf, wobei auch deutlich höhere Steigerungen erzielt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Corina Aldea et al, Advn Cem Bas Mat 1998, 8; 47–55 [0003]