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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines an einem Rollstuhl befestigten Roboterendeffektors.
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Aus dem Stand der Technik sind Rollstühle bekannt, an denen ein robotischer Manipulator, zum Beispiel ein Roboterarm mit einer Roboterhand, befestigt ist. Hierbei kann der Rollstuhl elektrisch angetrieben sein. Ein Beispiel für einen derartigen Rollstuhl ist das Modell EDAN der Anmelderin der vorliegenden Patentanmeldung. Ein Anwender, der zum Beispiel motorische Einschränkungen hat, soll hierdurch in die Lage versetzt werden, seine Mobilität wiederzuerlangen sowie alltägliche Aufgaben erfüllen zu können (beispielsweise ein Getränk aus dem Kühlschrank holen und zum Mund führen).
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Aus dem Stand der Technik ist ferner das „JACO assistive robotic device“ bekannt, bei dem es um einen Rollstuhl mit dem darauf montierten JACO Roboterarm handelt.
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Im Stand der Technik werden solche Rollstühle üblicherweise durch Joysticks gesteuert. Hierbei hat der Nutzer die Möglichkeit, nacheinander sowohl den Rollstuhl als auch den Roboterarm zu steuern, sodass die Reichweite des Roboterarms durch die Bewegung des Rollstuhls vergrößert werden kann. Bei der Steuerung des Roboterarms ist es möglich, eine Position des Endeffektors vorzugeben (zum Beispiel eine kartesische Position/Orientierung des Endeffektors im Raum). Alternativ können kontinuierliche Signale vom Nutzer vorgegeben werden, um den Endeffektor fernzusteuern. Unter einem kontinuierlichen Steuersignal wird verstanden, dass vom Nutzer kontinuierlich eine Eingabe an einer Eingabevorrichtung erfolgt und er daher kontinuierlich die Bewegung des Roboterendeffektors steuert, bis eine gewünschte Position und/oder Orientierung des Endeffektors im Raum erreicht wird.
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Die Rollstühle, die aus dem Stand der Technik bekannt sind, können häufig durch den Nutzer nicht auf einfach Weise bedient werden. Nachteilig an Vorrichtungen gemäß dem Stand der Technik ist, dass deren Steuerung häufig aufwendig ist, da es notwendig ist, dass der Benutzer zunächst den Rollstuhl in eine Position manövriert, in der der Roboterarm grundsätzlich ein zu manipulierendes Objekt erreichen kann. Hiernach muss der Nutzer über die Eingabevorrichtung den Roboterendeffektor steuern. Hierbei kann es vorkommen, dass während der Bewegung des Roboterendeffektors erneut der Rollstuhl bewegt werden muss, um die gewünschte Bewegung des Roboterendeffektors vollständig durchführen zu können.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein vereinfachtes Verfahren zum Steuern eines an einem Rollstuhl befestigten Roboterendeffektors bereitzustellen.
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Die Lösung der Aufgabe erfolgt erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs in 1.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren zum Steuern eines an einem Rollstuhl befestigten Roboterendeffektors erfolgt zunächst ein Detektieren von Eingabebefehlen eines Nutzers durch eine Eingabevorrichtung. Diese kann beispielsweise am Rollstuhl angebracht sein. Erfindungsgemäß wird durch die Eingabevorrichtung die Position und Orientierung des Roboterendeffektors unmittelbar vorgegeben. Dies bedeutet, dass der Nutzer nicht mit einer möglichen Eingabevorrichtung zunächst den Rollstuhl steuert und hiernach den Roboterendeffektor steuert. Vielmehr gibt der Nutzer durch die Eingabevorrichtung unmittelbar die Position und Orientierung des Roboterendeffektors an. Diese wird dann im Rahmen einer Ganzkörperbewegung, die die Freiheitsgrade des Rollstuhls und des Roboterarms einschließen kann, durchgeführt.
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Der Nutzer muss somit durch die Eingabevorrichtung lediglich den Roboterendeffektor steuern und nicht mehr getrennt den Rollstuhl und den Roboterarm. Anders ausgedrückt wird erfindungsgemäß direkt der Roboterendeffektor gesteuert, wobei hierbei der Rollstuhl nur noch mittelbar gesteuert wird.
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Hierdurch kann eine deutliche Vereinfachung der Bedienung eines solchen Rollstuhls erreicht werden, sodass auch komplexere synchronisierte Ganzkörperbewegungen umgesetzt werden können.
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Beispielsweise kann durch das erfindungsgemäße Verfahren eine Kühlschranktür geöffnet werden, die für eine effiziente Ausführung eine gleichzeitige Bewegung von Roboterarm und Rollstuhl verlangt. Es ist bevorzugt, dass durch das erfindungsgemäße Verfahren als Reaktion auf eine vom Nutzer gewünschte Position und Orientierung des Roboterendeffektors gleichzeitig der Rollstuhl und der Roboterarm bewegt werden, ohne dass jede dieser Komponenten getrennt durch die Eingabevorrichtung gesteuert wird.
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Im Stand der Technik verursacht das Öffnen einer Kühlschranktür einen größeren Aufwand, da zunächst die Tür einen Spalt geöffnet werden muss, wobei sich nur der Roboterarm bewegt, und anschließend die Tür vollständig geöffnet wird (hierbei steht der Roboterarm still und nur der Rollstuhl bewegt sich). Das genannte Ausführungsbeispiel aus dem Stand der Technik kann betrachtet werden auf:
- https://www.youtube.com/watch?v=iZYxJFROew8#t=0m53s
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Der betreffende Abschnitt befindet sich zwischen 0:53 Minuten und 1:03 Minuten.
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Es ist bevorzugt, dass zum Erreichen einer vom Nutzer kommandierten Position und Orientierung des Roboterendeffektors sowohl der Rollstuhl, als auch der Roboterarm, an dem der Roboterendeffektor befestigt ist, bewegt werden.
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Weiterhin ist es bevorzugt, dass sich der Nutzer im Rollstuhl befindet, während er die Eingabevorrichtung betätigt.
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Es ist weiterhin bevorzugt, dass die Steuerung der Position und Orientierung durch den Nutzer an der Eingabevorrichtung kontinuierlich erfolgt. Dies bedeutet, dass der Nutzer nicht eine bestimmte Position und Orientierung des Roboterendeffektors definiert, die dann automatisch durch den Endeffektor angefahren wird. Vielmehr kommandiert der Nutzer kontinuierlich durch die Eingabevorrichtung die gewünschte Bewegung des Roboterendeffektors.
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Weiterhin ist es bevorzugt, dass Freiheitsgrade, die durch die Bewegbarkeit des Rollstuhls entstehen, in die Gesamtkinematik integriert werden. Anders ausgedrückt wird somit der Rollstuhl Teil der Gesamtkinematik des Roboters, sodass eine vom Nutzer kommandierte Position und Orientierung des Roboterendeffektors erreicht wird unter Verwendung der Freiheitsgrade des Rollstuhls und Roboterarms.
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Hierdurch kann erreicht werden, dass die Gesamtkinematik, die die Freiheitsgrade des Rollstuhls und des Roboterarms aufweist, in Bezug auf eine durchzuführende Aufgabe redundant ausgelegt ist.
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Es ist weiterhin bevorzugt, dass diese redundanten Freiheitsgrade der Gesamtkinematik zur Vermeidung von Kollisionen, Singularitäten, mechanischen Endanschlägen und/oder zum Optimieren des Energieverbrauchs einer Bewegung verwendet werden.
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Ebenso kann der Regelungsalgorithmus die physikalische Präsenz des Nutzers auf dem Rollstuhl berücksichtigen. Wenn ein Nutzer beispielsweise 120kg wiegt, wird sich dieses Gewicht auf den Betrieb des Rollstuhls anders auswirken, als wenn der Nutzer nur 50kg wiegt.
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Ein Spezialfall für die Regelung eines mobilen Systems anstatt der kinematischen Vorgabe von End-Effektor-Position/Orientierung ist beispielsweise die Vorgabe einer Endeffektor-Impedanz (siehe Alexander Dietrich, Kristin Bussmann, Christian Ott, und Alin Albu-Schäffer, „Ganzkörperimpedanz für mobile Roboter“,
DE 10 2014 226 936 )
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Da am Rollstuhl in diesem Fall eine Admittanz umgesetzt wird (d.h. die gewünschte Steuer-Kraft aus der Impedanz am End-Effektor wird in eine gewünschte Rollstuhlkraft transformiert - und diese Rollstuhlkraft wird durch einen kinematischen Rollstuhlregler in den Rädern umgesetzt, wobei diese Steuer-Rollstuhlkraft über eine gewünschte (virtuelle) Rollstuhldynamik umgerechnet wird in die entsprechende auszuführende Radbewegung), wäre es sinnvoll, diese virtuellen Admittanz-Dynamik-Parameter des Rollstuhls automatisch abhängig vom Gewicht oder den Bewegungen des Nutzers auf dem Rollstuhl zu wählen. Wenn der Nutzer beispielsweise sehr empfindlich auf Beschleunigungen reagiert, würde man die virtuelle Masse des Rollstuhls hoch wählen (d.h. diejenige Masse mit der die Steuer-Endeffektor-Kraft aus der Endeffektor-Impedanz in eine Radbeschleunigung transformiert wird), damit der Rollstuhl langsamer beschleunigt/bremst.
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Weiterhin ist es möglich, bei einer rein kinematischen Regelung die Reaktion des Rollstuhls abhängig von Gewicht, Bewegungen und oder Krankheitsbild des Nutzers zu machen, um beispielsweise zu verhindern, dass die Rad-Antriebe überlastet werden oder (wie im oberen Impedanz-Beispiel) zu hohe Beschleunigungen/Verzögerungen auftreten, welche der Nutzer nicht verkraftet. Der Effekt wäre dann ein ähnlicher wie im oben beschriebenen Beispiel, aber nun nicht auf eine Impedanz- sondern auf eine Kinematik-Regelung bezogen.
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Andere Möglichkeiten wären u.a. eine vom Nutzer bevorzugte „Aufteilung“ der Edeffektorbewegung in den Roboterarm- und den Rollstuhl-Teil (Benutzerprofil wie bei Autositzen in modernen PKWs), da der Nutzer selbst ja nur die Rollstuhlbewegung spürt und nicht die des Roboterarms. Dies wäre dann beispielsweise in einem entsprechenden Optimierungskriterium für die Redundanzauflösung berücksichtigt, d.h. anstatt „Kollisionen vermeiden“ wäre das Ziel dann z.B. „Bewege den Rollstuhl so wenig wie möglich aber führe die Endeffektorbewegung trotzdem vollständig aus“.
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Es ist bevorzugt, dass die Koordination aller Gelenke, inklusive derjenigen des Rollstuhls, vom Ganzkörperregelungsalgorithmus übernommen wird. Die weiteren Aspekte bezüglich der redundanten Freiheitsgrade können automatisch und insbesondere hierarchisch umgesetzt werden.
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Im folgenden wird eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung anhand einer Figur erläutert.
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Die Figur zeigt eine Anordnung, in der das erfindungsgemäße Verfahren angewandt werden kann.
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Ein Nutzer sitzt in einem Rollstuhl (18), an dem ein Roboterarm (16) angebracht ist. Am distalen Ende des Roboterarms befindet sich der Roboterendeffektor (12). Durch diesen soll eine Aufgabe erfüllt werden, beispielsweise das Öffnen der Tür (20). Hierfür muss der Roboterendeffektor (12) den Türgriff (22) runter drücken. Um den Türgriff (22) zu erreichen, muss der Endeffektor zunächst entlang der Trajektorie (A) zum Türgriff (22) bewegt werden. Nach dem Runterdrücken des Türgriffs (22) muss der Endeffektor (12) entlang der Trajektorie (B) bewegt werden, um die Tür zu öffnen.
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Erfindungsgemäß findet beim Öffnen der Tür, d.h. der Bewegung des Endeffektors (12) entlang der Trajektorie (B) ein gleichzeitiges Bewegen der Gelenke des Roboterarms und des Rollstuhls statt. Die Bewegung des Roboterarms ist hierbei durch Trajektorie (D) gekennzeichnet, während Trajektorie (C) die Bewegung des Rollstuhls kennzeichnet. Diese sind mit einem Fragezeichen versehen, da der genaue Verlauf dieser Trajektorie (C) und (D) durch den Ganzkörperregelungsalgorithmus festgelegt wird. Anders ausgedrückt muss der Nutzer (18) sich somit nicht um die separate Steuerung von Roboterarm (16) und Rollstuhl (10) kümmern, sondern lediglich die Endeffektorbahnen (A) und (B) vorgeben. Die entsprechende, hierfür notwendige Koordination des Roboterarms (16) und Rollstuhls (10) (d.h. die Trajektorie (C) und (D) werden durch den Ganzkörperregelungsalgorithmus automatisch und vorzugsweise während der Laufzeit generiert).
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Hierbei können die zusätzlich zur Verfügung stehenden Freiheitsgrade verwendet werden, um zusätzliche Teilaufgaben auszuführen, die der Regler automatisch realisiert. Im Beispiel der Figur könnte dies „automatisches Ausweichen mit dem Rollstuhl“ sein, während die Tür geöffnet wird, um somit Kollisionen zu vermeiden. Auch kann hierdurch die Erhaltung einer hohen Manipulierbarkeit im Endeffektor während der Ausführungszeit gewährleistet werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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