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Die Erfindung betrifft ein Kraftfahrzeug mit einem Fahrerassistenzsystem, das zum Erkennen eines Unfallrisikos durch Erfassen eines instabilen Fahrzustands und zum Betätigen wenigstens eines Aktors beim Überschreiten einer Gefährdungsschwelle ausgebildet ist.
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Von der Anmelderin wurde ein System zum Erkennen eines Unfallrisikos entwickelt, das unter der Bezeichnung „pre sense basic“ angeboten wird. Dieses System spricht auf Notmanöver an und bereitet das Kraftfahrzeug und dessen Rückhaltesysteme und gegebenenfalls andere Komponenten auf einen möglichen Aufprall vor. Bremssystem und Stabilitätskontrolle melden dem Fahrerassistenzsystem kontinuierlich Daten über Längs- und Querbeschleunigung bzw. -verzögerung. Erkennen diese Systeme bei einer Geschwindigkeit, die über einer festgelegten Grenze liegt, ein kritisches Fahrmanöver, das typischerweise von einem Fahrer aufgrund einer bestehenden Unfallgefahr ausgeführt wird, steuert das Fahrerassistenzsystem z. B. elektrische Gurtstraffer an, um einen Durchhang der Sicherheitsgurte an den Sitzen zu beseitigen. Diese elektrischen Gurtstraffer sind reversibel und können den Gurt wieder freigeben. Falls kein Aufprall eintritt, geben die elektrischen Gurtstraffer die Gurte wieder frei und der Fahrbetrieb kann normal fortgesetzt werden. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, beispielsweise beim Vorhandensein eines bestimmten Werts der Querbeschleunigung, veranlasst das Fahrerassistenzsystem das Schließen der Seitenfenster und gegebenenfalls eines Schiebedachs. Dies verhindert bei einem seitlichen Aufprall das Eindringen von Fremdkörpern in den Innenraum und das Herausschleudern von Gliedmaßen.
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Beim Eintritt eines Unfallereignisses besteht die Möglichkeit, dass Beschattungseinrichtungen von Scheiben geschlossen sind. Dadurch ergibt sich der Nachteil, dass Rettungskräfte nicht in das Innere des Kraftfahrzeugs sehen können, wodurch die Rettung erschwert wird.
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Aus
DE 101 48 340 A1 ist ein Kraftfahrzeug bekannt, bei dem mittels Sensoren äußere und/oder innere Einflüsse bei Auftreten eines Unfallereignisses erfasst werden, wobei bei Erfassung eines solchen Unfallereignisses den Innenraum des Fahrzeugs begrenzende Flächen wie beispielsweise Fensterscheiben der Türen oder ein Hub-/Schiebedach in ihre Offenstellung bewegt werden. Die Öffnung erfolgt in Abhängigkeit des Unfallereignisses, der Unfall hat sich demzufolge bereits ereignet.
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Aus
EP 1 580 081 A1 ist ein Verfahren zum Ansteuern eines reversiblen Schutzsystems eines Kraftfahrzeugs bekannt. Dabei werden als vorbeugende Maßnahme vor einem Unfall Schutzmittel insbesondere zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer angesteuert, wie beispielsweise eine verstellbare Motorhaube, ein verstellbarer Stoßfänger oder weitere Prallelemente. Das Schutzsystem ist dazu eingerichtet, eine Unfallsituation bereits vor dem eigentlichen Crash zu erkennen.
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Schließlich ist auch
DE 10 2012 014 788 A1 ein Verfahren zum Betrieb einer Notfallvorrichtung eines Kraftfahrzeugs bekannt, wobei nach der Erfassung eines Unfalls ein transparentes Flächenelement in einen Zustand mit einer größtmöglichen Transparenz gebracht wird, indem eine elektrische Spannung angelegt wird. Ein solches transparentes Flächenelement kann beispielsweise ein Seitenfenster, ein Schiebedach, eine Frontscheibe oder eine Heckscheibe sein. Es besteht ferner die Möglichkeit, anstelle eines solchen transparenten Flächenelements ein Sichtschutzelement wie ein Sonnenschutzrollo anzusteuern und zu öffnen.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Kraftfahrzeug anzugeben, bei dem die Rettung nach einem Unfall erleichtert ist.
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Zur Lösung dieser Aufgabe ist bei einem Kraftfahrzeug der eingangs genannten Art erfindungsgemäß vorgesehen, dass das Fahrerassistenzsystem dazu ausgebildet ist, bei einer überschrittenen Gefährdungsschwelle wenigstens eine geschlossene Beschattungseinrichtung mittels des Aktors in eine geöffnete Position oder Stellung zu bewegen oder zu schalten.
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Die Erfindung stellt eine Erweiterung einer an sich bekannten PreCrash-Funktion um eine weitere Funktionalität dar. Erfindungsgemäß wird eine Beschattungseinrichtung, sofern diese zum Zeitpunkt eines Unfalls geschlossen ist, in eine geöffnete Position gebracht, wodurch ein Einblick durch eine Scheibe in das Innere des Kraftfahrzeugs für Ersthelfer oder Rettungskräfte erleichtert wird. Die Erfindung erhöht somit die Sicherheit für Fahr-zeuginsassen, da gegebenenfalls schneller und gezielter Hilfs- und Rettungsmaßnahmen durchgeführt werden können.
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Gemäß einer Weiterbildung der Erfindung kann es vorgesehen sein, dass die Beschattungseinrichtung als an einem Fenster angebrachtes Rollo ausgebildet ist. Das Bewegen der Beschattungseinrichtung umfasst in diesem Fall das Aufwickeln des Rollos auf eine Welle.
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Alternativ kann die Beschattungseinrichtung auch anders aufgebaut sein, beispielsweise kann ein Vorhang oder dergleichen zwischen einer geschlossenen Position, in der er eine Fahrzeugöffnung wie ein Fenster verdeckt, und einer geöffneten Position, in der er beispielsweise von einem Karosseriebauteil verdeckt ist, bewegt werden. Ein derartiger Vorhang kann beispielsweise im Inneren einer Fahrzeugtür oder im Bereich eines Fahrzeugdachs angeordnet sein und mittels eines Aktors linear bewegt werden.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung kann das Rollo an einem Fenster einer Seitentür oder an einer Heckscheibe oder an einem Fahrzeugdach angeordnet sein. Derartige Rollos können stufenlos verstellt werden und verringern das Eindringen von Wärmestrahlung in das Fahrzeuginnere, zudem verhindern sie die Einsicht in das Fahrzeuginnere von außen.
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Alternativ oder zusätzlich ist es bei dem erfindungsgemäßen Kraftfahrzeug möglich, dass die Beschattungseinrichtung wenigstens eine Glasscheibe mit einstellbarer Transparenz umfasst. Derartige Glasscheiben ermöglichen ein Umschalten zwischen einem tansparenten, durchsichtigen Zustand in einen getönten, nicht durchsichtigen und somit nicht von außen einsehbaren Zustand. Derartige Glasscheiben mit steuerbarer Transparenz können zwischen zwei Glasschichten Folien aufweisen, zwischen denen sich eine Emulsion mit Teilchen befindet, die sich beim Anlegen einer Spannung, insbesondere einer Wechselspannung, am elektrischen Feld ausrichten, so dass Licht die Scheibe durchdringen kann. Im ausgeschalteten Zustand orientieren sich die Teilchen zufällig und blockieren weitgehend die Lichteinstrahlung. Es ist auch möglich, durch Beeinflussung des elektrischen Felds Zwischenstufen zwischen einer durchsichtigen und einer nicht durchsichtigen Stellung einzustellen.
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Eine ganz besonders bevorzugte Weiterbildung des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs sieht vor, dass das Fahrerassistenzsystem so ausgebildet ist, dass bei einer überschrittenen Gefährdungsschwelle alle geschlossenen Beschattungseinrichtungen in die geöffnete Position oder Stellung bewegt oder geschaltet werden. Beispielsweise können Beschattungseinrichtungen von vier Seitentüren, einer Heckscheibe und eines Fahrzeugdachs beim Auftreten eines Unfallereignisses in die geöffnete Position bewegt werden.
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Bei dem erfindungsgemäßen Kraftfahrzeug erfolgt das Bewegen der Beschattungseinrichtungen vorzugsweise gleichzeitig oder in geringem zeitlichen Abstand zu der Auslösung eines weiteren Aktors, beispielsweise eines Gurtstraffers, der Auslösung einer optischen und/oder akustischen Warnung, der Vorbefüllung einer Bremsanlage, zur Auslösung eines Warnrucks, einer Teilbremsung oder eines Warnblinkmanövers.
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Daneben betrifft die Erfindung ein Betriebsverfahren für ein Fahrerassistenzsystem, das ein Unfallrisiko durch Erfassen eines instabilen Fahrzustands erkennt und beim Überschreiten einer Gefährdungsschwelle wenigstens einen Aktor betätigt.
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Das erfindungsgemäße Betriebsverfahren sieht vor, dass das Fahrerassistenzsystem bei einer überschrittenen Gefährdungsschwelle wenigstens eine geschlossene Beschattungseinrichtung mittels des Aktors in eine geöffnete Position bewegt oder in eine geöffnete Stellung schaltet.
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Bei dem erfindungsgemäßen Betriebsverfahren wird es bevorzugt, dass der Aktor bei einer überschrittenen Gefährdungsschwelle ein Rollo der Beschattungseinrichtung aufrollt oder eine Glasscheibe mit einstellbarer Transparenz in einen transparenten Zustand schaltet.
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Vorzugsweise kann es bei dem erfindungsgemäßen Betriebsverfahren vorgesehen sein, dass der Aktor bei einer überschrittenen Gefährdungsschwelle alle geschlossenen Beschattungseinrichtungen in die geöffnete Position bewegt oder in einen durchsichtigen Zustand schaltet.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels unter Bezugnahme auf die Zeichnungen erläutert. Die Zeichnungen sind schematische Darstellungen und zeigen:
- 1 eine Seitenansicht eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs;
- 2 eine Ansicht des in 1 gezeigten Kraftfahrzeugs von hinten;
- 3 eine Ansicht des in 1 gezeigten Kraftfahrzeugs von oben;
- 4 das in 1 gezeigte Kraftfahrzeug nach dem Eintritt eines Unfallereignisses;
- 5 eine Ansicht des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs von hinten nach dem Eintritt eines Unfallereignisses;
- 6 eine Ansicht des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs von oben nach dem Eintritt eines Unfallereignisses; und
- 7 einen beispielhaften Verlauf eines Unfallrisikos über der Zeit.
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Das in 1 in einer Seitenansicht gezeigte Kraftfahrzeug 1 umfasst ein Fahrerassistenzsystem 2, das zum Erkennen eines Unfallrisikos durch Erfassen eines instabilen Fahrzustands ausgebildet ist. Das Fahrerassistenzsystem 2 ist dazu mit Sensoren verbunden, in dem dargestellten Ausführungsbeispiel handelt es sich um Sensoren 3, 4 zum Erfassen von Längsbeschleunigungen und Querbeschleunigungen. Falls das Fahrerassistenzsystem 2 oberhalb einer festgelegten Grenzgeschwindigkeit, die in dem dargestellten Ausführungsbeispiel 30 km/h beträgt, ein kritisches Fahrmanöver anhand der von den Sensoren 3, 4 gelieferten Messwerte erkennt, steuert das Fahrerassistenzsystem 2 verschiedene Aggregate des Kraftfahrzeugs 1 an, um das Verletzungsrisiko für Fahrzeuginsassen bei einem Aufprall zu verringern.
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Analog zu herkömmlichen Fahrerassistenzsystemen werden elektrische Gurtstraffer angesteuert, um einen gegebenenfalls vorhandenen Durchhang der Sicherheitsgurte zu beseitigen. Zusätzlich werden bewegbare Fahrzeugscheiben des Kraftfahrzeugs 1 durch das Fahrerassistenzsystem 2 geschlossen. In dem dargestellten Ausführungsbeispiel werden Türscheiben 5, 6 von Seitentüren 7, 8 geschlossen, dasselbe gilt für die entgegengesetzte, rechte Seite des Kraftfahrzeugs 1.
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2 zeigt das Kraftfahrzeug 1 in einer Ansicht von hinten. 3 zeigt das Kraftfahrzeug 1 in einer Ansicht von oben. Das Kraftfahrzeug 1 umfasst ein Schiebedach 9, das wie die Türscheiben 5, 6 beim Überschreiten einer Gefährdungsschwelle in die geschlossene Position bewegt wird. 3 zeigt den Zustand vor dem Eintritt eines Unfallereignisses, das Schiebedach 9 ist einen Spalt 10 weit geöffnet.
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7 ist ein Diagramm und zeigt schematisch den Verlauf eines Unfallrisikos im Zeitablauf. Auf der waagerechten Achse ist die Zeit t aufgetragen, auf der senkrechten Achse ist das Unfallrisiko aufgetragen. Eine waagerechte gestrichelte Linie 11 zeigt das Unfallrisiko an. Eine Kurve 12 zeigt den Verlauf des Unfallrisikos an. Ausgehend von dem linken Ende der Kurve 12 erkennt man, dass das Unfallrisiko ansteigt. Zum Zeitpunkt T überschreitet das Unfallrisiko die durch die horizontale Linie 11 dargestellte Gefährdungsschwelle. In diesem Augenblick betätigt das Fahrerassistenzsystem 2 Aktoren, um geschlossene Beschattungseinrichtungen in eine geöffnete Position zu bewegen.
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Den Türscheiben 5, 6 der Seitentüren 7, 8 ist jeweils eine als Rollo 13, 14 ausgebildete Beschattungseinrichtung zugeordnet. Der in 2 gezeigten Heckscheibe 15 ist ein Rollo 16 zugeordnet. Dem in 3 gezeigten Schiebedach 9 ist ein Rollo 17 zugeordnet. Die Rollos 13, 14, 16, 17 werden durch Schraffuren dargestellt. Zum Zeitpunkt T, das heißt zum Zeitpunkt des Eintritts des Unfallereignisses, befindet sich das Rollo 13 in seiner obersten, geschlossenen Position, das Rollo 14 der Türscheibe 6 ist teilweise geöffnet. Das Rollo 16 der Heckscheibe 15 ist geschlossen, das dem Schiebedach 19 zugeordnete Rollo 17 ist teilweise geschlossen.
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Zum Zeitpunkt T steuert das Fahrerassistenzsystem 2 sämtliche als Rollo 13, 14, 16, 17 ausgebildete Beschattungseinrichtungen mittels des jeweiligen Aktors so, dass die Rollos 13, 14, 16, 17 jeweils in ihre geöffnete Position bewegt werden. Beispielhaft ist in 1 schematisch ein Aktor 18 dargestellt. Es handelt sich dabei um einen Elektromotor, der eine Welle antreibt, auf der das Rollo 13 aufgewickelt bzw. von der es abgewickelt werden kann. Jedem Rollo 13, 14, 16, 17 ist ein entsprechender Aktor zugeordnet.
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Zeitgleich mit dem Bewegen der als Rollo ausgebildeten Beschattungseinrichtungen werden die Türscheiben 5, 6 sowie die Scheibe des Schiebedachs 9 geschlossen.
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Die 4 bis 6 entsprechen den 1 bis 3, wobei 4 das Kraftfahrzeug 1 in einer Seitenansicht, 5 das Kraftfahrzeug 1 in einer Ansicht von hinten und 6 das Kraftfahrzeug 1 in einer Ansicht von oben zeigt. Die 4 bis 6 zeigen das Kraftfahrzeug 1 nach dem Eintritt eines Unfallereignisses und nachdem sämtliche Rollos 13, 14, 16, 17 durch das Fahrerassistenzsystem 2 in ihre geöffnete Position bewegt worden sind. In diesem Zustand ist das Innere des Kraftfahrzeugs 1 von außen für Ersthelfer oder Rettungskräfte einsehbar, so dass Rettungsmaßnahmen schneller und zielführender vorgenommen werden können.