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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Impedanzregelung eines mobilen Systems mit einer kinematisch geregelten, verfahrbaren Plattform und einem Kraft- oder Drehmoment geregelten Manipulator mit Gelenken und einem Greifer.
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1. Aufgabenstellung und technische Problem, Zweck der Erfindung
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Mobile Manipulatoren werden zunehmend in der Industrie eingesetzt (Logistik, Fertigung, Kooperation und Assistenz von Arbeitern in Werkshallen, ...), sie sind allerdings auch für häusliche Anwendungen relevant (Haushaltsroboter, ”Service Roboter”, Unterstützung in der Altenpflege, ...). Die Systeme bestehen aus einer mobilen Basis zur Fortbewegung (meist mit Rädern) sowie einem oder mehreren Manipulatoren (Roboterarmen) und Händen oder Greifern. Für physikalische Mensch-Roboter-Interaktion ist sowohl Nachgiebigkeit gefordert (z. B. über eine Impedanzregelung), ein breites Einsatzfeld des Roboters (großer Arbeitsraum), als auch Sicherheit (Kollisionen vermeiden etc.). Die Erfindung betrifft einen Lösungsansatz für diese Probleme auf Basis einer ganzheitlichen (Ganzkörper-)Impedanzbetrachtung für mobile Roboter (Impedanzregelung, mobile Manipulation, Admittanzregelung, nachgiebig, Interaktion), der sowohl theoretisch als auch experimentell validiert wurde.
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1.1. Darstellung des Standes der Technik
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Wie auch weiter unten beschrieben, existieren bereits mobile Systeme mit Manipulatoren, die auf mobilen Basen montiert sind. Der aktuelle Stand der Technik lässt ein paar grundlegende Trends erkennen:
- • Die Teilsysteme ”mobile Basis” und ”Manipulator” werden getrennt voneinander betrachtet. Dementsprechend wird meistens lediglich eine sequenzielle Ausführung von Aufgaben erreicht, d. h. der mobile Manipulator fährt von A nach B und erledigt dann im Anschluss seine Aufgabe, ohne währenddessen die Basis weiter zu bewegen. Dadurch wird die Performanz deutlich eingeschränkt, da der Arbeitsraum während der Manipulation so eingeschränkt ist wie bei einem ortsfesten Roboter, und die Ausführung der Aufgabe wird verlangsamt, da sequenziell vorgegangen wird.
- • Wenn die Teilsysteme ”mobile Basis” und ”Manipulator” gemeinsam und synchronisiert betrachtet werden, dann werden üblicherweise rein kinematische Ansätze verfolgt, z. B. mittels eines Inverskinematikalgorithmus. In diesem Fall gehen die bekannten Vorteile der Impedanzregelung (Nachgiebigkeit, sichere Mensch-Roboter-Interaktion, Robustheit) verloren.
- • Wenn Ansätze zum Gesamtsystem (”mobile Basis” und ”Manipulator”) nicht auf reaktiven Methoden (z. B. lokaler Inverskinematik) beruhen, dann wird in der Regel im gesamten Konfigurationsraum des Roboters geplant. Dementsprechend dauert die Aufgabenplanung und Trajektoriengenerierung signifikant länger und ist dementsprechend in vielen Anwendungsbereichen nicht effizient nutzbar.
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Aus
US 5 550 953 A ist ein weiteres Verfahren zur Regelung und Manipulation eines mobilen Roboters beschrieben, der einen auf einer mobilen Basis montierten Roboterarm aufweist. Der Roboter ist kinematisch redundant, wobei Basis-Freiheitsgrade und Arm-Freiheitsgrade als gleichwertig in einem Gesamtsystem betrachtet werden.
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US 2010/0152899 A1 beschreibt die koordinierte Regelung mobiler Manipulatoren mit mobiler Basis und Manipulator und dem Ziel der Regelung des Endeffektors (Manipulators) durch koordinierte/synchronisierte/gleichzeitige Bewegung von mobiler Basis und Manipulator.
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1.2. Nachteile des Standes der Technik
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- • Bisherige Ansätze betrachten die Systeme ”Manipulator” und ”mobile Basis” meist separat. Dementsprechend muss für die Subsysteme getrennt geplant werden. Auch die Regelung wird deutlich erschwert, da eine Synchronisation der Teilsysteme nur bedingt und unter Einbußen der Performanz möglich ist.
- • Bekannte Ansätze zur synchronisierten Manipulation von ”Manipulator” und ”mobiler Basis” finden auf kinematischer Ebene statt. Dementsprechend ist keine nachgiebige Interaktion möglich (Impedanzregelung).
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1.3. Aufgabe
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Aufgabe der Erfindung ist es, die Impedanzregelung von mobilen Systemen mit kinematisch geregelten, verfahrbaren Plattformen (mobilen Basen) und mit Kraft- oder Drehmoment geregelten Manipulatoren zu verbessern.
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2. Wodurch wurde die Aufgabe gelöst, mit welchen Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik?
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Zur Lösung dieser Aufgabe wird mit der Erfindung ein Verfahren zur Impedanzregelung eines mobilen Systems vorgeschlagen, das versehen ist mit einer kinematisch geregelten, verfahrbaren Plattform, die in mindestens einer Bewegungsrichtung verfahrbar und/oder um mindestens eine Drehachse drehbar ist, insbesondere vorwärts sowie rückwärts und/oder nach links sowie nach rechts verfahrbar und/oder um eine Hochachse drehbar ist, und mit einem kraft- oder drehmomentgeregelten Manipulator mit Gelenken und einem Greifer, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
- a) Definieren einer Aufgabe für den Greifer in einem kartesischen Arbeitsraum,
- b) Definieren einer Impedanz zur Ausführung der Aufgabe durch das mobile System,
- c) Bestimmen derjenigen Gelenkkräfte und -momente für den Manipulator und derjenigen in der mindestens eine Bewegungsrichtung weisende Kraft und/oder desjenigen Drehmoments für die verfahrbare Plattform, die zur Umsetzung der Impedanz bei Ausübung der Aufgabe erforderlich sind,
- d) Aufbringen der erforderlichen Manipulator-Gelenkkräfte und -momente am Manipulator,
- e) Aufbringen der mindestens einen erforderlichen Kraft und/oder des erforderlichen Moments an der verfahrbaren Plattform mit einer vorgebbaren Admittanz in der jeweiligen Bewegungs- und/oder Drehrichtung,
- f) Umsetzung der sich aus der Admittanz ergebenden Bewegung der verfahrbaren Plattform durch einen kinematischen Regler und
- g) zusätzliche modellbasierte Regelung des mobilen Systems zur Modifikation und/oder Kompensation von zwischen dem Manipulator und der verfahrbaren Plattform gegebenen Trägheits- und Coriolis- sowie Zentrifugalkopplungen, die sich aufgrund der Bewegungen und/oder Drehungen der Plattform auf den Manipulator und vor allem auf dessen Dynamik und aufgrund von Bewegungen und/oder Drehungen des Manipulators auf die Plattform und vor allem auf deren Dynamik auswirken.
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Sinngemäß wird mit der Erfindung durch eine zusätzliche modellbasierte Regelung des mobilen Systems die Trägheits- und Coriolis- sowie Zentrifugalkopplung zwischen Plattform und Manipulator modifiziert bzw. kompensiert (siehe das oben angegebene Merkmal g)).
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Das bekannte Konzept der Impedanzregelung für Manipulatoren wird somit erfindungsgemäß auf das Gesamtsystem (inkl. der mobilen Basis) ausgeweitet. Da mobile Basen allerdings in der Regel kinematisch geregelt werden (aufgrund der Ansteuerung der Räder und der entsprechenden kinematischen Rollbedingungen), ist eine direkte Anwendung des Impedanzkonzeptes nicht möglich. Der Lösungsansatz wird in 2.2. beschrieben. Die Vorteile gegenüber dem Stand der Technik sind:
- • Das gewünschte Kontaktverhalten wie beim bewährten Impedanzregler wird für mobile Systeme bereitgestellt, d. h. der Arbeitsraum des Roboters wird durch die mobile Basis signifikant vergrößert. Das Kontaktverhalten ist robust und stabil.
- • Der gesamte Nullraum des Robotersystems kann einheitlich für weitere Aufgaben (Eigenkollisionsvermeidung, Singularitätsvermeidung, Kollisionsvermeidung mit der Umgebung, etc.) verwendet werden.
- • Die Planung von Aufgaben wird deutlich vereinfacht (Rechenzeitaufwand, Komplexitätsaufwand), da sie lediglich für den End-Effektor (bzw. den entsprechenden ”task space”) durchgeführt werden muss, d. h. beispielsweise im intuitiven kartesischen Raum. Der restliche Konfigurationsraum wird reaktiv aufgelöst (siehe den beigefügten Artikel für Details).
- • Durch die geschickte Kompensation von dynamischen Verkopplungen zwischen Manipulator und mobiler Basis wurde bereits ein mathematischer Stabilitätsbeweis gefunden. Ohne diese Kompensation zur aktiven Entkopplung kann das System instabil werden, wie in 1.2 beschrieben.
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2.1. Welche Merkmale und/oder Kombinationen von Merkmalen charakterisieren die Neuheit der Erfindung?
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- • Nachgiebige, robuste Interaktion und Aufgabenausführung für mobile Systeme:
Aktuelle Ansätze bieten dies nicht für mobile Roboter an; das Einsatzgebiet ist auf ortsfeste Roboter eingeschränkt.
- • Garantierte Stabilität:
Mittels dynamischer Entkopplung kann sowohl theoretisch als auch praktisch die Stabilität und demnach die Sicherheit des Roboters, des Anwenders und der Umgebung gewährleistet werden. Bisherige Ansätze konnten dies noch nicht gewährleisten.
- • Aufgabenplanung erleichtert:
Durch die Planung im niedrigdimensionalen kartesischen Raum wird sowohl die Komplexität als auch die Rechenzeit gesenkt. Ansätze, die ebenfalls diese Vorteile bieten, können im Gegenzug keine Nachgiebigkeit und Reaktivität des Gesamtsystems ”mobiler Manipulator” sowie garantierte Stabilität vorweisen.
- • Hochdimensionaler Nullraum nutzbar:
Beispiel: Ein Roboterarm mit 7 Freiheitsgraden auf einer mobilen Basis mit 3 Freiheitsgraden (vorwärts/rückwärts, links/rechts, Drehung um die Hochachse). Das Gesamtsystem hat 10 nutzbare Freiheitsgrade, wobei nur 6 Freiheitsgrade für eine kartesische Aufgabe verwendet werden müssen (z. B. Fügeaufgaben oder Hol- und Bringdienste). Der 4-dimensionale Nullraum kann für weitere Aufgaben verwendet werden (Kollisionsvermeidung, Singularitätsvermeidung, Energieeffizienzsteigerung etc.). Alternative Ansätze mit nutzbarem Nullraum auf reaktiver (d. h. instantaner) Ebene sind uns für mobile Systeme mit den oben genannten Vorteilen nicht bekannt.
- • Senkung der gefühlten/aktiven Plattformträgheit:
Aufgrund der Admittanz in der mobilen Basis kann die Trägheit der Plattform herunterskaliert werden, so dass sich das Gesamtsystem deutlich weniger träge verhält. Für Roboter mit Krafteingang/Drehmomenteneingang in der Plattform müssten hierfür zwangsweise die externen Kräfte auf die mobile Basis gemessen und zurückgeführt werden.
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Die Erfindung ist in der Anwendung zumindest eines der zuvor Merkmale zu sehen.
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2.2 Beschreibung mindestens eines Ausführungsbeispieles der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Konzept wird am einfachen Beispiel der erläutert, wobei die Benennung der Variablen in dieser Abbildung wie folgt ist:
xdes Sollwert kartesisch (End-Effektor)
q, q . Gelenkwinkel/-geschwindigkeiten (Oberkörper)
τ ext / r,q τ ext / r τ ext / q Externe Kräfte/Momente (r: Plattform, q: Oberkörper)
w, w . Plattformmesswerte (Radstellung, Lenkwinkel, ...)
τ virt / r virtuelles Drehmoment (Schnittstelle zur Impedanz)
τmeas Drehmomentenmesswerte Oberkörper
ẏ Geschwindigkeiten (Oberkörper und Plattform)
r .des Sollgeschwindigkeit Plattform
τq Solldrehmomente (Oberkörper)
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Eine kartesische Impedanz wird am TCP (Tool Center Point) aufgebracht. Der Manipulator besteht in diesem Beispiel aus einem 2-Achs-Arm mit den Gelenken q1 und q2. In beiden Gelenken kann die Kraft direkt vorgegeben werden, vergleichbar mit drehmomentengeregelten Leichtbauarmgelenken. Es wird angenommen, dass die mobile Basis mit Koordinate r nur kinematisch geregelt werden kann. Dementsprechend gibt es hier keinen Krafteingang, es kann nur eine Position oder Geschwindigkeit vorgegeben werden, die dann von einem steifen kinematischen Plattformregler umgesetzt wird. Die virtuelle Kraft aus der virtuellen Feder der Impedanz wird entsprechend dem klassischen Impedanzgesetz in die Oberkörpergelenke (q1, q2) transformiert und kommandiert. An der Plattform wird dieses Kraftkommando dann zunächst in ein Geschwindigkeitskommando umgerechnet, und zwar anhand einer Admittanzgleichung. Diese könnte wie folgt aussehen:
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In Gleichung (1) ist das erste Argument auf der rechten Seite die auf die Plattform projizierte Kraft aus der virtuellen Feder, d. h. die Schnittstelle zur Impedanz. Das zweite Argument auf der rechten Seite ist die externe Kraftmessung an der mobilen Basis. Sollte dort ein entsprechender Sensor vorhanden sein, dann kann hierdurch der kinematisch geregelten Plattform eine physikalische Nachgiebigkeit bei Interaktion eingeprägt werden. Dies muss aber nicht der Fall sein. Die Sollgeschwindigkeit der Plattform in ihren kartesischen Richtungen (hier: in r-Richtung; das Superskript ”des” steht für ”desired”) wird mittels Vorgabe einer virtuellen Masse der Plattform (M_adm) sowie einer virtuellen Dämpfung (D_adm) bestimmt. Dieses Sollgeschwindigkeitskommando wird dann von einem entsprechenden kinematischen Regler umgesetzt. Die Plattform wird sich dann so verhalten, als würde sie diese Trägheit und Dämpfung tatsächlich besitzen.
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Als Resultat verhält sich das Gesamtsystem entsprechend einem mechanischen Impedanzgesetz, wobei die kinematisch geregelte Plattform sich bei physikalischer Interaktion mit dem Roboter so anfühlt, als hätte sie die spezifizierten, virtuellen Trägheiten aus der Admittanz. Wie sich theoretisch und auch experimentell einfach zeigen lässt, tritt bei vielen Parametrierungen der Admittanz Instabilität im Gesamtsystem auf. Die mobile Basis ist üblicherweise deutlich schwerer als der Manipulator, weshalb man die Admittanzmasse in der Regel deutlich niedriger wählt als die tatsächliche. So kann erreicht werden, dass die Massen im System ähnliche Werte aufweisen (im Falle des linearen Beispiels würde man den virtuellen Wert von m1 ähnlich hoch wie m2 oder m3 wählen, damit alle Teilsysteme ähnliche Dynamik aufweisen). Die Instabilität hat ihre Ursache in einem Passivitätsverlust. Die Basisdynamik ist nach wie vor gegeben durch die Admittanzgleichung (1). Die Oberkörperdynamik hat allerdings noch Trägheits- sowie Coriolis-/ und Zentrifugalkopplungen zur Plattform. Mit dem ursprünglichen Ansatz können diese Verkopplungen das System destabilisieren. Für das lineare Beispiel aus ist diese Instabilität theoretisch nachgewiesen, und es werden Bereiche angegeben, bei denen Instabilität auftritt. Kompensiert man diese dynamischen Verkopplungen allerdings, wie es erfindungsgemäß vorgeschlagen wird, so erhält man Stabilität für alle Admittanzparameter.
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Eine schematische Darstellung des Reglers am Beispiel eines Roboters findet sich in , die Bezeichnungen der Variablen sind in obiger Tabelle 1 aufgelistet.
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Der Kompensationsterm für die dynamische Entkopplung befindet sich im Block ”Ganzkörper-Impendanzregler” und wird erläutert. Das gesamte System aus ist passiv bezüglich des Eingangs ”externe Kräfte und Momente” und des Ausgangs ”Gelenkgeschwindigkeiten”. Asymptotische Stabilität der Gleichgewichtslage kann ebenfalls bewiesen werden (siehe weiter unten). Messergebnisse an einem Versuchsroboter zeigen die Vorteile des Ansatzes, siehe . In diesem Beispiel sind für den unkompensierten Fall Admittanzparameter gewählt, die das System bei der betrachteten Trajektorie noch nicht vollständig destabilisieren. Eine weitere Verringerung der Admittanzmasse führt dann jedoch zu sofortiger Instabilität.
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Wie bereits oben erwähnt, verkörpert sich die Erfindung in dem Block ”Ganzkörper-Impedanzregler” der . Zur Verdeutlichung dieses erfindungsgemäßen Unterschiedes zum Stand der Technik wird auf die und verwiesen, wobei ein Blockschaltbild des Gesamt-Regelsystems nach dem Stand der Technik und das Blockschaltbild des erfindungsgemäßen Gesamt-Regelsystems zeigt.
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Der Sollwert wird in beiden Fällen als kartesische Sollvorgabe für den Greifer vorgegeben. Im Stand der Technik nach wird diese Sollvorgabe zusammen mit den Messungen der Positionen und Geschwindigkeiten des Manipulators sowie der Positionen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der mobilen Plattform in einem kartesischen Impedanzregler der ggf. eine Nullraumauflösung liefert, verarbeitet und in Form von Sollkräften und Solldrehmomenten für den Manipulator und in Form von virtuellen Kräften und Drehmomenten für die mobile Plattform an eine Plattform-Admittanz-Regelung gegeben. Letztere gibt die Sollbewegung für die mobile Plattform vor.
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Wenn nun auf dieses derart geregelte System externe Kräfte einwirken, so wirken sich diese einerseits auf den Manipulator und andererseits auf die mobile Plattform aus. Die externen Kräfte bzw. Drehmomente können, sofern sie sensorisch erfassbar sind, auch dem Plattform-Admittanz-Regler zugeführt werden.
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Bei dem erfindungsgemäßen Ansatz gemäß dem Blockschaltbild nach werden nun die rückgeführten Messsignale für die Positionen und Geschwindigkeiten des Manipulators sowie für die Positionen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der mobilen Plattform zusätzlich einem modellbasierten Regler zugeführt; dieser modellbasierte Regler dient der Modifikation bzw. Kompensation der Trägheits-, Coriolis- und Zentrifugalverkopplungen zwischen der mobilen Plattform und dem Manipulator. Der modellbasierte Regler gibt Signale aus, die einerseits dem Eingriff zur Stabilisierung und Performancesteigerung des Manipulators und andererseits dem Eingriff zur Stabilisierung und Performancesteigerung der mobilen Plattform und damit der Performancesteigerung des Gesamtsystems dienen. Diese Signale werden summarisch mit den jeweiligen Signalen des kartesischen Impedanzreglers für den Manipulator bzw. für die mobile Plattform kombiniert und ergeben somit die Sollkräfte und Solldrehmomente für den Manipulator bzw. die Sollbewegung für die mobile Plattform (unter Zwischenschaltung des Plattform-Admittanz-Reglers). Externe Kräfte bzw. Drehmomente, die auf das Gesamtsystem wirken, haben Einfluss auf sowohl den Manipulator als auch die mobile Plattform und können nun ausgeregelt werden. Auch hier gilt, dass bei einer sensorischen Erfassung dieser externen Kräfte bzw. Drehmomente eine Regelung der mobilen Plattform über den Plattform-Admittanz-Regler möglich ist.
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Wie bereits oben erwähnt, soll nachfolgend im Rahmen der Beschreibung der ”mobilen Impedanz” nochmals auf den Kompensationsterm für die dynamische Entkopplung von Manipulator und mobiler Plattform näher eingegangen werden.
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Grundvoraussetzungen: Ein Kraft- bzw. drehmomentengeregelter Manipulator ist auf einer verfahrbaren, mobilen Plattform montiert. Unabhängig von der Art der Fortbewegung der mobilen Plattform (Art des Antriebs, Anzahl der aktuierten Elemente, etc.) realisiert ein kinematischer Regler (inkl. der darunter liegenden Ansteuerung der Motoren) eine vorgebbare Plattformbewegung in ihren tatsächlichen Bewegungsrichtungen (z. B. vorwärts/rückwärts, links/rechts, und Drehung um die Hochachse).
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Schritt 1: Es wird eine kartesische Sollvorgabe am Endeffektor/Greifer (im folgenden nur ”Endeffektor” genannt) des Manipulators vorgenommen. Mittels eines mechanischen Impedanzgesetzes wird eine ”virtuelle” Feder zwischen aktuellem Endeffektor (beschrieben durch Lage und Orientierung) und gewünschtem Endeffektor (beschrieben durch Lage und Orientierung) aufgespannt. Zusätzlich zu dieser Feder können auch weitere Elemente umgesetzt werden, wie beispielsweise eine Dämpfung. Die beschriebene ”kartesische Impedanz” und die Struktur der kartesischen Impedanzregelung sind in skizziert. Der ”Manipulator” ist in diesem Beispiel der gesamte Oberkörper (Torso, Arme, Hände). Die ”mobile Plattform” ist die mit Rändern realisierte Basis.
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Schritt 2: Es werden die Kräfte und Drehmomente am aktuellen Endeffektor (beschrieben durch Lage und Orientierung) bestimmt, die sich aus dem Impedanzgesetz ergeben, um das virtuelle System zu realisieren. Damit können bis zu 3 Kräfte und 3 Drehmomente am Endeffektor bestimmt werden, im Folgenden im Vektor ”generalisierte kartesische Kraft” zusammengefasst.
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Schritt 3: Nun wird die ”generalisierte kartesische Kraft” in jedes der Gelenke des Manipulators übertragen und dann mit der Kraft- bzw. Drehmomentenregelung (siehe Grundvoraussetzungen) umgesetzt. Dabei unterscheidet man zwei Fälle:
- 1. Drehgelenk: Die Kräfte im Vektor ”generalisierte kartesische Kraft” werden mittels der entsprechenden Hebelarme in das Gelenk übertragen (Kraft mal Hebelarm). Zusätzlich werden die Drehmomente im Vektor ”generalisierte kartesische Kraft” direkt in das Gelenk übertragen, d. h. übernommen.
- 2. Schubgelenk: Die Kräfte im Vektor ”generalisierte kartesische Kraft” werden direkt in das Gelenk übertragen, d. h. übernommen.
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Schritt 4: Analog zu Schritt 3.) wird die ”generalisierte kartesische Kraft” in die tatsächlichen Bewegungsrichtungen der Plattform übertragen. Im Beispiel aus sind diese drei Bewegungsrichtungen ”vorwärts/rückwärts”, ”links/rechts” sowie ”Drehung um die Hochachse”. Dabei ist es irrelevant, wie die Bewegung der mobilen Basis realisiert ist (Räder, Ketten, etc.) und wieviele aktuierte Elemente in der Plattform vorhanden sind.
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Schritt 5: Wie vorausgesetzt, kann die mobile Plattform eine beliebige Bewegung ausführen. Mittels einer Admittanz werden die in Schritt 4.) bestimmten Kräfte und Drehmomente in den Bewegungsrichtungen der Plattform (im Folgenden τ genannt) in Bewegungen der Plattform umgerechnet. Diese ”Admittanz” ist ein virtuelles System, bei dem die Dynamikparameter (wie Masse/Trägheit Madm oder Dämpfung Dadm) frei gewählt werden können. Madmr .. + Dadmr . = τ (2)
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Die resultierende, notwendige Bewegung in den tatsächlichen Bewegungsrichtung der Plattform ist gegeben durch die Geschwindigkeit r . und die Beschleunigung r ... Diese Sollbewegung aus Gleichung (2) wird dann durch den kinematischen Regler (und der unterlagerten Ansteuerung der Motoren) umgesetzt. Hierbei wird angenommen, dass dieser kinematische Regler sehr steif ist, d. h. er setzt die Bewegung aus Gleichung (2) genau um und regelt jegliche Störungen aus. Demnach ist die Bewegung aus Gleichung (2) näherungsweise die tatsächliche Bewegung der Plattform.
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Ein weiterer Punkt, den man hier beachten muss, ist, dass in Gleichung (2) die dynamischen Parameter der mobilen Plattform beliebig gewählt werden können. Dadurch kann eine sehr hohe Masse/Trägheit der mobilen Plattform herunterskaliert werden.
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Die Resultate der Schritte 1.) bis 5.) können wie folgt zusammengefasst werden: Das Gesamtsystem, wie in ) beispielhaft gezeigt, setzt eine virtuelle Impedanz (Feder, Dämpfer, etc.) um. Am Endeffektor fühlt man bei physikalischer Interaktion (d. h. Kontakt) die eingestellten Impedanzparameter, sowie die modifizierte Dynamik aus Gleichung (2). Dieses Vorgehen wurde 2011 und 2012 publiziert, siehe [1] und [2].
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Wird die Admittanz aus Gleichung (2) realisiert, dann ergibt sich die folgende Massen- bzw. Trägheitsmatrix
sowie die folgende Coriolis- und Zentrifugalmatrix
in der Dynamik des Systems. In den Termen (3) und (4) bezieht sich die jeweils obere Zeile auf die tatsächlichen Bewegungsrichtungen der Plattform (gegeben durch r ., r ..). Die untere Zeile in jeder Matrix bezieht sich auf die Oberkörpergelenke. Neben den Elementen M
Oberkörper und C
Oberkörper, welche sich ausschließlich auf die Oberkörperdynamik beziehen, treten zusätzlich die Verkopplungen M
Kopplung und C
Kopplung der mobilen Plattform auf den Manipulator auf. Die Matrizen (3) und (4) können beispielsweise analytisch hergeleitet werden, indem man die Plattformdynamik durch Gleichung (2) beschreibt. Aufgrund der Tatsache, dass die gewünschte und realisierte Admittanz in den oberen Zeilen der Matrizen (3) und (4) die entsprechenden Verkopplungen auslöscht, verliert das Gesamtsystem die Eigenschaft der Passivität. Dementsprechend treten in der in [1] und [2] bereits veröffentlichten Methode folgende Probleme auf:
- • Die Systemstabilität ist nicht gewährleistet. Instabilität kann auftreten.
- • Um das System stabil zu betreiben, muss die Admittanz sehr konservativ parametriert werden, d. h. Madm und Dadm müssen sehr hoch gewählt werden. Dadurch wird das System in der möglichen Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, da nur ein niedriges Madm schnelle Bewegungen des Roboters zulässt, und dies aus Stabilitätsgründen in [1] und [2] nicht möglich ist.
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Diese Probleme aus [1], [2] werden nun wie folgt gelöst:
Schritt 7: Die Matrizen (3) und (4) werden durch einen zusätzlichen aktiven Regeleingriff modifiziert, so dass im Idealfall die Verkopplungen MKopplung und CKopplung komplett kompensiert/ausgelöscht werden. Dies wird erreicht, indem der zusätzliche Eingriff MKopplungr .. + CKopplungr . auf die Gelenke des Manipulators gegeben wird. Die Matrizen (3) und (4) werden dadurch diagonalisiert, und folgende Effekte lassen sich zeigen:
- • Die Passivität des Gesamtsystems wird hergestellt für alle Admittanzparametrierungen.
- • Stabilität ist für alle Admittanzparametrierungen gewährleistet.
- • Die Admittanz kann beliebig vorgegeben werden ohne die Stabilität zu gefährden. Das System kann demnach schneller gemacht werden, indem beispielsweise die Masse/Trägheit deutlich unter den vormals erlaubten Werten (aus [1], [2]) gewählt wird.
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Dieser Fall der kompletten Auslöschung der Verkopplungen MKopplung und CKopplung ist nicht die einzige Möglichkeit, die Probleme aus [1] und [2] zu lösen. Die Modifikation der (Dynamik-)Matrizen (3) und (4) kann auch anders stattfinden, zum Beispiel durch das Einfügen von MKopplung T in der oberen Zeile der Matrize (3) und dem entsprechenden Term in der oberen Zeile der Matrize (4) an den Stellen, an denen momentan eine Null steht. Aus diesem Grund soll im Zusammenhang mit der erfindungsgemäßen Kompensation der Verkoppelungen von Manipulator und Plattform verallgemeinert von der Modifikation der (Dynamik-)Matrizen (3) und (4) gesprochen werden.
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Zusammengefasst sind folgende Aspekte zu nennen, die in Verbindung die Erfindung definieren:
- • Konzept der mobilen Impedanz (drehmomentengeregelter/kraftgeregelter Manipulator auf kinematisch geregelter mobiler Basis), geregelt mittels Impedanz und Admittanz.
- • Kompensation/Modifikation der dynamischen Verkopplungen zur Stabilisierung und Performanzsteigerung des Systems.
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3. Gebiete der gewerblichen Anwendungen
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Haushaltsroboter, Assistenz in der Altenpflege, Industrieroboter, Assistenz und Kooperation zwischen Arbeitern in der Werkshalle und Robotern, Roboter im Bereich Logistik, Fertigung, Automobilindustrie etc.
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4. Nicht-Patent-Literatur
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- [1] Alexander Dietrich, Thomas Wimböck, und Alin Albu-Schäffer, ”Dynamic Whole-Body Mobile Manipulation with a Torque Controlled Humanoid Robot via Impedance Control Laws”, in Proc. of the 2011 IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems (IROS), San Francisco, USA, September 2011, pp. 3199–3206.
- [2] Alexander Dietrich, Thomas Wimböck, Alin Albu-Schäffer, und Gerd Hirzinger, ”Reactive Whole-Body Control: Dynamic Mobile Manipulation Using a Large Number of Actuated Degrees of Freedom”, IEEE Robotics & Automation Magazine (RAM): Special Issue on Mobile Manipulation, vol. 19, no. 2, pp. 20–33, Juni 2012.